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OGH vom 31.07.2019, 5Ob61/19k

OGH vom 31.07.2019, 5Ob61/19k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers S*****, vertreten durch Dr. Andreas Arnold, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegner 1. A*****, 2. S 3. E*****, 4. I*****, 5. R*****, 6. H*****, 7. E*****, 8. G*****, 9. M*****, 10. H*****, wegen § 52 Abs 1 Z 5 WEG iVm § 29 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 22 R 369/18w-24, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 16 Msch 15/17p-21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Parteien sind Mit und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem Haus T*****, das aus insgesamt 10 Objekten besteht. Die Hausverwalterin leitete am im Rahmen einer Eigentümerversammlung eine Abstimmung betreffend den vollständigen Austausch aller Balkongeländer ein. Laut ihrer Bekanntgabe vom stimmten 74,45 % der Mit und Wohnungseigentümer dafür, sämtliche Balkongeländer auszutauschen. Der Beschluss wurde am durch Hausanschlag kundgemacht. Eine Rücklage zur Finanzierung dieser Maßnahme, bei der die Holzbalkongeländer durch Aluminium ersetzt werden sollen, ist nicht vorhanden, sodass die Kosten in Höhe von 40.954 EUR mittels Sonderumlage von den Mit- und Wohnungseigentümern eingehoben werden sollen. Aus diesem Titel schrieb die Hausverwalterin dem Antragsteller bereits 3.579 EUR vor. Er verdient monatlich 2.027,06 EUR netto und hat einen Kredit für den Ankauf der Wohnung mit monatlich 560,14 EUR zurückzuzahlen. Alle Balkone wurden gemäß den zum Errichtungszeitpunkt geltenden baubescheidlichen Auflagen errichtet, sie entsprechen aber mittlerweile nicht mehr dem heutigen Stand der Technik gemäß der Richtlinie 4 des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB). Danach müssen nunmehr Balkongeländer unter anderem eine Mindesthöhe von 100 cm aufweisen, Öffnungen in diesen dürfen nicht größer als 12 cm sein und es darf keine Aufstiegshilfe (für Kinder) vorhanden sein. Wird durch die Geländeerneuerung die Sockeloberkante der Balkone (die eine unzulässige Aufstiegshilfe bewirkt) nicht beseitigt, würden diese nunmehr geltenden baurechtlichen Anforderungen nach wie vor nicht erfüllt.

Der Antragsteller begehrte in seinem am eingebrachten Antrag die Aufhebung des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft vom betreffend den vollständigen Austausch aller Balkongeländer aus den Gründen des § 29 Abs 2 Z 1 und Z 2 WEG. Da sich die Balkongeländer in einem einwandfreien Zustand befänden und diejenigen der Wohnungen Top 7, 9 und 10 vor acht Jahren vollständig erneuert worden seien, sei der Austausch sämtlicher Balkongeländer nicht erforderlich. Es handle sich um eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung, deren Kosten nicht aus der bestehenden Rücklage bedeckt werden könnten. Der dem Antragsteller vorgeschriebene Anteil der Sonderumlage beeinträchtige ihn wesentlich. Es handle sich nicht um eine Verbesserung, die allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereiche. Da selbst nach der Erneuerung der Balkongeländer die OIB-Richtlinie 4 nicht eingehalten sei, sei das Vorhaben gesetzwidrig und auch aus diesem Grund als außerordentlich zu werten.

Die Erstantragsgegnerin wendete ein, der Balkon der Wohnung Top 8 sei dringend zu sanieren, auch die Viertantragsgegnerin sprach sich für eine Sanierung der Balkongeländer aus. Die Fünft und Sechstantragsgegnerinnen wendeten ein, die Balkone seien dort zu sanieren, wo dies – etwa aufgrund Vermorschung – notwendig sei, beim Balkon der Fünftantragsgegnerin sei dies nicht der Fall.

Das wies den Antrag auf Aufhebung des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft ab. Es stellte fest, dass die Balkonumschließungen der Balkone Top 1 und Top 2 nicht die vorgeschriebene Mindesthöhe aufweisen, die Balkone Top 4, 5 und 8 durch Verlegung von Fliesen nachträglich verändert worden seien, somit sogar die zum Zeitpunkt des Bauvorgangs vorgeschriebenen 90 cm Geländemindesthöhe unterschreiten und die Balkongeländer bei Top 7, 9 und 10 zwar die Mindesthöhe erfüllen, allerdings die Öffnungen der Absturzsicherung die maximale Größe überschreiten, sodass alle Balkone aufgrund der Nichteinhaltung der OIB-Richtlinie 4 nicht gefahrlos zu benutzen seien. Überdies weisen die Balkongeländer Top 3, 4 und 8 starke Verwitterungsschäden auf, was eine Erneuerung erforderlich mache. Da die Balkone derzeit nicht den Bestimmungen des Salzburger BautechnikG entsprechen, bestehe im Fall einer Schädigung einer Person das Risiko einer Haftung des Wohnungseigentümers. Die Beschlussfassung über die Sanierung der nicht gefahrlos zu benützenden Balkone bilde eine ordentliche Verwaltungsmaßnahme gemäß § 28 WEG, für die gemäß § 24 Abs 6 WEG eine einmonatige Anfechtungsfrist gelte. Daher sei der Antrag als verfristet abzuweisen.

Das gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Gemäß § 28 Abs 1 Z 1 WEG gehöre die Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft im Sinn des § 3 MRG einschließlich baulicher Veränderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgingen, zur ordentlichen Verwaltung. Zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten seien auch dann Erhaltung, wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handle, es dabei zu einer vollständigen Erneuerung komme und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als Verbesserung anzusehen seien. Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit sei jedoch Reparaturbedürftigkeit, Schadensgeneigtheit oder Funktionseinschränkung. Balkone seien als Element der einheitlichen Fassadengestaltung von der Erhaltungspflicht für allgemeine Teile der Liegenschaft umfasst. Die Erneuerung der Balkongeländer der Wohnanlage sei daher eine ordentliche Verwaltungsmaßnahme, für deren Anfechtung gemäß § 24 Abs 6 WEG nur eine einmonatige Frist ab Anschlag des Beschlusses bestehe. Die beabsichtigte Sanierung werde aber unter Einhaltung der aktuell gültigen baurechtlichen Vorschriften zu geschehen haben, was die Anpassung der geplanten Ausführung insbesondere in Bezug auf die Problematik der Absturzsicherung erfordern werde. Da das Rekursgericht von der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ausgegangen sei und keine erhebliche Rechtsfrage vorliege, sei der Revisionsrekurs nicht zulässig.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Stattgebung seines Beschlussanfechtungsantrags. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegner haben von der ihnen freigestellten Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung nicht Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichts auf einer für die abschließende rechtliche Beurteilung unvollständigen Feststellungsgrundlage beruht und damit korrekturbedürftig ist. Er ist im Sinn des Eventualantrags auch berechtigt.

1. Im Revisionsrekurs macht der Antragsteller geltend, das Rekursgericht sei mit der Einstufung des beschlossenen Austauschs sämtlicher – auch der nicht schadhaften – Balkongeländer als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen. Es handle sich um echten Verbesserungsaufwand, der mangels Wirtschaftlichkeit und Dringlichkeit eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung bilde. Das Rekursgericht gehe zu Unrecht von einer im Rahmen der ordentlichen Verwaltung umzusetzenden Verpflichtung aus, ein bewilligtes Bauwerk jederzeit den für Neubauten geltenden technischen Richtlinien anzupassen, und lege § 3 Abs 4 Salzburger BautechnikG 2015 unrichtig aus. Letztlich fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob nicht der Umstand alleine, dass durch die Ausführung des Beschlusses ein gesetzwidriger Zustand herbeigeführt werde, die Maßnahme bereits zur außerordentlichen Verwaltungsmaßnahme mache.

Hiezu wurde erwogen:

2. Vorauszuschicken ist, dass der Verwalterin nach ständiger Rechtsprechung (RS0108767) in dem die Willensbildung der Eigentümergemeinschaft selbst betreffenden Verfahren grundsätzlich keine Parteistellung zukommt, weil durch den Akt der Willensbildung ihre Interessen noch nicht unmittelbar betroffen sind. Da das Verhalten der Verwalterin hier nicht Gegenstand der Beschlussfassung war, kann deren Parteistellung auch nicht auf § 52 Abs 2 Z 1 letzter Satz WEG gestützt werden (vgl RS0116455). Das Vorbringen der vom Erstgericht als Elftantragsgegnerin dem Verfahren amtswegig beigezogenen Verwalterin ist daher unbeachtlich; an den Rechtsmittelverfahren hat sie sich ohnedies nicht beteiligt.

3.1. Gemäß § 24 Abs 6 WEG 2002 kann jeder Wohnungseigentümer innerhalb eines Monats ab Anschlag eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft mit einem gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richtenden Antrag verlangen, dass die Rechtsunwirksamkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft wegen formeller Mängel, Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit gerichtlich festgestellt wird. Dabei erfolgt die Willensbildung in der Gemeinschaft nach § 24 Abs 1 WEG 2002 vornehmlich durch die Eigentümerversammlung, die höchstgerichtliche Judikatur erachtet aber auch sogenannte Umlaufbeschlüsse grundsätzlich für zulässig (5 Ob 116/06d mwN; 5 Ob 133/07f). Die in § 24 Abs 6 WEG 2002 gewährte Anfechtungsmöglichkeit gilt sowohl für Beschlüsse über Maßnahmen der ordentlichen als auch der außerordentlichen Verwaltung (5 Ob 133/07f; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet und Wohnrecht²³ § 24 WEG Rz 38). Der Unterschied zwischen außerordentlicher und ordentlicher Verwaltung ist für die Anfechtung allerdings insofern von Bedeutung, als Beschlüsse in Angelegenheiten der außerordentlichen Verwaltung aus den Gründen des § 29 Abs 2 WEG 2002 innerhalb von drei Monaten, bei unterbliebener Verständigung von der beabsichtigten Beschlussfassung innerhalb von sechs Monaten ab Hausanschlag angefochten werden können. Nach der Judikatur des Fachsenats richtet sich die Frist danach, ob ein formeller Mangel im Sinn des § 24 Abs 6 WEG geltend gemacht wird oder eine Anfechtung nach § 29 WEG 2002 erfolgt (5 Ob 183/05f = immolex 2005/150 [Prader] = wobl 2006/4 [Call]; 5 Ob 133/07f; Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4§ 24 WEG Rz 55).

3.2. Hier macht der Antragsteller keine Anfechtungsgründe im Sinn des § 24 Abs 6 WEG 2002 geltend, Fragen nach der Verfristung des Anfechtungsrechts nach dieser Gesetzesstelle stellen sich entgegen der Auffassung der Vorinstanzen somit überhaupt nicht. Da der Antragsteller seinen verfahrenseinleitenden Antrag am bei Gericht einbrachte und der Hausanschlag des Beschlusses am erfolgte, hat er die dreimonatige Frist des § 29 WEG jedenfalls eingehalten.

4.1. Den Vorinstanzen ist aber insoweit zu folgen, als das Anfechtungsrecht nach § 29 Abs 1 WEG 2002 das Vorliegen einer außerordentlichen Verwaltungsmaßnahme voraussetzt, somit eine Veränderung an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, die über die in § 28 WEG genannten Angelegenheiten hinausgeht, wie etwa nützliche Verbesserungen oder sonstige über die Erhaltung hinausgehende bauliche Veränderungen. Gemäß § 29 Abs 2 WEG 2002 hat das Gericht den Mehrheitsbeschluss über eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung aufzuheben, wenn die Veränderung den Antragsteller übermäßig beeinträchtigt oder die Kosten der Veränderung – unter Berücksichtigung auch der in absehbarer Zeit anfallenden Erhaltungsarbeiten – nicht aus der Rücklage gedeckt werden können. Die Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses aus dem Grund des § 29 Abs 2 Z 2 WEG hat gemäß § 29 Abs 3 WEG nicht stattzufinden, wenn der nicht gedeckte Kostenanteil von der beschließenden Mehrheit getragen wird oder wenn es sich um eine Verbesserung handelt, die auch unter Berücksichtigung der fehlenden Kostendeckung in der Rücklage allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereicht.

4.2. Dass und aus welchen Gründen es sich bei der beschlossenen Maßnahme um eine solche der außerordentlichen Verwaltung im Sinn des § 29 WEG handeln soll, brachte der Antragsteller vor. Er stützte seine Anfechtung ausschließlich auf die Gründe nach § 29 Abs 2 Z 1 und 2 WEG. Das Gericht hatte sich daher – im Rahmen des im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren (eingeschränkt) geltenden Untersuchungsgrundsatzes (vgl RS0070415) – mit der Qualifikation der beschlossenen Maßnahme als solche der ordentlichen oder außerordentlichen Verwaltung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu befassen, zumal bei einer ordentlichen Verwaltungsmaßname nach § 28 WEG – unabhängig von der Frage der Frist – ein Anfechtungsrecht nach § 29 Abs 2 Z 1 und 2 WEG materiellrechtlich gar nicht besteht. Demgemäß bestätigte der Fachsenat etwa zu 5 Ob 26/07w die aufhebende Entscheidung des Rekursgerichts zur Klärung der Frage, ob es sich aufgrund der dort extrem hohen Kosten der Gebäudesanierung noch um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung handelte; auch zu 5 Ob 227/12m war die Qualifikation einer Fundamentsanierung als Maßnahme der ordentlichen oder außerordentlichen Verwaltung Verfahrensgegenstand.

5.1. Zur Abgrenzung der ordentlichen von der außerordentlichen Verwaltung im WEG liegt umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vor (RS0116139; RS0114109; RS0083171; RS0069971; RS0083121; RS0116998; RS0069944; RS0070000). Danach ist es durch den weiten („dynamischen“ oder „elastischen“) Erhaltungsbegriff zu einer Ausdehnung des Bereichs der ordentlichen Verwaltung im Sinn des § 14 Abs 1 Z 1 WEG 1975 bzw § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 zu Lasten der außerordentlichen Verwaltung im Sinn des § 14 Abs 3 WEG 1975 bzw § 29 Abs 1 WEG 2002 gekommen. Zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen gehören auch dann noch zur Erhaltung, wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt, es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserungen“ anzusehen sind. Vorwiegend zum Individualrecht nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 judiziert der Fachsenat, dass das Gericht bei seiner Entscheidung auch auf die Dringlichkeit und wirtschaftliche Aspekte wie die Finanzierbarkeit Bedacht zu nehmen hat (RS0116139 [T3]). Zu 5 Ob 116/07f (immolex 2008/67 [Prader]) sprach der Fachsenat von einem restriktiven Verständnis des Erhaltungsbegriffs nach § 3 Abs 1 MRG und § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002, um die dem einzelnen Wohnungseigentümer sonst eingeräumte Möglichkeit zu vermeiden, den anderen Wohnungseigentümern eine „permanente Modernisierung“ der Liegenschaft aufzuzwingen. Ein wesentliches Kriterium für die Durchsetzbarkeit der von einem Wohnungseigentümer nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 begehrten Erhaltungsmaßnahmen ist daher deren Dringlichkeit (5 Ob 243/08h = immolex 2009/73 [Maier-Hülle]; 5 Ob 199/10s; Spruzina in GeKO Wohnrecht II § 28 WEG 2002 Rz 13 mwN). Wenn auch die ständige Rechtsprechung das gesetzliche Gebot der Erhaltung „im jeweils ortsüblichen Standard“ als Verpflichtung versteht, im Zug der Durchführung von Erhaltungsarbeiten nicht statisch stets Gleiches durch Gleiches zu ersetzen, sondern bei notwendigem Ersatz eine Anpassung auf Entwicklungen der Bautechnik und zeitgemäße Wohnkultur vorzunehmen (vgl RS0069944), bedeutet dies doch keine Verpflichtung zur permanenten Modernisierung der zu erhaltenden Hausteile und Anlagen, weil auch die Anpassung an den heutigen technischen Standard immer die Bejahung von Wirtschaftlichkeit und Dringlichkeit im Sinn einer Notwendigkeit der Arbeiten voraussetzt (5 Ob 106/08m = immolex 2019/2 [Prader] = wobl 2009/34 [Riss] – Aufzug). Auch abseits des Individualrechts nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 sind der Abgrenzung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung wirtschaftliche Gesichtspunkte zugrunde zu legen, dabei ist aber keine strenge Betrachtung geboten (RS0083096 [T2]; 5 Ob 23/15s = wobl 2016/33 [Hinteregger/Dür] – Schwimmbad). Allein der Umstand, dass die derzeitige Rücklage nicht ausreicht, die beabsichtigte Erhaltungsarbeit zu finanzieren, ist für die Verneinung der Finanzierbarkeit nicht entscheidend, weil Mittel für die Arbeiten auch durch Aufnahme eines Darlehens oder Vorschusszahlungen finanziert werden können (RS0116139 [T20]). Dem Umfang von Sanierungsarbeiten im WEG sind zwar Grenzen durch die wirtschaftliche Zumutbarkeit gezogen, sodass ein echter Verbesserungsaufwand nicht der Miteigentümergemeinschaft aufgebürdet werden kann. Allerdings gehören wegen der Maßgeblichkeit des ortsüblichen Standards zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung des Hauses, selbst wenn damit erstmals ein mängelfreier Zustand des Wohnungseigentumsobjekts hergestellt wird (RS0083121). Um überhaupt von einer Erhaltungsarbeit im Sinn des § 28 Abs 1 Z 1 WEG sprechen zu können, bedarf es aber jedenfalls einer Reparaturbedürftigkeit, Schadensgeneigtheit oder Funktionseinschränkung (5 Ob 106/08m; RS0116998).

5.2. Diese Grundsätze der höchstgerichtlichen Rechtsprechung haben die Vorinstanzen zwar zutreffend zitiert, für eine Einordnung der geplanten Sanierung der Balkongeländer als ordentliche oder außerordentliche Maßnahme reichen die Feststellungen aber noch nicht aus.

6.1. Zu allgemeinen Teilen des Hauses gehört nach ständiger Rechtsprechung (vgl RS0069976) jedenfalls alles, was sich außerhalb eines Mietgegenstands (bzw Wohnungseigentumsobjekts) befindet, somit die gesamte Außenhaut. Bei Balkonen und Terrassen ist auf funktionelle Kriterien abzustellen (RS0069976 [T5]), eine Balkontüre wurde bereits als zur Außenhaut des Gebäudes gehörig beurteilt (RS0069976 [T8]). Dass die zu sanierenden Balkongeländer ebenfalls als allgemeiner Teil zu werten sind, haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt und zieht im Revisionsrekursverfahren niemand in Zweifel. Davon ist für die weitere Beurteilung auszugehen.

6.2. Hier hat die Abgrenzung zwischen außerordentlicher und ordentlicher Verwaltungsmaßnahme in einem Beschlussanfechtungsverfahren nach § 29 WEG zu erfolgen. Nach ständiger Judikatur des Fachsenats (RS0130029; jüngst 5 Ob 82/17w) kann aber nur der schriftlich zur Kenntnis gebrachte Text des Beschlusses für die Beurteilung maßgeblich sein, was Gegenstand des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft und daher auch der Anfechtung durch Wohnungseigentümer ist. Ein vom Wortlaut nicht gedeckter oder davon abweichender subjektiver Parteiwille der an der Beschlussfassung beteiligten Wohnungseigentümer ist irrelevant. Demgemäß ist nur auf den Text des im Haus angeschlagenen Beschlusses bei Beurteilung der Frage abzustellen, ob es sich bei der beschlossenen Maßnahme um eine solche der ordentlichen oder der außerordentlichen Verwaltung handelt (vgl 5 Ob 23/15s).

6.3. Zu dieser entscheidungswesentlichen Frage fehlen ausreichende Feststellungen. Was genau Gegenstand der Beschlussfassung der Mit und Wohnungseigentümer war (die vermutlich im Umlaufverfahren erfolgte), lässt sich dem Sachverhalt nicht ausreichend entnehmen, der Beschluss selbst wurde im Verfahren nicht vorgelegt. Unklar ist insbesondere, ob die Beschlussfassung nur die Sanierung der Balkongeländer an sich (durch Austausch) betraf, oder aber, ob überhaupt und in welchem Umfang auch die konkrete Ausführung dieser Sanierung Gegenstand der Willensbildung war. Der Satz des Erstgerichts, „die beschlossene Ausführung der Geländeerneuerung würde die Sockeloberkante (Aufstiegshilfe) nicht beseitigen“, lässt offen, ob sich der Beschluss nur auf die Geländeerneuerung an sich oder auch auf die Nichtbeseitigung der Sockeloberkante bezog.

6.4. Zur Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung könnte die an sich gebotene Sanierung eines schadhaft gewordenen Balkongeländers nämlich unter Umständen dadurch werden, dass sie mit außerordentlichen Bedingungen oder Maßnahmen verknüpft wird (RS0118794; Löcker in Hausmann/Vonkilch,Österreichisches Wohnrecht4§ 28 WEG Rz 36 mwN). Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn die Mit und Wohnungseigentümer tatsächlich konkret beschlossen hätten, mit der Ausführung der Sanierung bewusst einen dem Salzburger BautechnikG widersprechenden gesetzwidrigen Zustand herzustellen, der die einzelnen Wohnungseigentümer sogar mit einer Haftung bei Unfällen belasten könnte. Hätte sich hingegen erst nach einem Beschluss auf Sanierung der Balkongeländer ohne weitere Details nachträglich in einem Beschlussanfechtungsverfahren herausgestellt, dass die bloß beabsichtigte, nicht aber mitbeschlossene Planung den Bauvorschriften möglicherweise widerspricht, würde dies die Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft noch nicht zu einer solchen über eine außerordentliche Maßnahme machen. Deren Außerordentlichkeit (etwa wegen Gesetzwidrigkeit) wäre diesfalls nicht Gegenstand der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft geworden.

6.5. Zur Frage des Inhalts des angefochtenen Beschlusses ist das Verfahren daher ergänzungsbedürftig. Das Erstgericht wird dazu konkrete Feststellungen zu treffen haben, um eine abschließende Klärung der Frage zu ermöglichen, worüber genau die Eigentümergemeinschaft überhaupt abgestimmt hat und ob es sich dabei um eine Maßnahme (außer)ordentlicher Verwaltung handelt.

7.1. Aber auch zum Zustand der Balkone des Hauses an sich – diesbezüglich hat der Antragsteller die erstgerichtlichen Feststellungen mit Beweisrüge bekämpft, die das Rekursgericht allerdings nicht erledigte – bedarf es einer Präzisierung. Fragen nach der Auslegung des § 3 Abs 4 Salzburger BautechnikG 2015 stellen sich hier zwar nicht, zumal auch die Vorinstanzen nicht von einer öffentlichrechtlich begründeten Verpflichtung zur Anpassung der Höhe des Balkongeländers ausgegangen sind. Allerdings sprach das Erstgericht allgemein davon, die Balkone seien nicht (mehr) gefahrlos zu benutzen.

7.2. Richtig ist, dass Arbeiten, die der Behebung von Baugebrechen dienen, die die Sicherheit von Personen oder Sachen gefährden, als privilegierte Arbeiten grundsätzlich auch im Anwendungsbereich des § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 unabhängig von der Höhe der damit verbundenen Kosten durchzuführen wären (5 Ob 26/07w – Einsturzgefährdung). Nur dann, wenn die Maßnahme gar nicht mehr als Erhaltungsmaßnahme qualifiziert werden könnte, weil die Kosten des Aufwands im Verhältnis zum Wert der Gesamtliegenschaft wirtschaftlich unvertretbar sind, läge keine Instandhaltungspflicht nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 mehr vor.

7.3. Allerdings ist die Frage, welche konkreten Gefahren etwa mit der Bedienung einer Maschine verbunden sind, nach der Rechtsprechung eine Tatfrage, nur die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind rechtliche Beurteilung (RS0043523). Vergleichbares hat auch für die Frage der gefahrlosen Benutzbarkeit der Balkone zu gelten. Demgemäß wird das Erstgericht zunächst klarzustellen haben, ob es die festgestellte Unmöglichkeit, die Balkone gefahrlos zu benutzen, nur aus dem rechtlichen Umstand der Nichteinhaltung der OIB-Richtlinie 4 ableitet oder es in tatsächlicher Hinsicht konkrete Gefahren (etwa des Abstürzens wegen Vermorschung oder zu geringer Höhe) gibt. Soweit die Benutzung der Balkone sich tatsächlich – und zwar unabhängig von der Einhaltung der OIB-Richtlinie 4 – als gesundheitsgefährdend herausstellen sollte, wäre deren Sanierung jedenfalls als ordentliche Verwaltungsmaßnahme zu beurteilen. Sollte dies nicht der Fall sein, wird im Sinn der eingangs zitierten Rechtsprechung auf das konkrete Ausmaß des Schadens an den Balkonen, die Wirtschaftlichkeit der Sanierung und den finanziellen Aufwand hiefür abzustellen sein, wobei dem Erstgericht dabei ein Beurteilungsspielraum im Einzelfall zukommen wird (Löcker in Hausmann/Vonkilch,Österreichisches Wohnrecht4 § 28 WEG Rz 36f; 5 Ob 23/15s).

8.1. Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 5 Ob 56/15v ist hingegen nicht unmittelbar einschlägig. Dort sprach der Fachsenat zwar aus, dass für die Abgrenzung der ordentlichen von der außerordentlichen Verwaltung auch die Kostenhöhe maßgeblich sein könne, sodass bei außergewöhnlich hohen Kosten oder Finanzierungsproblemen eine an sich der ordentlichen Verwaltung zuzuordnende Maßnahme als Angelegenheit der außerordentlichen Verwaltung qualifiziert werden könne. Dort ging es aber um die Sanierung von Balkonen, wobei die Kosten der Standardanhebung durch neue Balkone von 170.000 EUR diejenigen der Sanierung der bestehenden Balkone von 90.000 EUR deutlich überstiegen. Ausschließlich aus diesem Grund war dort von einer außerordentlichen Maßnahme auszugehen.

8.2. Hier steht nur eine Kostenbelastung von insgesamt ca 41.000 EUR für die Sanierung im Raum, wobei dann, wenn die Balkongeländer tatsächlich aufgrund ihres Zustands erneuert werden müssen, jedenfalls auch durch eine Holzbeplankung ein finanzieller Aufwand entstehen würde (zu dem auch das laufende Streichen zu zählen wäre). Die Kostenbelastung der Eigentümergemeinschaft durch die geplante Sanierungsmaßnahme kann für sich allein hier prima vista daher noch keine Außerordentlichkeit der Maßnahme aufgrund außergewöhnlich hoher Kosten oder Finanzierungsproblemen etwa im Sinn der Entscheidung 5 Ob 56/15v begründen.

9. Das Anfechtungsbegehren des Antragstellers kann noch nicht abschließend beurteilt werden, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben sind und dem Erstgericht eine Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen ist.

10. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00061.19K.0731.000

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