OGH vom 08.07.1992, 9ObA142/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Monika Angelberger und Paul Binder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** S*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch *****, Kammer für Arbeiter und Angestellte Salzburg, diese vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei F***** Sch*****, Kaufmann, *****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen S 5.303,93 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 22/92-15, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 20 Cga 98/91-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin S 5.303,93 brutto samt 4 % Zinsen ab sowie die mit S 420 (Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen".
Der Beklagte ist ferner schuldig, der Klägerin die mit S 3.975,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 362,56 Umsatzsteuer und S 1.800 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war seit beim Beklagten als Ladnerin beschäftigt. Sie kündigte ihr Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist ordnungsgemäß zum auf. Auf das Arbeitsverhältnis der Streitteile sind die Bestimmungen des Kollektivvertrages für Arbeiter im österreichischen Bäckergewerbe (im folgenden: KV) anzuwenden. Dieser Kollektivvertrag sieht in § 13 Z 7 vor, daß Arbeitnehmer, die in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung selbst kündigen, keinen Anspruch auf Urlaubszuschuß haben. Ferner haben gemäß § 14 Z 7 KV Arbeitnehmer, die in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung selbst kündigen, auch keinen Anspruch auf Weihnachtsremuneration.
Die Klägerin begehrt aliquote Sonderzahlungen (Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration) für die Zeit vom 1.1. bis in Höhe von 5.303,93 S mit der Begründung, daß die zitierten Bestimmungen des KV unwirksam seien, da sie das Kündigungsrecht des Dienstnehmers während der ersten sechs Monate einschränken.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens unter Hinweis auf die Regelung des KV.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Arbeitnehmer dürfe in seiner Kündigungsfreiheit nicht stärker als der Arbeitgeber beschränkt werden. Ein Remunerationsversprechen, das an die Bedingung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt geknüpft werde, könne bei übermäßiger Vertragsbindung § 879 ABGB widersprechen. Solche Bedingungen seien auf den erlaubten Umfang zu reduzieren oder zur Gänze für unwirksam zu erklären. Eine unzumutbare Erschwerung der grundsätzlich geschützten Freiheit der Arbeitsplatzwahl liege aber erst dann vor, wenn der finanzielle Anreiz, im Betrieb zu bleiben, so stark sei, daß ein durchschnittlicher Arbeitnehmer dieser Verlockung kaum mehr widerstehen könne. Das treffe erst dann zu, wenn eine im Vergleich zum Normalentgelt hohe Vorleistung verlorengehe und zu viele Kündigungsmöglichkeiten, die sonst zustünden, ausgelassen werden müßten. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, so daß die angewendeten Kollektivvertragsbestimmungen wirksam seien.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Der vorliegende Fall sei mit der vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Rechtssache 9 Ob A 275/90 nicht vergleichbar. Jene Entscheidung habe den KV für Blumenbinder und Blumenhändler betroffen, der bestimme, daß der Arbeitnehmer den Anspruch auf Weihnachtsgeld verliere, wenn er zwischen 15.10. und 15.12. eines jeden Jahres kündige. Im vorliegenden Fall sei diese Rechtsfolge nur für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses festgesetzt worden. Auch der Arbeitgeber müsse im Falle einer Kündigung in diesem Zeitraum nachteilige Folgen hinnehmen, weil er den im Vergleich zur Dauer des Dienstverhältnisses unverhältnismäßigen Ausbildungs- und Einschulungsaufwand verliere. Insofern liege in der Kündigungsbeschränkung kein Ungleichgewicht.
Der Kollektivvertrag verstoße auch nicht gegen ein allgemeines, aus § 16 AngG ableitbares arbeitsrechtliches Strukturprinzip, wonach verdientes Entgelt jedenfalls zustehe. Aus § 16 AngG lasse sich eine Aliquotierungsregel als allgemeiner Grundsatz nicht ableiten. Diese Bestimmung schaffe keine Anspruchsgrundlage, sondern setze sie voraus. Selbst im Angestelltenbereich könne daher eine betriebliche Zusatzleistung mit der Bedingung des Unterbleibens einer Kündigung während einer bestimmten Frist verknüpft werden. Außerdem sei fraglich, ob diese Bestimmung im Weg der Analogie auf alle Arbeitnehmer übertragen werden könne.
Auch eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor. Zeitliche Differenzierungen bezüglich des Anspruchserwerbes würden im allgemeinen als sachlich gerechtfertigt anerkannt.
Der Ausschluß der Sonderzahlungen bei Arbeitnehmerkündigung innerhalb der ersten sechs Monate sei dadurch gerechtfertigt, daß der Arbeitgeber ein betriebswirtschaftliches Interesse habe, die aufgewendeten Einschulungskosten durch eine gewisse Dauer des Dienstverhältnisses abzusichern. Daher sei in den zitierten KV-Bestimmungen auch keine rechtswidrig zum Nachteil des Arbeitnehmers verschobene Kündigungsgleichgewichtslage zu sehen. Daß bestimmte Leistungen des Arbeitgebers an eine Mindestdauer des Dienstverhältnisses gebunden seien und unter Umständen sogar eine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers bezüglich empfangener Leistungen bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses statuiert werde, sei nach Lehre und Rechtsprechung nicht als unzulässige Kündigungsbeschränkung zu werten.
Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
In der Entscheidung vom , 9 Ob A 275/90 (DRdA 1991/45, 366 (Binder) = RdW 1991, 103 (Grillberger)) hat der Oberste Gerichtshof die Bestimmung des § 13 Z 5 des KV für Blumenbinder und Blumenhändler, wonach der Anspruch auf Weihnachtsgeld ua entfällt, wenn der Arbeitnehmer in der Zeit vom 15.10. bis 15.12. selbst kündigt, als unzulässige Erschwerung des Kündigungsrechts nach den §§ 1158, 1159 ABGB beurteilt. Da dieses Recht nach § 1164 Abs 1 ABGB zwingend sei und durch Vereinbarungen nicht beschränkt werden dürfe, sei diese Kollektivvertragsnorm rechtsunwirksam. Die Bestimmung verstoße außerdem gegen die zwingende (§ 1164 Abs 1 ABGB) Vorschrift des § 1154 Abs 3 ABGB, wonach bereits verdientes Entgelt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werde. Diese Entscheidung wurde von Binder (aaO 367) ablehnend besprochen. Grillberger (aaO) merkt dazu an, daß die betroffene Arbeitnehmerin eine gewerbliche Hilfsarbeiterin gewesen sei, für die die dispositive Kündigungsfrist des § 77 GewO 1859 und nicht das ABGB gelte.
Dieser Einwand ist auch im vorliegenden Fall von Bedeutung, da die Klägerin als Ladnerin in einer Bäckerei ebenfalls gewerbliche Hilfsarbeiterin iS der §§ 72 ff GewO 1859 ist; auf ihr Arbeitsverhältnis zum Beklagten wäre daher, wenn über die Kündigungsfrist nichts anderes vereinbart worden wäre, die dispositive 14-tägige Kündigungsfrist des § 77 GewO 1859 anzuwenden; diese dispositive Vorschrift wurde allerdings im vorliegenden Fall durch den KV für das österreichische Bäckergewerbe verdrängt, der in § 18 Z 2 bestimmt, daß das Arbeitsverhältnis beiderseits jeweils zum Ende der Arbeitswoche mit vorgängiger eintägiger Kündigungsfrist gelöst werden kann (vgl dazu Rabovsky, ABGB und Arbeitsvertragsrecht4, 251).
Die §§ 1158, 1159 ABGB sind daher im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Auf die Dauer der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers als solche kommt es aber bei der Beurteilung der Frage, ob eine unzulässige Erschwerung des Kündigungsrechts vereinbart wurde, nicht an. Entscheidend für diese Frage ist das Gebot der Fristengleichheit sowie das Gebot, diese Kündigungsfreiheit auch nicht durch andere Abreden zu erschweren, wie zB den Verfall von Kautionen, die Vereinbarung von Vertragsstrafen, den Wegfall von Erfolgsbeteiligungen oder durch die Abrede, daß der Arbeitnehmer im Falle der Kündigung bereits empfangene Leistungen wieder zurückerstatten muß (Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrechts3 I 266; Schaub, Arbeitsrecht-Handbuch6, 847).
Aus der Arbeitsrechtsordnung läßt sich der allgemeine Rechtssatz gewinnen, daß der Arbeitnehmer in seiner Kündigungsfreiheit nicht stärker als der Arbeitgeber beschränkt werden darf. Dies folgt insbesondere aus § 1159 c ABGB, aber auch aus den sondergesetzlichen Bestimmungen des § 30 Abs 1 SchSpG und § 13 Abs 3 HGHAngG. In anderen Arbeitsrechtsbereichen (zB § 20 AngG; § 18 HBG) wird diese Tendenz noch dadurch verstärkt, daß allein die Arbeitgeber-Kündigungsfristen einseitig erweitert werden, die vom Arbeitnehmer einzuhaltenden Fristen jedoch ein gewisses Ausmaß nicht überschreiten dürfen (Binder aaO 368). Dieses Verschlechterungsverbot darf auch nicht dadurch umgangen werden, daß dem kündigenden Arbeitnehmer für den Fall der Ausübung seines Kündigungsrechts ein finanzielles Opfer in einem Ausmaß auferlegt wird, das die Kündigungsfreiheit wirtschaftlich in erheblichem Umfang beeinträchtigt.
Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch für gewerbliche Hilfsarbeiter iS der §§ 72 ff GewO 1859. Schon in der Entscheidung SZ 9/171 = JB 30 neu wurde ausgesprochen, daß die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, auf das die Gewerbeordnung Anwendung findet, nach Maßgabe der Vereinbarung zu geschehen hat, deren Inhalt aber durch § 1159 c ABGB beschränkt ist. Mit dieser Bestimmung wurde das Fristengleichheitsgebot für die im ABGB (subsidiär) geregelten Dienstverhältnisse zwingend (Krejci in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 1164) festgesetzt. Der Ansicht Binders, daß der Oberste Gerichtshof das Verhältnis zwischen den Anwendungsbereichen des ABGB und der arbeitsrechtlichen Sondergesetze in der dem erwähnten Judikat nachfolgenden Rechtsprechung so ausgelegt hat, daß die Anwendung des § 1159 c ABGB auf gewerbliche Hilfsarbeiter zweifelhaft sei (für die Anwendung zutreffend auch Rabovsky aaO 251), ist nicht zu folgen.
Gemäß § 153 III TN "bleiben die für bestimmte Dienstverhältnisse bestehenden besonderen gesetzlichen Vorschriften unberührt...... Insoweit in den für bestimmte Dienstverhältnisse bestehenden besonderen gesetzlichen Vorschriften Bestimmungen über den Dienstvertrag nicht enthalten sind, kommt die Bestimmung des § 150" (= 26.Hauptstück des ABGB, also die §§ 1151 ff) zur Anwendung. Damit korrespondierend bestimmt § 72 Abs 2 GewO 1859, daß "in Ermangelung einer Übereinkunft zuerst die dafür erlassenen besonderen Vorschriften und dann das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch" entscheiden. Für das Verhältnis zwischen dem Sondergesetz und dem ABGB ist entscheidend, ob die Regelung im Sondergesetz als abschließend zu betrachten oder nach der Teleologie des Gesetzes als lückenhaft anzusehen ist. Da § 77 GewO 1859 nur die Kündigungsfristen dispositiv regelt, fehlen für alle sonstigen Fragen des Kündigungsrechts entsprechende Vorschriften. Insoweit greifen die Bestimmungen des ABGB ergänzend ein.
Diese Auffassung wurde auch schon bisher vertreten, wenngleich die Formulierung, daß das ABGB nur dann eingreife, wenn das Spezialgesetz den in Frage stehenden Anspruch "überhaupt nicht regle" möglicherweise eine andere Deutung zuließ. In Arb 6.570 wurde § 1162 b letzter Satz ABGB auf das Dienstverhältnis eines Vertragsbediensteten nicht angewendet, weil § 17 Abs 3 VBG - damals! - eine ausdrückliche Anrechnungsvorschrift für anderweitigen Verdienst ohne jede Beschränkung enthielt. Die Regelung des Spezialgesetzes wurde daher vom Obersten Gerichtshof nicht als lückenhaft angesehen. In Arb 10.097 wurde hingegen § 1162 d ABGB auf einen Anspruch eines gewerblichen Hilfsarbeiters angewendet, weil die GewO 1859 eine entsprechende Verfallsbestimmung nicht enthält, die dortige Regelung also insofern lückenhaft ist.
Für § 77 GewO 1859 trifft dies zu. Würde man § 77 GewO 1859 als vollständige Regelung des Kündigungsrechts begreifen, wären die Parteien auch bei der Vereinbarung ungleicher Kündigungsfristen (in jedem beliebigen Ausmaß) zu Lasten des Arbeitnehmers vollkommen frei. Eine solche Auslegung des Verhältnisses zwischen ABGB und Spezialgesetz wäre wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrig. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 77 GewO 1859 und des § 151 III TN führt daher zum Ergebnis, daß die (Kollektiv-)Vertragsparteien zwar in der Festsetzung der Länge der beiderseitigen Kündigungsfrist frei sind, das einseitig zwingende Fristengleichheitsgebot des § 1159 c ABGB aber zu beachten ist und zum Nachteil gewerblicher Hilfsarbeiter auch nicht mittelbar durch eine erhebliche Erschwerung des Kündigungsrechts wiederum beeinträchtigt werden darf.
Der Hinweis Binders, daß diese Ansicht mit der bisherigen RSp des Obersten Gerichtshofes, daß KV-Bestimmungen, die die aliquote Rückzahlung einer bereits empfangenen und verbrauchten Urlaubsbeihilfe für den Fall des frühzeitigen Ausscheidens anordnen, zulässig seien (ZAS 1980, 55 (Steindl) = DRdA 1979, 131 (Firlei)) in Widerspruch stehe, ist zu entgegnen, daß sich die Parteien in diesem Fall nicht auf die Unwirksamkeit des Kollektivvertrages berufen haben (vgl zu dieser Problematik Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 249 zu § 879). In der Entscheidung DRdA 1982/6, 112 (Wachter) = ZAS 1982, 23 (Runggaldier) ging es nur um die Frage, ob einer Kollektivvertragsbestimmung, die die aliquote Rückzahlung eines (für das ganze Jahr) bereits ausgezahlten Urlaubszuschusses im Falle eines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres vorsah, gutgläubiger Verbrauch entgegengehalten werden konnte. Fragen einer Beschränkung der Kündigungsfreiheit wurden - vermutlich, weil nur eine Aliquotierungsregelung anzuwenden war - weder im Verfahren noch in den Rezensionen aufgeworfen. Die Entscheidung ZAS 1985, 97 (Hainz) steht mit dem Grundsatz der Wahrung der Kündigungsfreiheit nicht in Widerspruch.
Den weiteren Einwand Binders, der Oberste Gerichtshof habe auch keine Bedenken gegen die Erschwerung des Kündigungsrechts durch Vereinbarungen, die den Rückersatz des Ausbildungsaufwandes vorsehen, ist entgegenzuhalten, daß der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung Arb 9.065 = EvBl 1973/105 = ZAS 1975/23 sehr wohl ausgesprochen hat, daß die wirtschaftliche Freiheit des Angestellten nicht übermäßig beschränkt werden dürfe. Es dürfe nicht zu einer starken und einseitigen Benachteiligung des Angestellten für den Fall kommen, daß er vor Ablauf einer bestimmten Zeit kündigt. Dabei komme es immer auf die Umstände des einzelnen Falles an.
Im übrigen ist aber die Interessenlage bei derartigen Vereinbarungen über die Rückerstattung von Ausbildungskosten eine andere als bei Vereinbarungen, wonach Sonderzahlungen zur Gänze entfallen, wenn der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht zu einer bestimmten Zeit ausübt. Mit der Übernahme von Ausbildungskosten, die über bloße Einschulungskosten hinausgehen und in der Regel in einem zusätzlichen, vom Arbeitgeber zu tragenden Aufwand bestehen (zB Übernahme der Kosten eines Fortbildungskurses oder der Kosten des Erwerbes des Führerscheins unter gleichzeitiger Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht für die mit der Ausbildung verbrachte Zeit) erhält der Arbeitnehmer ein zusätzliches Äquivalent, durch das er im Falle seines Ausscheidens bessere Verdienstmöglichkeiten in anderen Unternehmen hat. Dieses Äquivalent rechtfertigt es, den Arbeitnehmer in einem gewissen Rahmen mit Ausbildungskosten zu belasten, wenn er schon kurze Zeit nach Abschluß der Ausbildung kündigt und damit die auf Kosten des Arbeitgebers erworbenen zusätzlichen Fähigkeiten diesem nicht mehr zur Verfügung stellt.
Damit ist aber das Argument des Berufungsgerichtes, daß der Verlust des Anspruchs auf die Sonderzahlung bei Kündigung in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses sachlich gerechtfertigt sei, weil der Arbeitgeber ein betriebswirtschaftliches Interesse daran habe, die aufgewendeten Einschulungskosten durch eine gewisse Dauer des Arbeitsverhältnisses abzusichern, verfehlt. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung bloßer Einschulungskosten, die in aller Regel auf eine Erstattung eines Teiles des Arbeitslohnes hinausliefe, der am Beginn des Arbeitsverhältnisses ohnehin meistens niedriger als später ist, ist unwirksam, weil der Arbeitnehmer eine auf Zeit abgestellte, seinem individuellen Leistungsvermögen und den betrieblichen Verhältnissen angemessene Arbeitsleistung, nicht aber einen bestimmten Arbeitserfolg schuldet (DRdA 1985/19, 389 (Csebrenyak) = JBl 1984, 625). Ein geringerer Arbeitserfolg des Arbeitnehmers während der Einschulung geht daher grundsätzlich zu Lasten des Arbeitgebers. Daß über solche Einschulungskosten hinaus im Bäckergewerbe typischerweise besondere Ausbildungskosten auftreten, hat der Beklagte gar nicht behauptet. Bei einer Ladnerin käme ein solcher Fall wohl nur ausnahmsweise in Betracht. Weder Einschulungskosten noch (im Bäckergewerbe offensichtlich gar nicht typische) Ausbildungskosten können daher eine generelle Rechtfertigung für den Verlust des Sonderzahlungsanspruches bei Selbstkündigung innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses begründen.
Der Fall einer freiwilligen Zuwendung, bei der der Arbeitgeber den Anspruch an die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers zu einem bestimmten Stichtag knüpfen kann, liegt nicht vor. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob die durch § 13 Z 7 KV (Urlaubszuschuß) und § 14 Z 7 KV (Weihnachtsremuneration) mittelbar bewirkte Einschränkung der Kündigungsfreiheit ein solches Ausmaß erreicht hat, daß der Verlust dieser Beträge durchschnittliche Arbeitnehmer von der beabsichtigten Kündigung (vor allem zum Zweck des Antritts eines anderen bevorzugten Arbeitsplatzes) abhalten kann. Nach Binder (aaO 369) trifft dies erst zu, wenn eine im Vergleich zum Entgelt "hohe" Leistung verlorengeht oder zuviele Kündigungsmöglichkeiten, die sonst zustünden, ausgelasssen werden müßten.
Die Schwelle einer erheblichen Beeinträchtigung wurde aber im vorliegenden Fall noch überschritten, da nach den bestehenden Kündigungsvorschriften für beide Arbeitsvertragspartner ein sehr hohes Maß an Kündigungsfreiheit (Kündigungsmöglichkeit zum Ende jeder Woche) besteht. Diese Freiheit wird auf der Seite des Arbeitnehmers durch den Entfall des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration im Fall der Kündigung in den ersten sechs Monaten des Dienstverhältnisses einseitig erheblich erschwert, geht doch dem Arbeitnehmer, der knapp vor Erreichen der Sechsmonatsfrist kündigt, insgesamt nahezu ein Monatslohn verloren (der Urlaubszuschuß und die Weihnachtsremuneration betragen gemäß § 13 Z 3 und § 14 Z 3 KV je einen Monatslohn). Der Arbeitnehmer würde damit etwa 1/7 seiner Bezüge einbüßen. Für Arbeitnehmer in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen bedeutet dies eine starke Motivation, von einer beabsichtigten Kündigung (vorläufig) Abstand zu nehmen. Die Beeinträchtigung der Kündigungsfreiheit durch § 13 Z 7 und § 14 Z 7 KV ist daher beträchtlich, so daß diese Bestimmungen unwirksam sind.
Der Revision ist daher Folge zu geben.