OGH vom 11.10.2001, 8ObA190/01a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Jörg Krainhöfner und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1.) Imamriza A*****, Angestellter, *****, 2.) Emil A*****, Angestellter, *****, 3.) Erich K*****, Angestellter, *****, 4.) Ljilana P*****, Angestellte, *****, 5.) Radmila U*****, Angestellte, *****, 6.) Radmila P*****, (früher: VULETA), Angestellte, *****, 7.) Dr. Nail A*****, Angestellter, *****, 8.) Zlatan D*****, Angestellter, *****, 9.) Ayten S*****, Angestellte, *****, 10.) Mag. Shahin Z*****, Angestellte, *****, und 11.) Franz B*****, Angestellter, *****, sämtliche vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Verein W*****, vertreten durch Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 1,320.000,-- sA), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 8 Ra 114/01w-22, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 3 Cga 59/00t-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 39.529,50 (darin enthalten S 6.588,25 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom zu 8 ObA 244/99m (= = DRdA 2000/55 mit zust Glosse von Reissner) unter anderem festgestellt, dass verschiedene Dienstverhältnisse infolge eines Betriebsüberganges im Sinne des § 3 AVRAG von einem früher mit der Betreuung schulpflichtiger Kinder befassten Verein auf den beklagten Verein übergegangen sind. Wurden doch auch die Subventionen zur Gewährleistung der Betreuung von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen außerhalb der Schulzeiten, die den wesentlichen Inhalt der Aufgaben des beklagten Vereines darstellt, von dem früheren Verein auf den beklagten Verein übertragen und übernahm der beklagte Verein auch 150 Mitarbeiter des früher mit diesen Aufgaben befassten Vereines.
Diese Übertragung fand im Jahre 1995 statt, jedoch beteiligte sich keine der klagenden Parteien an dem Vorverfahren, sondern sie erhoben nur teilweise Kündigungsanfechtungen nach § 105 ArbVG gegen die im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang ausgesprochenen Kündigungen zum bzw Eventualkündigungen. Im Zusammenhang mit den Kündigungen wurde ihnen auch zur Kenntnis gebracht, dass das bisher von dem alten Arbeitgeber-Verein der klagenden Parteien betreute Projekt nunmehr von dem beklagten Verein weitergeführt wird und sie wurden eingeladen, sich beim beklagten Verein zu bewerben. Dem kamen sie - wenngleich auch ohne Erfolg nach. Die Kündigungsanfechtungen wurden bereits in den Jahren 1996 und 1997 abgewiesen, bzw trat Ruhen des Verfahrens ein oder die Klagen wurden zurückgezogen.
Erst nachdem in dem oben genannten Verfahren über die Feststellung des aufrechten Bestandes der Arbeitsverhältnisse einiger anderer Arbeitnehmer zur beklagten Partei wegen des Betriebsüberganges das Urteil des Obersten Gerichtshofes in dieser Rechtssache zu 8 ObA 244/99m am an die Klagevertreterin beider Verfahren zugestellt wurde, erklärten sich die nunmehrigen klagenden Parteien Ende Jänner 2000 bzw im Februar 2000 für arbeitsbereit. Lediglich die
10. Klägerin erklärte ihre Arbeitsbereitschaft gegenüber der Beklagten bereits im November 1995 und wurde damals von der Beklagten auf die nächste "Einstellungsrunde" vertröstet, der 11. Kläger meldete sich bereits am bei der Beklagten arbeitsbereit.
Die klagenden Parteien begehren mit ihrer am (1.-10. klagenden Parteien) bzw am (11. klagende Partei) eingebrachten Klagen die Feststellung, dass ihre Arbeitsverhältnisse über den hinaus unbefristet gegenüber der beklagten Partei aufrecht bestehen. Sie stützen sich dabei im Wesentlichen darauf, dass sich aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 8 ObA 244/99m ergebe, dass es sich um einen Betriebsübergang gehandelt habe. In der Zeit bis zur Klagseinbringung hätten sie sich auch verschiedentlich bei der Beklagten beworben und die Kündigungen zum bekämpft. Die Beklagte habe aber neue, weniger qualifizierte Arbeitnehmer aufgenommen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass sich die klagenden Parteien an dem Verfahren zur Feststellung des Betriebsüberganges und des Überganges der Arbeitsverhältnisse nicht beteiligt und auch nicht arbeitsbereit erklärt hätten. Dies könne durch allfällige Bewerbungen nicht ersetzt werden. Sei doch eine rasche Klärung der Rechtslage erforderlich. In den Anfechtungen nach § 105 ArbVG könne eine solche Geltendmachung nicht gesehen werden, da das Vorliegen eines Betriebsüberganges nach § 3 AVRAG ja keinen Anfechtungsgrund im Sinne des § 105 ArbVG darstelle.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es folgerte dabei rechtlich, dass der Fortsetzungsanspruch eines Arbeitnehmers infolge einer unberechtigten Kündigung im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang im Sinne des § 3 AVRAG nicht unbefristet geltend gemacht werden könne, sondern vielmehr die Geltendmachung im Interesse der Rechtssicherheit ohne unnötigen Aufschub erfolgen müsse. Die Tatsache des Betriebsüberganges sei von der Beklagten bestritten worden. Für die Geltendmachung sei analog zu den Bestimmungen über den Verfall der Kündigungsentschädigung von einer Sechsmonatsfrist ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Diese sei hier jedenfalls abgelaufen. Den klagenden Parteien seien die wesentlichen, den Betriebsübergang begründenden Sachverhaltselemente bekannt gewesen. Die Informationspflicht des Arbeitsgebers hinsichtlich des Betriebsüberganges erstrecke sich nur auf die tatsächlichen Umstände, nicht aber auf deren rechtliche Beurteilung. Die "Bewerbung" der klagenden Parteien um neue Arbeitsverhältnisse zur Beklagten stelle keine Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigungen und des Überganges der aufrechten Arbeitsverhältnisse auf die Beklagte dar. Die im November 1995 allein von der 10. Klägerin erklärte Arbeitsbereitschaft habe ebenfalls nicht zu einer rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung geführt.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der klagenden Parteien nicht Folge. Es verwies im Wesentlichen gemäß § 500a ZPO auf die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Gerade aus der Bewerbung für neue Arbeitsverhältnisse sei zu schließen, dass die klagenden Parteien ihre Kündigungen akzeptiert hätten.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der klagenden Parteien ist gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässig, aber nicht berechtigt.
Nach ständiger Judikatur enthält zwar § 3 AVRAG keine ausdrückliche Regelung über ein Kündigungsverbot, es sind aber Kündigungen, die nur wegen des Betriebsüberganges erfolgen, wegen Verstoßes gegen die Schutzziele dieser die Richtlinie 77/187/EWG (nunmehr 2000/23/EG) umsetzenden Bestimmung gemäß § 879 ABGB unwirksam (vgl RIS-Justiz RS0108456 und RIS-Justiz RS0102122 jeweils mwN etwa SZ 70/171, SZ 71/216 uva).
Nicht nur in diesem Zusammenhang hat aber der Oberste Gerichtshof
auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Arbeitnehmer den
Anspruch aus der Unwirksamkeit der Kündigung und auf Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses nicht unbefristet geltend machen kann, sondern
im Interesse der Rechtssicherheit und dem Klarstellunginteresse des
Arbeitgebers ohne unnötigen Aufschub geltend zu machen ist (vgl
RIS-Justiz RS0112268 mwN, vgl grundsätzlich 9 ObA 160/99s = Arb
11.892 = ASoK 2000, 150 = DRdA 2000/34 [Binder] = WBl 2000/24 = ZAS
2000/13, 118 [Gahleitner]; = ASoK
2000, 328 = RdW 2000/748; Celar, Die Aufgriffsobliegenheit des
Arbeitnehmers bei Betriebsübergang, ecolex 2000, 772 ua). Zutreffend
haben nun bereits die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass hier die
konkrete Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung wegen des
Betriebsüberganges erst mehr als vier Jahre nach deren Ausspruch
erfolgte und damit die Arbeitnehmer gegen diese
"Aufgriffsobliegenheit" verstoßen haben. In der "Bewerbung" um einen
Arbeitsplatz bei der Beklagten kann eine solche Geltendmachung der
Rechtsunwirksamkeit der Kündigung und des Anspruches auf Fortsetzung
des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten nicht gesehen werden, setzt
sie doch vielmehr Wirksamkeit der Kündigung voraus. Entgegen der
Ansicht der Vorinstanzen kann allerdings nicht von einer fixen Frist
von sechs Monaten zur Geltendmachung des Fortsetzungsanspruches und
der Unwirksamkeit der Kündigung ausgegangen werden. Vielmehr ist
diese fließend nach den konkreten Umständen des Einzelfalles unter
Abwägung des Klarstellungsinteresses des Arbeitgebers und der
Schwierigkeiten für den Arbeitnehmer, seinen Anspruch geltend zu
machen, zu bestimmen (vgl in diesem Zusammenhang insb Kerschner in
seiner Besprechung der Aufgriffsobliegenheit im Zusammenhang mit
einer nach § 45a Arbeitsmarktförderungsgesetz unwirksamen Kündigung
DRdA 2001, 40; ähnlich unter Abwägung der besonderen Umstände
Gahleitner in der Darstellung Betriebsschließung oder
Betriebsübergang DRdA 2000, 426 ff, ähnlich auch Binder in seiner
Entscheidungsbesprechung zu DRdA 2000/34, wobei er allerdings eine
Obergrenze von sechs Monaten annimmt). Dass in diesem Zusammenhang
einer Verletzung der Informationspflichten durchaus Bedeutung
zukommen kann, ergibt sich schon aus dem Gebot der effektiven
Umsetzung der Richtlinie (vgl etwa = AnwBl
1997, 802 = ZER 1998/11 uva; = DRdA
2001/29) und der richtlinienkonformen Interpretation (vgl RIS-Justiz RS0102121 mit zahlreichen wN etwa SZ 70/101 und SZ 70/219). Die Richtlinie sieht (vgl Art 7 der RL 2001/23/EG) und sah auch damals (vgl Art 6 der Richtlinie 77/187/EWG) zwar primär nur eine Information der Belegschaftsvertretung vor, (nunmehr subsidiär der einzelnen Arbeitnehmer - Art 7 Abs 6 der RL 2001/23/EG), jedoch wirkt sich die Verletzung dieser Verpflichtung auch auf die faktische Möglichkeit der Geltendmachung durch den einzelnen Arbeitnehmer aus. Dies ist ist hier aber ohne Relevanz, da die Arbeitnehmer ohnehin von dem wesentlichen Sachverhalt Kenntnis hatten. Auch die "Kündigungsanfechtungen" gegenüber dem früheren Arbeitgeber nach § 105 ArbVG setzen eine arbeitsrechtlich wirksame Kündigung voraus und können daher nicht als Geltendmachung von deren Unwirksamkeit und des Fortsetzungsanspruches gegenüber der beklagten Partei wegen Verstoßes gegen § 3 AVRAG verstanden werden. Dass bereits in diesen Verfahren eine dementsprechende Geltendmachung erfolgt wäre, wurde nicht festgestellt. Auch wurden diese Verfahren allesamt bereits Jahre vor der nunmehrigen Geltendmachung Ende 1999 Anfang 2000 ohne entsprechenden Prozesserfolg beendet.
Insgesamt war daher der Revision der klagenden Parteien nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.