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OGH vom 30.03.2021, 10Ob8/21f

OGH vom 30.03.2021, 10Ob8/21f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj K*****, geboren ***** 2009, vertreten durch das Land Niederösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Gmünd, Fachgebiet Rechtsvertretung Minderjähriger, 3950 Gmünd, Schremser Straße 8), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom , GZ 2 R 121/20m-38, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Gmünd vom , GZ 8 Pu 133/19h-26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

[1] Der Vater ist aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom , GZ 8 Pu 133/19h-8, zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 270 EUR für den Zeitraum von bis und ab bis auf weiteres in Höhe von 305 EUR an das Kind verpflichtet.

[2] Mit Beschluss des Erstgerichts vom (ON 14) wurden dem Kind Unterhaltsvorschüsse in Höhe von 305 EUR von bis gemäß den § 3, 4 Z 1 UVG iVm § 7 1. COVID19-JuBG gewährt.

[3] Mit seinem am beim Erstgericht eingelangten (ON 24) begehrt das Kind, ihm erneut Unterhaltsvorschüsse gemäß § 7 1. COVID19JuBG in Titelhöhe für einen Zeitraum von sechs Monaten zu gewähren. Ein Exekutionsantrag war diesem Antrag nicht beigeschlossen.

[4] Das bewilligte Unterhaltsvorschüsse nach den § 3, 4 Z 1 UVG für den Zeitraum von bis . Es stellte fest, dass der Unterhaltsschuldner nach Vollstreckbarkeit des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses den laufenden Unterhaltsbetrag nicht zur Gänze geleistet hat. Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass ab Inkrafttreten des § 7 1. COVID-19-JuBG Unterhaltsvorschüsse gemäß den § 3, 4 Z 1 UVG auch dann zu gewähren seien, wenn das Kind keinen entsprechenden Exekutionsantrag bei Gericht eingebracht habe.

[5] Das gab dem Rekurs des Bundes nicht Folge. Nach seiner ausführlichen rechtlichen Beurteilung ermöglicht § 7 des 1. COVID19JuBG in Verbindung mit den folgenden Verlängerungen der vereinfachten Antragstellung zunächst bis (BGBl I 2020/31) und sodann bis (BGBl I 2020/58) eine wiederholte Gewährung von „COVID19Titelvorschüssen“, wenn unter Berufung auf das 1. COVID19JuBG ein neuer Antrag gestellt wird. Eine Weitergewährung von „COVID19Vorschüssen“ sei dagegen nicht möglich. Der Revisionsrekurs sei mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung der Bestimmung des § 7 des 1. COVID19JuBG zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der (beantwortete) Revisionsrekurs des Bundes ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

[7] 1.1 Gemäß § 3 UVG sind Unterhaltsvorschüsse zu gewähren, wenn ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (Z 1), der Unterhaltsschuldner den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet und das Kind glaubhaft macht, einen Exekutionsantrag nach § 294a EO oder, sofern der Unterhaltsschuldner offenbar keine Gehaltsforderungen oder keine andere in fortlaufenden Bezügen bestehende Forderung hat, einen Exekutionsantrag auf bewegliche körperliche Sachen unter Berücksichtigung des § 372 EO eingebracht zu haben (Z 2).

[8] 1.2 § 7 des Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID19 in der Justiz (1. COVID19JuBG idF BGBl I 2020/58) lautet:

„In der Zeit vom Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bis zum Ablauf des sind Titelvorschüsse nach § 3 UVG auch dann zu gewähren, wenn das Kind keinen entsprechenden Exekutionsantrag bei Gericht einbringt. Solche Vorschüsse sind abweichend von § 8 UVG längstens für ein halbes Jahr zu gewähren.“

[9] 1.3 Der Oberste Gerichtshof hat zu § 7 1. COVID19JuBG idF BGBl I 2020/58 bereits klargestellt, dass diese Regelung nach ihrem Gesetzeswortlaut für alle vom zeitlichen Geltungsbereich umfassten Anträge auf Gewährung von Titelvorschüssen nach § 3 UVG gilt (10 Ob 43/20a). Diese Entscheidung betraf einen Fall, in dem das Erstgericht dem Kind aufgrund seines Antrags nach § 7 1. COVID19JuBG Unterhaltsvorschüsse gemäß § 3, 4 Z 1 UVG für den Zeitraum von bis (somit über den hinaus) gewährte. In der ursprünglichen Fassung des § 7 1. COVID-19-JuBG, BGBl I 2020/16, stand ab Inkrafttreten mit für die erleichterte Antragstellung lediglich ein Zeitraum bis zum zur Verfügung. Klar ist, dass sich die Wortfolge „bis zum Ablauf des “ in § 7 1. COVID-19-JuBG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2020/58, auf den Zeitpunkt der Antragstellung – und nicht auf den maximal sechsmonatigen Gewährungszeitraum – bezog. Sein zeitlicher Anwendungsbereich umfasste somit bis zum gestellte Anträge auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen, die auf § 7 1. COVID19JuBG gestützt wurden.

[10] 1.4 Im konkreten Fall hat das Kind seinen (zweiten) Antrag auf Gewährung von Titelvorschüssen nach § 7 1. COVID19JuBG am eingebracht. Sein Antrag fällt somit in den zeitlichen Anwendungsbereich von § 7 1. COVID-19-JuBG idF BGBl I 2020/58.

[11] 2.1 Ausschließliches Thema des Revisionsrekursverfahrens ist die Frage, ob die COVIDGesetzgebung im Zusammenhang mit der Gewährung von Vorschüssen ohne Bescheinigung eines entsprechenden Exekutionsantrags nur eine einzige Antragstellung für höchstens sechs Monate zulässt oder auch eine mehrmalige Antragstellung (für jeweils höchstens sechs Monate) hintereinander ermöglicht.

[12] 2.2 Aufgrund der ursprünglich kurzen Befristung (vom Inkrafttreten am bis zum ) in § 7 1. COVID-19-JuBG, BGBl I 2020/16, stellte sich zunächst die Frage einer neuerlichen Gewährung von Unterhaltsvorschüssen unter Inanspruchnahme der vorgesehenen Erleichterungen nach Ablauf des Gewährungszeitraums nicht. Die erste Frist bis Ende April wurde in der Folge mehrfach verlängert, zuletzt mit der 3. COVID-19-Ziviljustizverordnung BGBl II/2021/130 bis .

[13] 2.3 § 7 1. COVID-19-JuBG enthält nach seinem Wortlaut keine über die angeführten Bedingungen hinausgehende Beschränkung, insbesondere kein ausdrückliches Verbot einer neuen Antragstellung nach Ablauf des sechsmonatigen Gewährungszeitraums.

[14] 2.4 Die Gesetzesmaterialien zu § 7 1. COVID19JuBG idF BGBl I 2020/16 verweisen darauf, dass es kontraproduktiv wäre, in Krisenzeiten die Voraussetzung der Exekutionsführung für das Kind aufrecht zu erhalten. Die Folgen der „CoronaKrise“ sollten rasch und unbürokratisch gemildert werden, um die Liquidität von Kind und auch Unterhaltsschuldner aufrecht zu erhalten. Ähnlich wie für die Wirtschaft solle auch für Kinder staatliche Hilfe unbürokratisch und rasch erfolgen. Dadurch solle auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung der COVID19Pandemie möglicherweise Verzögerungen im Exekutionsverfahren auftreten (IA 397/A 27. GP 37).

[15] 3.1 Die Zielsetzung, den Unterhalt von Kindern bei Zahlungsverzug durch den Unterhaltsschuldner rasch und unbürokratisch zu sichern, spricht dagegen, diese Möglichkeit auf eine (einzige) Antragstellung zu beschränken. Der Gesetzgeber hat auf die anhaltende „Corona-Krise“ im Bereich des Unterhaltsvorschussrechts reagiert, indem er die ursprünglich bis beschränkte Frist für die Antragstellung mehrfach verlängerte. Anlässlich der Verlängerung der Frist bis mit der Novelle BGBl I 2020/58 hielt der Gesetzgeber fest, dass aufgrund des Andauerns der Krise die Vereinfachung nach § 7 1. COVID-19-JuBG weiterhin bis zum zum Tragen kommen solle (IA 619/A 27. GP 4).

[16] 3.2 Neuhauser (Weitergewährung von COVID19-Vorschüssen? [139] und Garber/Neumayr in Resch, Corona-Handbuch1.04 Kap 13 Rz 90, 93) sehen – insoweit übereinstimmend – COVID19Vorschüsse als grundsätzlich den Titelvorschüssen nach § 4 Z 1 UVG vergleichbar an; es liegt somit eine weitere Variante der Titelvorschüsse vor. Das Kind soll bei dieser Variante vorübergehend nicht zur Exekutionsführung gezwungen werden (Kronthaler, Wie wirkt sich § 7 des 1. COVID19JuBG auf die Weitergewärhung von Unterhaltsvorschüssen aus? iFamZ 2020, 142). Eine völlige Gleichstellung mit den Titelvorschüssen nach § 3, 4 Z 1 UVG hat der Gesetzgeber durch den wesentlich kürzeren Gewährungszeitraum von nur sechs Monaten (im Vergleich zu fünf Jahren) aber effektiv ausgeschlossen. Er wollte nur eine befristete Maßnahme für die Dauer der „Coronakrise“ und kein Dauerrecht schaffen (IA 397/A 27. GP 37). Eine „Weitergewährung“ von COVID-19-Vorschüssen auf fünf Jahre iSd § 18 UVG widerspricht diesen Intentionen (Kronthaler, Wie wirkt sich § 7 des 1. COVID-19-JuBG auf die Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen aus? ; Garber/Neumayr in Resch, CoronaHandbuch1.04 Rz 97/1; aA NeuhauseriFamZ 2020, 140). Die Einschränkung des Gewährungszeitraums für jeden Antrag innerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs auf maximal ein halbes Jahr stellt ausreichend sicher, dass es sich um keine Dauerlösung handelt.

[17] 4. Ergebnis: Ein neuer Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 7 1. COVID-19-JuBG ist nach Ablauf der Periode, für die bereits Vorschüsse nach diesem Gesetz gewährt wurden, zulässig (siehe auch 10 Ob 5/21i).

[18] Der Revisionsrekurs des Bundes ist daher nicht berechtigt.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0100OB00008.21F.0330.000

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