OGH vom 27.06.2007, 8ObA105/06h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die fachkundigen Laienrichter Univ. Prof. DI Hans Lechner und Eva-Maria Florianschütz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Alexander S*****, vertreten durch Mag. Kurt Oberleitner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dr. Walter R*****, vertreten durch Dr. Michael Schwingl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen EUR 4.505,36 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 62/06h-22, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 43 Cga 172/05v-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 4.505,36 brutto samt 9,47 % Zinsen seit binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig der klagenden Partei die mit EUR 1.350,24 (darin EUR 186,20 USt und EUR 233,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens sowie die mit EUR 1.131,88 (darin EUR 117,98 USt und EUR 424,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 983,74 (darin EUR 66,62 USt und EUR 584,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit Oktober 2001 beim beklagten Rechtsanwalt beschäftigt und äußerte Ende März Anfang April 2005 den Wunsch hinsichtlich einer Gehaltserhöhung. Dem wollte der Beklagte jedoch nicht nachkommen, worauf sich der Kläger entschloss, Gespräche mit einem anderen Rechtsanwalt zu führen, der Interesse an einem möglichst raschen Wechsel zu ihm zeigte. Im April 2005 tat der Kläger daraufhin in einem Gespräch mit dem Beklagten seinen festen Willen kund, das Arbeitsverhältnis ehestens zu beenden und sagte wörtlich zum Beklagten „.... ich werde mich verändern, ich kündige, mein letzter Arbeitstag wird der sein". Der Beklagte war überrascht und betroffen, weil er den Kläger, seinen Konzipienten, sehr schätzte und sich mit ihm gut verstanden hatte. Der Beklagte versuchte einige Tage später den Kläger mit einem erhöhten Gehaltsangebot umzustimmen, jedoch beharrte der Kläger auf seinen Entschluss und erklärte sein Schritt sei definitiv. Der Beklagte nahm daraufhin die Kündigung des Klägers an, ersuchte ihn aber, ob er nicht wenigstens etwas länger bleiben könne, um dem Beklagten die Suche nach einem neuen Konzipienten zu erleichtern. Daraufhin erklärte der Kläger, er könne bis 30. 6. bleiben. Das nahm der Beklagte freudig und dankbar an. Am 22. 6. übergab der Kläger dem Beklagten in seinem Arbeitszimmer eine Urkunde mit der Bitte um Unterfertigung. Der Beklagte beendete vorweg noch seine Arbeit - ein Diktat - dann unterfertigte er die Urkunde. Der Text dieser Urkunde lautet wie folgt:
Vereinbarung
„Beklagter" einerseits und „Kläger" andererseits kommen überein das bestehende Dienstverhältnis per einvernehmlich zu beenden."
Der Beklagte verstand dies dahin, dass sich dies nur auf eine einvernehmliche Festlegung des Kündigungstermines bezog, hatte aber keine Absicht, an der bereits erfolgten Auflösung etwas zu ändern, auch sonst wurde über eine einvernehmliche Auflösung nicht gesprochen. In den Abrechnungsunterlagen sowie der Arbeitsbescheinigung für das AMS wurde als Auflösungsgrund „Kündigung durch den Dienstnehmer" angeführt.
Der Kläger stützt sein der Höhe nach außer Streit stehendes Klagebegehren darauf, dass ihm in Hinblick auf eine einvernehmliche Auflösung die Abfertigung zustehe.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Kläger das Dienstverhältnis selbst gekündigt habe und nur der Endtermin des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich verschoben worden sei.
Das Erstgericht wies die Klage ab und stützte dies im Wesentlichen darauf, dass aus der Vereinbarung vom nichts abzuleiten sei. Einerseits, weil die Parteien schon vor der Verfassung dieser Urkunde über Art und Weise der Beendigung der Tätigkeit übereingekommen seien und andererseits, weil der Beklagte eine vom objektiven Urkundeninhalt abweichende Vorstellung und Absicht hatte. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und stützte dies darauf, dass die Vereinbarung lediglich eine „Beweisurkunde" gewesen sei. Nach ständiger Rechtsprechung bewirke eine Verkürzung oder Verlängerung der Kündigungsfrist im Zweifel aber noch keine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer, der einseitig das Arbeitsverhältnis beende, trage die Beweislast für den Nachweis des Vorliegens einer einvernehmlichen Auflösung, was dem Kläger hier nicht gelungen sei.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt. Das Berufungsgericht ist von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen bzw hat diese nicht differenziert genug erfasst. Hat der Oberste Gerichtshof doch in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass dann, wenn nach einer Kündigung durch den Angestellten mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung getroffen wird, wonach der Angestellte solange bleibe, bis für ihn ein Nachfolger gefunden werde, die Rechtsfolgen der Kündigung aufgehoben werden und das Dienstverhältnis durch Zeitablauf bzw einvernehmliche Auflösung als gelöst gilt (vgl RIS-Justiz RS0028144 mit zahlreichen weiteren Nachweisen insb 9 ObA 63/89). Dabei wurde allerdings eine Differenzierung dahin vorgenommen, dass dann, wenn das Ende des Dienstverhältnisses lediglich um eine Woche verschoben wird und dem Wunsch des Arbeitnehmers nach einer freiwilligen Abfertigung damit Rechnung getragen wurde, dass ihm eine zusätzliche Zahlung in Höhe eines Monatsgehaltes zugesagt wurde, noch keine Änderung der Auflösungsart eintritt (vgl OGH 8 ObA 310/95 = RdW 1996, 535; ähnlich zu einer 14-tägigen Korrektur des Endtermines nach einer ausgesprochenen Entlassung 9 ObA 2186/96b).
Nun mag dahingestellt bleiben, ob hier bei einer im Interesse des Arbeitgebers (anderes gilt etwa bei Verkürzungen der Kündigungsfrist im Interesse des Arbeitnehmers - RIS-Justiz RS0028544) vorgenommenen Verschiebung des Endtermines um bloß einen Monat schon deshalb von einer einvernehmlichen Auflösung ausgegangen werden könnte. Völlig eindeutig ist jedoch die hier getroffene „Vereinbarung". Diese stellt klar auf eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses ab. Der Kläger musste deren Annahme auch unter Berücksichtigung des gesamten Ablaufes nicht als bloße schriftliche Festlegung einer mündlichen „Vereinbarung" über eine Verlegung des Kündigungstermines verstehen, bei der durch einen „Fehler" vom wirklich Vereinbarten abgewichen wurde (vgl RIS-Justiz RS0017226 mwN). Ist der Kläger doch nach Ausspruch der Kündigung dem Beklagten durch die Verschiebung des Endtermines entgegen gekommen. Davor hat der Beklagte bereits seine besondere Zufriedenheit mit dem Kläger zum Ausdruck gebracht und sogar eine Gehaltserhöhung angeboten. Der Kläger konnte daher auch unter Berücksichtigung dieser Umstände eine Reaktion auf sein „Entgegenkommen und die Festlegung" der für den Kläger günstigeren einvernehmlichen Auflösung für möglich erachten. Es bestand daher kein Anlass für ihn die Erklärung anders zu verstehen als sie völlig eindeutig schriftlich festgelegt ist.
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte subjektiv eine solche Absicht nicht hatte, weil nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Lehre weder die subjektive Absicht des Erklärungsempfängers noch jene des Erklärenden allein entscheidend ist, sondern bei Uneinigkeit die Erklärung so zu verstehen ist, wie ein redlicher Erklärungsempfänger die Erklärung verstehen konnte (vgl RIS-Justiz RS0014205 mwN; Rummel in Rummel ABGB3 § 914 Rz 4; Binder in Schwimann, ABGB3 § 914 Rz 25; Bollenberger in KBB § 914 Rz 6 uva). Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass jedenfalls durch die Vereinbarung am das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst wurde und dementsprechend dem Kläger auch nach § 23 AngG - mangels Nachweises eines Ausschlusstatbestandes des § 23 Abs 7 AngG - die Abfertigung zuzusprechen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.