OGH vom 18.11.1959, 3Ob462/59
Norm
Versicherungsvertragsgesetz 1958 § 70 Abs 2;
Kopf
SZ 32/151
Spruch
Bei aufrechter Erledigung des Einverleibungsgesuches kann der Erwerber nach Einlangen des Gesuches beim Grundbuchsgericht gemäß § 70 Abs. 2 VersVG. kundigen.
Entscheidung vom , 3 Ob 462/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Das Erstgericht gab der Klage auf Zahlung der am fälligen Feuerversicherungsprämie von 418 S 90 g s. A. für die Liegenschaft in F. Nr. 53 statt. Die auf § 70 Abs. 2 VersVG. gestützte Kündigung des Beklagten vom als Erwerber der Liegenschaft sei deshalb als verfrüht anzusehen, weil das am überreichte Eigentumseinverleibungsgesuch erst am vollzogen worden sei (§ 431 ABGB.).
Das Berufungsgericht wies die Klage ab.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Oberste Gerichtshof hatte in der Entscheidung SZ. XZIII 147 zu §§ 64, 65 des österreichischen VersVG. 1917 (Veräußerung einer versicherten unbeweglichen Sache) den Grundsatz ausgesprochen, daß für den Beginn der Kündigungsfrist (des Versicherers und des Erwerbers) nicht die Übergabe des bücherlichen Eigentums, sondern die Überlassung des Besitzes entscheidend sei, und zwar auch dann, wenn die grundbücherliche Eigentumsübertragung früher erfolgt sein sollte. In der Begründung dieser Entscheidung wurde auch ausdrücklich auf Ehrenzweig, Versicherungsvertragsgesetz, § 65 Anm. 2, Bezug genommen. Im geltenden VersVG, ist aber der Rechtszustand insofern geändert, als aus § 69 Abs. 1 VersVG. bei der Veräußerung der versicherten Sache der Übergang des Versicherungsverhältnisses aus dem Eigentumsübergang zu erschließen ist (Albert Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 230). Mit dem Eigentumsübergang fällt das versicherte Interesse des Veräußerers weg. Nach österreichischem Recht geht das Eigentumsrecht an einer unbeweglichen Sache gemäß dem durch § 431 ABGB., § 4 GBG. 1955 normierten Eintragungsgrundsatz erst mit der bücherlichen Einverleibung über. Der gesetzmäßige Vorgang bei der Einverleibung wird durch die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Grundbuchsgesetzes geregelt (Klang 2. Aufl. II 357 zu § 431 ABGB., III C). Hiezu führt Ehrenzweig 2. Aufl. I/2 S. 121 aus, daß die Wirkungen der Eintragung nicht erst mit dem Augenblick des Vollzuges, d. h. der Einschreibung in das Hauptbuch, sondern - wenn sie bewilligt und vollzogen wird - schon mit dem Augenblick des Ansuchens (§ 440 ABGB., § 29 GBG.1955) beginnen. Wer im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, ist Eigentümer schon seit der Zeit des Ansuchens.
Diese Rechtsansicht findet eine weitere Stütze vor allem in § 21 GBG. 1955 über den Vormann im Zeitpunkt des Ansuchens um Eigentumseinverleibung und in § 93 GBG. 1955 über die Prüfung und Entscheidung der Grundbuchsgesuche nach dem Zeitpunkt, in dem ein Ansuchen beim Grundbuchsgericht eingelangt ist. Der Oberste Gerichtshof tritt daher in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht der obigen Rechtsmeinung bei, daß bei Bewilligung des Eigentumseinverleibungsgesuches das Eigentum grundsätzlich mit dem Zeitpunkt des Ansuchens begrundet wird. Dadurch werden keineswegs schutzwürdige Interessen des Versicherers bei der Prüfung des Kündigungsrechtes des Erwerbers beeinträchtigt. Der Oberste Gerichtshof tritt der Meinung bei, daß eine Kündigung vor der Veräußerung unwirksam wäre (Prölß, Versicherungsvertragsgesetz, 11. Aufl. S. 251). Die grundbuchsrechtlichen Einrichtungen geben aber dem Versicherer durchaus entsprechende Kontrollmöglichkeiten, um ein schwebendes Eigentumseinverleibungsgesuch des Erwerbers feststellen zu können. Jedes Eigentumseinverleibungsgesuch ist gemäß § 454 Geo., § 103 GV. sofort an der entsprechenden Stelle durch die Bleistiftmarke ersichtlich zu machen. § 7 GBG. 1955 über die Öffentlichkeit des Grundbuchs und die §§ 71, 72 GV. über die Einsicht in das Grundbuch und in die Grundbuchsakten - das rechtliche Interesse des Versicherers an der Akteneinsicht ist in diesem Zusammenhang offenkundig gegeben - ermöglichen dem Versicherer zeitgerecht entsprechende Erkündigungen. Die klagende Partei hat selbst für bezügliche Anfragen an die Grundbuchsabteilungen ein Formblatt vorgelegt, wo als erste Frage die nach dem genauen Datum der Einreichung des Antrages auf die Übertragung des Eigentumsrechtes aufscheint. Wenn die klagende Partei die zeitliche Wirksamkeit der Veräußerung und damit den Beginn des Kündigungsrechtes des Erwerbers auf den Zeitpunkt der Zustellung des Eigentumseinverleibungsbeschlusses an den Erwerber abstellen will, so muß darauf verwiesen werden, daß an den Versicherer selbst keinesfalls eine Zustellung erfolgt. Demgegenüber verweist Ehrenzweig a. a. O. mit Recht darauf, daß die Zeit der Erledigung des Eintragungsgesuches durch den Grundbuchsrichter und die des Vollzuges durch den Grundbuchsführer von Zufälligkeiten des Geschäftsganges abhängt, denen die materielle Rechtslage entrückt bleiben soll. Die gegenteiligen Ausführungen von Herz in VersR. 1950 S. 357 ff. zu dieser Frage setzen sich nicht mit allen maßgebenden grundbuchsrechtlichen Verfahrensvorschriften entsprechend auseinander und werden daher vom Obersten Gerichtshof nicht übernommen.
Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei zugegeben, daß die Besitzwechselkündigung des Beklagten bei der Klägerin am , also nach dem Tage des Ansuchens um Eigentumseinverleibung am , eingelangt ist, also vor dem von der Klägerin selbst mit angegebenen Beginn der neuen Versicherungsperiode. Die Kündigung des Beklagten ist daher voll wirksam geworden; das Berufungsgericht hat mit Recht die Prämienklage für die Versicherungsperiode ab abgewiesen.