Besitzen Sie diesen Inhalt bereits,
melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.
Anwendung des § 72 EheG auf vertraglichen Unterhalt - Auslegung eines Scheidungsfolgenvergleichs
iFamZ 136/08
Die Auslegung eines Scheidungsfolgenvergleichs richtet sich nach den Grundsätzen, die für die Vertragsauslegung gelten (§§ 914 ff ABGB). Welcher Unterhalt bei unverschuldeter Notlage zu leisten ist, ist durch eine bloße Wortinterpretation nicht zu ermitteln. Unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben oder Übung des redlichen Verkehrs ist der Scheidungsfolgenvergleich dahin gehend zu interpretieren, dass damit der Klägerin lediglich ein Existenzminimum gesichert werden sollte. Unterhaltsbeträge für vergangene Zeiträume stehen gem § 72 EheG nur insoweit zu, als sie in die Zeit nach Eintritt der Rechtsanhängigkeit fallen oder der Unterhaltsverpflichtete mit ihnen in Verzug geraten ist. Die Säumigkeit der Partei zieht den Rechtsverlust nach sich. § 72 EheG gilt für gesetzliche Unterhaltsansprüche. Es wäre ein schwer zu begründender Wertungswiderspruch, bloß die Privilegien des gesetzlichen Unterhalts zugunsten des Unterhaltsberechtigten anzuerkennen und den Unterhalt wie einen gesetzlichen zu behandeln, andererseits aber die für den gesetzlichen Unterhalt normierte, für den Unterhaltsberechtigten nachteilige Gesetzesbestimmung des § 72 EheG von der Gleichbehandlung auszunehmen (