zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 09.10.2007, 10Ob44/07d

OGH vom 09.10.2007, 10Ob44/07d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Partnerschaft S***** S***** & W***** Rechtsanwälte, ***** vertreten durch Dr. Michael Winischhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Katalin K*****, vertreten durch Dr. Harald Ofner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert EUR 25.000), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 129/06t-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ 24 Cg 48/05g-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei das von Prof. Rudolf H***** gemalte Ölbild mit der Darstellung von Dr. Walter S*****, dargestellt in Beilage ./L, herauszugeben sowie die mit EUR 9.326,24 (darin enthalten EUR 551 Barauslagen und EUR 1.462,54 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 5.158,38 (darin enthalten EUR 2.016 Barauslagen und EUR 523,73 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Rechtsanwälte Dr. Walter S*****, Dr. Werner S***** und Dr. Michael W***** waren zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vereint; im Jahr 1981 trat auch Dr. Martin S***** der Gesellschaft bei. Die Einnahmen wurden zu gleichen Teilen auf die Gesellschafter aufgeteilt. Prof. Rudolf H***** war seit 1975 Klient dieser Gesellschaft und wurde in wichtigen Angelegenheiten vorwiegend von dem mit ihm befreundeten Dr. Walter S***** vertreten. Es gab jedoch keine Sonderhonorarvereinbarung zwischen Prof. Rudolf H***** und Dr. Walter S*****. Als Prof. Rudolf H***** mehrere offene Honorarforderungen nicht bezahlen konnte, wandte er sich 1983 schriftlich an Dr. Walter S***** und bat ihn und die Partner der Kanzlei, die ausständigen Honorare durch Malen eines Bildes begleichen zu dürfen. Die Gesellschafter waren damit einverstanden und am übergab Prof. Rudolf H***** das nunmehr streitgegenständliche, Dr. Walter S***** darstellende Bild an diesen. Das Gemälde wurde in das Anlagenverzeichnis der Kanzlei übernommen und im Arbeitszimmer des Dr. Walter S***** aufgehängt.

Am gründeten die Gesellschafter eine Offene Erwerbsgesellschaft („Partnerschaft S***** S***** & W***** Rechtsanwälte") und über mündliche Vereinbarung wurde das gesamte Anlagevermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, darunter auch das Bild, auf die OEG übertragen.

Am veräußerte Dr. Walter S***** seinen Gesellschaftsanteil an Dr. Haig A*****, wobei im Beteiligungskaufvertrag keine genauere Spezifikation dieses Anteils erfolgte. Vor 1998 veranlasste Dr. Walter S***** ohne Wissen der Gesellschafter der OEG den Transfer des Gemäldes in sein Haus in Wiener Neudorf. Ende Februar/Anfang März 1998 entdeckten die Beklagte (= Tochter des Dr. Walter S*****) und ihr Ehegatte das Bild, als sie gemeinsam mit Dr. Walter S***** den Dachboden seines Hauses nach Möbeln für ihre neue Wohnung durchsuchten. Die Beklagte war überrascht, dass sich dieses nicht mehr in der Kanzlei befand und bedauerte, dass es nicht aufgehängt war. Daraufhin übergab Dr. Walter S***** das Gemälde an seine Tochter und deren Ehemann und erklärte, dass er es ihnen zur Hochzeit schenke. Anfang Juli 1998 wurde das Bild in die Wohnung der Beklagten und ihres Ehegatten nach Mödling gebracht und befindet sich seit ungefähr Jänner 2003 am Wohnsitz der Beklagten in Ungarn.

Im Zuge des Erbschaftsstreits nach dem Tod von Dr. Walter S***** zwischen der Mutter und dem Halbbruder der Beklagten, Dr. Martin S*****, bot dieser zur Bereinigung des Streites im März 2002 einen Vergleich an, den er von der Herausgabe des Bildes an die Klägerin abhängig machte. Er wandte sich aber nicht direkt an die Beklagte, die von ihrer Mutter nur darüber informiert wurde, dass die Klägerin das Bild „haben wolle". Zu Gesprächen über das Eigentumsrecht am Bild zwischen der Klägerin bzw Dr. Martin S***** und der Beklagten kam es vorerst nicht. Erst im Jänner 2005 trat Dr. Martin S***** an die Beklagte persönlich heran, behauptete das Eigentum der Klägerin am Bild und bot ihr EUR 25.000 für dessen Herausgabe an, was die Beklagte jedoch ablehnte.

Mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Herausgabe des von Prof. Rudolf H***** gemalten Ölbildes mit der Darstellung von Dr. Walter S*****. Dr. Walter S***** habe das Bild am für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts übernommen und habe festgehalten, dass damit Honoraransprüche in mehreren Causen in der Höhe von insgesamt ATS 283.615,86 abgegolten seien. Dadurch sei die Kanzleigemeinschaft Eigentümerin bzw die vier Gesellschafter Miteigentümer des Bildes geworden. Die Honorareingänge seien ordnungsgemäß verbucht und versteuert worden. Die im Jahr 1991 ohne Errichtung einer schriftlichen Urkunde gegründete Klägerin habe die Rechtsanwaltskanzlei mit sämtlichen Aktiven und Passiven übernommen und sei daher nunmehr Eigentümerin des Bildes.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, Prof. Rudolf H***** habe aufgrund der engen Freundschaft zu ihrem Vater für anwaltliche Leistungen nichts bezahlen müssen und habe das Ölbild nicht der Kanzleigemeinschaft im Rahmen eines Gegengeschäftes, sondern ihrem Vater aus Dankbarkeit geschenkt. Dieser habe das Bild der Beklagten als „etwas verspätetes Hochzeitsgeschenk" zugeeignet. Im Übrigen wäre der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, wenn es sich bei der Übergabe des Bildes tatsächlich um die Begleichung einer Honorarverbindlichkeit gehandelt hätte, bereits verjährt. Darüber hinaus brachte die Beklagte vor, sie habe bis zum Zeitpunkt der Klagseinbringung das Ölbild bereits gutgläubig ersessen.

Die Klägerin bestritt die von der Beklagten behauptete Schenkung und brachte dazu vor, dass selbst eine Schenkungsabsicht von Dr. Walter S***** am aufrechten Eigentumsrecht der Klägerin nichts ändern könnte. Der erhobene Verjährungseinwand sei nicht nachvollziehbar, da die Klägerin einen aus ihrem Eigentumsrecht resultierenden Anspruch geltend mache.

In der Tagsatzung vom (Seite 12 in ON 13) brachte die Klägerin ergänzend vor, dass selbst für den Fall der Annahme einer Schenkung des Bildes von Dr. Walter S***** an die Beklagte (allein) oder an die Beklagte gemeinsam mit ihrem Ehegatten Dr. Walter S***** das Bild im Wissen um das Eigentum der Klägerin an diesem Bild aus den Räumlichkeiten der Klägerin verbracht habe, um es ihr dauernd zu entziehen und es der Beklagten (allein) oder der Beklagten und ihrem Ehegatten zuzueignen. Die Beklagte als Erbin des Dr. Walter S***** habe daher der Klägerin Schadenersatz zu leisten, wobei die Klägerin Naturalersatz (= Herausgabe des Bildes) begehre. Das Klagebegehren werde überdies auf alle erdenklichen Rechtsgründe, insbesondere auch auf Bereicherungsrecht, gestützt.

Dem Einwand der Beklagten, sie habe das Bild gutgläubig ersessen, hielt die Klägerin entgegen, die Beklagte habe spätestens seit Juni 2002 gewusst, dass die Klägerin Eigentümerin des Bildes sei. Im Übrigen sei die notwendige Ersitzungsfrist im Hinblick auf § 1475 ABGB auch deshalb nicht erfüllt, weil das Bild von Dr. Walter S***** nach Wiener Neudorf verbracht worden sei und sich seither in Wiener Neudorf, danach in Mödling und seit dreieinhalb Jahren in Ungarn befunden habe.

Die Beklagte bestritt dieses Vorbringen, räumte aber ein, dass ihr gemeinsam mit ihrem Halbbruder Dr. Martin S***** je zur Hälfte der Nachlass nach Dr. Walter S***** eingeantwortet worden sei. Das Bild sei ihr von ihrem Vater nicht allein, sondern gemeinsam mit ihrem Ehegatten geschenkt worden, sodass beide Hälfteeigentümer an diesem Bild geworden seien.

Das Erstgericht wies ausgehend von den bereits eingangs wiedergegebenen wesentlichen Feststellungen das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass Dr. Walter S***** das Gemälde von Prof. Rudolf H***** namens der Gesellschaft bürgerlichen Rechts entgegengenommen habe und die Gesellschafter daher anteiliges Miteigentum zu je einem Viertel am Bild erworben hätten. Durch die Einbringung des anteiligen Gesellschaftsvermögens der Gesellschaft bürgerlichen Rechts seitens der Gesellschafter in die im Jahr 1991 gegründete OEG seien die Gesellschafter zu Gesamthandeigentümern am Bild geworden und hätten über dieses nicht allein verfügen dürfen. Mit Veräußerung seines Gesellschaftsanteiles im Jahr 1995 habe Dr. Walter S***** sich sämtlicher mit dem Gesellschaftsanteil verbundener Rechte begeben und damit auch seine Rechte am gegenständlichen Bild verloren. Dieses sei weiter im Gesamthandeigentum der verbleibenden Gesellschafter gestanden. Mangels Verfügungsberechtigung habe Dr. Walter S***** der Beklagten und ihrem Ehegatten kein Eigentum am Bild verschaffen können. Die Beklagte und ihr Ehegatte hätten von den Eigentumsansprüchen der Klägerin erst im Jahr 2005 erfahren. Davor habe es nur Gespräche mit der Mutter der Beklagten gegeben, die jedoch lediglich mitgeteilt habe, dass die Klägerin das Bild „haben wolle". Diese unspezifischen Gespräche seien nicht geeignet gewesen, den guten Glauben der Beklagten und ihres Ehegatten an der Rechtmäßigkeit ihrer Besitzausübung zu erschüttern. Grundsätzlich betrage die Ersitzungszeit bei beweglichen Sachen drei Jahre. Dr. Walter S***** hätte aber wissen müssen, dass er über das Bild nicht verfügungsberechtigt gewesen sei und sei deswegen unredlicher Besitzer gewesen. Die Unredlichkeit des vorigen Besitzers hindere zwar die Ersitzung durch einen redlichen Nachfolger nicht, doch müsse gemäß § 1476 ABGB die doppelte Ersitzungszeit abgewartet werden. Der Besitz der Beklagten und ihres Ehegatten am Bild habe durch dessen Übergabe durch Dr. Walter S***** Ende Februar/Anfang März 1998 begonnen. Die Redlichkeit habe zumindest bis zum Gespräch der Beklagten und ihres Ehegatten mit Dr. Martin S***** im Jänner 2005 gedauert. Somit hätten die Beklagte und ihr Ehegatte zumindest sechs Jahre lang das Bild redlich besessen und seien dessen rechtmäßige Eigentümer geworden. Nach Ablauf der Ersitzungszeit seien Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche der ehemaligen Eigentümer ausgeschlossen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es teilte im Wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichtes und verwies ergänzend darauf, dass die besondere Verjährungsvorschrift des § 1475 ABGB nicht zur Anwendung komme. Diese Bestimmung habe den Schutz desjenigen, der im Ausland weile, im Auge. Der Abwesende solle durch eine längere Dauer der Ersitzungsfrist gegen die Folgen seines durch seine Abwesenheit bedingten Nichthandelns geschützt werden. Er gehe seiner Rechte nicht in der normalen, im Gesetz vorgesehenen Frist verlustig, sondern es werde zu seinen Gunsten diese Frist verdoppelt. Die Bestimmung sei jedoch nach der Rechtsprechung bei einem unbekannten Aufenthalt des Ersitzenden im Ausland nicht anwendbar. Gleiches müsse für den hier vorliegenden Fall gelten, wenn sich der Ersitzungsgegenstand im Ausland oder nicht in dem Bundesland befinde, in dem der Eigentümer weile.

Der Klägerin wäre als Eigentümerinm des Bildes zwar grundsätzlichm zunächst gegen Dr. Walter S***** und in weiterer Folge gegen die Verlassenschaft bzw gegen die eingeantworteten Erben ein schadenersatzrechtlicher Herausgabeanspruch und ein Verwendungsanspruch zugestanden. Sie sei aber durch die rechtmäßige Ersitzung durch die Beklagte ihres Eigentumsrechtes am Bild verlustig gegangen, da der Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten Folge der Ersitzung sei. Damit sei die Klägerin nach Ablauf der Ersitzungszeit Ende Februar/Anfang März 2004 nicht mehr Eigentümerin des Bildes gewesen und habe ab diesem Zeitpunkt keine auf § 366 ABGB gegründete Eigentumsklage mehr erheben können. Einem auf Schadenersatz oder Bereicherung gestützten Herausgabebegehren der Klägerin stehe daher der durch die Ersitzung eingetretene originäre Eigentumserwerb der Beklagten am Bild entgegen.

Das Berufungsgericht sprach über Ergänzungsauftrag des Obersten Gerichtshofes vom aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000 übersteige. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der über den konkreten Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage vorliege, ob ausschließlich die Abwesenheit des Ersitzungsgegners oder auch die Verbringung der zu ersitzenden Sache in das Ausland zu einer Verlängerung der Ersitzungszeit nach § 1475 ABGB führe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

1. Zur Frage der Ersitzung:

Die Klägerin macht dazu geltend, dass die Frist für die Ersitzung gemäß § 1475 ABGB noch nicht abgelaufen sei und die Beklagte daher kein Eigentum am strittigen Bild erworben habe. Der Wortlaut von§ 1475 ABGB stelle darauf ab, dass der „Aufenthalt des Eigentümers" einerseits und das „Befinden der Sache" andererseits in verschiedenen „Provinzen" (= Bundesländer oder Staaten) liege. Dass es eine Bewandtnis haben solle, ob dieser Zustand durch einen Ortswechsel des Eigentümers oder der Sache herbeigeführt werde, sei dem Gesetzestext nicht zu entnehmen. Nach dem klaren Wortsinn seien vielmehr beide Fälle von der Bestimmung erfasst. Es sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb eine Verbringung der Sache in das Ausland für den Ersitzenden günstigere Rechtsfolgen haben solle als eine Auslandsabwesenheit des Eigentümers.

Dazu ist zunächst grundsätzlich zu bemerken, dass die Gründe, welche die Einführung der Rechtsinstitute der Ersitzung und Verjährung veranlasst haben, allgemeine Gültigkeit beanspruchen und daher gegen jedermann wirken. Das Gesetz berücksichtigt aber besondere persönliche Verhältnisse insoweit, als es bei ihrem Vorhandensein die Vollendung der Ersitzung und Verjährung von erschwerten Bedingungen abhängig macht. Diese Erschwerungen bestehen unter anderem in der Verlängerung der Ersitzungszeit bei juristischen Personen des öffentlichen und des privaten Rechts (§ 1472 ABGB) und bei Abwesenden (§ 1475 ABGB). Nach § 1475 ABGB steht der Aufenthalt des Eigentümers außer der „Provinz", in welcher sich die Sache befindet, der ordentlichen Ersitzung und Verjährung insoweit entgegen, dass die Zeit einer willkürlichen und schuldlosen Abwesenheit nur zur Hälfte, folglich ein Jahr nur für sechs Monate gerechnet wird. Doch soll auf kurze Zeiträume der Abwesenheit, welche durch kein volles Jahr ununterbrochen gedauert haben, nicht Bedacht genommen werden, und überhaupt die Zeit nie weiter als bis auf 30 Jahre zusammen ausgedehnt werden. Schuldbare Abwesenheit genießt keine Ausnahme von der ordentlichen Verjährungszeit. Nach § 1496 ABGB wird durch Abwesenheit in Zivil- oder Kriegsdiensten oder durch gänzlichen Stillstand der Rechtspflege, zB in Pest- oder Kriegszeiten, nicht nur der Anfang, sondern solange dieses Hindernis dauert, auch die Fortsetzung der Ersitzung oder Verjährung gehemmt.

Die Bestimmung des § 1475 ABGB wird in der Lehre ganz allgemein als Regelung über den Einfluss der Abwesenheit des Eigentümers auf die Ersitzungsfrist verstanden. Abwesenheit des Ersitzungsgegners außerhalb der „Provinz" (heute wohl mit „Staat" oder „Bundesland" gleichzusetzen), in der sich die Sache befindet, steht der kurzen Ersitzung insoweit entgegen, als bei einer „willkürlichen und schuldlosen Abwesenheit" die Zeit nur zur Hälfte, also ein Jahr nur für sechs Monate, gerechnet wird. Nach herrschender Lehre ist es gleichgültig, ob die Abwesenheit vorübergehend oder auf Dauer angelegt ist und ob der Abwesende einen Verwalter zurückgelassen hat. Die „willkürliche und schuldlose Abwesenheit" ist als Gegensatz zur Abwesenheit wegen „Kriegsdienst" zu verstehen, in welchen Fällen gemäß § 1496 ABGB eine völlige Hemmung der Ersitzung Platz greift. Eine „schuldbare" Abwesenheit des Ersitzungsgegners, also eine Abwesenheit, die entweder selbst eine unerlaubte Handlung darstellt (zB Desertion) oder die Folge einer solchen ist (zB Flucht vor Strafverfolgung), genießt nach Satz 3 des § 1475 ABGB hingegen keine Ausnahme von der ordentlichen Verjährungszeit. Von Bedeutung ist bei der Ersitzung somit die Abwesenheit des Ersitzungsgegners, bei der Verjährung die Abwesenheit des Gläubigers (M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1475 Rz 1 ff und § 1496 Rz 1 jeweils mwN; Mader/Janisch in Schwimann, ABGB³ § 1475 Rz 1 ff und § 1496 Rz 1 jeweils mwN; Klang in Klang² VI 593 ff). In der Literaturm wird die Bestimmung des § 1475 ABGB ganz allgemein als eher anachronistisch gesehen (vgl M. Bydlinski aaO § 1475 Rz 2 mwN).

Im Sinne der dargelegten Lehrmeinungen wurde auch in der Judikatur bereits ausgesprochen, dass ein Aufenthalt des Schuldners im Ausland die Verjährung nicht hemmt und § 1496 ABGB nur bei Abwesenheit des Gläubigers (der durch diese Abwesenheit als an der Geltendmachung seiner Rechte entschuldbar verhindert angesehen wird) zur Anwendung kommt (JBl 1960, 640). Auch in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 1 Ob 45/63 (= SZ 36/55) wurde vom Obersten Gerichtshof ausgesprochen, dass auch die Textierung der Bestimmung des § 1475 ABGB keinen Zweifel darüber offen lässt, dass sie einen Schutz desjenigen, der im Ausland weilt, im Auge hat und dass dieser Schutz nur ihm, nicht auch seinem Kontrahenten zugute kommt. Der Abwesende soll durch eine längere Dauer der Frist gegen die Folgen seines durch seine Abwesenheit bedingten Nichthandelns geschützt werden, indem gegen ihn nicht in der normalen, im Gesetz vorgesehenen Zeit ein Recht ersessen werden kann. Es ist hingegen nicht einzusehen, warum der im Inland befindliche Gläubiger, der die Möglichkeit hat, innerhalb der Verjährungszeit seine Ansprüche gegen den Schuldner geltend zu machen, auch den Vorteil einer längeren Ersitzungsfrist haben sollte. § 1475 ABGB gilt daher nicht für Forderungen eines inländischen Gläubigers gegen einen Schuldner, der sich an einem unbekannten Ort im Ausland aufhält (SZ 36/55).

Dem allgemeinen Verständnis der Bestimmung des § 1475 ABGB in Lehre und Rechtsprechung liegt somit die Erwägung zugrunde, dass sich ein von seinem gewöhnlichen Aufenthalt längerfristig ortsabwesender Eigentümer in der Regel nicht in dem Ausmaß um seine Geschäfte kümmern könne und daher besser gegen Verjährung und Ersitzung geschützt werden solle, als ein „anwesender" Eigentümer. Zutreffend verweist daher die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung darauf, dass sowohl sie als auch die Klägerin ihren Aufenthalt während der gesamten Ersitzungszeit im Inland hatten und die Klägerin daher ausreichend Zeit hatte (die Ersitzungszeit betrug gemäß § 1476 ABGB insgesamt sechs Jahre), die entsprechenden rechtlichen Schritte zu setzen. Die Klägerin hätte unabhängig vom Aufenthaltsort des gegenständlichen Bildes nichts anderes zu tun gehabt, als binnen dieser Frist von sechs Jahren die Klage am Wohnsitzgerichtsstand der Beklagten einzubringen. Die grundsätzlich nicht erweiternd auszulegende Ausnahmebestimmung des § 1475 ABGB findet daher nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichtes im vorliegenden Fall keine Anwendung. Ausgehend davon wird aber auch von der Klägerin selbst nicht mehr in Zweifel gezogen, dass die Beklagte - allenfalls gemeinsam mit ihrem Ehegatten - das gegenständliche Bild rechtswirksam ersessen hat.

2. Zum Herausgabebegehren nach § 372 ABGB:

Weiters macht die Klägerin in ihren Rechtsmittelausführungen geltend, ihrem Klagebegehren wäre im Hinblick auf die Möglichkeit der publizianischen Klage (§ 372 ABGB) stattzugeben gewesen, da sie das gegenständliche Bild entgeltlich erworben habe, während die Beklagte im Wege einer Schenkung, somit unentgeltlich, in den Besitz des Bildes gelangt sei.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass die Ersitzung zu einem originären Rechtserwerb des Ersitzenden führt, der zur Folge hat, dass der bisherige Rechtsinhaber sein Recht verliert. Der Rechtserwerb tritt unmittelbar mit Ablauf der Ersitzungszeit ein (Mader/Janisch aaO § 1452 Rz 6 mwN; SZ 69/187 ua). Die publizianische Klage kann zwar gegen jeden Dritten, aber nie gegen den wirklichen Eigentümer angestrengt werden (Klicka in Schwimann, ABGB³ § 372 Rz 1; Spielbüchler in Rummel, ABGB³ § 372 Rz 3 jeweils mwN; SZ 66/59; SZ 58/23 ua). Die Klägerin vermag daher auch mit einer publizianischen Klage (§ 372 ABGB) gegen die Beklagte, die - allenfalls gemeinsam mit ihrem Ehegatten - durch Ersitzung Eigentum an dem Bild erworben hat, nicht durchzudringen.

3. Zum Schadenersatzanspruch:

Schließlich macht die Klägerin geltend, es könne dem Berufungsgericht zwar darin gefolgt werden, dass derjenige, der aufgrund einer Ersitzung Rechte verliere, keinen Bereicherungsanspruch (und wohl auch keinen Schadenersatzanspruch) gegen den Ersitzenden habe. Ein Schadenersatzanspruch gegen Dritte werde aber durch eine Ersitzung nicht ausgeschlossen. Gerade das mit der Ersitzung einhergehende Erlöschen des eigenen Eigentums bewirke ja den endgültigen Verlust der Sache und damit den Schaden, den der rechtswidrig und schuldhaft handelnde Dritte - also etwa jener, der dem später ersitzenden Eigentümer die Gewahrsame an der fremden Sache verschafft habe - zu ersetzen habe. Im vorliegenden Fall stehe der Klägerin als (seinerzeitige rechtmäßige) Eigentümerin des Bildes gegen Dr. Walter S***** ein schadenersatzrechtlicher Herausgabeanspruch sowie ein Verwendungsanspruch zu, wobei diese Verpflichtung im Erbweg auch auf die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Dr. Walter S***** übergegangen sei. Der schadenersatzrechtliche Anspruch auf Naturalrestitution und somit auf Herausgabe des Bildes stelle eine unteilbare Leistung dar, für die die Erben solidarisch hafteten. Der von der Beklagten erhobene Verjährungseinwand beziehe sich nur auf einen vermeintlichen Honorar(auseinandersetzungs)anspruch der Klägerin, nicht aber auf den von der Klägerin auch geltend gemachten Schadenersatzanspruch. Im Übrigen stehe der Klägerin auch ein entsprechender Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte zu, welche erst nach 30 Jahren verjähre.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Ersitzung zu einem originären Rechtserwerb führt, der zur Folge hat, dass der bisherige Rechtsinhaber sein Recht verliert (Mader/Janisch aaO § 1452 Rz 6 mwN). Wer aufgrund einer Ersitzung Rechte verliert, hat nach herrschender Ansicht keinen Bereicherungsanspruch oder Verwendungsanspruch gegen den Ersitzenden (M. Bydlinski aaO § 1452 Rz 1; Mader/Janisch aaO § 1452 Rz 6 mwN). Dem Schutzzweck der Rechtsvorschriften über die Ersitzung entspricht es, gegen den Ersitzenden auch einen allfälligen Schadenersatzanspruch des ehemaligen Eigentümers auszuschließen. Wie aber die Klägerin in ihrer Revision zutreffend aufzeigt, betreffen diese Erwägungen nur das Verhältnis des ehemaligen Eigentümers gegenüber dem Ersitzenden, während ein allfälliger Schadenersatzanspruch des ehemaligen Eigentümers gegen Dritte durch die Ersitzung nicht berührt wird. Gerade das mit der Ersitzung einhergehende Erlöschen des eigenen Eigentums bewirkt ja den endgültigen Verlust der Sache und damit den Schaden, den der rechtswidrig und schuldhaft handelnde Dritte - also etwa jener, der dem Ersitzenden die Gewahrsame an der fremden Sache verschafft hat - zu ersetzen hat. In diesem Sinne wäre Dr. Walter S***** verpflichtet gewesen, der Klägerin den durch den Verlust des Eigentums am Bild entstandenen Schaden zu ersetzen, weil er durch die Entfernung des Bildes aus den Kanzleiräumlichkeiten der Klägerin und die anschließende Schenkung des Bildes an die Beklagte rechtswidrig und schuldhaft im Sinne der § 1293 ff ABGB gehandelt hat. Die Beklagte, die in der Tagsatzung vom ausdrücklich zugestanden hat, dass ihr gemeinsam mit ihrem Halbbruder Dr. Martin S***** der Nachlass nach Dr. Walter S***** je zur Hälfte eingeantwortet wurde (vgl S 12 im Protokoll ON 13), ist daher als Rechtsnachfolgerin von Dr. Walter S***** auch in dessen Rechtsstellung als Schadenersatzpflichtiger gegenüber der Klägerin eingetreten, zumal Schadenersatzansprüche unabhängig von ihrer Geltendmachung zu Lebzeiten des Erblassers aktiv und passiv vererblich sind (vgl Welser in Rummel, ABGB³ § 531 Rz 7 ua). Die Verpflichtung des Dr. Walter S*****, der Klägerin den durch den Verlust des Eigentums am Bild entstandenen Schaden zu ersetzen, ist daher auf die Beklagte und auf Dr. Martin S***** als seine Erben übergegangen.

Schadenersatz kann nach § 1323 ABGB durch Naturalrestitution, also Herausgabe des Bildes an die Klägerin, oder durch Geldersatz geleistet werden. Nach herrschender Ansicht hat der Geschädigte das Wahlrecht zwischen Naturalleistung des Schädigers und dem Anspruch auf Geldersatz (Harrer in Schwimann, ABGB³ § 1323 Rz 11 mwN). Das Wahlrecht des Geschädigten ist dadurch begrenzt, dass die Naturalherstellung möglich und - auch aus der Sicht des Schädigers - tunlich sein muss (EvBl 2000/104, 465 mwN). Ist die Naturalrestitution unmöglich, ist der Geschädigte auf die Geltendmachung des Geldersatzes beschränkt. Unmöglichkeit der Naturalrestitution darf allerdings entsprechend der allgemein zur nachträglichen Leistungsunmöglichkeit vertretenen Ansicht erst dann angenommen werden, wenn der Leistung ein dauerndes Hindernis entgegensteht (Koziol/Welser13 II 45 f mwN). Steht der Leistung nur ein vorübergehendes Hindernis entgegen, liegt keine Unmöglichkeit vor. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Verpflichtete die Leistung wieder erlangen kann (vgl ecolex 1997, 250). Eine Naturalrestitution im Sinn des § 1323 ABGB kommt daher vor allem dann in Betracht, wenn der Schädiger dieselbe Sache dem Geschädigten wieder verschaffen könnte, da er diese noch hat oder wieder bekommen kann (Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 9/16 mwN).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in der Tagsatzung am (vgl S. 3 im Protokoll ON 15) in diesem Zusammenhang nur eingewendet, das Bild sei nicht ihr allein, sondern zur Hälfte auch ihrem Ehegatten geschenkt worden, weshalb beide jeweils Hälfteeigentümer dieses Bildes geworden seien. Zu diesem in der Revisionsbeantwortung wiederholten Einwand ist auszuführen, dass nach der von der Rechtsprechung zunächst für den Fall der Doppelvermietung und des Doppelverkaufes entwickelten Rechtsprechung eine (dauernde) Unmöglichkeit der Leistung nicht angenommen werden kann, wenn der Beklagte nicht einmal behauptet und zu beweisen versucht hat, dass er alles unternommen habe, den Dritten zu einer die Erfüllung ermöglichenden Handlung zu bewegen (vgl ecolex 1997, 250; JBl 1992, 517; JBl 1987, 783 uva). Verweigert ein Dritter, dessen Mitwirkung zur Erbringung der Leistung erforderlich ist, diese ernstlich und endgültig, so darf nicht zur Primärleistung verurteilt werden, sofern nicht trotzdem die Möglichkeit und Zumutbarkeit des Wiedererwerbs besteht. Zweifel gehen hiebei zu Lasten des beweispflichtigen Schuldners; kann dieser nicht nachweisen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Unmöglichkeit der Leistung vorliegt, ist dem Leistungsbegehren stattzugeben (8 Ob 640/92).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht einmal behauptet, dass ihr Ehegatte unter keinen Umständen bereit sei, ein von ihm allenfalls erworbenes Miteigentum am Bild zu ihren Gunsten aufzugeben. Es wäre eine Zustimmung des Ehegatten der Beklagten zur Rückübertragung des Bildes an die Klägerin nach Aufklärung über die Rechtslage - allenfalls gegen eine Abschlagszahlung - auch durchaus denkbar. Von einer (dauernden) Unmöglichkeit der Rückgabe des Bildes durch die Beklagte an die Klägerin im Rahmen der Naturalrestitution kann jedenfalls nicht ausgegangen werden.

Einer Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe des Bildes im Rahmen der Naturalrestitution steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte ihren Vater Dr. Walter S***** gemeinsam mit ihrem Bruder Dr. Martin S***** je zur Hälfte beerbt hat, die Verpflichtung ihres Vaters zum Schadenersatz daher auf beide Erben übergegangen ist, aber nur die Beklagte in der Lage ist, Naturalrestitution zu leisten. Bei der von der Klägerin begehrten Herausgabe des Bildes handelt es sich zweifellos um eine unteilbare Leistung (vgl dazu allgemein Gamerith in Rummel, ABGB³ § 889 Rz 1 mwN), für die die Erben solidarisch haften (Sailer in KBB² § 821 ABGB Rz 2 mwN). Während Dr. Martin S***** weder Besitz noch Eigentum am Bild hat und daher eine Naturalrestitution durch ihn tatsächlich unmöglich ist, wäre die Beklagte, wie bereits ausgeführt, dazu in der Lage. Die Klägerin kann daher von der Beklagten die Herausgabe des Bildes im Rahmen der schadenersatzrechtlichen Naturalrestitution verlangen. Auf die Frage, inwieweit der Beklagten im Innenverhältnis gegen ihren solidarisch verpflichteten Miterben Dr. Martin S***** ein auf Geld gerichteter Regressanspruch (§ 896 ABGB) zusteht, muss im gegenständlichen Verfahren nicht eingegangen werden.

Soweit die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung noch die Verjährung des von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzanspruches auf Naturalrestitution einwendet und meint, eine solche Verjährungseinrede sei von ihr bereits im Verfahren erster Instanz erhoben worden, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich die von ihr in der Klagebeantwortung (ON 3) und in ihrem Schriftsatz vom (ON 8) erhobene Verjährungseinrede zweifelsfrei nur auf einen allfälligen Honoraranspruch der Klägerin, nicht aber auch auf den von der Klägerin erstmals in der Tagsatzung am (vgl Seite 12 im Protokoll ON 13) erhobenen Schadenersatzanspruch bezogen hat. Da die Einrede der Verjährung aber nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erhoben werden kann, ist auf die von der Beklagten erstmals im Rechtsmittelverfahren erhobene Einwendung der Verjährung auch des von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzanspruches nicht Bedacht zu nehmen (M. Bydlinski aaO § 1501 Rz 1 mwN).

Aufgrund der dargelegten Erwägungen kommt der Revision der Klägerin Berechtigung zu, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern waren.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf § 41 ZPO, hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens iVm § 50 ZPO. Für das Berufungsverfahren gebührt nur der dreifache Einheitssatz (§ 23 Abs 9 RATG).