OGH vom 13.09.2012, 6Ob74/12v

OGH vom 13.09.2012, 6Ob74/12v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des am verstorbenen Dr. E***** S***** über den Revisionsrekurs der erbantrittserklärten Erben 1. S***** S*****-A*****, 2. Dipl. Ing. E***** S 3. B***** O*****, 4. Dr. S***** S*****, alle vertreten durch Dr. Sepp Manhart und andere Rechtsanwälte in Bregenz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 53 R 118/11h 100, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom , GZ 7 A 115/09t 83, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben .

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert , dass der Antrag der Vermächtnisnehmerin H***** R***** G*****, vertreten durch Dr. Gerwin Brandauer, Rechtsanwalt in Salzburg, vom 3. 8. beziehungsweise beziehungsweise auf Sicherstellung ihres Vermächtnisses unter Fristsetzung abgewiesen wird.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten des Rechtsmittelverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Erstrevisionsrekurswerberin ist die Witwe, die Zweit- bis Viertrevisionsrekurswerber sind die Kinder des am verstorbenen Dr. E***** S*****; sie haben am aufgrund des Gesetzes bedingte Erbantrittserklärungen abgegeben. H***** R***** G***** war die Lebensgefährtin des Erblassers.

Dieser hatte seiner Lebensgefährtin am beziehungsweise eine lebenslange monatliche Rente in Höhe von (wertgesichert) 10.000 ATS vermacht. Sollte dieses Vermächtnis auch nur von einem Kind angefochten werden, hatte der Erblasser die Erben auf den Pflichtteil gesetzt; darüber hinaus hatte der Erblasser seine Lebensgefährtin ausdrücklich berechtigt, den Kindern gegenüber die Sicherstellung des Vermächtnisses zu verlangen.

Am gab die Lebensgefährtin unter Berufung auf ihr außerordentliches Erbrecht als Vermächtnisnehmerin eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab; die Witwe und die Kinder hätten einerseits ihr Vermächtnis bestritten, andererseits verweigerten sie dessen Sicherstellung.

Die Vorinstanzen verpflichteten die Witwe und die Kinder als erbantrittserklärte Erben zur Sicherstellung des Vermächtnisses mit einem Betrag von 133.874,46 EUR binnen vier Wochen; das Rekursgericht erklärte darüber hinaus den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil es sich lediglich auf zwei alte höchstgerichtliche Entscheidungen habe stützen können, denen es zum Teil auch nicht gefolgt sei.

In der Sache selbst vertraten die Vorinstanzen zusammengefasst die Auffassung, die Witwe und die Kinder hätten mit ihren Erbantrittserklärungen ihr Wahlrecht verbraucht und dabei das Vermächtnis der Lebensgefährtin anerkannt. Diese stütze ihren Sicherstellungsanspruch zu Recht auf § 688 ABGB, habe ihr doch der Erblasser dieses Recht ausdrücklich zuerkannt; damit seien die aus § 176 AußStrG ersichtlichen Beschränkungen nicht anwendbar. Daraus folge zum einen, dass der Nachlass vor Erfüllung dieser Auflage nicht eingeantwortet werden könne; zum anderen könne die Lebensgefährtin als Vermächtnisnehmerin ihren Sicherstellungsanspruch im Verlassenschaftsverfahren geltend machen. Dass zwischenzeitig auch die Lebensgefährtin eine Erbantrittserklärung abgegeben hat, hindere eine Sicherstellung nicht; andernfalls käme es nämlich zu einer Benachteiligung des Vermächtnisnehmers aufgrund Geltendmachung seiner erbrechtlichen Ansprüche.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der erbantrittserklärten Witwe und Kinder ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat; er ist auch berechtigt.

1. Mit dem im Revisionsrekurs wiederholten Vorwurf, das Erstgericht habe nicht durch den in seiner Geschäftsverteilung vorgesehen Richter entschieden, hat sich bereits das Rekursgericht ausführlich auseinander gesetzt und ist dabei den Überlegungen der Witwe und der Kinder nicht gefolgt. Dass jener Beschluss des Vorstehers des Erstgerichts, mit dem der den Erstbeschluss fassende Richter infolge Befangenheit der nach der Geschäftsverteilung des Erstgerichts tatsächlich zuständigen Richterin bestimmt wurde, möglicherweise erst nach Fassung des Erstbeschlusses den Parteien zugestellt wurde, begründet im vorliegenden Verfahren keine Nichtigkeit iSd § 58 Abs 4 Z 3 AußStrG: Aus § 260 Abs 4 ZPO lässt sich die auch im Verfahren außer Streitsachen zu beachtende Wertung des Gesetzgebers entnehmen, dass auch Verstöße gegen die Geschäftsverteilung heilen können. Ein solcher Fall liegt hier vor; die Witwe und die Kinder hätten im Hinblick auf § 24 Abs 2 JN den Beschluss des Vorstehers des Erstgerichts gar nicht anfechten können.

2. Nach § 176 Abs 1 AußStrG sind alle Personen, denen an der Verlassenschaft andere erbrechtliche Ansprüche zustehen als die eines Erben, vor der Einantwortung nachweislich von diesen zu verständigen; Sicherheit zu leisten ist im Hinblick auf Abs 2 hingegen lediglich Pflegebefohlenen. Daraus folgt, dass voll geschäftsfähige Vermächtnisnehmer „nur“ nachweislich vom Anfall ihrer Ansprüche zu verständigen sind und dass sie Nachlassseparation begehren können (3 Ob 260/09w NZ 2010, 335). Nach der Aktenlage ist die Lebensgefährtin voll geschäftsfähig; ein Anspruch auf Sicherstellung ihres Vermächtnisses besteht daher nicht.

Nach nunmehr geltender Rechtslage macht § 176 AußStrG den Anspruch auf Sicherstellung in allen Fällen ausschließlich von der Qualifikation des Begünstigten abhängig ( Eccher in Schwimann , ABGB³ [2006] § 817 Rz 1); lediglich Pflegebefohlene sind anspruchsberechtigt. Es spielt somit im vorliegenden Verfahren entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung keine Rolle, dass die Lebensgefährtin ihre Ansprüche nicht (nur) auf § 688 ABGB stützt, sondern ihr der Sicherstellungsanspruch vom Erblasser ausdrücklich eingeräumt wurde; die einhellige Lehre verweist auch im Zusammenhang mit § 817 ABGB ausdrücklich auf die Beschränkungen des § 176 AußStrG ( Eccher aaO; Bittner in Rechberger , AußStrG [2006] § 176 AußStrG Rz 1; Spruzina in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.00 [2010] § 817 Rz 4 ff; Sailer in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , ABGB³ [2010] § 176 Rz 1; Nemeth in Schwimann , TaKomm [2010] § 817 ABGB Rz 1 ff). Die vom Rekursgericht für seine Ansicht angeführten Belegstellen haben die Rechtslage nach dem Außerstreitgesetz 1854 als Grundlage; sie sind daher seit nicht mehr maßgeblich, weil der Gesetzgeber insoweit ganz bewusst eine Änderung der Rechtslage herbeiführen wollte (vgl in diesem Sinn auch Bittner aaO).

Ebenso wenig stichhaltig ist das Argument der Lebensgefährtin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, das Kodizill des Erblassers sei aufgrund der Rechtslage vor 2005 entstanden. Die Übergangsbestimmung des § 205 AußStrG nimmt für Verlassenschaftsverfahren ausdrücklich Bezug auf den Zeitpunkt ihrer Anhängigmachung; diese erfolgte hier jedoch erst im Jahr 2009. Bezüglich § 176 AußStrG hat der Gesetzgeber keine Vorbehalte im Hinblick auf vor dem verfasste Kodizille gemacht.

3. Angesichts dieser klaren Rechtslage bedarf es einer Erörterung der Frage, ob die Kinder das Vermächtnis anerkannt haben, ebenso wenig wie der Frage, inwieweit sich das Vorliegen widerstreitender Erbantrittserklärungen auf die Sicherstellungsansprüche der Lebensgefährtin auswirken würde. Der von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung Nr 8550 GlU 7769 käme schon allein aufgrund § 161 Abs 2 AußStrG keine Bedeutung mehr zu.

Das Erstgericht wird zum Verfahren über das Erbrecht nach §§ 160 ff AußStrG auf § 173 Abs 1 Fall 2 AußStrG hingewiesen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 185 AußStrG.