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OGH vom 08.05.2007, 5Ob43/07w

OGH vom 08.05.2007, 5Ob43/07w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Jürgen Hanns Claus M*****, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die Antragsgegnerin Marion A*****, vertreten durch Dr. Roswitha Ortner, Rechtsanwältin in Villach, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 295/06v-10, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom , GZ 2 C 83/06t-4, aus Anlass des Rekurses des Antragstellers aufgehoben und der Aufteilungsantrag sowie der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurden, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Antragstellers aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Ehe der Parteien wurde am rechtskräftig gemäß § 55a EheG geschieden. Der gleichzeitig abgeschlossene Scheidungsvergleich hielt unter anderem fest, dass

der Ehemann (nunmehrige Antragsteller) die Ehewohnung unter Mitnahme der ihm zukommenden Gegenstände bereits geräumt hat und weiteres aufzuteilendes Vermögen bzw weitere aufzuteilende Gebrauchsgegenstände nicht vorhanden sind bzw bereits im Einvernehmen zwischen den Antragstellers aufgeteilt wurden (Punkt 4);

die Haftung beider Ehegatten für ein mit rund EUR 200.000 aushaftendes Bausparkassendarlehen unverändert aufrecht bleibt (Punkt 5);

mit dem Vergleich sämtliche wie immer gearteten Ansprüche zwischen den Ehegatten, die auf jedwedige Antragstellung gemäß §§ 81 ff EheG und § 98 ABGB verzichten, verglichen und bereinigt sind (Punkt 6). In seinen am eingelangten Anträgen begehrte der Antragsteller

1. eine Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG hinsichtlich zweier je im Hälfteeigentum der Parteien stehender Liegenschaften sowie des im Scheidungsvergleich erwähnten Bausparkassendarlehens und einer Hypothek von EUR 32.557,43,

2. die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO in Form eines gegen die Antragsgegnerin gerichteten Verbotes, ihren nunmehrigen Ehegatten in jenem Haus wohnen zu lassen, das den Parteien je zur Hälfte gehört oder in dem sich die Ehewohnung befand.

Der Antragsteller behauptet die Unvollständigkeit des Scheidungsfolgenvergleiches, dessen Generalklausel demnach der begehrten Aufteilung nicht entgegenstehe.

In seinem Aufteilungsantrag schlägt er folgende Aufteilung vor:

a) die Übertragung des Hälfteanteiles der Antragstellerin an dem Haus in L***** (Ehewohnung) an den Antragsteller,

b) die Übertragung des Hälfteeigentumes des Antragstellers an der zweiten Liegenschaft an die Antragsgegnerin,

c) die alleinige Rückzahlungsverpflichtung des Antragstellers hinsichtlich der auf der zweiten Liegenschaft haftenden Hypothek über EUR 32.557,43 samt Ausspruch über die Haftung der Antragsgegnerin als Ausfallsbürgin,

d) die gleichteilige Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich des auf beiden Liegenschaften einverleibten (Simultan-)Pfandrechtes (Bausparkassendarlehen).

Die Antragsgegnerin spricht sich in ihrer Äußerung (ON 6) gegen diese Aufteilung aus und begehrt ihrerseits die Zuweisung beider Liegenschaften einschließlich der darauf haftenden Schulden. Noch vor Zustellung des verfahrenseinleitenden Aufteilungsantrages unterbrach das Erstgericht das Aufteilungsverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung eines vom Antragsteller beim zuständigen Landesgericht einzuleitenden streitigen Verfahrens über die Anfechtung des Scheidungsvergleiches und wies den Antrag des Antragstellers auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Die Generalklausel des Scheidungsvergleiches stehe vor einer erfolgreichen Anfechtung des Vergleiches einem neuerlichen Aufteilungsantrag entgegen. Um eine Verfristung allfälliger Ansprüche des Antragstellers bei erfolgreicher Bekämpfung des Vergleiches zu vermeiden, sei statt der Zurückweisung des Antrages mit Unterbrechung vorzugehen. Der Sicherungszweck des § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO umfasse nicht ein Betretungsverbot für dritte Personen, weshalb der Antrag abzuweisen sei.

Aus Anlass des Rekurses des Antragstellers hob das Rekursgericht den zur Gänze angefochtenen Beschluss auf und wies die Anträge auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und Erlassung der einstweiligen Verfügung iSd § 382 Abs 1 Z 8c erster Fall EO zurück. Ein im Scheidungsvergleich abgegebener Verzicht auf ein Aufteilungsverfahren sei zwar unwirksam; dennoch sei bei einem Scheidungsfolgenvergleich iSd § 55a EheG ein Aufteilungsantrag nur zulässig, wenn die vergleichsweise Aufteilung wegen Irrtums oder Unkenntnis eines Teiles oder beider Teile unvollständig geblieben und kein Einvernehmen zu erzielen sei. Nur in einem solchen - mangels Vorbringens des Antragstellers nicht verwirklichten - Fall seien nach der im Streitverfahren zu erwirkenden (Teil-)Beseitigung des Scheidungsvergleiches jene Vermögensgegenstände aufzuteilen, deren Aufteilung im außerstreitigen Verfahren begehrt werde. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteigt und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs begehrt der Antragsteller die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinn einer Stattgebung seiner Anträge; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin hat trotz Freistellung keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht zu Unrecht die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens verneint hat.

1. Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin ist österreichische Staatsbürgerin. Unabhängig von der Frage des anzuwendenden materiellen Rechtes gelten ausschließlich die österreichischen Verfahrensvorschriften des Außerstreitgesetzes (RIS-Justiz RS0008488; vgl RS0009185). Beide Ehegatten hatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, weshalb nach der auch für die nacheheliche Vermögensteilung maßgeblichen (RIS-Justiz RS0077270; RS0077179) Kollisionsnorm des § 20 Abs 1 IPRG österreichisches materielles Recht anzuwenden ist.

2. Nach § 68 Abs 1 AußStrG neu ist die Einholung einer Revisionsrekursbeantwortung nur für Beschlüsse vorgesehen, mit denen „über die Sache" entschieden wurde. Darunter wird nach den ErlRV AußStrG 224 BlgNR 22 GP 48 (siehe Fucik/Kloiber AußStrG 185) jede Entscheidung über den Verfahrensgegenstand, sei sie meritorisch oder zurückweisend, verstanden. Andererseits erwähnen die zitierten Materialien, „dass Rekursbeantwortungen auch im neuen Verfahren Außerstreitsachen entsprechend den Fällen der ZPO zulässig sein sollen" und „eine Zweiseitigkeit als allgemeine Regel ... überschießend wäre", was nach Zechner in Fasching/Konecny² IV § 521a ZPO Rz 13 entsprechend der Absicht des Gesetzgebers eine Zweiseitigkeit des Revisionsrekursverfahrens im Fall der Zurückweisung eines Sachantrages vor dessen Zustellung an den Gegner ausschließt. Unabhängig von dem Spannungsverhältnis zwischen den zitierten Materialien und der Wertung einer Zurückweisung des Sachantrages als Entscheidung über die Sache ist jedenfalls schon aufgrund der Einbindung des jeweiligen Gegners in das Aufteilungsverfahren im konkreten Fall die Zweiseitigkeit zu bejahen (vgl Zechner aaO; vgl G. Kodek ÖJZ 2004/34).

3. Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, ist ein im Scheidungsvergleich - auch beidseitig - abgegebener Verzicht auf ein Aufteilungsverfahren wegen der schon aus Art 6 Abs 1 erster Satz MRK abzuleitenden generellen Unzulässigkeit eines Rechtsschutzverzichtsvertrages (pactum de non petendo) unwirksam (1 Ob 568/92 = SZ 65/65; RIS-Justiz RS0057588; Stabentheiner in Rummel ABGB³ § 85 EheG Rz 1). Der von den Parteien erklärte Verzicht steht daher einer Antragstellung im außerstreitigen Verfahren nicht entgegen.

4. Der Gesetzgeber räumte der Einigung der Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse den Vorrang gegenüber einer gerichtlichen Aufteilung ein; letztere soll erst dann und nur insoweit Platz greifen, als die Einigung ausbleibt (RIS-Justiz RS0046057 [T1]). Ansprüche auf Durchsetzung oder Anfechtung von nach § 97 Abs 2 EheG zulässig getroffenen Vereinbarungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sind im Streitverfahren zu verfolgen (1 Ob 571/80 = SZ 53/150; 7 Ob 687/80 = SZ 53/153; 6 Ob 680/81 = SZ 54/126; SZ 65/65; Stabentheiner aaO § 97 EheG Rz 4; Hopf/Kathrein Eherecht² § 97 EheG Rz 2). Ein anlässlich einer Ehescheidung abgeschlossener Vergleich erledigt zwar im Zweifel alle aus dem Eheverhältnis entspringenden, den Parteien bekannte Ansprüche (RIS-Justiz RS0032478; vgl RS0032453; Harrer in Schwimann ABGB³ § 1389 ABGB Rz 9; Ertl in Rummel aaO § 1389 Rz 1). Wenn aber in einer Scheidungsvereinbarung gemäß § 55a EheG (etwa wegen Irrtums oder Unkenntnis eines Teiles oder beider Teile) keine vollständige Aufteilung erfolgte und Einvernehmen nicht zu erzielen ist, steht den Eheleuten das Aufteilungsverfahren zur Entscheidung über die noch offenen Ansprüche zur Verfügung (RIS-Justiz RS0008463; RS0008464; Stabentheiner aaO § 85 EheG Rz 1). Für die Abgrenzung zwischen außerstreitigem und streitigem Verfahren sind der Wortlaut des Antrages und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen des Antragstellers maßgeblich, während die Einwendungen des Gegners keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der Verfahrensart haben (RIS-Justiz RS0005896; RS0005861).

Hier behauptet der Antragsteller bereits in seinem verfahrenseinleitenden Antrag hinreichend konkret die Unvollständigkeit des Scheidungsvergleiches hinsichtlich bestimmter Vermögensbestandteile. Diese Behauptung steht mit dem Inhalt des Scheidungsvergleiches zunächst insofern nicht in Widerspruch, als dieser hinsichtlich der Ehewohnung nur die Tatsache der bereits erfolgten Räumung festhält, hingegen das Miteigentum der Ehegatten an den Liegenschaften sowie eine Hypothek mit keinem Wort erwähnt. Die im Vergleich enthaltene allgemeine Klausel, nach der weitere aufzuteilende Werte nicht vorhanden seien bzw bereits aufgeteilt seien, genügt den Anforderungen an eine schriftliche Vereinbarung iSd § 55a Abs 2 EheG nur dann, wenn sie auf einer außergerichtlich zustande gekommenen vermögensrechtlichen Vereinbarung bzw einer bereits tatsächlich vollzogenen Teilung beruht (1 Ob 596/87 = SZ 60/95 mwN); das Zustandekommen einer derartigen außergerichtlichen allumfassenden Vereinbarung oder eine im Einvernehmen erfolgte tatsächliche Teilung bestreitet aber der Antragsteller gerade. Seine Behauptung zur Unvollständigkeit/Unrichtigkeit des Scheidungsvergleiches, dessen umfassende Bereinigungswirkung damit fehle, ist jedenfalls ein Vorbringen, das sachlich zu behandeln ist (1 Ob 596/87; 6 Ob 46/02m). Ergibt sich nach Auslegung des Scheidungsvergleiches anhand des maßgeblichen übereinstimmenden Parteiwillens (RIS-Justiz RS0017954; RS0023319), dass zwischen den Streitteilen eine umfassende Aufteilungsregelung getroffen wurde (wie dies insbesondere die Generalklausel bereits indiziert), ist der Antrag mangels aufzuteilenden Vermögens abzuweisen. Liegt ein zwar wirksamer, aber wegen behaupteter Willensmängel anfechtbarer Vergleich vor, ist eine Aufteilung im außerstreitigen Verfahren erst nach der Beseitigung des Vergleiches im streitigen Verfahren möglich. Erst in dieser Konstellation stellt sich dann die Frage nach einer Unterbrechung des außerstreitigen Verfahrens.

Aus diesen Erwägungen erweist sich die vom Rekursgericht ausgesprochene Zurückweisung des Antrages als verfehlt. Das Rekursgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren den Rekurs des Antragstellers inhaltlich zu behandeln haben.

5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 Abs 4 AußStrG iVm § 52 Abs 1 ZPO.