TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 21.12.2005, 3Ob238/05d

OGH vom 21.12.2005, 3Ob238/05d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle und Langer, Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 26.000 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 13/05a-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 10 Cg 88/04d-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.063,80 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 177,30 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei betreibt das Bankgeschäft und bietet ihre Leistungen an zahlreichen Standorten in ganz Österreich an. Sie tritt laufend mit Verbrauchern iSd KSchG in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen Verträge. Den Verträgen legt sie die „Allgemeinen Bestimmungen für die Einlagen auf Sparbücher" (ABES) zugrunde. Sparbücher der beklagten Partei werden mit dem darin verbrieften Guthaben oft ohne Kenntnis der beklagten Partei an dritte Personen weitergegeben. Die ABES enthalten ua folgende Klauseln:

Der Zinssatz und die Entgelte, die allenfalls für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Spareinlagen verlangt werden, werden jeweils durch Schalteraushang bekannt gegeben und im Sparbuch an der hiefür vorgesehenen Stelle eingetragen (Punkt 4.2.).

Zinssatzänderungen gelten vom Tag des Inkrafttretens an, ohne dass es einer Kündigung durch die Bank bedarf (Punkt 4.3.).

Über Änderungen dieser Allgemeinen Bestimmungen für die Einlagen auf Sparbücher wird der Kunde durch Aushang der geänderten Bestimmungen in den Schalterräumen (der beklagten Partei) verständigt und erlangen diese Änderungen Rechtsgültigkeit, sofern der Kunde nicht binnen vier Wochen ab Aushang Widerspruch dagegen erhoben hat (Punkt 8.3.).

Die klagende Partei beantragte unter Berufung auf § 29 KSchG, der beklagten Partei zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt, und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der vorher genannten Klauseln oder von sinngleichen Klauseln; weiters sich auf die genannten Klauseln zu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden seien. Darüber hinaus beantragte sie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Die erste Klausel verstoße hinsichtlich der Regelung für allfällige Entgelte gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, die erste und die zweite Klausel verstießen in Ansehung der Änderung des Zinssatzes gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG oder, wenn es sich nur um die formale Umsetzung der gesetzlichen Regelung des BWG zur Änderung von Entgelten oder des Zinssatzes handle, gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG. Dies führe insbesondere bei gebundenen Einlagen unter Berücksichtigung des § 32 Abs 8 BWG zu einer Schädigung des Verbrauchers. Die letzte beanstandete Klausel verstoße gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG, weil sie keine Verpflichtung der beklagten Partei zum Hinweis auf die Erklärungsfiktion enthalte, und gegen § 6 Abs 1 Z 3 KSchG, ordne sie doch eine Zugangsfiktion an. Im Übrigen sei die Klausel auch überraschend iSd § 864a ABGB und verstoße wegen der zu kurzen Frist bei bestehender Möglichkeit, die Kunden schriftlich zu verständigen, gegen § 879 Abs 3 ABGB.

Die beklagte Partei wendete ein, bei den ersten beiden Klauseln handle es sich nur um Zitate aus dem BWG, der beklagten Partei werde damit nicht die Möglichkeit eingeräumt, die vom Kunden verlangten Entgelte zu erhöhen oder generell zu ändern, wobei sie solche Entgelte auch gar nicht fordere. Die letzte beanstandete Klausel werde üblicherweise vereinbart. § 6 Abs 1 Z 2 KSchG gelte - wenn überhaupt - nur bei Verlängerungsklauseln, wobei auch der faktische Hinweis auf die Änderung der Allgemeinen Vertragsbedingungen ausreiche, ohne dass eine solche Hinweispflicht bereits in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt werden müsse. Selbst eine Frist von zwei Wochen wäre ausreichend, eine vierwöchige Frist sei es jedenfalls. Sparbücher könnten ohne Kenntnis der Bank verschenkt und weitergegeben werden. Eine Verständigung aller Kunden wäre damit in vielen Fällen zwecklos, führte aber zu ganz erheblichen Kosten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die erste Klausel schaffe nicht die Möglichkeit für die beklagte Partei, das vereinbarte Entgelt für Dienstleistungen jederzeit beliebig zu erhöhen, der dort verwendete Begriff „jeweils" sei im Sinn von „sowohl ... als auch" zu verstehen. Im Übrigen werde in den ersten beiden Klauseln nur eine gesetzliche Regelung wiedergegeben, sodass diese im Verbandsprozess nicht überprüft werden könnten. Die letzte beanstandete Klausel verstoße nicht gegen § 6 Abs 2 Z 2 KSchG, weil eine Hinweispflicht des Unternehmers nicht im Voraus vertraglich vereinbart werden müsse. Die Klausel sei auch nicht nachteilig iSd § 864a ABGB, die vierwöchige Frist sei ausreichend.

Das Berufungsgericht verbot die Verwendung der beanstandeten Klausel und ermächtigte die klagende Partei zur Urteilsveröffentlichung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil die beanstandeten Klauseln zahlreichen Verträgen der beklagten Partei zugrundeliegen. Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit beanstandeter Bedingungen sei im Verbandsprozess nicht Bedacht zu nehmen; umfasse eine verwendete Klausel teils Verbotenes und teils Erlaubtes, dann sei ihre Verwendung zur Gänze zu untersagen. Zwar habe die beklagte Partei bei den ersten beiden beanstandeten Klauseln weitgehend den Wortlaut gesetzlicher Bestimmungen (§ 32 Abs 6 erster Satz und § 35 Abs 1 BWG) wiedergegeben, dies entziehe die Klauseln aber nicht der Überprüfung im Verbandsprozess. Der Unterlassungsanspruch nach §§ 28, 29 KSchG setze bloß voraus, dass der Unternehmer im geschäftlichen Verkehr in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bedingungen vorsehe, die gegen ein gesetzlichen Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen. Dies habe die klagende Partei behauptet, es sei dies daher vom Gericht zu überprüfen. Gesetze seien nach den Bestimmungen der §§ 6 und 7 ABGB, Allgemeine Geschäftsbedingungen dagegen nach „normalem" Vertragsrecht, insbesondere unter Heranziehung der Unklarheitenregel des § 915 ABGB auszulegen. Sei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Vertragsverhandlungen vorangegangen, dann seien diese bloß objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut und damit unter Verzicht auf außerhalb des Textes liegende Umstände zu interpretieren. Berücksichtige man weiters, dass der Prüfung einer Klausel im Verbandsprozess die für den Kunden ungünstigste mögliche Auslegung zugrundezulegen sei, folge daraus, dass eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen selbst dann gesetzwidrig sein könne, wenn sie dem Wortlaut einer gesetzlichen Regelung entspreche. Außerdem sei in der ersten beanstandeten Klausel kein Bezug auf die angeblich zitierte Regelung des BWG genommen worden. Der Kunde der Bank werde also nicht darauf hingewiesen, welche Regelungen sich im BWG finden, sodass er, der die Bestimmungen des BWG wohl nicht kennen werde, den Vertragsabschluss als solchen mit der Vereinbarung ua auch dieser Klausel der ABES verstehen müsse. Das in der ersten beanstandeten Klausel verwendete Wort „jeweils" sei nicht nur als „sowohl... als auch" zu verstehen, auch eine temporale Bedeutung sei denkbar, weshalb die Klausel festlege, dass der Zinssatz und die Entgelte für Dienstleistungen jedesmal durch Schalteraushang bekanntgegeben und im Sparbuch eingetragen werden. Bei einem solchen Verständnis der Klausel wäre aber der Bank bei kundenfeindlicher Interpretation das Recht eingeräumt, den Zinssatz und die von ihr für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Spareinlagen verlangten Entgelte während des Vertragsverhältnisses abzuändern, zumal die gleich auf die erste beanstandete Klausel folgende zweite beanstandete Klausel Zinssatzänderungen regle, wobei sie diese allerdings (jeweils, also jedes Mal) durch Schalteraushang bekannt geben und im Sparbuch an der dafür vorgesehenen Stelle eintragen müsse. Bei kundenfeindlicher Auslegung berechtige die erste beanstandete Klausel die Bank daher zur nachträglichen Erhöhung des für ihre Leistungen bei der Vertragsschließung bestimmten Entgelts und verstoße damit gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (die dort genannten Voraussetzungen der Zulässigkeit einer solchen Klausel seien nicht erfüllt).

Die zweite beanstandete Klausel werde selbst von der beklagten Partei offenbar als ihr eingeräumte Befugnis verstanden, den Zinssatz während des laufenden Vertragsverhältnisses einseitig zu ändern. Dieses (kundenfeindliche) Verständnis sei daher der Überprüfung dieser Klausel zugrundezulegen, sodass sie gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstieße, zumal sie das damit nach diesem Verständnis der beklagten Partei eingeräumte Recht zur Zinssatzänderung weder näher determiniere noch einschränke. Entgegen der von der beklagten Partei vertretenen Auffassung räume § 32 Abs 6 BWG der beklagten Bank ein derartiges Recht nicht ein. In dieser Bestimmung sei nicht näher geregelt, wie es zu einer Änderung des Jahreszinssatzes komme, wobei im letzten Satz von dem „Inkrafttreten" des geänderten Jahreszinssatzes die Rede sei. Aus dem Wortlaut des § 32 Abs 6 BWG sei daher nicht abzuleiten, unter welchen Voraussetzungen der Jahreszinssatz geändert werde, damit insbesondere nicht, dass die Bank den Jahreszinssatz einseitig und willkürlich abändern könne. Die Bestimmung bringe bloß zum Ausdruck, dass es zur Abänderung des Jahreszinssatzes durch eine einseitige Erklärung der Bank komme, regle aber nicht, unter welchen Voraussetzungen diese von der Bank erklärte Änderung des Zinssatzes zulässig sei. § 6 Abs 2 Z 3 KSchG sei durch § 32 Abs 6 BWG nicht derogiert, würde dies doch voraussetzen, dass die Anwendung der genannten Bestimmung des KSchG im BWG ausdrücklich ausgeschlossen oder auf Grund einer teleologischen Reduktion zu verneinen wäre. Es sei auch nicht einzusehen, warum § 6 Abs 2 Z 3 KSchG gerade bei Zinssätzen für Spareinlagen, insbesondere auch bei langfristig gebundenen Spareinlagen, nicht anzuwenden sein solle. Sachlich gerechtfertigte Zinssatzänderung blieben auch nach § 6 Abs 2 Z 3 KSchG zulässig.

Die Klausel, wonach der Kunde über die Änderungen der ABES nur durch einen Aushang der geänderten Bestimmungen in den Schalterräumen der beklagten Partei verständigt werde, wobei diese Änderungen rechtsgültig werden, wenn der Kunde nicht binnen vier Wochen ab dem Aushang dagegen Widerspruch erhoben habe, verstoße gegen § 6 Abs 1 Z 3 KSchG. Dass der Kunde wie im Falle zuzustellender oder zur Abholung bereit gehaltener Kontoauszüge mit der beklagten Partei eine besondere Vereinbarung getroffen habe, sodass die beanstandete Klausel keine Zugangsfiktion begründe, habe die beklagte Partei nicht vorgebracht.

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht stRsp des Obersten Gerichtshofs, dass im Verbandsprozess die Auslegung von in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Klauseln im „kundenfeindlichsten" Sinn zu erfolgen hat und danach zu prüfen ist, ob ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten vorliegt (RIS-Justiz RS0016590; zuletzt 7 Ob 117/05i; Kathrein in KBB, § 28 KSchG Rz 5 mwN). Im Unterlassungsprozess nach § 28 KSchG kann keine Rücksicht auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Bedingungen genommen werden; für eine geltungserhaltende Reduktion ist kein Raum. Ziel des KSchG ist es, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken (RIS-Justiz RS0038205; zuletzt 7 Ob 117/05i; Kathrein aaO; Bollenberger in KBB § 879 Rz 26 mwN).

Davon ausgehend vertritt die klagende Partei zu Recht den Standpunkt, die erste beanstandete Klausel lasse (zumindest) die Auslegung zu, die beklagte Partei wolle sich damit - ohne die in § 6 Abs 2 Z 3 KSchG (für die Sparbuchzinsen) bzw § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (für die im Zusammenhang mit Spareinlagen verlangten Entgelte) verlangten Voraussetzungen festzulegen - das Recht vorbehalten, einseitig die jeweils zu zahlenden Sparzinsen abzuändern oder Entgelte im Zusammenhang mit den Spareinlagen einzuführen/abzuändern.

Zwar mag die von der beklagten Partei für die erste beanstandete Klausel vertretene Auslegung, wonach mit dieser Klausel nur die gesetzlichen Regelungen über die Pflicht der Bank, Jahreszinssatz und die Entgelte, die allenfalls für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Spareinlagen verlangt werden, in der Sparurkunde an auffallender Stelle ersichtlich zu machen (§ 32 Abs 6 erster Satz BWG) sowie im Kassensaal Angaben über die Verzinsung von Spareinlagen und die Entgelte, die allenfalls für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Spareinlagen verlangt werden, auszuhängen (§ 35 Abs 1 Z 1 lit a und b BWG) zusammenfassend wiedergeben, ohne darüber hinausgehende Rechte der beklagten Partei zu begründen, naheliegen. Dennoch kann die von der klagenden Partei als Grundlage ihrer Bekämpfung der Klauseln als rechtswidrig herausgestellte Auslegung keinesfalls als unmöglich abgetan werden. Dies lässt sich nicht nur aus der (auch) temporalen Bedeutung des Wortes „jeweils" im Sinn von „immer", „jedes Mal" oder auch „zu dem Zeitpunkt, von dem gerade die Rede ist" (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in acht Bänden2) ableiten, sondern vor allem auch daraus, dass in der Klausel keine Einschränkung dahin enthalten ist, mit dem Verweis auf den Schalteraushang solle ausschließlich der im Zeitpunkt der Eröffnung des Sparbuchs aktuelle Aushang gemeint sein. Das Fehlen einer derartigen Einschränkung legt nämlich durchaus nahe, dass sich der Verweis auf den während der Laufzeit des Sparbuchs jeweils aktuellen Aushang bezieht und daher die jeweils im Aushang bekanntgegebenen Zinssätze und Entgelte (und damit auch die im Laufe der Zeit vorgenommene Änderungen des Zinssatzes und der Entgelte) für den Verbraucher unmittelbar maßgeblich sein sollen. Unter Zugrundelegung dieser Auslegung geht die beanstandete Klausel aber jedenfalls über die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts hinaus. Dafür spricht auch, dass eine bloße Wiederholung gesetzlicher Anordnungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wenig Sinn macht, sondern vielmehr zu erwarten ist, dass über ohnehin vorhandene gesetzliche Regelungen hinaus weitere Rechte und Pflichten der Vertragsparteien begründet oder aber unbestimmt oder allgemein gehaltene gesetzliche Anordnungen detailliert und präzisiert werden sollen.

Ist die beanstandete Klausel aber dann (auch) dahin zu verstehen, dass sich die beklagte Partei eine nachträgliche einseitige Entgeltänderung (Entgelte, die allenfalls für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Spareinlagen verlangt werden) vorbehält, widerspricht sie § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, zumal die Entgeltänderung nicht an sachlich gerechtfertigte und nachvollziehbare Parameter gebunden ist. Soweit die Auslegung den Vorbehalt der einseitigen, an keinerlei näher determinierte Voraussetzungen gebundene Möglichkeit der beklagten Partei ergibt, den Zinssatz für Spareinlagen zu verändern, also auch zum Nachteil des Bankkunden zu senken, widerspricht sie § 6 Abs 2 Z 3 KSchG, wonach der Unternehmer eine von ihm zu erbringende Leistung nicht einseitig ändern oder von ihr abweichen kann, es sei denn, die Änderung bzw Abweichung ist dem Verbraucher zumutbar, besonders weil sie geringfügig und sachlich gerechtfertigt ist. Da schon umfassende und vage Änderungsklauseln Unzumutbarkeit indizieren und daher Vorbehalte möglichst genau umschrieben und konkretisiert sein müssen (Krejci in Rummel3, § 6 KSchG Rz 182 mwN; Kathrein aaO § 6 KSchG Rz 26 mwN; vgl 7 Ob 170/98w = SZ 72/12), widerspricht der unbeschränkte Zinsenänderungsvorbehalt jedenfalls § 6 Abs 2 Z 3 KSchG.

Auch der von der beklagten Partei unternommene Versuch, die erste, aber auch die zweite beanstandete Klausel damit zu rechtfertigen, dass § 32 Abs 6 dritter Satz BWG (wie schon die Vorgängerregelung § 19 Abs 1 dritter Satz KWG) eine gesetzliche Rechtfertigung für einseitige Zinssatzänderungen der beklagten Bank bilde, muss scheitern. Der Oberste Gerichtshof vermag sich der von Laurer in Fremuth/Laurer/Linc/Pötzelberger/Strobl2, §§ 31, 32 BWG Rz 15 vertretenen Ansicht, wonach durch § 32 Abs 6 BWG eine vom § 6 Abs 2 Z 3 KSchG abweichende Möglichkeit der Vereinbarung der einseitigen Änderung eines wesentlichen Vertragspunktes ausdrücklich vorgesehen sei, nämlich, dass eine Zinsänderung auch ohne vertragliche Vereinbarung oder Kündigung stattfinden kann (so auch schon zur Vorgängerbestimmung des KWG Störck, Komm z KWG, 178; Meinhart, Konsumentenschutz und Bankverträge in Krejci, Handbuch zum KSchG, 628 f; Schauer, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Einlagen auf Sparbücher, QuHGZ 1985/2, 41 ff; einschränkend Berger, Das Recht des Sparbuchs, 172; krit Avancini in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, 478) nicht anzuschließen.

Entgegen der von der beklagten Partei vertretenen Auffassung stellt § 32 Abs 6 dritter Satz BWG keine lex specialis zu § 6 Abs 2 Z 3 KSchG dar, weshalb letztere Bestimmung nicht zur Anwendung kommen könnte. Da § 32 Abs 6 dritter Satz BWG nicht nur auf Verbrauchergeschäfte, sondern auch auf Spareinlagen von Unternehmern iSd KSchG anzuwenden ist, werden nicht alle von dieser Bestimmung erfassten Fälle auch von der Konsumentenschutznorm erfasst. Damit kann aber § 32 Abs 6 dritter Satz BWG schon formal keine lex specialis zu § 6 Abs 2 Z 3 KSchG sein. Das KSchG ist überdies nach seinem Zweck auf alle Verbrauchergeschäfte anzuwenden. Ebensowenig wie § 3 Abs 3 DepotG eine lex specialis zu § 6 KSchG ist (4 Ob 179/02f = SZ 2002/153 = ÖBA 2003, 141), kann dies bei § 32 Abs 6 dritter Satz BWG der Fall sein. Der Gesetzgeber der Novelle zum Bausparkassengesetz (BGBl I 2001/97) geht überdies offenbar davon aus, dass auch für nachträgliche einseitige Änderungen des Zinssatzes für gebundene Spareinlagen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG anwendbar ist, weil er sonst die Anwendbarkeit dieser Bestimmung im letzten Satz des § 7 Abs 3 BSPG nicht ausdrücklich hätte ausschließen müssen. Damit verliert aber auch das Argument der beklagten Partei an Überzeugungskraft, der Gesetzgeber des Bankwesengesetzes hätte sich - mehrere Jahre nach Inkrafttreten des KSchG - zumindest in den Erläuterungen zur Frage äußern müssen, ob die Beschränkungen des einseitigen Leistungsänderungsrechts gegenüber Verbrauchern in § 6 Abs 2 Z 3 KSchG der vom Kreditwesengesetz (§ 19 Abs 1 KWG) in das Bankwesengesetz übernommenen Bestimmung (§ 32 Abs 6 dritter Satz BWG) vorgehen bzw diese einschränken. Aus dem Fehlen einer derartigen Bestimmung/Erläuterung will die beklagte Partei nämlich ableiten, dass der Gesetzgeber das nach überwiegender Auffassung zu § 19 Abs 1 KWG vertretene unbeschränkte Zinssatzänderungsrecht der Bank auch durch das Bankwesengesetz aufrecht erhalten wissen wollte.

In Wahrheit lässt sich § 32 Abs 6 dritter Satz BWG aber gar entnehmen, dass die Bank - ohne an irgendwelche Voraussetzungen oder Einschränkungen gebunden zu sein - jederzeit einseitig den Einlagezinssatz ändern dürfe. Der Sinn dieser Bestimmung liegt vielmehr darin, dass die in § 32 Abs 6 zweiter Satz BWG angeordnete Eintragung von Zinssatzänderungen in die Sparurkunde keine rechtliche Bedeutung hat, sondern dass die von der Bank ohne Kündigung, also einseitig vorgenommene Zinssatzänderung unabhängig von der Eintragung in die Sparurkunde mit dem von der Bank festgesetzten Tag des Inkrafttretens wirksam wird. Darüber hinaus wird die Bank auch von dem allgemein geltenden Zugangserfordernis (auch einseitiger) Abänderungserklärungen entbunden, wäre die Wirksamkeit der Abänderungserklärung sonst doch vom Zugang an den Vertragspartner abhängig. Statt dessen hat die beklagte Partei die Möglichkeit, durch Schalteraushang Zinssatzänderungen bekannt zu geben und auch wirksam werden zu lassen. § 32 Abs 6 dritter Satz BWG sagt aber überhaupt nichts darüber aus, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit die Bank eine einseitige Zinssatzänderung zulässigerweise vornehmen kann. Ebenso wenig schließt der Gesetzeswortlaut die Anwendung des KSchG hinsichtlich dieser Voraussetzungen aus. Unter welchen Voraussetzungen es also zulässig ist, den Einlagezinssatz (einseitig) zu ändern, ist nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zu bestimmen. Im Verbrauchergeschäft ist § 6 Abs 2 Z 3 KSchG maßgeblich, außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG entspricht es herrschender Ansicht, dass einseitige Gestaltungsrechte nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden dürfen (Aicher in Rummel3, § 1056 ABGB, Rz 8; Apathy in KBB § 156 Rz 1, 3, je mwN). Eine einseitige Änderung der Leistungen der beklagten Partei im Spareinlagengeschäft ist daher - wie alle einseitigen Leistungsänderungen von Unternehmen im Verbrauchergeschäft - nur unter den im § 6 Abs 2 Z 3 KSchG genannten Kriterien wirksam. Wenn die beklagte Partei versucht, sich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Recht einzuräumen, den Zinssatz zu ändern, kann das nur dann gelingen, wenn sie den Voraussetzungen des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG für einseitige Leistungsänderungen entspricht. Die Änderung des Sparzinssatzes müsste dem Verbraucher zumutbar sein, sie müsste etwa durch eine entsprechende Änderung der Leitzinssätze am Geld- und Kapitalmarkt sachlich zu rechtfertigen sein und die beklagte Partei müsste sich auch verpflichten, bei einem Ansteigen der Leitzinssätze die Einlagezinssätze zu erhöhen. Die beanstandete Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei enthält aber keine entsprechenden Parameter dazu und ist daher gesetzwidrig.

Nach § 6 Abs 1 Z 3 KSchG ist eine Vertragsbestimmung für den Verbraucher nicht verbindlich, nach der eine für den Verbraucher rechtlich bedeutsame Erklärung des Unternehmers, die jenem nicht zugegangen ist, als ihm zugegangen gilt, sofern es sich nicht um die Wirksamkeit einer an die zuletzt bekannt gegebene Anschrift des Verbrauchers gesendete Erklärung für den Fall handelt, dass der Verbraucher dem Unternehmer eine Änderung seiner Anschrift nicht bekannt gegeben hat. Zweck dieser Bestimmung ist es zu verhindern, dass das Risiko des Zugangs von Unternehmererklärungen auf den Verbraucher abgewälzt wird (4 Ob 28/01y = SZ 74/52 = ÖBA 2001, 645 [Koziol] = ecolex 2001, 438 [Rabl] = RdW 2001, 531; Krejci aaO, § 6 KSchG Rz 55 mwN). Da die zuletzt beanstandete Klausel festlegt, dass der Kunde über die Änderungen der ABES nur durch einen Aushang der geänderten Bestimmungen in den Schalterräumen der Beklagten verständigt wird, wobei diese Änderungen rechtsgültig werden, wenn der Kunde nicht binnen vier Wochen ab dem Aushang dagegen Widerspruch erhoben hat, verstößt sie gegen § 6 Abs 1 Z 3 KSchG (Apathy in Schwimann2, § 6 KSchG Rz 12; Langer in Konsesnik-Wehrle/Lehhofer/Mayer/Langer, § 6 KSchG Rz 21 f; Avancini aaO 9/35). Wenn sich die beklagte Partei zur Rechtfertigung ihres Standpunkts, die zuletzt beanstandete Klausel sei sachgerecht und verstoße nicht gegen § 6 Abs 1 Z 2 oder Z 3 KSchG auf Iro (in Iro/Koziol, ABB-Komm Z 2 Rz 7) beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Ausführungen ausdrücklich für das Verhältnis der Bank gegenüber anonymen Kunden gemacht werden, mit denen keine Vereinbarung über die Zustellung von Mitteilungen des Kreditinstituts getroffen wurde. Nunmehr ist aber davon auszugehen, dass ab nur mehr an identifizierte Kunden Sparbücher ausgestellt werden durften (§§ 31 Abs 1, 40 Abs 1 Z 1 BWG), Einzahlungen und Überweisungen auf bestehende Sparkonten ab diesem Zeitpunkt von der vorgehenden Legitimation des Kunden abhängig sind (§ 40 Abs 6 BWG) und Auszahlungen ab dem von der Legitimation des Kunden abhängig gemacht wurden (§ 40 Abs 7 BWG). Der beklagten Partei ist also in der überwiegenden Zahl der Fälle der Vertragspartner, der das Sparbuch eröffnet (oder ab dem auf ein vorher eröffnetes Sparbuch eingezahlt) hat, namentlich bekannt. Eine persönliche Verständigung ist daher möglich. Zwar werden gemäß den getroffenen Feststellungen Sparbücher der beklagten Partei mit den darin verbrieften Guthaben ohne Wissen der beklagten Partei an dritte Personen weiter gegeben, es ist aber notorisch, dass dies nicht in der überwiegenden Zahl der Sparverträge der Fall ist. Darüber hinaus weist die klagende Partei zu Recht darauf hin, dass es der beklagten Partei nach § 6 Abs 1 Z 3 KSchG ohne weiters möglich wäre, mit ihren Vertragspartnern die Verpflichtung zu vereinbaren, allfällige Anschriftsänderungen bekannt zu geben und für diesbezügliche Unterlassungen zulässigerweise die Zugangsfiktion im Falle der Zustellung an die zuletzt bekanntgegebene Anschrift festzulegen. Im Hinblick auf die erfahrungsgemäß nur in längeren Zeitabständen erfolgenden Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist das Argument der beklagten Partei, die persönliche Zustellung geänderter Vertragsbedingungen verursache hohe Portokosten von geringem Gewicht.

Im Hinblick auf die bei Sparbüchern, die oft der längerfristigen Kapitalanlage dienen, in vielen Fällen bloß in großen zeitlichen Abständen erfolgende Kontaktaufnahme mit der Bank - Sparbuchverträge werden von Verbrauchern oft auch mit Banken geschlossen, zu denen keine laufende Geschäftsbeziehung auf Grund eines Girokontovertrags besteht - ist darüber hinaus die in der zuletzt beanstandeten Klausel vorgesehene Frist von vier Wochen, innerhalb derer Widerspruch gegen Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhoben werden müsste, unangemessen kurz.

Infolge Rechtswidrigkeit der zuletzt beanstandeten Klausel wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 Z 3 KSchG braucht auf die weiters geltend gemachte Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG und § 864a ABGB nicht weiter eingegangen zu werden.

Der insgesamt unberechtigten Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 41, 50 ZPO.