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OGH vom 08.06.2004, 4Ob89/04y

OGH vom 08.06.2004, 4Ob89/04y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Stephan R*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der P*****-GmbH *****, gegen die beklagte Partei V***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Emberger Rechtsanwaltskanzlei GmbH in Wien, wegen 363.364,17 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 120/03v-12, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 30 Cg 128/02d-8, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 2.637,76 EUR (darin 439,60 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der P*****-GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin). Diese ist Teil eines Konzerns, an dessen Spitze eine niederländische Gesellschaft steht. Die niederländische Gesellschaft hält Anteile an einer in Wien ansässigen Aktiengesellschaft, die wiederum Alleingesellschafterin der Gemeinschuldnerin und der C***** GmbH ist. Beide Töchter haben ihren Sitz an derselben Anschrift in Wien.

Die Beklagte war von der Gemeinschuldnerin zum Abschlussprüfer für den Jahresabschluss zum bestellt worden. Nach Durchführung der Prüfung erteilte sie den mit datierten uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Prüfbericht und Bestätigungsvermerk wurden der Geschäftsführung der Gemeinschuldnerin am übermittelt. Der Bestellung zum Abschlussprüfer (sie erfolgte mit Umlaufbeschluss vom ) wurden die von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder herausgegebenen Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhänder (im Folgenden: AAB) zugrunde gelegt. Diese enthalten nachstehende Bestimmung:

"§ 8 Haftung

(1) Der Wirtschaftstreuhänder haftet nur für vorsätzliche und grob fahrlässig verschuldete Verletzung der übernommenen Verpflichtungen.....

(4) Der Schadenersatzanspruch kann nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem der oder die Anspruchsberechtigten von dem Schaden Kenntnis erlangt haben, spätestens aber innerhalb von drei Jahren nach dem anspruchsbegründenden Ereignis gerichtlich geltend gemacht werden, soferne nicht im Aktiengesetz 1965 andere Verjährungsfristen festgesetzt sind".

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde über das Vermögen der späteren Gemeinschuldnerin das Ausgleichsverfahren, mit Beschluss vom der Anschlusskonkurs eröffnet. Der Kläger wurde zunächst zum Ausgleichsverwalter und später zum Masseverwalter bestellt.

Gestützt auf § 275 HGB (hier anzuwenden in der vor BGBl I 2001/97 geltenden Fassung) begehrt der Kläger mit seiner am eingebrachten Klage Schadenersatz von 363.364,17 EUR (das sind 5,000.000 S). Die Beklagte habe ihre gesetzliche Verpflichtung zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung zumindest leicht fahrlässig verletzt und zu Unrecht einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Sie habe fahrlässig nicht erkannt, dass die in der zu prüfenden Bilanz ausgewiesene Forderung der späteren Gemeinschuldnerin gegen ihre Schwestergesellschaft schon damals uneinbringlich gewesen sei und in einem Teilbetrag von zumindest 40,000.000 S jeder rechtlichen Grundlage entbehrte. Tatsächlich sei dieser Betrag vom Konto der späteren Gemeinschuldnerin auf ein Konto der Muttergesellschaft überwiesen worden, wodurch eine verbotene Einlagenrückgewähr bzw verdeckte Gewinnausschüttung an der Alleingesellschafterin stattgefunden habe. Weiters seien durch "Hin- und Her-Überweisungen" zwischen verschiedenen Konten der Gemeinschuldnerin liquide Mittel in Form von Guthaben bei Kreditinstituten ausgewiesen worden, die tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden seien. Der davon betroffene Betrag (20,346.823,35 ATS) hätte in der Bilanz richtig als Bankverbindlichkeit ausgewiesen werden müssen. Zweck der gewählten Vorgangsweise sei es gewesen, die Vermögenslage bzw Liquiditätssituation der späteren Gemeinschuldnerin günstiger darzustellen und die massiven Nachteile, die sich aus der gesellschaftsrechtlich unzulässigen Einlagenrückgewähr bzw verdeckten Gewinnausschüttung ergaben, in der Bilanz "unauffällig" zu gestalten. Selbst wenn dieser Vorgang unbedenklich gewesen wäre, hätte er im Lagebericht dargestellt werden müssen. Der von der Beklagten geprüfte Jahresabschluss vermittle daher auch aus diesem Grund kein getreues Bild der Vermögenslage. Dadurch, dass die Beklagte als Abschlussprüfer auf diese Unregelmäßigkeiten in der Bilanz zum nicht hingewiesen und einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt habe, seien Sanierungsmaßnahmen oder Maßnahmen gegen unseriös agierende Organmitglieder nicht bzw zu spät ergriffen worden. Eine Aufdeckung der tatsächlichen bilanziellen Verhältnisse zum Stichtag der Abschlussprüfung hätte eine Rettung der operativ stets mit Gewinn arbeitenden späteren Gemeinschuldnerin ermöglicht. Stattdessen seien weitere Vermögensschäden entstanden, die schließlich zum wirtschaftlichen Zusammenbruch und zur Insolvenz geführt hätten. Der Gesellschaft und damit auch ihrer Konkursmasse und den Gläubigern sei durch die sorgfaltswidrige Abschlussprüfung der Beklagten ein 5,000.000 S deutlich übersteigender Schade entstanden. Den im Konkurs festgestellten Forderungen von 4,686.115,72 EUR stünde lediglich ein Vermögen von 134.260,06 EUR gegenüber. Nach § 275 Abs 4 HGB könne die Ersatzpflicht des Jahresabschlussprüfers durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Abgesehen davon, dass demnach eine Einschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und eine Verkürzung der in § 275 Abs 5 HGB ausdrücklich vorgesehenen fünfjährigen Verjährungsfrist durch § 8 AAB nicht in Frage komme, wäre eine derartige Beschränkung grob benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB und damit unwirksam. Dem Masseverwalter sei es auch nicht möglich gewesen, bereits zum Stichtag der Konkurseröffnung über ein solches Detailwissen betreffend die Umstände im Zusammenhang mit der Abschlussprüfung zum zu verfügen, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg hätte einbringen können. Der mit Klage vom geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei daher nicht verjährt.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete ein, eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung liege nicht vor, weshalb eine Haftung unter Berücksichtigung des § 8 Abs 1 AAB von vornherein ausscheide. Im Übrigen sei der Anspruch unter Berücksichtigung des § 8 Abs 4 AAB verjährt, weil er nicht innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis des Anspruchsberechtigten vom Schaden gerichtlich geltend gemacht worden sei. Der Masseverwalter habe bereits zum Zeitpunkt der Ausgleichseröffnung Einblick in alle relevanten Unternehmensdaten gehabt und über alle Kenntnisse verfügt, um Schadenersatzansprüche geltend machen zu können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Es stellte noch fest, der Kläger habe mit Schreiben vom die Beklagte um einen Verzicht auf den Verjährungseinwand hinsichtlich allenfalls bestehender Schadenersatzansprüche der Konkursmasse ersucht. Die Beklagte habe diesem Wunsch nicht entsprochen. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, schon die Einordnung der Verjährungsbestimmung in § 275 Abs 5 HGB - nach dessen Abs 4, der den Ausschluss und die Beschränkung der Ersatzpflicht nach den vorher angeführten Vorschriften für unzulässig erklärt - lasse darauf schließen, dass es nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, auch die fünfjährige Verjährungsfrist als zwingenden Mindesthaftungsstandard festzulegen. Der Oberste Gerichtshof habe die in § 8 Abs 4 AAB vorgesehene Verkürzung der subjektiven Verjährungsfrist auf sechs Monate ab Kenntnis des Schadens bereits als sachlich gerechtfertigt, nicht gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB und somit als zulässig beurteilt. Den Organen der Gemeinschuldnerin sei es bereits am mit Ablieferung des Prüfungsberichts möglich gewesen, Kenntnis von Schaden und Schädiger zu erhalten. Der Kläger wäre ab Ausgleichseröffnung in der Lage gewesen, sich die relevanten Unternehmensdaten zu beschaffen und Kenntnis über eventuelle Schadenersatzansprüche zu erlangen. Ein die Ersatzpflicht der Beklagten auslösender Schaden müsse im Zeitraum nach Ablieferung des Prüfberichts eingetreten sein. Konkretes Vorbringen habe der Kläger dazu nicht erstattet. Die sechsmonatige Verjährungsfrist beginne jedenfalls mit Konkurseröffnung nicht neuerlich zu laufen, der Schaden sei daher jedenfalls mehr als sechs Monate vor Klageerhebung eingetreten.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob es sich bei der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 HGB um eine subjektive Frist handle und ob diese zwingend sei oder durch Vereinbarung auf sechs Monate verkürzt werden könne. Bei den Ausführungen des Ersturteils, es sei Organen der Gemeinschuldnerin mit Auslieferung des Prüfberichts () möglich gewesen, Kenntnis von Schaden und Schädiger zu erhalten, der Kläger sei ab Ausgleichseröffnung in der Lage gewesen, sich die relevanten Unternehmensdaten zu beschaffen und Kenntnisse über eventuelle Schadenersatzansprüche der Gemeinschuldnerin zu erlangen, handle es sich um Schlussfolgerungen, die nicht als Tatsachenfeststellungen zu werten seien. Zum Verhältnis zwischen § 275 Abs 5 HGB und der in § 8 AAB vorgesehenen Verkürzung der Verjährungsfrist führte das Berufungsgericht aus, nach der Reihenfolge der Regelungen in Abs 4 und 5 des § 275 HGB sei nach dem Gesetzeswortlaut unklar, ob die dort vorgesehene Verjährungsfrist zwingend sei oder durch Parteienvereinbarung verkürzt werden könne. Im Schrifttum werde die Auffassung vertreten, die fünfjährige Verjährungsfrist sei zwingend, weil § 275 nach dem Gesetzeszweck in seiner Gesamtheit die Haftung des Abschlussprüfers zwingend ausgestalte. Diese Frage müsse aber nicht abschließend beurteilt werden, weil eine Verkürzung der Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 HGB auf eine (subjektive) Frist von nur sechs Monaten einer Inhaltskontrolle der allgemeinen Auftragsbedingungen nicht standhalte. Zum Beginn der Verjährungsfrist treffe § 275 Abs 5 HGB keine Aussage, sodass - unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Regel des § 1489 ABGB - davon auszugehen sei, dass es sich um eine subjekive Verjährungsfrist handle, die mit Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen beginne; hier sei dies mit Kenntnis des Umstandes der Fall, dass der Gesellschaft aufgrund eines unrichtigen uneingeschränkten Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers ein Schaden entstanden sei. Angesichts der außerordentlichen Komplexität der Rechnungslegung sei die Unrichtigkeit eines Bestätigungsvermerks und ein damit im Zusammenhang stehender Schaden für einen Nicht-Wirtschaftstreuhänder in der Regel nur schwer erkennbar. Ein dadurch bewirkter Schaden werde in der Regel schleichend eintreten, sodass der Masseverwalter erst im Konkurs der Gesellschaft über ausreichende Grundlagen verfügen werde, um einen Schadenersatzanspruch mit Aussicht auf Erfolg geltend machen zu können. Diesen Schwierigkeiten trage § 275 Abs 5 HGB durch eine gegenüber der allgemeinen Regel des § 1489 ABGB deutlich längere fünfjährige Verjährungsfrist Rechnung. Er schütze die Gesellschaft vor allzu rascher Verjährung ihrer Ersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer, der diese Umstände schuldhaft nicht erkannt habe. Selbst wenn der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 1 Ob 1/00d die Verkürzung der subjektiven dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB für die Haftung des Steuerberaters im Rahmen eines steuerlichen Beratungs- und Vertretungsverhältnisses auf eine sechsmonatige Frist für zulässig erachtet habe, sei eine Verkürzung der subjektiven fünfjährigen Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 HGB auf ebenfalls nur sechs Monate als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB und damit als nichtig anzusehen, weil sie die Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung in unzumutbarer Weise einenge. Daran ändere auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die für den Bereich arbeitsrechtlicher Ansprüche eine Verkürzung gesetzlich normierter Fristen auf einen Zeitraum von weniger als sechs Monaten als unbedenklich erachte, nichts. Dies deshalb, weil jeder Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Allgemeinen wisse, dass er derartige Ansprüche habe; er könne sich deren Höhe auch leicht von einer gesetzlichen Interessenvertretung ausrechnen lassen. Der Anspruch des Klägers sei daher (selbst wenn man die in § 8 Abs 4 AAB enthaltene absolute dreijährige Verjährungsfrist berücksichtigen wollte) jedenfalls nicht verjährt. Die vom Kläger als fehlend gerügten Feststellungen über den Zeitpunkt der Kenntnis des Schadenseintritts seien daher entbehrlich.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Die Beklagte stützt ihren Verjährungseinwand auf § 8 Abs 4 der Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhänder (AAB). Danach kann der Schadenersatzanspruch nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Anspruchsberechtigte vom Schaden Kenntnis erlangt hat, spätestens aber innerhalb von drei Jahren nach dem anspruchsbegründenden Ereignis gerichtlich geltend gemacht werden, sofern nicht im Aktiengesetz 1965 andere Verjährungsfristen festgesetzt sind. Der Kläger bestreitet unter Hinweis auf § 275 Abs 4 und 5 HGB die Anwendbarkeit der AAB in Bezug auf Jahresabschlussprüfungen. § 275 Abs 5 HGB iVm Abs 4 dieser Bestimmung regle die Verjährung von Schadenersatzansprüchen gegen den Abschlussprüfer - ihrem Mindestumfang nach - zwingend und lasse keinen Anwendungsbereich für vertragliche Vereinbarungen nach § 8 Abs 4 AAB offen.

Die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers war vor Inkrafttreten des § 275 HGB idF Rechnungslegungsgesetz BGBl 1990/475 in § 141 AktG geregelt, dessen Abs 2 die Ersatzpflicht für fahrlässige Schadensverursachung betragsmäßig beschränkte. § 141 Abs 4 AktG legte - wie nunmehr § 275 Abs 4 HGB - fest, dass die Ersatzpflicht durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden kann. Nach Abs 5 dieser Bestimmung verjährten Ansprüche "aus diesen Vorschriften" in fünf Jahren. Bei Neufassung des § 275 HGB orientierte sich der Gesetzgeber des Rechnungslegungsgesetzes nicht nur an § 141 AktG, sondern auch an § 323 dHGB (1270 BlgNR 17. GP, 72), dessen Absätze 4 und 5 gleichfalls wörtlich mit § 275 Abs 4 und 5 HGB übereinstimmen. Die Novellierung durch das Finanzmarktaufsichtsgesetz, BGBl I 2001/97, ließ diese Bestimmungen unberührt, hob jedoch die Haftungsgrenzen an und sah eine strengere Behandlung grob fahrlässiger Pflichtverletzungen vor (641 BlgNR 21. GP 96). Gleichzeitig wurde die Haftung des Gründungsprüfers (§ 42 AktG) jener des Abschlussprüfers (§ 275) angepasst (641 BlgNR 21. GP, 98), auch für ihn ist die 5-jährige Verjährungsfrist vorgesehen (§ 44 AktG).

Ob eine Verkürzung der Fünfjahresfrist des § 275 Abs 5 HGB durch vertragliche Vereinbarung zulässig ist, ist in Deutschland angesichts der zwingenden Anordnung des § 323 Abs 4 dHGB (inhaltlich gleich dem § 275 Abs 4 HGB) umstritten (siehe Münchener Kommentar zum HGB § 323 Anm 69 mwN). Das Schrifttum in Österreich vertritt die Auffassung, § 275 Abs 4 HGB widerspreche einer Verkürzung der Verjährungsfrist (Haberl, Die Haftung des Wirtschaftsprüfers als gesetzlicher Abschlussprüfer, 113; Dehn, Die Haftung des Abschlussprüfers nach § 275 HGB (nF), ÖBA 2002, 377 [388]).

Der Oberste Gerichtshof hatte in seiner Entscheidung 1 Ob 1/00d = SZ 73/158 die in § 8 Abs 4 AAB vorgesehene vertragliche Verkürzung der subjektiven Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen eines Mandanten gegen den beratenden Wirtschaftstreuhänder als sachlich ausreichend gerechtfertigt und damit nicht gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB beurteilt. Diese Entscheidung (wie auch die Folgeentscheidungen s. RIS-Justiz RS0114323; 6 Ob 35/00s) betrafen allerdings Schadenersatzansprüche des Klienten aus steuerlicher Beratungstätigkeit und nicht die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers, sodass § 275 HGB nicht anzuwenden war. Der Senat hat erwogen:

Nach § 275 Abs 5 HGB - einer lex specialis zur allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 1489 ABGB (siehe Dehn aaO 388) - verjähren die Ansprüche gegen den Abschlussprüfer in fünf Jahren. Gemäß § 275 Abs 4 HGB kann die in § 275 HGB vorgesehene Ersatzpflicht des Abschlussprüfers durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Die Anordnung der Absätze 1 bis 5 in dieser Bestimmung lässt angesichts des aus Gesetzeszweck und Sinnzusammenhang erkennbaren Willens des Gesetzgebers keineswegs zwingend den Schluss zu, die Regelung des Abs 4 könnte sich nur auf die Abs 1 bis 3, nicht aber auch auf den folgenden Absatz 5 beziehen. Vielmehr erschiene es nach Gesetzeszweck und Sinnzusammenhang der Gesamtregelung naheliegend, dass auch die Fünfjahresfrist des Abs 5 der Parteidisposition im Sinn einer vertraglichen Verkürzung zugunsten des Abschlussprüfers entzogen ist: § 275 HGB wird als Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB zum Schutz der geprüften Gesellschaft vor Vermögensschäden beurteilt (SZ 73/157). Dennoch verkürzt § 275 Abs 5 HGB die für Schadenersatzansprüche allgemein geltende (objektive) Verjährungsfrist des § 1489 (30 Jahre) ganz erheblich und lässt die Verjährung auch dann eintreten, wenn der Geschädigte (in diesem Zeitraum) keine Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt hatte (Haberl aaO 112 mwN). Zugleich nimmt § 275 HGB eine Beschränkung der Haftung des Abschlussprüfers auch der Höhe nach vor. Die Gesamtregelung ergibt einen vom Gesetzgeber verbindlich normierten Mindeststandard (Haberl aaO 111 f), der nach dem Willen des Gesetzgebers durch Vereinbarungen zugunsten des Abschlussprüfers nicht unterschritten werden sollte. Nach § 275 Abs 4 HGB darf nämlich die Ersatzpflicht des Abschlussprüfers durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Ob die vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist eine Beschränkung der Ersatzpflicht des Abschlussprüfers im Sinn dieser Bestimmung bedeutet (in diesem Sinn Haberl aaO 111, 113; Dehn aaO 388), braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend beurteilt zu werden, weil § 8 Abs 4 AAB selbst die Verjährungsfrist in Bezug auf Ansprüche gegen den Jahresabschlussprüfer vom Anwendungsbereich der AAB ausnimmt:

Die AAB wurden zunächst am vom Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder beschlossen und am kundgemacht. Zu dieser Zeit war die Haftung des Abschlussprüfers in § 141 AktG geregelt. Erst mit Inkrafttreten des RechnungslegungsG BGBl 1990/475 trat an dessen Stelle § 275 HGB, dessen Abs 4 und 5 mit jenen der Abs 4 und 5 des § 141 AktG 1965 wörtlich übereinstimmen. Während der Verordnungsgeber in der Folge § 8 Abs 3 AAB dieser Gesetzesänderung angepasst hat, der nun ausdrücklich statt wie früher auf § 141 AktG auf § 275 HGB Bezug nimmt und die Geltung der Haftungsnormen des HGB anstelle der Absätze 1 und 2 des § 8 AAB anordnet, blieb § 8 Abs 4 AAB - welcher eine Verkürzung der Verjährungsfristen vorsieht, "soferne nicht im Aktiengesetz 1965 andere Verjährungsfristen festgesetzt sind" unverändert. Da der Kammer der Wirtschaftstreuhänder aber nicht unterstellt werden kann, sie hätte damit bezweckt, eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen, um eine Verkürzung der Verjährungsfristen für die Ansprüche gegen Abschlussprüfer zu ermöglichem muss ein Redaktionsfehler angenommen werden. In dem von Angehörigen der Kammer der Wirtschaftstreuhänder verfassten "Kommentar der Autonomen Honorarrichtlinien (AHR) und der Allgemeinen Auftragsbedingungen (AAB) für Wirtschaftstreuänder" (Schmid/Wolf/Herneth/Vesely/Frank/Bedenik) wird auch zu § 8 AAB ausgeführt, dass die Verjährungsfrist in Bezug auf Ansprüche nach § 275 HGB gegen den Wirtschaftstreuhänder als Jahresabschlussprüfer fünf Jahre betragen und die vertragliche Verkürzung nach § 8 Abs 4 AAB nur in Bezug auf die allgemeine Verjährungsfrist des § 1489 ABGB stattfinden soll. Die verkürzten Verjährungsfristen des § 8 Abs 4 AAB sind daher auf Ansprüche gegen den Wirtschaftstreuhänder als Jahresabschlussprüfer nach § 275 HGB nicht anzuwenden.

Es bedarf daher auch keiner weiteren Prüfung, ob die AAB angesichts ihres Außerkrafttretens mit (zu diesem Zeitpunkt fiel § 17 Abs 2 WTKG, BGBl 1948/20 als ihre gesetzliche Grundlage gemäß § 228 Z 3 Wirtschaftstreuhänderberufsgesetz [WTBG] BGBl I 1999/58 weg) für ein Tätigwerden des Wirtschaftsprüfers nach aufgrund eines davor erteilten Auftrages noch anzuwenden wären (zum Außerkrafttreten der AAB siehe SZ 73/158; Bernbacher/Haase/Herneth/Klement/Troja, WTBG § 98 Anm 12).

Die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 HGB begann (siehe dazu Haberl aaO 112 f; Dehn aaO 388, die einen Rückgriff auf § 1489 ABGB für entbehrlich hält), bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Beurteilung. Frühester Zeitpunkt des Fristbeginns könnte die Überreichung des Prüfberichts an Organe der Gesellschaft sein. Dieser Vorgang erfolgte im Juni 2000, somit weniger als zwei Jahre vor der Klageeinbringung. Eine Verjährung kommt daher keinesfalls in Frage. Wann der Schaden eingetreten ist und zu welchem Zeitpunkt es Organen der Gesellschaft (oder des später bestellten Masseverwalters) möglich gewesen wäre, davon Kenntnis zu erlangen, um eine Klage mit Aussicht auf Erfolg einbringen zu können, ist im vorliegenden Fall daher ohne Bedeutung.

Das Berufungsgericht hat somit eine Verjährung der geltend gemachten Schadenersatzansprüche zutreffend verneint und das abweisliche Urteil des Erstgerichts aufgehoben. Das Erstgericht wird das Verfahren zur Prüfung der geltend gemachten Ansprüche fortzusetzen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.