OGH vom 23.10.2017, 5Ob83/17t

OGH vom 23.10.2017, 5Ob83/17t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Bertram Maschke, Dr. Michaela Moser-Maschke, Rechtsanwälte in Radstadt, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Gerhard Franz Köstner, Rechtsanwalt in Altenmarkt im Pongau, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek, Dr. Martin Sommer, Rechtsanwälte in Leoben, wegen 231.510,45 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 213.406,16 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 219/16t-57, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 1 Cg 88/14d-51, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.675,88 EUR (darin 445,98 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin erbrachte für die Beklagte aufgrund von drei Aufträgen Bauleistungen für den Neubau eines zahnärztlichen Labors mit Ordination und Wohnung. Die Nebenintervenientin war mit der Planung, örtlichen Bauaufsicht und Überwachung der Werkleistung der Klägerin beauftragt.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung des Werklohns, zunächst mit 213.406,16 EUR in Höhe der Summe der für jeden der drei Aufträge gesondert gelegten Schlussrechnungen. Im Laufe des Verfahrens dehnte die Klägerin ihr Begehren um 18.104,29 EUR auf 231.510,45 EUR aus. Nach „Abklärung“ mit der Beklagten habe sich herausgestellt, dass eine der Schlussrechnungen entsprechend zu korrigieren sei.

Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Wegen zahlreicher Werkleistungsmängel habe sie ein Zurückbehaltungsrecht am gesamten Werklohn. Für die Behebung dieser Mängel sei ein Deckungskapital von 300.000 EUR erforderlich, dieses werde kompensando eingewendet.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 213.406,16 EUR samt 4 % Zinsen seit ; das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren 18.104,29 EUR sowie das Zinsenmehrbegehren wies es ebenso ab, wie die von der Beklagten eingewandte Gegenforderung. Zwar seien der Klägerin nach den Feststellungen Werkleistungsmängel zuzurechnen, diese habe aber nicht nur ihre Bereitschaft zur Verbesserung dieser Mängel bekundet, die Parteien hätten die Behebung der Werkleistungsmängel zu bestimmbaren Terminen auch ausdrücklich vereinbart. Abweichend von dieser Vereinbarung habe die Beklagte jedoch nachträglich Forderungen gestellt und damit die Unmöglichkeit der Verbesserung selbst herbeigeführt. Die Beklagte befinde sich demnach in Annahmeverzug, sodass deren Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 Satz 1 ABGB nicht greife. Das mit der Klagsausdehnung verbundene Begehren auf Zahlung weiterer 18.104,29 EUR und das über die gesetzlichen Zinsen hinausgehende Zinsenmehrbegehren seien unschlüssig und daher abzuweisen gewesen. Gleiches gelte für die Gegenforderung, zumal die Beklagte diese trotz Erörterung weder dem Grunde noch der Höhe nach substanziiert habe.

Gegen dieses Urteil richteten sich die Berufungen beider Parteien. Das Berufungsgericht gab (nur) der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil in seinem Zinsenzuspruch ab. In der Hauptsache teilte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichts, die Beklagte habe ihr Werklohnzurückbehaltungsrecht durch Vereitelung der Verbesserungsmaßnahmen verwirkt. Die Parteien seien in der Verhandlung vom überein gekommen, dass die Behebung jener Mängel, die der Klägerin zuzuordnen seien, im Beisein des Sachverständigen in einem konkret bestimmten Zeitraum zu erfolgen habe. Nach den – mangels Behauptung eines abweichenden Parteiwillens einzig auf Urkunden basierenden – Feststellungen habe die Beklagte jedoch in Reaktion auf das Ersuchen um Terminbekanntgabe und in Abweichung von der getroffenen Vereinbarung nachträglich weitere Bedingungen für das Zulassen der Mängelbehebung erhoben. Die vom Beklagtenvertreter in seinem Schreiben vom gewählten Formulierungen im Zusammenhang mit den Forderungen nach vorheriger Festlegung von Art und Umfang der Mängelbehebung, der Klärung der Prozesskostenfrage, der Abgabe eines Haftungsanerkenntnisses für eine mit 134.400 EUR bezifferte Gegenforderung und der Erklärung eines Verjährungsverzichts könnten nach dem maßgeblichen objektiven Erklärungswert nur als von der Beklagten beigesetzte notwendige Bedingungen für einen Besprechungstermin über Art und Umfang allfälliger Verbesserungsversuche (und noch nicht einmal zur tatsächlichen Vornahme der Verbesserung) verstanden werden. Damit habe die Beklagte die Verbesserungsbereitschaft der Klägerin vereitelt und ihr Leistungsverweigerungsrecht verwirkt. Auf die dem Schreiben vom nachfolgenden Ereignisse komme es bei dieser Sachlage nicht mehr entscheidend an.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu. Es fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, inwieweit in der Erhebung von einseitigen Forderungen seitens des Werkübernehmers als Bedingung dafür, die Mängelbehebung zuzulassen, eine Vereitelung der Verbesserung liege, die zur Verwirkung des Werklohnzurückbehaltungsrechts führe.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, diese dahin abzuändern, dass das gesamte Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben. Die Nebenintervenientin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision mangels einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. In der Regel ist das Entgelt nach vollendetem Werk zu entrichten (§ 1170 erster Satz ABGB). Dem Besteller eines Werks ist es jedoch zum Schutz seines Gewährleistungsanspruchs (§§ 932, 1167 ABGB) gestattet, den Vollzug der Gegenleistung solange hinauszuschieben, bis der andere Teil seinen Verpflichtungen voll entsprochen hat (RIS-Justiz RS0019891). Dem Werkbesteller steht also bis zur vollständigen Verbesserung bestehender Mängel die ein Leistungsverweigerungsrecht begründende Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags zu (§ 1052 ABGB). Dabei kann der Werkbesteller nach ständiger Rechtsprechung – Schikane ausgenommen – den gesamten aushaftenden Werklohn zurückbehalten (RIS-Justiz RS0018507, RS0021872, RS0025221).

2. Die Fälligkeit des Werklohns kann nur solange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liegt. Fällt dieses Interesse weg, besteht kein Bedürfnis nach Gewährung eines gänzlichen Leistungsverweigerungsrechts mehr (2 Ob 237/14p). Das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers erlischt daher, sobald er die Fertigstellung des Werks durch den Unternehmer verhindert oder unmöglich macht oder wenn er das noch unvollendete Werk von einem Dritten vervollständigen lässt (RIS-Justiz RS0019929 [T6, T 16]). Lässt der Besteller die Verbesserung durch den Unternehmer also nicht zu, wird der Werklohn fällig (RIS-Justiz RS0019929 [T8, T 14]). Nach gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entfällt das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers insbesondere bei fehlender nötiger Kooperation zur Bewerkstelligung der Mängelbehebung durch den Verpflichteten (1 Ob 93/11z, 4 Ob 163/11s, 2 Ob 237/14p; RIS-Justiz RS0019929 [T18]). Die Unterlassung der nötigen Kooperation des beklagten Werkbestellers führt zum Erlöschen seines Leistungsverweigerungsrechts (3 Ob 213/15t).

3. Der Besteller, der die Verbesserung des mangelhaften Werks fordert, kann zwar durch die Setzung einer angemessenen Frist eine Zeitbestimmung vornehmen, die seinen Interessen entspricht, nicht aber in sonstiger Weise auf Art, Umfang und Durchführung der Verbesserung mehr Einfluss nehmen, als er es allenfalls nach dem zugrundeliegenden Vertrag konnte. Auch durch ein solches unberechtigtes Verlangen verliert der Besteller zwar nicht das Recht auf die Verbesserung, wohl aber die Einrede des nicht erfüllten Vertrags als Grundlage der Zurückbehaltung des Entgelts (RIS-Justiz RS0021684). Dabei hat der Oberste Gerichtshof – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts in seiner Zulassungsbegründung – bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein solches unberechtigtes Verlangen, das zum Verlust des Leistungsverweigerungsrechts führt, auch im Stellen von Bedingungen, die vor der Zulassung zur Verbesserung zu erfüllen sind, liegen kann (5 Ob 138/15b, 1 Ob 93/11z; vgl auch RIS-Justiz RS0021684).

4. Ob eine Verbesserungsverweigerung vorliegt, ist dabei stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und bildet daher im Regelfall keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage (5 Ob 138/15b, 4 Ob 10/16y mwN; RIS-Justiz RS0044197 [T2]). Das Berufungsgericht nahm hier eine Verbesserungsverweigerung an, weil die Beklagte die Behebung der Mängel durch die Klägerin in Abkehr von einer getroffenen Vereinbarung von
– im Sinne der dargestellten Judikatur – unzulässigen Bedingungen (Festlegung eines Sanierungskonzepts, Verpflichtung zum Kostenersatz, Anerkenntnis einer Gegenforderung und Verjährungsverzicht) abhängig gemacht hat. Diese auf der Auslegung von Urkunden basierende Beurteilung kann wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung nur bekämpft werden, wenn sie mit den Sprachregeln, den allgemeinen Erkenntnisgrundsätzen oder mit den gesetzlichen Auslegungsregelungen etwa der §§ 914, 915 ABGB in Widerspruch stünde (RIS-Justiz RS0043415). Das ist hier nicht der Fall. Auch die aus dem gewonnenen Auslegungsergebnis und den konkreten Umständen des Einzelfalls gezogene Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe durch das nachträgliche Stellen dieser Bedingungen ihr Leistungsverweigerungsrecht verloren, stellt – auch unter Berücksichtigung des behaupteten nachfolgenden Verhaltens der Beklagten – keine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung dar (vgl 5 Ob 138/15b, 1 Ob 93/11z).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und daher Anspruch auf Kostenersatz (RIS-Justiz RS0112296, RS0035962, RS0035979).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00083.17T.1023.000

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