OGH vom 06.07.2011, 3Ob2/11g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S*****, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Vertragsaufhebung (20.000 EUR) und 268.500,08 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 146/10p 18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 27 Cg 28/09m 9, teilweise als Teilurteil bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die außerordentliche Revision des Klägers und der von ihm am eingebrachte Schriftsatz werden zurückgewiesen.
2. Dem Rekurs der beklagten Partei wird insoweit, als sich die Klageforderung auf die Forderungen von (in der Liste ./Beil B bezeichneten) Anlegern/Anlegerpaaren in der Höhe von
5.832,69 EUR,
6.289,25 EUR,
5.838,56 EUR,
8.636,50 EUR,
8.223,78 EUR,
5.368,25 EUR,
8.692,54 EUR,
6.341,62 EUR,
10.742,65 EUR,
27.008,41 EUR,
5.937,25 EUR,
5.111,31 EUR,
6.263,44 EUR,
6.089,05 EUR,
7.174,51 EUR,
6.647,71 EUR,
26.228,46 EUR,
10.653,87 EUR,
5.192,75 EUR und
5.293,79 EUR,
insgesamt daher auf einen Betrag von 177.566,39 EUR sA bezieht, dahin Folge gegeben, dass der Beschluss des Berufungsgerichts insoweit aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt wird, dass das Urteil als Teilurteil zu lauten hat wie folgt:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger 177.566,39 EUR samt 4 % Zinsen seit zu zahlen, wird abgewiesen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt dem Endurteil vorbehalten.“
Im Übrigen also hinsichtlich des weiteren Teilbetrags von 90.933,69 EUR wird der Rekurs der beklagten Partei zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren wird dem Endurteil vorbehalten.
Text
Begründung:
Der Kläger stellt folgende Begehren:
„1. Die Verträge zwischen der Beklagten und den in Beilage./A und Beilage./B angeführten Personen über den Erwerb von Zertifikaten, welche Aktien der M***** Ltd. (nunmehr A***** Ltd.) repräsentieren sollten, welche während der Zeichnungsfrist der Kapitalerhöhung der M***** Ltd. (nunmehr A***** Ltd.) vom 20. 2. abgeschlossen wurden, werden aufgehoben.
2. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger EUR 268.500,08 samt 4 % Zinsen ab binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
3. [Kostenersatz]“
Der Klage beigelegt waren zwei Listen. Beilage ./A enthält 133 Zeilen mit Namen (gelegentlich juristische Personen, wie zum Beispiel „B***** Wien GmbH“, und gelegentlich zwei Namen in einer Zeile) samt „Anrede“, Geburtsdatum, Adresse und „Land“ (überwiegend AT für Österreich, vereinzelt „DE“ und „IT“).
Beilage ./B enthält 71 Zeilen mit Namen (auch hier gelegentlich in einer Zeile zwei Namen), zusätzlich zu Beilage ./A eine Spalte „Schaden“ mit dort jeweils angeführten Beträgen.
Dazu brachte der Kläger vor, die auf den beiden Listen genannten Personen hätten ihm „über die A***** AG“ (FN *****; in der Folge „A*****“), im Zusammenhang mit einer mit der A***** getroffenen Prozessfinanzierungsvereinbarung, alle ihre Ansprüche aus dem Kauf von Zertifikaten der M***** Ltd. (in der Folge „M*****“) abgetreten. Die in Beilage ./A genannten Personen hielten „zumindest teilweise“ ihre Zertifikate noch und machten das Rechtsgestaltungsbegehren geltend. Die in Beilage ./B genannten Anleger hätten ihre Zertifikate wieder verkauft: Sie würden ein Leistungsbegehren erheben. Der jeweils in Beilage ./B genannte Betrag sei die Differenz zwischen Kaufpreis und Verkaufserlös der Zertifikate (welche Anleger aus Beilage ./A in welchem Ausmaß ihre Zertifikate wieder verkauft haben, wird in der Klage nicht ausgeführt).
Das Wandlungsbegehren (basierend auf Gewährleistungsrecht) beruhe darauf, dass die Anleger keine Aktien, sondern nur Zertifikate erworben hätten. Sie seien auch in Irrtum geführt worden, weil diese Papiere niemals als Zertifikate beworben worden seien, sondern weil die Werbung suggeriert hätte, die Anleger würden Aktien erwerben. Den Unterschied hätten die Anleger darin gesehen, dass beim Erwerb von Aktien auch eine Kontrollmöglichkeit über das Unternehmen durch eine große Zahl von Kleinaktionären gegeben sei. Die tatsächlich erworbenen Zertifikate brächten aber ein solches Kontrollrecht nicht mit sich. Der Irrtum bestehe auch darin, dass in der Werbung vermittelt worden wäre, die Wertpapiere seien eine bessere Alternative zum Sparschwein, das als „faules Schwein“ dargestellt worden sei. Dadurch sei eine absolute Sicherheit der Veranlagung vorgetäuscht worden. Aufgrund der Werbung hätten die Anleger auch davon ausgehen können, dass ihr Geld in Immobilien investiert würde. Ein weiteres Irrtumselement liege darin, dass in der Werbung eine Rendite von 9 % versprochen worden sei; tatsächlich zeige eine Gegenüberstellung von Immobilien in Wert und Mieteinnahmen eine solche von 5,7 %.
Diese Irrtümer seien von der beklagten Partei veranlasst worden und wesentlich für die Kaufentscheidung gewesen.
Nach Aufhebung des Vertrags (egal ob wegen Wandlung oder wegen Irrtums) müsse die beklagte Partei den Anlegern nach der Zession dem Kläger jenen Betrag erstatten, den die Anleger für die Zertifikate bezahlt hätten; abzuziehen sei jener Betrag, den die Anleger, die die Zertifikate bereits verkauft hätten, dafür erlöst hätten. Die in Beilage ./B genannten Anleger hätten die Zertifikate bereits verkauft. Der in Beilage ./B jeweils genannte Betrag summiere sich auf 268.500,08 EUR und sei jeweils die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Verkaufserlös.
Die beklagte Partei bestreitet das Klagevorbringen. Die Zession sei unzulässig, weil die Anleger der A***** und diese dem Kläger nicht den Irrtumsanfechtungsanspruch und den Wandlungsanspruch übertragen hätten, sondern nur das Prozessführungsrecht. Zwischen dem Kläger und den Anlegern bestehe keine materielle Rechtsbeziehung. Die Tatsache der Zession selbst wurde von der beklagten Partei ebenfalls bestritten. Ebenso bestritten wurde, dass die Anleger in Irrtum geführt worden seien. Der Gewährleistungsanspruch bestehe nicht, weil die Zertifikate weder an einem (gar nicht denkbaren) Sachmangel noch an einem Rechtsmangel litten.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren (Punkte 1. und 2., wie eingangs angeführt) ab. Abgesehen von der Verlesung der vorgelegten Urkunden führte es kein Beweisverfahren durch. Es stellte unter anderem fest, dass der Kläger selbst keine Zertifikate erworben hat und auch in keiner Vertragsbeziehung zur beklagten Partei steht. Ein Großteil der in den Beilagen ./A und ./B genannten Personen hat mit der beklagten Partei Verträge über den Ankauf von M*****-Zertifikaten geschlossen. Die übrigen Anleger haben diese Verträge mit anderen Bankinstituten geschlossen. Die in Beilage ./B genannten Anleger haben ihre Zertifikate zwischenzeitig veräußert. Die übrigen Anleger (aus Beilage ./A) sind zumindest teilweise nach wie vor im Besitz ihrer Zertifikate.
Für 20 Erwerber (darunter vier Paare, somit für 24 Erwerber) stellte das Erstgericht fest, wann sie jeweils die Zertifikate erworben haben, wie viel Stück sie zu welchem Kurs erworben haben, welchen Preis inklusive Spesen sie dafür aufgewendet haben und seit wann sie bereits Zertifikate der M***** gehalten haben. Diese Feststellungen des Erstgerichts beruhen darauf, dass der Kläger die entsprechenden Urkunden für jeweils zehn Anleger (Anlegerpaare) aus Beilage ./A und aus Beilage ./B vorgelegt hat, und zwar für die jeweils zehn erstgenannten Anleger/Anlegerpaare in der alphabetischen Reihenfolge, die in den Beilagen eingehalten wird.
Aus der Liste Beilage ./B handelt es sich um folgende zehn Anleger/Anlegerpaare mit folgenden in der Liste angeführten Beträgen:
- E***** A*****: 305,89 EUR
- R***** A*****: 1.048,38 EUR
- W***** B*****: 1.032,20 EUR
- E***** und R***** B*****: 5.832,69 EUR
- G***** B*****: 1.310,49 EUR
- R***** B*****: 6.289,25 EUR
- E***** B*****: 2.017,30 EUR
- H***** und M***** D*****: 1.240,13 EUR
- F***** D*****: 4.650,75 EUR
- M***** D*****: 1.515,83 EUR
Bei folgenden 20 in der Liste Beilage ./B enthaltenen Anlegern/Anlegerpaaren überschreitet der in der Liste angeführte Betrag 5.000 EUR:
- E***** und R***** B*****: 5.832,69 EUR
- R***** B*****: 6.289,25 EUR
- M***** D*****: 5.838,56 EUR
- S***** E*****: 8.636,50 EUR
- T***** F*****: 8.223,78 EUR
- E***** G*****: 5.368,25 EUR
- M***** G*****: 8.692,54 EUR
- G***** G*****: 6.341,62 EUR
- G***** H*****: 10.742,65 EUR
- H***** H*****: 27.008,41 EUR
- F***** K*****: 5.937,25 EUR
- M***** und A***** L*****: 5.111,31 EUR
- H***** L*****: 6.263,44 EUR
- G***** M*****: 6.089,05 EUR
- H***** S 7.174,51 EUR
- C***** und M***** S 6.647,71 EUR
- B***** S 26.228,46 EUR
- F***** S 10.653,87 EUR
- E***** S 5.192,75 EUR
- A***** W*****: 5.293,79 EUR
Die Summe der angeführten zwanzig Teilpositionen beträgt 177.566,39 EUR.
Jedenfalls zum Teil haben die Investoren (aus Beilagen ./A und ./B) ein vorgedrucktes und vorformuliertes Anbot mit folgendem Inhalt an die A***** gelegt:
„... unterbreiten das unwiderrufliche bis zum Ende der Laufzeit der von mir/uns mit A***** … angeschlossenen Prozessfinanzierungsvereinbarung befristete Anbot auf Abgabe einer Abtretungserklärung zum Inkasso und zur Klagsführung durch die A***** … folgenden Inhaltes:
Abtretungserklärung zum Inkasso und zur Klagsführung durch die A***** …
Ich/Wir … treten sämtliche Ansprüche, insbesondere aus dem Titel des Schadenersatzes sowie sich aufgrund jedes anderen erdenklichen Rechtsgrundes ergebenden derzeitigen und zukünftigen Ansprüche ohne jede betragsmäßige Beschränkung aus und im Zusammenhang mit den Vorkommnissen meiner/unserer Veranlagung bei M***** Limited und/oder bei allfälligen weiteren Gesellschaften und/oder natürlichen Personen, welche mit den vorgenannten Gesellschaften direkt oder indirekt gesellschaftsrechtlich, vertraglich oder faktisch im Zusammenhang stehen, gegen sämtliche in Frage kommenden Beklagten zum Zwecke der Klagsführung und zum Inkasso an die
A***** …
unwiderruflich und unentgeltlich ab. ….
A***** … ist jederzeit berechtigt, die vertragsgegenständlichen Ansprüche ganz oder teilweise an einen oder mehrere Dritte – auch wiederholt – zwecks gerichtlicher und/oder außergerichtlicher Geltendmachung der Ansprüche durch den/die Dritten abzutreten.“
Unterhalb dieser Abtretungserklärung finden sich die Unterschriften der einzelnen Anleger sowie eine gefertigte Stampiglie der A*****:
„Dieses Angebot wird angenommen!
A***** ...“
In der Folge schloss A***** mit dem Kläger per bzw einen Zessionsvertrag mit auszugsweise folgendem Inhalt:
„Zessionsvertrag
zwischen der A***** …, vertreten durch den Vorstand …, als 'Abtretender' und A***** S***** … als 'Übernehmenden'
Zahlreiche Anleger, welche durch den Kauf von M***** Zertifikaten geschädigt wurden, haben der A***** … sämtliche Ansprüche aus der Veranlagung in M***** Zertifikate abgetreten. …
Die hier gegenständliche Abtretung betrifft lediglich jene Anleger, die während der Kapitalerhöhung im März 2006 Zertifikate der M***** gezeichnet haben, wobei Anlegergruppen unterschieden werden, einerseits jene, die ihre Zertifikate noch halten (gemäß beiliegender Liste A, beginnend mit … und endend mit …) und andererseits jene Anleger, die ihre Zertifikate bereits verkauft haben (gemäß beiliegender Liste B, beginnend mit … und endend mit …). Diesen Anlegern ist aus dem Erwerb und späteren Verkauf von Zertifikaten der M***** ein Gesamtschaden von € 278.508,- entstanden. Die beiliegenden Listen A und B stellen einen integrierenden Bestandteil dieser Abtretung dar.
Die A***** … hat die Abtretung von Forderungen durch die in beiliegender Liste A und B angeführten Anleger angenommen und tritt nunmehr ihre von diesen Anlegern abgetretenen Forderungen an Herrn A***** S***** zum Inkasso ab.
Herr A***** S***** nimmt diese Abtretung an.“
Diese Vereinbarung wurde vom Kläger A***** S***** einerseits und von der A***** andererseits gezeichnet.
Seiner rechtlichen Beurteilung legte das Erstgericht zugrunde, dass § 226 ZPO vom Kläger verlange, das Begehren ausreichend bestimmt zu formulieren. Aus Punkt 1 des Klagebegehrens sei aber weder ersichtlich, welche Verträge zwischen welchen Vertragsparteien nach Meinung des Klägers aufzulösen seien, noch wann diese Verträge geschlossen worden seien, wie viele Zertifikate erworben worden seien und zu welchem Kurs.
Beilage ./B enthalte wohl dazu noch die vom Kläger für die jeweiligen Anleger errechneten Schadensbeträge. Das Leistungsbegehren laut Punkt 2 des Urteilsantrags sei jedoch nicht von einem ausreichenden Tatsachenvorbringen begleitet. Es sei nicht eruierbar, welcher Anleger wie viele Zertifikate zu welchem Kurs gekauft habe. Auch für den vorgebrachten Verkauf der Zertifikate fehlten diese Konkretisierungen. Dazu komme, dass ein Anspruch auf Vertragsanfechtung wegen Irrtums nicht einem anderen übertragen werden könne, ohne dass ihm auch der Hauptanspruch mitübertragen würde. Dem Kläger fehle somit die erforderliche Aktivlegitimation, um ein auf Irrtum gestütztes Rechtsgestaltungsrecht auszuüben. Der behauptete Wandlungsanspruch, der auf Gewährleistungsrecht gestützt würde, sei verfristet.
Das Berufungsgericht
- (a) verwarf die Berufung des Klägers, soweit sie Nichtigkeit geltend machte,
- (b) bestätigte im Übrigen die Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich der Aufhebung der zwischen der beklagten Partei und den in Beilage ./A angeführten Personen geschlossenen Verträge als Teilurteil, wobei die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten wurde,
- (c) hob den Punkt 1. des Ersturteils (Abweisung des Punktes 1 des Klagebegehrens) in Ansehung der in Beilage ./B genannten Anleger auf und
- (d) hob den Punkt 2. des Ersturteils (Abweisung des Geldleistungsbegehrens laut Punkt 2. der Klage) sowie die Kostenentscheidung insgesamt auf.
Nach dem Ergänzungsauftrag durch den Obersten Gerichtshof vom , 3 Ob 2/11g, sprach das Berufungsgericht aus, dass in Bezug auf oben (b) der Wert des Entscheidungsgegenstands in Ansehung der in Beilage ./A genannten Anleger jeweils nicht 5.000 EUR übersteigt und die Revision jedenfalls unzulässig ist. In Bezug auf die Aufhebung oben (c) und (d) sprach das Berufungsgericht aus, dass der Rekurs in Ansehung jener in Beilage ./B genannter einzelner Begehren zulässig sei, die jeweils 5.000 EUR übersteigen.
Das Berufungsgericht verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens bzw hielt eine solche ebenso wie die Tatsachenrüge für rechtlich irrelevant. In seiner rechtlichen Beurteilung ging es davon aus, dass sich Punkt 2. des Klagebegehrens auf die Summe der Differenzen zwischen Kaufpreis und Verkaufserlös für die in Beilage ./B genannten Anleger beziehe, während das Rechtsgestaltungsbegehren laut Punkt 1. des Klagebegehrens alle Anleger betreffe (Beilagen ./A und ./B), egal ob sie alle Zertifikate noch besäßen oder einen Teil oder alle wieder verkauft hätten. Nach dem Vorbringen in der Klage gebe es auch unter den in Beilage ./A genannten Anlegern solche, die jedenfalls Teile ihrer Zertifikate wieder verkauft hätten. Welche Anleger aus Beilage ./A dies seien und in welchem Ausmaß sie ihre Zertifikate wieder verkauft hätten, werde in der Klage nicht ausgeführt.
Rechtsgestaltungsklagen seien nur dort zulässig, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsehe oder wo sie anhand bestimmter Ausnahmekriterien und bei vorsichtiger und einschränkender Analogie zugelassen werden könnten. Anleger, die Verträge mit der beklagten Partei wegen Irrtums anfechten, würden bei Erfüllung der geforderten Voraussetzungen einen Kondiktionsanspruch erwerben, der gemäß § 877 ABGB dadurch gemindert sei, dass sie alles zurückstellen müssten, was sie zu ihrem Vorteile erhalten hätten. Die Geltendmachung eines relevanten Irrtums sei somit sinnvoller Weise stets darauf gerichtet, die durch das vom Irrtum betroffene Rechtsgeschäft verursachten Leistungen wieder zurückgestellt zu bekommen, allenfalls verbunden mit einem Schadenersatzanspruch nach § 874 ABGB. Isoliert wäre aus einer Rechtsgestaltung ausschließlich des Inhalts, die Verträge würden aufgehoben, für die Anleger nichts gewonnen. Insofern treffe die Argumentation des Erstgerichts zu, wonach alle Anleger, die Irreführung geltend machten, in der Lage seien, bereits eine Leistungsklage zu erheben. Da aber der Kläger für die in Beilage ./A genannten Anleger keine Leistung begehre, sondern nur die Rechtsgestaltung, werde die Klage zwar nicht prozessual unzulässig, erweise sich aber als unschlüssig, sodass das Erstgericht bei der Abweisung des Punktes 1 des Urteilsbegehrens keinem Rechtsirrtum unterliege.
Die Frage, ob die Anleger der A***** und in der Folge dem Kläger alle ihre Ansprüche inklusive der Anfechtungsansprüche, oder nur diese isoliert und ohne das „Vollrecht“ abgetreten hätten, brauche daher nicht eingegangen werden.
Hinsichtlich Punkt 2. des Urteilsbegehrens sei die Rechtsrüge des Klägers allerdings berechtigt. Berührt werde hiebei die Frage, wie detailliert die Klageerzählung sein müsse, damit das davon abgeleitete Begehren (noch) schlüssig sei. Der Kläger habe dazu vorgebracht, der bei den jeweiligen Anlegern geltend gemachte Schaden errechne sich als die Differenz „aufgewendeter Preis der Zertifikate minus Erlös aus deren Verkauf“. Hätte der Kläger die vom Erstgericht geforderten Angaben (wie viele Zertifikate mit welchem Kurs gekauft worden seien und welcher Erlös erzielt worden sei) gemacht, wäre das Erstgericht nur in die Lage versetzt worden, die Angaben nachzurechnen; rechtlich würde es aber keinen Unterschied machen, durch welche absoluten Beträge die geltend gemachte Differenz bestimmt werde. Dass Zertifikate um 1.000 EUR gekauft und um 500 EUR verkauft worden seien, brächte im Ergebnis vorerst auf der Basis des Vorbringens kein anderes Ergebnis mit sich, als wenn um 2.000 EUR gekauft und um 1.500 EUR veräußert worden wäre. Bei abstrakter Betrachtung (also losgelöst von der Frage, ob das allenfalls zu beweisende Vorbringen auch zutreffe) erachte das Berufungsgericht das Vorbringen als ausreichend konkret. Die Behauptung der jeweils individuellen Schadensbeträge, begleitet von der Erläuterung, dass jeweils die Differenz zwischen Aufwendung und Erlös gemeint sei, und begleitet von einer Summenbildung, reiche für die Schlüssigkeit des Begehrens. Dem Erfordernis des § 226 Abs 1 ZPO sei genügt worden, die Tatsachen „kurz und vollständig“ anzugeben. Der Verweis auf Urkunden, die der Klage beigelegt seien, schade für sich genommen nicht. Somit trage die Argumentation des Erstgerichts die Abweisung von Punkt 2 des Klagebegehrens im derzeitigen Verfahrensstadium nicht. Dass Schadenersatzansprüche wirksam zedierbar seien, sei nicht weiter zu problematisieren.
Zusammenfassend sei die Klageabweisung als Teilurteil zu bestätigen, soweit sich das isolierte Gestaltungsbegehren auf jene Anleger beziehe, für die kein Leistungsbegehren geltend gemacht werde (= die in Beilage ./A genannten Anleger). Für die in Beilage ./B genannten Anleger, für die auch ein Leistungsbegehren erhoben worden sei, sei das Gestaltungsbegehren zwar im Ergebnis obsolet, weil das Leistungsbegehren auch das Gestaltungsbegehren umfasse; deren Gestaltungsbegehren unterliege jedoch nicht der formellen Klageabweisung, weil die erfolgreiche Vertragsanfechtung wegen Irrtums Tatbestandsvoraussetzung für den darauf aufgebauten Schadenersatzanspruch sei.
Zur Begründung des Bewertungs- und Zulassungsausspruchs führte das Berufungsgericht in seinem Ergänzungsbeschluss vom , 1 R 146/10p, aus, dass der Kläger selbst das Aufhebungsbegehren für alle Anleger (Beilage ./A und Beilage ./B) mit 20.000 EUR bewertet habe. Bedenke man, dass dieses Begehren die Anleger der Beilage ./A und der Beilage ./B betreffe, somit insgesamt 204 Positionen, ergebe schon eine überschlägige Berechnung, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands, bezogen auf die einzelnen Anleger der Beilage ./A, jedenfalls nicht 5.000 EUR übersteige. Daraus folge die Unzulässigkeit des weiteren Rechtszugs an den Obersten Gerichtshof (§ 502 Abs 2 ZPO).
Die Teilaufhebung des erstinstanzlichen Urteils betreffe das Verfahren über die Begehren der in Beilage ./B genannten Anleger. Die jeweilige Höhe des Begehrens ergebe sich aus dem in Beilage ./B genannten Betrag. Eines gesonderten Ausspruchs über den Wert des Entscheidungsgegenstands bedürfe es nicht, weil der Entscheidungsgegenstand jeweils in einem Geldbetrag bestehe, dessen Höhe sich aus dem Vorbringen des Klägers ergebe. Bei jenen Positionen in Beilage ./B, die zwei Namen enthalten, sei von einer gemeinsam zustehenden Forderung auszugehen.
Hinsichtlich des Aufhebungsbeschlusses sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig, soweit das jeweils bei den einzelnen Anlegern angeführte Begehren 5.000 EUR übersteige (bei Beträgen bis 5.000 EUR scheide ein Rekurs im Hinblick auf § 502 Abs 2 in Verbindung mit § 519 Abs 2 ZPO aus). Die Frage, ob die Klageerzählung für die in Beilage ./B genannten Anleger für die Schlüssigkeit des Begehrens ausreichend bestimmt sei, gehe in ihrer Bedeutung (wegen der Vielzahl der Anlegerprozesse) über den Einzelfall hinaus. Ob es ausreiche, dass nur die Differenz zwischen Aufwendung und Erlös, nicht aber die diese Differenz bestimmenden Beträge vorgebracht werden, sei bisher oberstgerichtlich noch nicht entschieden worden.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richten sich hinsichtlich des Teilurteils die außerordentliche Revision des Klägers und hinsichtlich des Aufhebungsbeschlusses der Rekurs der beklagten Partei, jeweils aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Kläger strebt die Abänderung des Teilurteils im klagestattgebenden Sinn an, die beklagte Partei in ihrem Rekurs die Wiederherstellung des Ersturteils.
Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Weiters hat der Kläger am beim Erstgericht einen mit „I. Außerordentliche Revision und II. Antrag auf Zulassung der ordentlichen Revision“ bezeichneten Schriftsatz eingebracht, der sich auf bestimmte Anleger/Anlegerpaare aus der Liste Beilage ./A bezieht, ausgehend davon, dass deren Begehren mit über 30.000 EUR bzw mit über 5.000 EUR zu bewerten gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Dazu wurde erwogen:
1. Zur außerordentlichen Revision des Klägers:
1.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom , 3 Ob 2/11g, ausführlich dargestellt, dass in Bezug auf die in Beilage ./A genannten Anleger, die nur ein Vertragsaufhebungsbegehren stellen, jeder einzelne Anlegeranspruch vom Berufungsgericht nach den Grundsätzen der §§ 54 ff JN zu bewerten ist. Das Berufungsgericht hat in seinem Ergänzungsbeschluss vom unter Hinweis auf die Pauschalbewertung des Aufhebungsbegehrens durch den Kläger mit 20.000 EUR ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in Ansehung der in Beilage ./A genannten Anleger jeweils nicht 5.000 EUR übersteigt.
Die Bewertung durch das Berufungsgericht ist grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende gesetzliche Bewertungsvorschriften verletzt oder den ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum überschritten (RIS Justiz RS0042437; RS0042450).
Ein solcher Ausnahmefall ist nicht zu erkennen. Das erstinstanzliche Verfahren hat keinerlei zwingende Anhaltspunkte ergeben, wonach eine Bewertung der einzelnen Vertragsaufhebungsbegehren mit über 5.000 EUR angebracht wäre; solche Umstände können nach den Regeln des Zivilprozesses nicht im Revisionsverfahren nachgetragen werden.
Der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Unzulässigkeit der Revision ist folgerichtig.
1.2. Der Kläger hat am beim Erstgericht einen mit „I. Außerordentliche Revision und II. Antrag auf Zulassung der ordentlichen Revision“ bezeichneten Schriftsatz eingebracht, der sich auf bestimmte Anleger/Anlegerpaare aus der Liste Beilage ./A bezieht, ausgehend davon, dass deren Begehren mit über 30.000 EUR bzw mit über 5.000 EUR zu bewerten gewesen wäre.
Dem Kläger ist zuzugestehen, dass der Beschluss des Berufungsgerichts vom hinsichtlich des Bewertungsausspruchs als Berichtigung des ursprünglichen Bewertungsausspruchs in der Entscheidung vom anzusehen ist. Selbst wenn man davon ausginge, dass dieser Beschluss vom grundsätzlich ein zweites Rechtsmittel (mit einem Abänderungsantrag nach § 508 ZPO) ermöglichte, steht dessen Zulässigkeit der Umstand entgegen, dass das Berufungsgericht mangels Ermessensüberschreitung (siehe oben 1.1.) bindend ausgesprochen hat, dass die einzelnen Vertragsaufhebungsbegehren nicht mit über 5.000 EUR zu bewerten sind. Der vom Kläger am beim Erstgericht eingebrachte, mit „I. Außerordentliche Revision und II. Antrag auf Zulassung der ordentlichen Revision“ bezeichnete Schriftsatz ist daher zurückzuweisen.
2. Zum Rekurs der beklagten Partei:
2.1. Das Berufungsgericht hat in seinem Ergänzungsbeschluss vom darauf hingewiesen, dass ein Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss nach § 502 Abs 2 in Verbindung mit § 519 Abs 2 ZPO für jene Begehren ausscheidet, die jeweils 5.000 EUR nicht übersteigen, und dass bei jenen Positionen, die zwei Namen enthalten, von einer gemeinsam zustehenden Forderung auszugehen ist. Somit ist der Aufhebungsbeschluss nur insoweit anfechtbar, als er sich auf die zwanzig in der Liste Beilage ./B genannten Positionen mit einem Betrag von über 5.000 EUR bezieht; die Summe dieser Teilpositionen beträgt 177.566,39 EUR. Hinsichtlich des Restbetrags von 90.933,69 EUR ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof unzulässig, weil die dahinter stehenden Einzelpositionen jeweils nicht den Betrag von 5.000 EUR übersteigen; der Rekurs der beklagten Partei ist insoweit zurückzuweisen.
2.2. Inhaltlich betrifft der Rekurs in erster Linie die vom Berufungsgericht (gerade noch) bejahte Frage der Schlüssigkeit des Vorbringens der klagenden Partei.
Nach dem Rechtsmittelvorbringen fehle es an substanziiertem Vorbringen zu den Voraussetzungen von Schadenersatzansprüchen. Der Kläger habe sich ausdrücklich nur auf die Vertragsaufhebung wegen Irrtums oder Wandlung gestützt. Die Stützung auf jeden erdenklichen Rechtsgrund reiche nicht aus. Das Berufungsgericht sei daher unrichtig davon ausgegangen, dass dem Punkt 2. des Klagebegehrens ein Begehren auf Schadenersatz zugrunde liege.
Wenn nach Ansicht des Berufungsgerichts das Aufhebungsbegehren hinsichtlich der Anleger aus Beilage ./A unschlüssig sei, das Leistungsbegehren aber auf dem Aufhebungsbegehren aufbaue, sei nicht nachvollziehbar, weshalb dann das Leistungsbegehren hinsichtlich der Anleger aus Beilage ./B noch schlüssig sein könne.
Insbesondere sei das Leistungsbegehren auch deshalb unschlüssig, weil ihm nicht zu entnehmen sei, wann die angefochtenen Kaufverträge abgeschlossen worden seien, um eine allfällige Verjährung zu prüfen. Soweit die Zertifikate von dritten Kreditinstituten erworben worden seien, könnten Ansprüche gegen die Beklagte gar nicht wirksam geltend gemacht werden; eine Überprüfung des Differenzschadens sei nicht möglich.
2.3. Der Standpunkt der beklagten Partei ist berechtigt.
Der Kläger hat sein Begehren explizit auf Gewährleistung und Irrtum gestützt. Lediglich in der Überschrift der äußerst linken Spalte der der Klage beigelegten Liste Beilage ./B ist oberhalb der einzeln angeführten Beträge von „Schaden“ die Rede. In der Klage wird dazu ausgeführt (Seite 11): „Infolge einer Aufhebung des Vertrages, egal ob wegen Wandlung oder Irrtums, hat die Beklagte den Anlegern, aufgrund der Zession dem Kläger, jenen Betrag zu erstatten, den die Anleger für die Zertifikate bezahlten, abzüglich jenes Betrages, den die Anleger, welche ihre Zertifikate bereits verkauften, somit jene gemäß Beilage ./B, bereits aus dem Verkauf der Zertifikate erhielten, dies ist der hier geltend gemachte Betrag von € 268.500,08.“
Sowohl die Anspruchsgrundlage als auch die Liste Beilage ./B wurden im Verfahren erster Instanz in der Streitverhandlung vom (ON 8) mit dem Kläger erörtert. Nach dem Protokoll hielt das Gericht vor: „Aus dieser Beilage lässt sich zwar der vorgebrachte Schaden ersehen, aber nicht die einzelnen Verträge, die Anzahl der Stück Zertifikate, die gekauft wurden und zu welchem Kurs sie gekauft wurden und zu welchem Kurs sie wieder verkauft wurden.“ Der Kläger brachte dazu vor, „dass sämtliche Rechte aus dem Kauf der Zertifikate von den in den Beilagen angeführten Anlegern auf den Kl. übertragen worden seien, sodass durchaus eine Vertragsübernahme vorliege. Es sei daher der Kl. jedenfalls auch für die Irrtumsanfechtung legitimiert.“
Der Kläger hat zwar für zehn Anleger/Anlegerpaare aus der Liste Beilage ./B (nämlich die zehn erstgenannten Anleger/Anlegerpaare in der alphabetischen Reihenfolge, die in der Beilage ./B eingehalten wird) mit der Beilage ./K verschiedene Belege (Kontoauszüge, Verkaufsbelege, Rechnungen) vorgelegt, aus denen sich aber der jeweils in der Liste ./B angegebene „Schadensbetrag“ nicht unmittelbar ableiten lässt, geschweige denn, dass ein nachvollziehbares Vorbringen zum Zustandekommen der einzelnen Positionen erstattet worden wäre. Bereits insofern ist die Klage unschlüssig, und zwar unabhängig von der Anspruchsgrundlage des Begehrens (Irrtum, Gewährleistung; auch bei Schadenersatz wäre es nicht anders).
Dazu kommt, dass nach dem Vorbringen nicht feststellbar war, welche Anleger die Kaufverträge mit (anderen) Kreditinstituten abgeschlossen haben. Auch eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung hat grundsätzlich zwischen Vertragsparteien bzw zwischen Leistendem und Leistungsempfänger zu erfolgen (RIS-Justiz RS0020192 [T4 und T 7]). Warum auch hier die beklagte Partei rückstellungspflichtig sein soll wird vom Kläger nicht dargestellt.
Zu Recht wurde die Klage vom Erstgericht nach erfolgloser Erörterung des Vorbringens und des Begehrens als unschlüssig qualifiziert.
2.4. Da im Rekursverfahren gegen Aufhebungsbeschlüsse das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (RIS-Justiz RS0043853, RS0043903) ist dem Rekurs der beklagten Partei dahin Folge zu geben, dass der Beschluss des Berufungsgerichts in Bezug auf einen Teilbetrag von 177.566,39 EUR sA aufzuheben und mit Teilurteil in der Sache selbst im klageabweisenden Sinn zu erkennen ist.