TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 27.08.1998, 12Os41/98

OGH vom 27.08.1998, 12Os41/98

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Urban als Schriftführer, in der Strafsache gegen Shih Ping C***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 11 d Vr 11.101/95-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Schroll, des Angeklagten Shih Ping C*****, des Verteidigers Dr. Elsner sowie des Dolmetschers Dr. Hsieh zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Shih Ping Chang des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien als Geschäftsführer der Firma C***** GmbH in der Zeit von März 1988 bis Dezember 1994 vorsätzlich in mehrfachen Handlungen unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuervorauszahlungen um zusammen 1,215.062 S bewirkt und dies nicht nur für möglich sondern für gewiß gehalten, indem er die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen unterließ, Erlöse verschwieg, unberechtigt Vorsteuern geltend machte und Zahlungen nicht leistete.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Das Erstgericht geht davon aus, daß der Angeklagte ab dem Jahr 1988 bis Ende 1994 Umsatzsteuervoranmeldungen zum Teil überhaupt nicht, überwiegend aber verspätet abgab. Auf der Basis von verspäteten Umsatzsteuervoranmeldungen sowie der in den Jahren 1988 bis 1992 jeweils nach Fristablauf eingereichten Jahresumsatzsteuererklärungen ermittelte die Abgabenbehörde die tatsächlichen Zahllasten. In einigen Fällen erfolgten die Umsatzsteuervoranmeldungen auch mit zu niedrigen Beträgen, deren Unrichtigkeit sich erst aus der verspätet abgegebenen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1990 ergab (US 5 f). Im Urteilstenor und in der rechtlichen Beurteilung hielt das Erstgericht fest, daß die Zahlung der tatsächlich geschuldeten Beträge unterblieb (US 3 und 9).

Soweit die Mängelrüge (Z 5) einzelne Argumente der Beweiswürdigung aus dem Zusammenhang gelöst als Scheinbegründung kritisiert, ist ihr zu erwidern, daß die Tatrichter keineswegs bloß aus dem längeren Tatzeitraum oder allein aus der Information durch den Steuerberater auf tataktuellen Hinterziehungsvorsatz schlossen. Sie haben vielmehr die Verantwortung des Angeklagten, wonach die Unterlassung der Abgabe bzw die zu späte Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen aus reiner Nachlässigkeit geschehen wäre, weil er die Unterlagen nicht hätte lesen können, seine Tochter die Geschäfte geführt habe und für die steuerlichen Agenden der Steuerberater verantwortlich gewesen wäre, mängelfrei unter Hinweis auf die 25-jährige Tätigkeit des Beschwerdeführers als Kaufmann in Österreich abgelehnt (US 7 f).

Entgegen der weiters behaupteten Aktenwidrigkeit konnte sich das Schöffengericht bei der Feststellung, wonach der Angeklagte wußte, daß er Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben und entsprechende Steuern zu zahlen hat, auf dessen Einlassung in der Hauptverhandlung vom (S 86) stützen, weshalb die insoweit irrtümliche Bezugnahme des Erstgerichtes auf die Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter (ON 6) der Relevanz entbehrt.

Die vom Angeklagten in der Tatsachenrüge (Z 5a) hervorgehobenen Angaben der Zeugin Ingrid S***** sind nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten Feststellungen zur subjektiven Tatseite hervorzurufen, hielt doch diese Mitarbeiterin der für die Firma C***** GmbH tätig gewesenen Steuerberatungskanzlei fest, daß die mit ihr in Kontakt getretene Tochter des Angeklagten "immer alles mit ihrem Vater abgesprochen" hatte (S 211) und der Beschwerdeführer als Geschäftsführer über die Buchungsverspätungen stets informiert war (S 212). Dem Umstand, daß die Zeugin nicht ausdrücklich auf die Gefahr eines Strafverfahrens wegen Abgabenhinterziehung hinwies (S 214), kommt angesichts des aus der eigenen Einlassung des Angeklagten abgeleiteten und sein Unrechtsbewußtsein dokumentierenden Wissens um die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen und Zahlung der Abgaben keine schuldrelevante Bedeutung zu, bildet doch das Bewußtsein der Strafbarkeit keine Voraussetzung der Schuld (Kienapfel AT5 Z 17 E 16 f).

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet der Beschwerdeführer zunächst Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite, weil das Schöffengericht die seinen Vorsatz in Frage stellenden Sprachschwierigkeiten nicht erörtert habe. Er übergeht insoweit die ausdrücklich seine mangelhaften Deutschkenntnisse betreffende Beweiswürdigung des Erstgerichtes, wonach er durchaus in der Lage war, die Geschäfte zu führen, deutschsprachige Unterlagen zu lesen und die alleinige Verantwortung für steuerliche Gestionen zu übernehmen. Aber auch soweit der Beschwerdeführer Feststellungen zu der - nach der Anfechtungsintention sein Verschulden vermeintlich ausschließenden - Vertretung durch eine Steuerberatungs- kanzlei vermißt, geht er nicht von der in der Beweiswürdigung festgehaltenen tatrichterlichen Überzeugung aus, daß seiner leugnenden Verantwortung, für die steuerlichen Agenden sei allein der Steuerberater zuständig gewesen, kein Glauben zu schenken war (US 7 f).

Inhaltlich bekämpft der Beschwerdeführer somit - ohne einen formellen Begründungsmangel (Z 5) oder erhebliche Bedenken gegen schuldrelevante Tatsachen (Z 5a) darzutun - die Beweiswürdigung der Tatrichter in Form einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

In der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet der Beschwerdeführer Feststellungsmängel, weil er - gemäß seiner Verantwortung - bei der verspäteten Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Jahresumsatzsteuererklärungen auf das Bestehen von Gutschriften vertraut habe, weshalb zur Erwirkung der Strafaufhebung gemäß § 29 Abs 2 FinStrG eine Zahlung der hinterzogenen Abgaben nicht erforderlich gewesen sei.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen waren aber Konstatierungen über allfälliges Vertrauen des Angeklagten auf das Bestehen von Gutschriften nicht geboten, weil die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige nach § 29 Abs 2 FinStrG nur dann eintritt, wenn die geschuldeten Beträge ohne Verzug tatsächlich entrichtet werden (Dorazil/Harbich, FinStrG § 29 E 19 ff; Leitner Finanzstrafrecht 86 f; Mayerhofer Nebengesetze3 § 29 FinStrG E 4b ff; Scheil, Selbstanzeige Rz 557 ff; Plückhahn, SWK 1986 AV 23) oder die selbst deklarierte Abgabenschuld gemäß dem § 214 Abs 1 BAO von der Finanzbehörde mit einer tatsächlich vorhandenen und den gesamten geschuldeten Abgabenbetrag deckenden Gutschrift auf dem gemäß § 213 BAO zu führenden Gebarungskonto des Abgabepflichtigen zu verrechnen ist. Der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider kommt hingegen dem bloßen Vertrauen auf das Bestehen einer solchen Gutschrift nach § 29 FinStrG keine Bedeutung zu.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlaß hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch - im Einklang mit der entsprechende Indikatoren aufzeigenden Stellungnahme der Generalprokuratur - davon überzeugt, daß dem Urteil von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 StPO) Feststellungsmängel zum Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige nach § 29 FinStrG anhaften (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO).

Nach den insoweit maßgebenden Urteilsannahmen ist (mangels eines konstatierten Fortsetzungszusammenhanges) zunächst davon auszugehen, daß jeweils getrennte deliktische Angriffe vorlagen (wie dies auch die Finanzbehörde im Hinblick auf die von ihr angenommene wirksame Selbstanzeige betreffend die Umsatzsteuervoranmeldung für März 1989 zum Ausdruck bringt - S 73).

Weiters ist zu berücksichtigen, daß verspätete (wahrheitsgetreue) Umsatzsteuervoranmeldungen oder in Fällen, in denen solche überhaupt unterblieben, Jahresumsatzsteuererklärungen als konkludente (vgl 1548 BlgNR 13. GP, 56) Darlegung der Verfehlung zu beurteilen sind (Scheil, Selbstanzeige Rz 313 f, 390), die unter den übrigen in § 29 FinStrG genannten Bedingungen strafbefreiend wirken.

Deshalb wäre das Erstgericht (zunächst) verhalten gewesen, (für jeden Deliktsmonat getrennt) Konstatierungen darüber zu treffen, ob und inwieweit der Straffreiheit entgegenstehende Umstände iSd § 29 Abs 3 FinStrG vorlagen.

Andernfalls ist für diese Zeiträume festzustellen, ob der Selbstanzeiger die geschuldeten Beträge den Abgaben- und Monopolvorschriften entsprechend entrichtete. Dabei ist davon auszugehen, daß die tatsächliche Zahlung einer (bloß) verspätet gemeldeten Abgabe oder aber der aufrechte Bestand eines im Zeitpunkt der Selbstanzeige am Gebarungskonto vorhandenen und zur vollständigen Tilgung der Abgabenschuld tauglichen Guthabens nach § 29 FinStrG strafbefreiend wirkt und darüberhinaus der verspäteten Abgabe einer Jahresumsatzsteuererklärung sowohl hinsichtlich einer überhaupt unterlassenen als auch bei einer bloß unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung dann strafbefreiende Wirkung iS einer konkludenten Selbstanzeige (vgl Scheil, Selbstanzeige Rz 324) nach dem § 29 FinStrG zukommt, wenn nach bescheidmäßiger Festsetzung der Umsatzsteuer gemäß § 21 Abs 3 UStG 1972 die Abgabenschuld bis zum Ende der dann gemäß § 210 Abs 4 BAO offen stehenden Frist von einem Monat bezahlt wird (Plückhahn aaO) oder aber innerhalb dieser Zahlungsfrist ein entsprechendes zur Aufrechnung taugliches Guthaben am Gebarungskonto vorliegt.

Im Sinn der zutreffenden Ausführungen der Generalprokuratur kamen in den Verfahrensergebnissen eine Reihe von Anhaltspunkten hervor, die eine entsprechend punktuelle Überprüfung einzelner Bemessungsabschnitte erforderlich machen. Da die dazu gebotenen - in ihren Grundlagen einer kontradiktorischen Erörterung nicht vorweg entziehbaren - Tatsachenfeststellungen die gesetzlichen Möglichkeiten des Rechtsmittelverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof übersteigen, war daher aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO spruchgemäß mit Urteilsaufhebung und Anordnung der Verfahrenserneuerung vorzugehen.

Sollte dem Angeklagten im zweiten Rechtsgang (nur) partielle Straffreiheit nach § 29 FinStrG zukommen, wird das Erstgericht gegebenenfalls § 53 Abs 1 lit b iVm § 214 FinStrG zu beachten haben.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.