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OGH vom 28.09.2007, 9ObA28/07v

OGH vom 28.09.2007, 9ObA28/07v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie durch die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Peter Hübner und Mag. Canan Aytekin-Yildirim als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Franz B*****, Unternehmensberater, *****, vertreten durch Dr. Marcus Bachmayr-Heyda, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 348.771,69 sA und Feststellung (Streitwert EUR 1.000), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 78/06y-32, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 25 Cga 151/03p-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Arbeitsrechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen wird dem Endurteil vorbehalten.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist auf der Grundlage eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrags die beherrschte Tochtergesellschaft der Österreichischen V***** AG (Ö*****AG), die 65 % der Aktien der Beklagten hält. Die Beklagte besorgt das Emissionsgeschäft der Ö*****AG. Mit Wirksamkeit vom wurde der Kläger, vorerst befristet auf drei Jahre, zum Mitglied des Vorstands der Beklagten bestellt. Weiters wurde zwischen den Parteien am ein Anstellungsvertrag, gleichfalls befristet auf drei Jahre bis zum , abgeschlossen. Mit Sideletter vom verpflichtete sich die Beklagte, zu Gunsten des Klägers Leistungen in eine Pensionskasse oder einen Rentenvertrag einzuzahlen und für den Kläger eine Unfallversicherung abzuschließen. Mit einer Ergänzung zum Anstellungsvertrag vom wurde dem Kläger ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt, wobei die Beklagte sämtliche Betriebskosten übernehmen sollte. Im Juli 2000 wurden das Vorstandsmandat und der Anstellungsvertrag des Klägers um weitere drei Jahre bis zum verlängert.

Der Anstellungsvertrag des Klägers sah in Pkt III Abs 1 vor, dass das Vorstandsmitglied während der Dauer des Vertrags verpflichtet sei, die Bestellung/Wahl als Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied in konzernangehörigen Unternehmen oder Beteiligungsunternehmen durch die dafür zuständigen Organe anzunehmen, sofern dies im Hinblick auf den Grad der Arbeitsbelastung und die Art der Ausbildung und Tätigkeit des Vorstandsmitglieds zumutbar sei. Nach Pkt III Abs 4 war das Vorstandsmitglied verpflichtet, auf jederzeitiges Verlangen der Gesellschaft alle gemäß Pkt III Abs 1 übernommenen Funktionen unverzüglich niederzulegen. Nach Pkt X Abs 2 war die Gesellschaft im Fall der Abberufung des Vorstandsmitglieds zur vorzeitigen Auflösung des Anstellungsvertrags berechtigt, wenn ein vom Vorstand verschuldeter Grund vorliegt, der in sinngemäßer Anwendung des § 27 AngG die Gesellschaft zur Entlassung berechtigt. Gemäß Pkt XI galten die Bestimmungen des AngG, soweit sich aus dem AktG, der Satzung der Gesellschaft, der Geschäftsordnung für den Vorstand und dem Anstellungsvertrag nichts anderes ergibt.

Zwischen dem Kläger und Manfred K*****, der sowohl Mitglied des Vorstands der Ö*****AG als auch Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten war, bestanden bereits seit Jahren Divergenzen. K***** war im Konzern für Emissionen zuständig; der Kläger war Bereichsleiter für Emissionen bei der Beklagten. Im Zuge des Jahreswechsels 2002/2003 brachte der Kläger gegenüber dem Vorstand der Ö*****AG zum Ausdruck, dass er nicht mehr zu K***** ressortieren wolle. Ein Wechsel des Tätigkeitsbereichs des Klägers wurde allerdings vom Ö*****AG-Vorstand abgelehnt. In einem Schreiben des Klägers vom an den Generaldirektor der Ö*****AG, das in Gleichschrift auch an K***** ging, äußerte sich der Kläger ua abfällig über die fachlichen und menschlichen Qualitäten K*****s, wofür er sich am sowohl gegenüber dem Generaldirektor als auch K***** entschuldigte. Bei einer Besprechung vom hinsichtlich der Bonifizierung der Mitarbeiter der Beklagten äußerte sich der Kläger gegenüber K*****, in Gegenwart des Personalleiters und Prokuristen der Ö*****AG, neuerlich abfällig über dessen fachliche und menschliche Kompetenz.

Erste Gespräche über eine einvernehmliche Trennung vom Kläger blieben ohne Erfolg. Der Generaldirektor der Ö*****AG und K***** gelangten zur Überzeugung, dass der Kläger „den Streit suche" und mit ihm kein Auskommen mehr sei. Es bestehe Gefahr im Verzug, wenn man jemanden in seiner Funktion belasse, der „geistig quasi gekündigt" habe. Am sprach daher K***** im Einvernehmen mit dem Vorstand der Ö*****AG die Suspendierung des Klägers aus. Die Suspendierung wurde vom Aufsichtsrat der Beklagten als Kollegialorgan nachträglich genehmigt. Mit Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom wurde dem Kläger der Ausspruch der Suspendierung neuerlich mitgeteilt. Dieses Schreiben enthielt darüber hinaus auch die Aufforderung an den Kläger, die sonstigen Vorstands-, Geschäftsführer- und Aufsichtsratsfunktionen, die er in acht näher bezeichneten, dem Konzern angehörigen Unternehmen und Beteiligungsunternehmen übernommen habe, gemäß Pkt III des Anstellungsvertrags unverzüglich zurückzulegen. Die Retournierung der beigeschlossenen Rücktrittsschreiben werde bis zum erwartet. Das Schreiben vom wurde an die bisherige Adresse des Klägers zugestellt, ging ihm jedoch nicht zu, weil der Kläger wegen privater Beziehungsprobleme dort bereits ausgezogen war. Im Zuge einer Besprechung vom , bei der auch die Zurücklegung der Funktionen behandelt wurde, erfuhr der Kläger zwar von der Existenz des Schreibens vom ; eine Kopie wurde ihm aber nicht ausgefolgt. Am 12. oder wurde dieses Schreiben an den damaligen Rechtsanwalt des Klägers gefaxt und in der Folge besprochen. Gespräche über eine einvernehmliche Beendigung des Vorstands- und Anstellungsverhältnisses des Klägers blieben weiterhin ohne Erfolg. Die Beklagte lehnte die Vorschläge des Klägers (Abgeltung sämtlicher Ansprüche bis zum Vertragsende), den letzten vom , ab. Am wurde dem Kläger trotz Suspendierung Zutritt zu den Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten gewährt, damit er als Geschäftsführer der M***** GmbH (im Folgenden M*****) - eine der Funktionen, die er hätte zurücklegen sollen - an einer Sitzung über einen Geschäftsfall mit einem Volumen über EUR 10 Mio teilnehmen und Auskünfte geben konnte. In den anderen Funktionen, die vom Kläger zurückzulegen gewesen wären, entfaltete er keine Tätigkeiten.

Am richtete der Aufsichtsratsvorsitzende K***** ein auf Briefpapier der Beklagten verfasstes, neuerliches Schreiben an den Kläger, worin dieser „letztmals" aufgefordert wurde, bis spätestens , 9.00 Uhr, die Rücklegungserklärungen zu übergeben. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach, weil für den ohnehin eine Aufsichtsratssitzung anberaumt war, in der er die Angelegenheit mit den anderen Aufsichtsräten und Aktionärsvertretern besprechen wollte. Im Übrigen erschien ihm auch die bloße Unterfertigung der Aufforderung nur durch K***** als unüblich. Im Zuge der Hauptversammlung der Beklagten vom , die um 11.00 Uhr begonnen hatte, wurde dem Kläger gemäß § 75 Abs 4 AktG einstimmig das Vertrauen entzogen. In der nachfolgenden Aufsichtsratssitzung vom selben Tag wurde die Bestellung des Klägers als Vorstandsmitglied widerrufen und die fristlose Entlassung des Klägers per beschlossen. Die Entlassung wurde mit Schreiben vom bestätigt.

Im Vorprozess zwischen den Parteien blieb die Klage des Klägers auf Feststellung, dass die vom Aufsichtsrat der Beklagten am ausgesprochene und mit Schreiben vom erklärte Suspendierung nicht rechtswirksam gewesen sei, mangels rechtlichen Interesses gemäß § 228 ZPO ohne Erfolg (2 Ob 285/04g). Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage nach mehrfacher Änderung des Klagebegehrens zuletzt die Zahlung entlassungsabhängiger Ansprüche von insgesamt EUR 348.771,69 sA (Kündigungsentschädigung, Abfertigung) sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm jenen Betrag zu ersetzen, „welcher ihm auf Grund von steuerlichen Nachteilen entsteht, welche er mangels Zahlung des laufenden Gehalts, der Prämien und der Abfertigung und dadurch Nichtausnützung von Steuervorteilen geltend machen hätte können oder kann". Der vom Kläger ebenfalls geltend gemachte Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses wurde von den Parteien in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom durch Abschluss eines rechtswirksamen Teilvergleichs erledigt. Der Kläger stützt seine aufrechten Begehren darauf, dass für die Entlassung keine ausreichenden Gründe vorgelegen seien. Das bis befristete freie Dienstverhältnis sei daher von der Beklagten terminwidrig beendet worden. Er habe die Beklagte äußerst erfolgreich und gewinnbringend geführt. Einziger Grund für seine „Entfernung" seien persönliche Differenzen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten gewesen. Der Weisung, Organfunktionen in konzernverbundenen Unternehmen zurückzulegen, sei seine Weisungsfreiheit als Vorstandsmitglied gemäß § 70 AktG entgegengestanden. Darüber hinaus sei die Weisung vom auch deshalb unverbindlich gewesen, weil sie nur vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterfertigt worden sei. Sie sei dem Kläger auch nicht zugekommen, weil sich an der angegebenen Zustelladresse keine Abgabestelle des Klägers mehr befunden habe. Die Entlassung vom sei auch verspätet erfolgt. Im Übrigen habe bei der Beklagten gar kein wichtiges Bedürfnis an der Zurücklegung der Organfunktionen durch den Kläger bestanden, das eine Entlassung gerechtfertigt hätte. Parallel dazu sei nämlich über eine einvernehmliche Auflösung verhandelt worden. Am sei der Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer der M***** sogar noch einer wichtigen Sitzung beigezogen worden. Der Zweck der Zurücklegung der Organfunktionen hätte von der Beklagten auch auf andere Weise erreicht werden können (zB Abberufung als Geschäftsführer; Widerruf der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied). Eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Anstellungsvertrags mit dem Kläger sei daher nicht vorgelegen. Die Aufforderung vom , die Organfunktionen zurückzulegen, habe offensichtlich nur dazu gedient, einen Entlassungsgrund zu konstruieren, wofür auch spreche, dass die entsprechenden Firmenbuchänderungen erst Monate später erfolgt seien. Die Äußerungen des Klägers über K*****, zuletzt vom , seien im Zeitpunkt der Entlassung vom bereits verfristet gewesen.

Die Beklagte bestritt die Höhe des Klagebegehrens in Bezug auf die Bewertung des Dienstwagens, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, beanstandete die mangelnde Schlüssigkeit des Feststellungsbegehrens und wendete ein, dass die zunächst vom Aufsichtsratsvorsitzenden ausgesprochene Suspendierung des Klägers vom Aufsichtsrat der Beklagten genehmigt worden sei. Die Entlassung des Klägers sei zu Recht erfolgt, und zwar wegen Nichtrücklegung der Organfunktionen trotz wiederholter Aufforderung sowie wegen gröbster Beleidigungen durch den Kläger. Es habe sich um eine beharrliche Pflichtenverletzung iSd § 27 AngG gehandelt. Die Weisungsfreiheit des Vorstands einer AG beschränke sich auf die Funktion als Vorstand dieser AG. Nicht erfasst seien dagegen Funktionen des Vorstands außerhalb der AG. Der Sitzung der M***** bezüglich eines sehr wichtigen Großprojekts habe der Kläger nicht als Geschäftsführer, sondern auf Grund seiner speziellen Kenntnis des Sachverhalts beigewohnt. Durch die Suspendierung sei die Unverzüglichkeit der Entlassung gewahrt geblieben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung des wiedergegebenen Sachverhalts ab. Rechtlich ging es davon aus, dass gemäß § 75 Abs 4 letzter Satz AktG Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag durch den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied nicht berührt werden. Bei Vorliegen einer zur Abberufung berechtigenden groben Pflichtverletzung liege aber ein wichtiger Grund für die vorzeitige Auflösung des Anstellungsvertrags vor. Die Weisungsfreiheit des Vorstands gemäß § 70 AktG beziehe sich auf die inhaltliche Arbeit des Vorstands in der Gesellschaft, für die er zum Vorstand bestellt worden sei, und nicht auf die Innehabung von Funktionen außerhalb dieser Gesellschaft. Der Kläger habe daher die Weisung, die organschaftlichen Funktionen zurückzulegen, die im Übrigen bereits dienstvertraglich vereinbart worden sei, zu befolgen gehabt. Da er der wiederholten Aufforderung trotz Fristsetzung nicht nachgekommen sei, sei von einer beharrlichen Weigerung gemäß § 27 Z 4 AngG, sich den gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu fügen, auszugehen. Bezüglich der Geschäftsführerfunktionen bei Gesellschaften, die der Beklagten unmittelbar untergeordnet gewesen seien, habe der Kläger allenfalls noch der Meinung sein können, dass er sich innerhalb der Weisungsfreiheit nach § 70 AktG bewege. Für die Innehabung der Aufsichtsratspositionen bei drei anderen, näher bezeichneten Gesellschaften könne dies jedoch nicht gelten. Die ausschließlich entlassungsabhängigen Ansprüche des Klägers seien daher abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zu, weil der Frage, inwieweit die Nichtbefolgung einer Weisung die Entlassung eines Vorstandsmitglieds rechtfertige, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Dem Erstgericht sei beizupflichten, dass der Kläger verpflichtet gewesen sei, der Anordnung, seine sonstigen Vorstands-, Geschäftsführer- und Aufsichtsratsfunktionen zurückzulegen, zu folgen, weil sich die Weisungsfreiheit nach § 70 Abs 1 AktG nur auf die inhaltliche Arbeit des Vorstands in dem Unternehmen, in dem er zum Vorstand bestellt worden sei, beziehe. Die Anordnung sei durch die Bestimmungen des Anstellungsvertrags gedeckt gewesen und habe nicht dem AktG widersprochen. Gemäß § 27 Z 4 zweiter Tatbestand AngG könne ein Angestellter entlassen werden, wenn er sich weigere, sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu fügen. Im vorliegenden Fall sei bereits im Anstellungsvertrag vereinbart worden, dass der Kläger auf Verlangen die übernommenen Funktionen unverzüglich zurückzulegen habe, sodass die Anordnung der Beklagten als im Rahmen des Anstellungsvertrags ergangen anzusehen sei. Der Kläger sei auch wiederholt aufgefordert worden. Dass er die Sache noch am in der Aufsichtsratssitzung besprechen habe wollen und das Schreiben nur von K***** unterfertigt worden sei, begründe keinen entschuldbaren Irrtum des Klägers. Er wäre gehalten gewesen, der Aufforderung nachzukommen, wobei es ihm freigestanden wäre, die Sache im Nachhinein in der Aufsichtsratssitzung zu thematisieren. Der Kläger sei im Schreiben vom darauf hingewiesen worden, dass der Aufsichtsrat die Suspendierung genehmigt habe. Er habe daher nicht davon ausgehen können, dass die Aufforderung zur Rücklegung seiner sonstigen Funktionen nicht ebenfalls durch die Beschlussfassung des Aufsichtsrats gedeckt sei. Der Entlassungstatbestand des § 27 Z 4 zweiter Tatbestand AngG sei daher erfüllt. Aus den Vergleichsverhandlungen habe der Kläger nicht ableiten können, dass die Beklagte auf die Rücklegung der sonstigen Funktionen keinen Wert mehr lege.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iSd der Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch iSd gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Eine Aktenwidrigkeit der Berufungsentscheidung (§ 503 Z 3 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Der Inhalt des Schreibens vom , hinsichtlich dessen Würdigung der Revisionswerber eine Aktenwidrigkeit mutmaßt, ist in tatsächlicher Hinsicht unstrittig. Seine Auslegung ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (RIS-Justiz RS0017911 ua).

In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass sich der Kläger als Vorstandsmitglied im Anstellungsvertrag nicht nur dazu verpflichtete, während der Dauer des Vertrags die Bestellung/Wahl als Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied in konzernangehörigen Unternehmen oder Beteiligungsunternehmen durch die dafür zuständigen Organe anzunehmen (Pkt III Abs 1), sondern auch dazu, auf jederzeitiges Verlangen der Gesellschaft alle insoweit übernommenen Funktionen unverzüglich wieder niederzulegen (Pkt III Abs 4). Gemäß § 70 Abs 1 AktG hat der Vorstand unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie es das Wohl des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre und der Arbeitnehmer sowie des öffentlichen Interesses erfordert. Die Unabhängigkeit des Vorstands einer AG in Ausübung seiner Geschäftsführungstätigkeit von den anderen Organen der Gesellschaft (Aufsichtsrat und Hauptversammlung), die sich in einer völligen Weisungsfreiheit äußert, stellt einen Wesenszug des österreichischen Aktienrechts dar (2 Ob 356/74, Arb 9371; RIS-Justiz RS0027911 ua). Ob und inwieweit nun die in § 70 Abs 1 AktG normierte Weisungsfreiheit des Vorstands einer AG der in Pkt III Abs 4 des Anstellungsvertrags niedergelegten Verpflichtung des Klägers entgegensteht, wird von den Parteien unterschiedlich beurteilt. Da der Kläger den Anstellungsvertrag als Vorstandsmitglied der Beklagten abschloss, können ihn die darin niedergelegten Verpflichtungen nur als Vorstandsmitglied treffen. Ist die vom Vorstand geleitete AG als beherrschtes (abhängiges) Unternehmen in einen Konzern (§ 15 AktG) eingegliedert, so entspricht es der üblichen Praxis, dass dem Vorstand von der Konzernleitung (zB Vorstand der Obergesellschaft) Weisungen erteilt werden, die auch ungeachtet der Weisungsfreiheit nach § 70 Abs 1 AktG de facto befolgt werden (Runggaldier/Schima, Rechtsstellung von Führungskräften 5, 19 ff). Die vom Kläger in Pkt III Abs 1 und 4 des Anstellungsvertrags übernommenen Verpflichtungen sind in einem Konzern üblich (vgl Runggaldier/Schima aaO 104 ff, 110, 270, 276 f). Freilich ist damit noch nichts über ihre Zulässigkeit im Lichte der Weisungsfreiheit des § 70 Abs 1 AktG, vor allem auch im Hinblick auf die konkrete Handhabung im jeweiligen Einzelfall, gesagt.

Die Vorstandstätigkeit bei einer beherrschten Tochtergesellschaft im Rahmen eines Konzerns bringt es mit sich, dass der Vorstand nicht nur mit den Unternehmensinteressen seiner Gesellschaft, sondern auch immer wieder mit den Konzerninteressen konfrontiert wird. Die in der Lehre vertretene Auffassung, dass konzernrechtliche Weisungen nicht schlechthin der Nichtigkeit anheimfallen, solange sie den Vorstand nicht an der Wahrung der Unternehmensinteressen der beherrschten Gesellschaft hindern, erscheint als gangbare Lösung, um das beträchtliche Interesse der Wirtschaft an „funktionierenden" Konzernen mit der zwingenden Regelung des § 70 AktG in Einklang zu bringen (vgl Runggaldier/Schima aaO 22 f, 175 mwN; Strasser in Strasser/Jabornegg, AktG4 § 70 Rz 10; Jabornegg in Strasser/Jabornegg, AktG4 § 15 Rz 39; Krejci, Zulässigkeitsgrenzen konzernbildender Unternehmensverträge, ÖZW 1988, 65 [68 f] ua). Die Vereinbarkeit einer Konzernweisung mit der Weisungsfreiheit nach § 70 Abs 1 AktG muss jedoch hier nicht abschließend erörtert werden. Die Entlassung des Klägers erweist sich nämlich ohnedies als unberechtigt, selbst wenn man davon ausgeht, dass die auf dem Anstellungsvertrag beruhende Weisung an ein Vorstandsmitglied einer AG, alle als Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied in konzernangehörigen Unternehmen oder Beteiligungsunternehmen übernommenen Funktionen unverzüglich wieder niederzulegen, grundsätzlich zulässig gewesen wäre.

Nach Pkt III Abs 4 des Anstellungsvertrags kann das Verlangen, die vorgenannten Funktionen unverzüglich wieder niederzulegen, nur von „der Gesellschaft" gestellt werden. Da es sich bei der Beklagten um eine juristische Person handelt (§ 1 AktG), bedurfte sie der Vertretung durch ein Organ. Als solches kam für die auf den Anstellungsvertrag mit einem Vorstandsmitglied gestützte Anordnung nach der Auffassung der Parteien und der Vorinstanzen nur der Aufsichtsrat als Kollegialorgan (vgl Strasser aaO §§ 95-97 Rz 65) in Betracht. Dem ist insbesondere im Hinblick auf die §§ 75 Abs 1 letzter Satz, 97 Abs 1 AktG nicht entgegenzutreten. Der Aufsichtsrat kann nach § 75 Abs 4 AktG die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich die grobe Pflichtverletzung, die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder die Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag werden hiedurch nicht berührt. Das Vorliegen eines Abberufungsgrunds bedeutet noch nicht notwendigerweise, dass auch ein wichtiger Grund für die vorzeitige Auflösung des Anstellungsvertrags vorliegt (vgl Strasser aaO §§ 75, 76 Rz 89; Runggaldier/Schima aaO 182). Nach Pkt X Abs 2 des Anstellungsvertrags ist die Gesellschaft im Fall der Abberufung des Vorstandsmitglieds zur vorzeitigen Auflösung des Anstellungsvertrags berechtigt, wenn ein vom Vorstand verschuldeter Grund vorliegt, der in sinngemäßer Anwendung des § 27 AngG die Gesellschaft zur Entlassung berechtigt. Einen solchen wichtigen Grund sehen die Vorinstanzen, dem Standpunkt der Beklagten folgend, in der Nichtbefolgung der Weisung gemäß Pkt III Abs 4 des Anstellungsvertrags, die seinerzeit übernommenen Funktionen in konzernangehörigen Unternehmen oder Beteiligungsunternehmen zurückzulegen. Hiedurch soll der Entlassungstatbestand nach § 27 Z 4 zweiter Tatbestand AngG verwirklicht worden sein. Dieser liegt dann vor, wenn sich der Angestellte ohne einen rechtmäßigen Hinderungsgrund beharrlich weigert, sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu fügen. Als derartige Anordnungen qualifizierten die Vorinstanzen die beiden Schreiben vom 8. und .

Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden. Das Schreiben vom kommt als Anordnung des Dienstgebers („der Gesellschaft") iSd Pkt III Abs 4 des Anstellungsvertrags bzw des § 27 Z 4 zweiter Tatbestand AngG schon deshalb nicht in Betracht, weil es weder im Namen des Aufsichtsrats als Kollegialorgan noch sonst im Namen der Beklagten verfasst wurde. Die Anordnung erfolgte nach dem Inhalt des Schreibens durch den Aufsichtsratsvorsitzenden. Dieser ist jedoch kraft Gesetzes nicht Vertreter des Aufsichtsrats im Willen, daher nicht dessen Vertreter und auch nicht der Vertreter der Gesellschaft. Um Vertretungsrechte des Aufsichtsrats rechtswirksam ausüben zu können, muss der Aufsichtsratsvorsitzende konkret bevollmächtigt sein (Strasser aaO §§ 95-97 Rz 66, 68). Hiezu gab es jedoch kein konkretes Vorbringen der Beklagten. Lediglich bezüglich der Suspendierung des Klägers, die zunächst ebenfalls nur durch den Aufsichtsratsvorsitzenden allein erfolgt war, gab es den Hinweis, dass sie nachträglich vom Aufsichtsrat genehmigt worden sei. Die Vertretungsfrage muss jedoch nicht weiter erörtert werden, weil das Schreiben vom dem Kläger gar nicht zugestellt wurde. Ein vom Erstgericht festgestelltes, nicht näher spezifiziertes Gespräch, bei dem auch die Zurücklegung der Funktionen „behandelt" wurde, sowie ein Fax des Schreibens vom an jenen Rechtsanwalt, den der Kläger offenbar bei den Verhandlungen über eine einvernehmliche Auflösung des Anstellungsverhältnisses beigezogen hat, ersetzen nicht ohne weiteres den bis dahin unterbliebenen Zugang einer Weisung des Dienstgebers. Hierauf hat sich die Beklagte aber ohnehin nicht gestützt.

Das zweite Schreiben vom ging dem Kläger am zu. Auch diesem Schreiben kann nicht eindeutig entnommen werden, ob die darin enthaltene Anordnung, alle übernommenen Funktionen gemäß Pkt III des Anstellungsvertrags niederzulegen, vom Aufsichtsrat der Beklagten als Kollegialorgan beschlossen worden war. Dieses Schreiben wurde vom Aufsichtsratsvorsitzenden auf Briefpapier der Beklagten verfasst, was dahin gedeutet werden kann, dass er eine Erklärung namens der Beklagten abgeben wollte. Wie bereits ausgeführt, ist der Aufsichtsratsvorsitzende aber nicht der Vertreter der Gesellschaft. Letztlich kann aber auch hier die Vertretungsfrage auf sich beruhen, weil der Sachverhalt ohnedies keine Grundlage für die Auffassung bietet, der Kläger hätte sich beharrlich geweigert, eine berechtigte Anordnung der Gesellschaft zu befolgen, und damit einen unzumutbaren Zustand für die Beklagte herbeigeführt, dem nur mehr mit der Entlassung des Klägers begegnet werden konnte.

Unter „beharrlich" iSd § 27 Z 4 AngG ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Dienstverweigerung zum Ausdruck gelangenden, auf die Verweigerung der Befolgung der Anordnung gerichteten Willens zu verstehen. Gerade das Tatbestandsmerkmal der Beharrlichkeit erfordert als Indiz der qualifizierten Willensbildung des Dienstnehmers eine Wiederholung oder Ermahnung. Um eine Ermahnung entbehrlich zu machen, muss die Weigerung derart eindeutig und endgültig sein, dass angesichts eines derartigen, offensichtlich unverrückbaren Willensentschlusses des Angestellten eine Ermahnung als bloße Formalität sinnlos erscheinen müsste (Kuderna, Entlassungsrecht² 115 f; RIS-Justiz RS0029746 ua). Dies ist hier nicht der Fall. Da das Schreiben vom nicht von „der Gesellschaft" stammte und dem Kläger wie erwähnt auch nicht wirksam zugestellt wurde, stellte die „letztmalige" Aufforderung vom weder die Wiederholung einer vorherigen Anordnung noch eine Ermahnung im Sinne des Vorgesagten dar. Dazu kommt, dass der gegenständliche Zeitablauf keine Grundlage für die Annahme bietet, die Nichtrücklegung bis zum , 9.00 Uhr, hätte eine so gravierende Situation heraufbeschworen, dass die weitere Aufrechterhaltung des Anstellungsvertrags mit dem Kläger dann ab 11.00 Uhr als unzumutbar erscheinen musste (vgl Kuderna aaO 114 f; RIS-Justiz RS0029009 ua). Nach den Feststellungen wurde die Aufforderung vom dem Kläger an einem Mittwoch () zugestellt. Für den darauf folgenden Montag () war eine Aufsichtsratssitzung anberaumt, bei der der Kläger hoffen konnte, nochmals eine Gelegenheit zu haben, um mit den maßgeblichen Personen die weitere Vorgangsweise in der Auseinandersetzung zu besprechen. Im Hinblick auf die knappe Zeit bis zu dieser Sitzung bestand für den Kläger auch keine sinnvolle Möglichkeit, eine Korrespondenz über das Abwarten mit der Zurücklegung der Funktionen zu beginnen. Die Unzumutbarkeit für die Beklagte wurde im vorliegenden Fall auch nicht dadurch bewirkt, dass der Kläger in jenen Funktionen, die er zurücklegen sollte, irgendwelche, den Konzern- oder sonstigen Interessen zuwiderlaufende Tätigkeiten entfaltet hätte. Das Gegenteil war der Fall. Der Kläger enthielt sich bis auf einen Fall („M*****"), in dem er über ausdrückliches Verlangen tätig wurde, aller Aktivitäten, die von der Beklagten als nachteilig gewertet werden könnten. Von einer beharrlichen Weigerung des Klägers, sich einer gerechtfertigten Anordnung der Beklagten zu fügen, die als „ultima ratio" eine Entlassung des Klägers nach § 27 Z 4 zweiter Tatbestand AngG rechtfertigen könnte, kann somit nach der Lage des Falls nicht gesprochen werden.

Als zweiten Entlassungsgrund stützte sich die Beklagte auf beleidigende Äußerungen des Klägers gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden. Die letzte aktenkundige, als Beleidigung qualifizierte Äußerung des Klägers stammte vom ; sie wurde vom Kläger im Beisein eines Dritten unmittelbar gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden geäußert. Hätte sie tatsächlich das Gewicht gehabt, die weitere Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses des Klägers unzumutbar zu machen, dann spricht der Umstand, dass die Beklagte auf die Beleidigung erst am mit der Entlassung reagierte, nicht für eine „unverzügliche" Reaktion. Eine solche wäre aber notwendig gewesen, wenn die Beklagte die Weiterbeschäftigung des Klägers wegen dieser Beleidigung tatsächlich als unzumutbar angesehen hätte (Kuderna aaO 14 f; RIS-Justiz RS0029249 ua). Besondere Erschwernisse, die eine mehr als fünfwöchige Willensbildung bedingt haben, wurden von der Beklagten nicht geltend gemacht. Sie stützte sich allein auf den Umstand, dass der Kläger am „ohnehin" suspendiert wurde. Nun mag es, ohne dass hier auf die Diskussion über die Zulässigkeit der Suspendierung eingegangen werden muss, durchaus komplexe Sachverhalte geben, die erst während einer Suspendierung sorgfältig auf ihre Eignung als Entlassungsgrund geprüft werden müssen (vgl RIS-Justiz RS0029273 ua). Auf die hier in Frage stehende Beleidigung vom trifft dies aber sicher nicht zu. Die Entlassung ist daher, insoweit sie sich auf diesen Grund stützt, verspätet.

Zusammenfassend fehlt es somit an der Rechtfertigung der Entlassung des Klägers. Dass „unüberbrückbare Auffassungsunterschiede" zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Kläger nicht die vorzeitige Auflösung des Anstellungsverhältnisses tragen können, war der Beklagen von Anfang an bewusst und hat sie selbst in erster Instanz eingeräumt. Damit wird es nun notwendig, sich mit den auf der „terminwidrigen" Auflösung des Anstellungsvertrags beruhenden Ansprüchen des Klägers auf Leistung (Kündigungsentschädigung und Abfertigung) und Feststellung (Ersatz steuerlicher Nachteile) auseinanderzusetzen, was bisher nicht notwendig war, weil die Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgingen, dass die Entlassung des Klägers gerechtfertigt war und demzufolge die „entlassungsabhängigen" Ansprüche nicht berechtigt waren. Die Höhe des Klagebegehrens blieb zwar von der Beklagten weitgehend unbestritten; ihre Einwände insbesondere hinsichtlich des Dienstwagens des Klägers schlagen jedoch auf die geltend gemachten Ansprüche durch und machen daher jedenfalls einen zweiten Rechtsgang notwendig. Dazu kommt, dass das Feststellungsbegehren des Klägers weiterer Erörterung und Präzisierung bedarf. Es hat daher eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Zurückverweisung der Arbeitsrechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zu erfolgen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.