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OGH vom 30.07.1985, 10Os199/84

OGH vom 30.07.1985, 10Os199/84

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schrott als Schriftführer, in der Strafsache gegen Richard A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ. 28 Vr 2047/84-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ. 28 Vr 2047/84-8, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB.

Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in Verbindung mit § 292 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Richard A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in der Zeit vom bis in Innsbruck fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert, nämlich Justizstempelmarken im Gesamtwert von 5.110 S, einem Verfügungsberechtigten der Republik Österreich mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, gemäß § 214 FinStrG. freigesprochen.

Text

Gründe:

I./ Aus den Akten AZ. 28 Vr 2047/84 des Landesgerichtes Innsbruck ergibt sich folgender Sachverhalt:

Nach dem Inhalt der am bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck eingelangten Anzeige der Polizeidirektion Innsbruck löste Richard A in der Zeit zwischen Mitte März und dem , als er während seines Strafvollzuges als sogenannter 'Hausarbeiter' im Archiv des Landesgerichtes Innsbruck beschäftigt war, von dort abgelegten Gerichtsakten nicht (durch Überstempelung) entwertete Gerichtskostenmarken im Nennbetrag von zusammen 5.110 S ab und übergab davon solche im Gesamtbetrag von 4.380 S seinen ehemaligen Mithäftlingen Hermann B und Helmut C zur Einlösung beim Portier des Landesgerichtes Innsbruck. Tatsächlich wurden von B und C beim Portier Anton D Gerichtskostenmarken im Nennbetrag von insgesamt 2.400 S bzw. 1.000 S eingelöst; den Erlös, bzw. hiefür erworbene Nahrungs- und Genußmittel führten sie teilweise an A ab. Der Versuch Helmut CS, durch seinen - offenbar gutgläubigen - Bruder Klaus C weitere Gerichtskostenmarken im Betrag von 980 S beim Gerichtsportier einzulösen, mißlang. Die restlichen Marken im Nennbetrag von 730 S, die Richard A an sich gebracht hatte, wurden in einem Versteck des Genannten sichergestellt. Auf Grund dieses Sachverhaltes stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck am gegen Richard A Strafantrag wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB.; dem Beschuldigten wurde die in der Zeit zwischen 20. Februar und mit Bereicherungsvorsatz erfolgte Wegnahme (bereits verwendeter) Gerichtskostenmarken im Gesamtnennbetrag von 5.110 S zur Last gelegt.

Gegen Hermann B und Helmut C wurde Strafantrag wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB. gestellt und das Verfahren gegen sie über Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 57 StPO. zu den AZ. 8 U 1682/84 bzw. 8 U 1686/84 des Bezirksgerichtes Innsbruck ausgeschieden.

Richard A wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen

Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ. 28 Vr 2047/84-8 (Protokolls- und Urteilsvermerk; §§ 458 Abs. 2, 488 Z. 7 StPO.) im Sinne des Strafantrages des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. schuldig erkannt und gemäß § 128 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Die bereits erfolgte Anordnung des Strafvollzuges wurde vorerst widerrufen.

Rechtliche Beurteilung

II./ Das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB.

Gegenstand eines Diebstahls nach dem (Grund-)Tatbild des § 127 Abs. 1 StGB. können nur solche körperliche Sachen sein, die einen Wert im wirtschaftlichen Sinn, also einen nicht völlig unerheblichen Tauschwert haben (Kienapfel, BT II, RN. 22 ff. zu § 127 u.a.). Wertträger im Sinne dieses Kriteriums sind - ähnlich wie Postwertzeichen (LSK. 1977/263 zu § 127 StGB.) - auch Stempelmarken (mit ihrem Nennwert), indes nur dann, wenn sie noch nicht entwertet (verwertet) wurden (LSK. 1984/126 zu § 127 Abs. 1 StGB.). Insofern hängt die Wertträgereigenschaft aber nicht davon ab, ob die Stempelmarken - etwa die Gerichtskostenmarken gemäß dem § 16 GKMV. 1950 (BGBl. 1950/77 i.d.F. BGBl. 1963/246 und 1968/316; vgl. nunmehr § 12 Abs. 1 GKMV. 1985, BGBl. 1984/535) durch Überstempelung mit dem Gerichtssiegel - auch formell 'entwertet' wurden. Wirtschaftlichen Tauschwert haben diese Wertzeichen vielmehr nur bis zu ihrer dem Gesetz entsprechenden Verwendung, wodurch die Gebührenentrichtung bewirkt wird (§ 4 Abs. 2 GJGebG. 1962 BGBl. 1962/289) und vermöge der solcherart - durch Aufkleben auf dem für das Gericht bestimmten Schriftstück etc. (§§ 4 ff. GKMV.) - geschehenen Verwertung die Gerichtskostenmarken ihres Tauschwertes verlustig gehen. Dies macht die Bestimmung des § 17 GKMV. 1950 (vgl. § 13 GKMV. 1985) deutlich, wonach ein Umtausch solcher Gerichtskostenmarken, die auf einer nicht überreichten Eingabe befestigt sind, unzulässig ist, wenn die Gerichtskostenmarken bereits früher verwendet wurden. Solchen Gerichtskostenmarken kommt nur mehr der Charakter eines instrumentum sceleris in bezug auf das Tatbild des Wertzeichenvergehens nach dem § 39 oder § 40 FinStrG. zu. Somit kann das, wenngleich mit Bereicherungvorsatz erfolgte, Ansichbringen bereits verwendeter Gerichtskostenmarken, also wertloser Sachen, wie es Richard A zur Last liegt,

rechtlich nicht Diebstahl begründen.

§ 238 Abs. 4 StGB. verweist die Wiederverwendung eines schon verwendeten amtlichen Wertzeichens (ebenso wie die Entfernung des Entwertungsstempels von einem solchen) aus der gerichtlichen Strafkompetenz. Daher ist die Wiederverwendung inländischer Stempelwertzeichen, wie etwa der gegenständlichen Gerichtskostenmarken, nur als Wertzeichenvergehen - bei vorsätzlicher Begehung nach § 39, bei fahrlässiger nach § 40 FinStrG. - strafbar und als solches der alleinigen Ahndung durch die Finanzstrafbehörden vorbehalten. Gleiches gilt für die im § 39 Abs. 1 zweiter Halbsatz FinStrG. selbständig pönalisierten Vorbereitungshandlungen des mit dem Vorsatz der Wiederverwendung verbundenen Verschaffens, Feilhaltens und Überlassens verwendeter inländischer Stempelwertzeichen, welche in der ersteren und letzteren Begehungsform dem Beschuldigten Richard A bei rechtsrichtiger Beurteilung anzulasten sind.

III./ Die Generalprokuratur, deren Ausführungen sich der Oberste Gerichtshof im bisher dargestellten Umfang anschließt, vermeint darüber hinaus, die vorliegende Strafsache sei einer abschließenden Beurteilung noch nicht zugänglich und führt hiezu aus:

'Fraglich ist allerdings, ob - was nach der derzeitigen Aktenlage mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen offen bleibt - ein unter den Tatbildvoraussetzungen des Betruges (§ 146 StGB.) begangenes überlassen (bzw. eine Beteiligung daran nach der zweiten oder dritten Alternative des § 12 StGB.) auch dann gemäß dem § 22 Abs. 2 FinStrG. ausschließlich als Finanzvergehen, vorliegend als Wertzeichenvergehen nach dem § 39 FinStrG., durch die Finanzstrafbehörde zu ahnden ist, wenn der in der Hingabe von Geld für die kein vermögenswertes öquivalent mehr darstellenden Stempelmarken gelegene Vermögensschade nicht im Vermögen der Republik Österreich, sondern eines gutgläubigen Dritten eingetreten ist oder (im Falle des Versuches) nach dem Tätervorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB.) hätte eintreten sollen. Die Generalprokuratur bejaht in einem solchen Falle eintätiges Zusammentreffen von Betrug mit einem Finanzvergehen und damit die gesonderte (gerichtliche) Strafbarkeit des ersteren Deliktes:

§ 22 Abs. 2 FinStrG. stellt unbeschadet seiner insofern nicht differenzierenden Formulierung, wonach dann, wenn ein Finanzvergehen auf betrügerische Weise oder durch Täuschung begangen wurde, die Tat ausschließlich als Finanzvergehen (ohne Rücksicht darauf, ob dieses gerichtlich strafbar ist oder nicht) zu ahnden ist, nur auf Rechtsgüterbeeinträchtigungen bestimmter Art im Bereiche des Staates (Bundes) ab. Dies folgt aus dem Zweck und der Systematik des Finanzstrafgesetzes, dessen Art. I das 'Strafrecht und Strafverfahrensrecht in Angelegenheiten der bundesrechtlich geregelten Abgaben und Monopole' regelt, worunter begrifflich nur solche als Finanzvergehen oder Finanzordnungswidrigkeiten (§ 1 FinStrG.) bezeichneten Gesetzesbrüche zu verstehen sind, die den Bund im Bereich des Abgaben- und Monopolwesens (seiner Finanzhoheit) treffen. Hingegen sind spezifische Schutzobjekte der diesen im Art. II gegenübergestellten 'Gerichtlich strafbaren Handlungen, die keine Finanzvergehen sind', andere staatliche und teils auch Rechte dritter Personen (§ 248: Begünstigung; § 250:

Falsche Verdächtigung; §§ 251, 252: Verletzung der Geheimhaltungspflicht).

Daß schon nach § 32 Abs. 3 FinStrG. (a.F.) - deren Nachfolgebestimmung nunmehr § 22 Abs. 2 FinStrG. i.d.F. der Finanzstrafgesetznovelle 1975 (BGBl. 1975/335) ist - auf betrügerische Weise begangene (aber nicht nach den im Abs. 2 des § 32 (a.F.) bezeichneten Paragraphen des StG., bzw. StGB. beschwerte) Finanzvergehen ausschließlich als Finanzvergehen zu ahnden waren, wurde in der Regierungsvorlage (295 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates VIII. GP. S. 60) damit motiviert, daß 'wegen überwiegens des Finanzvergehens der Betrug in diesem aufgehen' sollte. Dies läuft auf eine Entkriminalisierung des Finanzstrafrechtes hinaus, wie sie bei der Novellierung durch die Finanzstrafgesetznovelle 1975 fortgeführt wurde (1548 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP. S. 4) und die sachlich darin begründet ist, daß einem vorsätzlich begangenen Finanzvergehen Täuschungs- bzw. Betrugsvorsatz in Beziehung auf eine bundesrechtlich geregelte Abgaben- oder Monopolangelegenheit gewissermaßen immanent ist (vgl. auch Sommergruber FinStrG./1, S. 121). Keine sachliche Rechtfertigung würde jedoch eine solche Entkriminalisierung finden, wenn sie auch ein - wenngleich betrügerisch oder durch Täuschung begangenes - Tatverhalten beträfe, das über das Abgaben- und Monopolwesen (die Finanzhoheit) des Bundes hinausreicht und insbesondere in die Rechte Dritter eingreift. Derartige, auch nicht von Betrug und Täuschung systematisch getrennte, an sich gerichtlich strafbare Handlungen, die sich nicht auf die von Art. I des FinStrG. erfaßte Sach- und Rechtsmaterie beschränken, können daher bei teleologischer Auslegung (und Reduktion des Begriffsinhaltes) des § 22 Abs. 2 FinStrG. (neu) mit Finanzvergehen, so auch mit § 39 FinStrG. eintätig zusammentreffen.

Rechtsrichtig wäre also der gegenständliche Sachverhalt in der Richtung einer Beteiligung des Richard A (§ 12 StGB.) an einem allfälligen von Helmut C und Hermann B durch

Einlösung wertloser Gerichtskostenmarken im Gesamtnennbetrag von 3.400 S zum Nachteil des Gerichtsportiers oder sonstiger gutgläubiger Erwerber begangenen vollendeten Betruges (§ 146 StGB.) und dem weiteren von Helmut C durch seinen Bruder Klaus unternommenen Versuch (§ 15 StGB.) einer derartigen Einlösung von Marken im Betrag von 980 S zu prüfen gewesen. Dabei wäre ungeachtet des dem Richard A (nur) die Wegnahme der Marken anlastenden Anklagevorwurfes die Identität von Anklage- und Urteilstat (§§ 262, 267, 281 Abs. 1 Z. 8, 468 Abs. 1 Z. 4, 488, 489 StPO.) gewahrt geblieben, hängt doch die Nachtat einer betrügerischen Verwertung der (wertlosen) Gerichtskostenmarken mit deren vorangegangenen Ansichbringung eng zusammen, was ein Hinausgreifen über den durch den (bloßen) Wortlaut der Anklage (hier des Strafantrages) scheinbar gegebenen Tatsachenkreis und das danach in Betracht kommende Tatbild notwendig macht, um zu einer erschöpfenden und rechtsrichtigen Beurteilung des dem Anklagevorwurf zugrundeliegenden Sachverhaltes zu gelangen (EvBl. 1971/352). Da sich der erstgerichtliche Protokolls- und Urteilsvermerk hinsichtlich des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes auf den Hinweis 'wie im Strafantrag ON. 3' (S. 104 d.A.) beschränkt (§ 488 Z. 7 StPO.) und dieser Strafantrag lediglich die Wegnahme der Gerichtskostenmarken im Nennbetrag von insgesamt 5.110 S erfaßt, sind im Ersturteil jene Tatsachenfeststellungen, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnisse zugrundezulegen wären, nicht getroffen worden. Demnach erweist sich bei Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und Aufhebung des angefochtenen Urteils die Verweisung der Sache - die nur mehr den Verdacht einer in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallenden Straftat zum Gegenstand hat - zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das zuständige Bezirksgericht als unumgänglich (§§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO.).

Im zu erneuernden Verfahren werden die erforderlichen Tatsachenfeststellungen über die Art der Tatbeteiligung (§ 12 StGB.) des Richard A sowie - ausgerichtet nach den Tatbildkriterien des Betruges - zur Frage zu treffen sein, wem gegenüber eine Täuschung über die Tatsache der Wertlosigkeit der Marken gelang, bzw. nur versucht wurde, inwiefern von dem (bzw. den) Getäuschten eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung erfolgte sowie in wessen Vermögen und in welcher Höhe hiedurch ein Vermögensschaden eintrat. Dabei wird insbesondere zunächst die Gutgläubigkeit des primären Einlösers der Gerichtskostenmarken - des Portiers des Landesgerichtes Innsbruck, bei welchem es sich vermutlich auch um den Kostenmarkenverkäufer dieses Gerichtes handelte (vgl. S. 33 d. A.) - zu prüfen und dessen weitere Verfügung über die eingelösten Stempelmarken klarzustellen sein, nämlich dahin, ob, in welchem Nennwert und an welche gutgläubigen Erwerber solche Marken veräußert wurden. In rechtlicher Beziehung wird dabei auf der subjektiven Tatseite des Betruges zu beachten sein, daß ein Irrtum des Täters darüber, in wessen Vermögen der Schaden eintritt, unbeachtlich wäre (LSK. 1976/214 zu § 146 StGB., 1980/160 zu § 166 StGB.). Auf der objektiven Tatseite ist von Bedeutung, daß einerseits als Geschädigter anzusehen ist, wer für die Hingabe eines wirtschaftlichen Wertes (vorliegend des Nennwertes der bereits wertlosen Marken) kein entsprechendes öquivalent erhält. Andererseits ist für die Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des Betruges nicht vorausgesetzt, daß der Schade ein dauernder ist (Leukauf-Steininger 2 , RN. 33 zu § 146 StGB. u.a.), weshalb eine allfällige Abwälzung des Vermögensschadens der gutgläubigen Erwerber der Gerichtskostenmarken auf die - sodann letztlich den Schaden tragende - Republik Österreich, entweder ausdrücklich durch Refundierung des Nennwertes oder einfach dadurch, daß die (gutgläubige) Wiederverwendung auf Eingaben etc. überhaupt unentdeckt geblieben sein sollte, nicht entscheidend wäre. Gleiches gälte für den Fall, daß der ursprünglich getäuschte und geschädigte Erwerber später selbst schlechtgläubig würde, die Marken entweder dolos (§ 8 Abs. 1 FinStrG.) oder culpos (§ 8 Abs. 2 FinStrG.) wiederverwendete oder zum Zweck der Wiederverwendung (an einen weiteren Schlechtgläubigen) weitergäbe und solcherart nicht nur sich selbst (nach § 39 oder § 40 FinStrG.) strafbar machte, sondern auch eine Schadensabwälzung auf die Republik Österreich bewirkte.'

IV./ Der Oberste Gerichtshof vermag sich der unter III./ angeführten Argumentation der Generalprokuratur nicht anzuschließen:

Die durch § 22 Abs. 2 FinStrG. geschaffene Privilegierung von Betrugs- und Täuschungshandlungen, die Mittel zur Begehung von Finanzvergehen sind (vgl. EvBl. 1982/73), differenziert ihrem Wortlaut nach jedenfalls nicht; sie stellt unterschieds- und einschränkungslos auf alle Finanzvergehen ab.

Die Gesetzesmaterialien zur Finanzstrafgesetznovelle 1975, deren erklärtes Ziel eine Entkriminalisierung des Finanzstrafrechts war, bieten zu dieser gegenüber der Vorläuferbestimmung des § 32 (alt) FinStrG. 1958 überaus erweiterten Privilegierungsbestimmung des § 22 Abs. 2 FinStrG. keine Anhaltspunkte dafür, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers dennoch in einzelnen Fällen eine Bestrafung wegen Betruges oder Täuschung eintreten sollte. Die Regierungsvorlage zur Finanzstrafgesetznovelle 1975 (1130 der Beilagen zu den sten. Protokollen des Nationalrates, XII. GP., S. 55) betont vielmehr ohne Einschränkung, daß alle auf betrügerische Weise oder durch Täuschung begangenen Finanzvergehen nur als solche geahndet werden sollen. Der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses (1548 der Beilagen zu den sten. Protokollen des Nationalrates, XIII. GP., S. 2) äußert sich zu § 22 Abs. 2 FinStrG. nicht.

Gewiß kann für den Fall der Prüfung des Vorliegens einer Subsidiarität als Auslegungsmethode die Betrachtung herangezogen werden, ob durch das Verhalten unter dem Blickwinkel jedes der beiden in Frage kommenden Straftatbestände ein Angriff gegen dasselbe Rechtsgut oder gegen verschiedene Rechtsgüter verwirklicht wird (Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, Strafrechtliche Probleme der Gegenwart 6, S. 29 ff.). Pönalisiert wird in den hier in Betracht kommenden Deliktsfällen des zweiten Halbsatzes des § 39 Abs. 1 FinStrG. das Verschaffen, Feilhalten oder Überlassen von verwendeten inländischen Stempelwertzeichen nur, wenn es mit dem Vorsatz geschieht, daß sie wiederverwendet werden. Zielrichtung der hier umschriebenen Begehungshandlungen ist somit ebenso wie jene des ersten Halbsatzes dieser Gesetzesstelle ein Angriff gegen die staatliche Finanzhoheit, die durch die hier bereits selbständig pönalisierten Vorbereitungshandlungen geschützt werden soll. Nur in jenen atypischen Fällen des Überlassens der Stempelwertzeichen an einen anderen, in denen zwischen dieser Vorbereitungshandlung und der vom Täter vorgesehenen Wiederverwendung der Stempelwertzeichen ein dem auf Wiederverwendung gerichteten Vorsatz des Täters zuwiderlaufendes Hindernis tritt, kann eine Beeinträchtigung der staatlichen Finanzhoheit ausbleiben. Auch die Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur räumt ein, daß letztlich die Republik Österreich den Schaden zu tragen habe.

Ausgehend von dieser Überlegung kommt bei dem - sei es auch im Wege eines Betruges oder einer Täuschung - vorgenommenen Feilhalten oder Überlassen verwendeter inländischer Stempelwertzeichen an einen anderen eine andere Rechtsgutbeeinträchtigung als jene der staatlichen Finanzhoheit nicht in Frage.

Anhaltspunkte dafür aber, daß die Tathandlung des Richard A darauf gerichtet gewesen sein sollte, daß die von ihm abgelösten Gerichtskostenmarken nach seinem Vorsatz nicht wiederverwendet werden sollten und damit ein Vermögensschaden bei einem (unmittelbaren oder mittelbaren) Abnehmer eintreten sollte, bietet die bisherige Aktenlage nicht; es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß ein erneuerter Verfahrensgang derartiges zu Tage fördern könnte.

Aus den angeführten Erwägungen zeigt sich somit, daß auf der Grundlage der Bestimmung des § 22 Abs. 2 FinStrG. eine (zusätzliche) Verfolgung des Genannten wegen Betruges nicht stattfinden kann.

Es war daher nicht nur festzustellen, daß das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. verletzt und dieses Urteil zu kassieren, sondern darüber hinaus gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in Verbindung mit § 292 StPO. sogleich in der Sache selbst zu entscheiden und Richard A gemäß § 214 FinStrG. freizusprechen. Diese in Ergänzung zu § 259 StPO. ergangene Bestimmung geht letzterer auch in Erledigung einer Anklage wegen eines anderen Deliktes als eines Finanzvergehens dann vor, wenn das Gericht zur Ansicht gelangt, die Tat stelle ein in die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit fallendes Finanzvergehen im Sinn des § 1 FinStrG. dar, wie es hier der Fall ist (vgl. EvBl. 1976/229 = RZ. 1976/89 = ÖJZ-LSK. 1976/258 !verstärkter Senat u. a.; Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, FinStrG., Anm. 4 und 6 zu § 214).

Das Erstgericht wird nunmehr der zuständigen Finanzstrafbehörde den Sachverhalt mitzuteilen haben (§ 81 FinStrG.).