OGH vom 24.04.2012, 2Ob169/11h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Posch, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Ing. G***** H*****, vertreten durch Mag. Günther Eybl, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen 147.227,01 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 103/11i 29, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 4 Cg 77/10a 24, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Beklagte ist Experte auf dem Gebiet der Entwicklung und Forschung von Eisenbahnen. Er verfügt über diverse Kenntnisse von Schutzrechten auf diesem Gebiet und ist auch als Sachverständiger tätig. An der 1992 gegründeten F***** B*****gesellschaft (FB) hielt der Beklagte zwischen 2006 und 2010 zwischen 60 und 65 % der Gesellschaftsanteile und war alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer. Die FB hält 10 % der Anteile der R***** S***** GmbH (RMS). Weitere Gesellschafter der RMS sind der Beklagte sowie weitere drei natürliche Personen mit einer Quote von je 22,5 %. Als Geschäftsführer waren der Beklagte und Ing. Mag. M***** jeweils selbstständig vertretungsbefugt. Seit Dezember 2007 ist Ing. Mag. M***** allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der RMS. Als Geschäftsführer der RMS war Ing. Mag. M***** für den kaufmännisch administrativen Bereich und der Beklagte für eisenbahnrechtliche und technische Angelegenheiten zuständig. Das Projekt „Hypus“ wurde vom Beklagten zunächst über die FB abgewickelt. Damit sollte ein serienmäßiges, behördlich genehmigtes Fahrzeug zur Schienenreinigung entwickelt werden. Dem Projekt lag ein Rahmenvertrag (Wertkontrakt) mit einem Verkehrsunternehmen zugrunde, der ein Auftragsvolumen von etwa 1,5 Millionen EUR beinhaltete. Der zwischen dem Verkehrsunternehmen und der FB bestehende Wertkontrakt wurde von der FB auf die zu diesem Zweck gegründete RMS überbunden. Zugleich verkaufte die FB den „Hypus“ um 350.000 EUR an die RMS. Für die Projektnebenkosten und Markterschließung des „Hypus“ wurden von RMS weitere 200.000 EUR benötigt.
Die Klägerin vereinbarte mit der RMS im April 2006 einen Einmalkredit in Höhe von 200.000 EUR, rückführbar in halbjährlichen Kapitalraten à 20.000 EUR. Der Kreditvertrag wurde von Ing. Mag. M***** sowie vom Beklagten in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der RMS sowie nochmals in der Eigenschaft als Bürgen unterfertigt. Der Bürgschaftsvertrag enthält auszugsweise folgende Bestimmung:
„3. Die Festsetzung der näheren Bedingungen hinsichtlich der Kredite bleibt der freien Vereinbarung zwischen der Bank und dem Kreditnehmer vorbehalten. Insbesondere bleibt die Haftung des Bürgen bis zur anfechtungsfesten Befriedigung der Bank in voller Höhe bestehen, wenn die Bank dem Kreditnehmer ohne Verständigung des Bürgen Stundung oder Prolongation gewährt, die Einziehung der verbürgten Forderung nicht betreibt, einem Ausgleich zustimmt oder mit dem Kreditnehmer einen gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich (auch über Anfechtungsansprüche gemäß §§ 28 ff KO) schließt oder diesem sonst Nachlass gewährt, oder wenn die Bank ein ihre Forderung gegen den Kreditnehmer sicherndes Recht, insbesondere ein Pfandrecht oder das Recht gegen einen etwaigen Mitbürgen oder sonstige Sicherheiten und Vorzugsrechte aufgeben sollte, mögen diese schon jetzt bestehen oder erst später entstehen …
6. Der Bürge anerkennt im Vorhinein alle Maßnahmen und Vereinbarungen, die die Bank zur Geltendmachung ihrer Forderungen für nützlich erachtet, als für ihn verbindlich an. Die Bank ist befugt, Zahlungen oder den Erlös aus anderen Sicherheiten zunächst auf den unverbürgten Teil ihrer Forderungen oder auch auf andere als diese verbürgten Forderungen zu verrechnen.
7. Ein vom Kreditnehmer abgegebenes Schuldanerkenntnis ist auch hinsichtlich der Höhe der Haftung des Bürgen verbindlich.
8. Der Bürge verzichtet auf die Geltendmachung nach dem Gesetz gegebener Einreden und, soweit gesetzlich zulässig, auf die Einrede der Aufrechnung mit Gegenforderungen sowohl gegenüber der Bank als auch gegenüber dem Kreditnehmer. Insbesondere verzichtet der Bürge ausdrücklich für seine Rechtsnachfolger auf alle etwaigen Einwendungen gegen den Fortbestand der Haftung aus dem Umstand, dass die Bank die Rechtsnachfolge des Bürgen nicht auf die Ansprüche der Bank hinweist ... .
10. Die Bank ist nicht verpflichtet, den Bürgen vom jeweiligen Stand der Hauptschuld zu unterrichten. Der Bürge wird sich darüber beim Kreditnehmer informieren.
11. Der Bürge bestätigt, über die Bonität des Kreditnehmers ausreichend informiert zu sein ... .
Der Bürge bestätigt zusätzlich mit seiner Unterschrift, dass er vor der Abgabe seiner Bürgschaftserklärung über das Ausmaß der von ihm übernommenen Bürgschaftsverpflichtung, insbesondere was seine Verpflichtung in Bezug auf weitere bestehende und zukünftig zu gewährende Kredite anlangt, voll informiert wurde.“
Zum haftete der Kredit mit 147.227,01 EUR aus; die Fälligstellung war schon im April 2009 erfolgt. Zahlungen wurden weder von der RMS noch von den Bürgen geleistet.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung des offenen Kreditsaldos aufgrund seiner Bürgschaftsverpflichtung. Die Kreditvaluta seien zum größten Teil an die FB geflossen. Da die FB auch einen Anteil von 10 % an der RMS halte, habe der Beklagte letztlich über 32,5 % der Anteile der RMS verfügt. Mangels Verbrauchereigenschaft kämen weder die Bestimmungen der Interzession nach den §§ 25c, 25d KSchG noch des § 6 KSchG zur Anwendung. Soweit der Beklagte der Klägerin Saumseligkeiten, Versäumnisse und Handlungen zu seinem Nachteil vorwerfe, stünde das diesbezügliche Vorbringen in keinem Zusammenhang mit seiner Bürgschaftsübernahme. Dies insbesondere deswegen, weil aufgrund der Bürgschaftsvereinbarung die Erhebung von Gegenforderungen ausgeschlossen sei.
Der Beklagte hielt dem entgegen, dass der Abschluss des Bürgschaftsvertrags für ihn ein Verbrauchergeschäft im Sinne des KSchG dargestellt habe, weshalb die Informationsobliegenheit der Kreditgeberin nach § 25c KSchG sowie das Mäßigungsrecht iSd § 25d KSchG zur Anwendung gelangten. Nach § 6 KSchG seien die im Bürgschaftsvertrag enthaltenen Vertragsbestimmungen, insbesondere das Aufrechnungsverbot, nichtig. Eine Fälligstellung und Mahnung sei gegenüber dem Beklagten nicht erfolgt, die Darstellung der Höhe des Klagebegehrens sei unschlüssig. Die Klägerin habe Saumseligkeiten, Versäumnisse und Handlungen zum Nachteil des Beklagten zu vertreten: So habe sie dessen Abberufung als Geschäftsführer der RMS betrieben. Der aufrechte Bestand seiner Geschäftsführereigenschaft sei jedoch eine wesentliche Voraussetzung für die Unterzeichnung des Bürgschaftsvertrags gewesen. Die Klägerin habe weiters im Zusammenwirken mit dem zweiten Geschäftsführer der RMS den Ankauf einer Lok beim schwedischen Lieferanten durch die RMS verhindert. Der Ankauf der Lok wäre für den weiteren wirtschaftlichen Bestand der RMS erforderlich gewesen. Darüber hinaus wendete der Beklagte auch Gegenforderungen ein. Er habe im Juni 2009 von einem Verkehrsunternehmen einen Auftrag zur Säuberung von Schienen erhalten. Die Klägerin habe dem Beklagten das nur 100 m vom Einsatzort entfernte Reinigungsgerät „Hypus“ dafür nicht überlassen. Dadurch sei ein Schaden von 20.000 EUR entstanden, der die Höhe der Bürgschaftsverpflichtung reduziere. Der „Hypus“ stünde zwar im Vorbehaltseigentum der Klägerin, allerdings befänden sich darauf Gegenstände, die Eigentum der FB seien, die ihre Ansprüche dem Beklagten abgetreten habe. Aufgrund von Zerstörung, Beschädigung bzw bloßen Vorenthaltens der nicht im Eigentum der Kreditnehmerin stehenden „Hypus“ Zubehörteile ergebe sich ein Verwendungsanspruch/Benützungsentgelt von 9.191 EUR. Der Rechercheaufwand des Beklagten zur Auffindung der Gegenstände würde netto 54.000 EUR betragen. Insgesamt ergebe sich inklusive USt ein Betrag von 75.829,20 EUR.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es sprach aus, dass die Klagsforderung, nicht aber die Gegenforderung zu Recht bestehe. Der Beklagte habe bei Abgabe der Bürgschaftserklärung im eigenen wirtschaftlichen Interesse gehandelt und sei demnach als Unternehmer anzusehen. Der Beklagte sei der geschäftliche Initiator des Projekts „Hypus“ gewesen und von ihm sei auch die Idee der firmeninternen Neuausrichtung (Trennung von Forschungs- und gewerblichen Aktivitäten) durch Übertragung der Wertkontrakte von der FB auf die RMS ausgegangen. Die Kreditaufnahme der RMS bei der Klägerin sei für die weitere Entwicklung und Betreibung des Projekts „Hypus“ erforderlich gewesen. Dieses Projekt sollte auch für die FB fruchtbringend sein. Bei dieser Konstellation könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte als Verbraucher gehandelt habe. Seine Qualifikation als Unternehmer habe zur Konsequenz, dass die Bestimmungen des Bürgschaftsvertrags, so auch das Aufrechnungsverbot, wirksam vereinbart worden seien. Demnach bestünden die vom Beklagten eingewendeten Gegenforderungen nicht zu Recht; dies auch unabhängig vom vereinbarten Aufrechnungsverbot, weil der Klägerin kein schadenverursachendes Verhalten vorzuwerfen sei. Selbst bei Anwendbarkeit des KSchG wäre dem Beklagten der Beweis nicht gelungen, dass die übernommene Bürgschaft in seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Deckung gefunden hätte. Die Kontoabwicklung durch die Klägerin sei vertragskonform erfolgt.
Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht änderte das Ersturteil geringfügig ab, indem es nur 144.319,36 EUR sA zusprach und das Mehrbegehren von 2.907,65 EUR sA wegen einer von der Klägerin selbst zugestandenen fehlerhaften Berechnung von Verzugszinsen abwies. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig. Das Berufungsgericht schloss sich der Sichtweise des Erstgerichts an, wonach der Beklagte im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Bürgschaftsvertrag als Unternehmer zu qualifizieren sei. Er habe bei Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung ein maßgebliches wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgt. Dies werde auch durch die Tatsache gestützt, dass er den Kreditvertrag für die RMS in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer sowie nochmals in seiner Eigenschaft als Wechselbürge unterfertigt habe. Auch aus dieser Konnexität sei im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ableitbar, dass der Beklagte die Bürgenhaftung im Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Tätigkeit aufgenommen habe. Seine Anteile an der RMS in Höhe von 22,5 % sowie der maßgebliche Einfluss auf die FB (60 %), die ihrerseits 10 % an der RMB halte, verdeutlichten den maßgeblichen wirtschaftlichen Einfluss des Beklagten. Letztlich habe der Beklagte sein eigenes wirtschaftliches Interesse bei Unterfertigung der Bürgschaftsverpflichtung in der Berufung selbst zugestanden. Es ergebe sich somit die Wirksamkeit der im Bürgschaftsvertrag enthaltenen Klauseln, insbesondere des Aufrechnungsverbots, deren Nichtigkeit der Beklagte mit Bezug auf § 6 KSchG eingewendet habe. Weiters folge aus der Qualifikation als Unternehmer die Nichtanwendbarkeit der Interzessionsvorschriften der §§ 25c und 25d KSchG, weshalb weder eine Aufklärungsobliegenheitsverletzung der Klägerin noch ein Mäßigungsrecht der Bürgenhaftung in Betracht kämen. Sämtliche aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen des Beklagten bestünden aufgrund des wirksam vereinbarten Aufrechnungsverbots nicht zu Recht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Klage abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Revision ist zur Klärung der Verbraucher- bzw Unternehmerstellung von geschäftsführenden GmbH Minderheitsgesellschaftern zulässig. Sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Beklagte macht geltend, er verfüge mit seinem (durchgerechneten) Anteil von 32,5 % in der Gesellschaft (RMS) über keine beherrschende Stellung. So habe er auch nicht seine Abberufung als Geschäftsführer verhindern können. Er habe kein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse an der Kreditaufnahme gehabt. Wenn mit den Kreditmitteln eine Forderung der FB an die RMS getilgt worden sei, handle es sich dabei um eine Erfüllungshandlung aus einem zweiseitigen Rechtsgeschäft und begründe kein Interesse des Beklagten als Mehrheitsgesellschafter der FB die nicht Kreditnehmerin gewesen sei im Verhältnis zur Klägerin als Kreditgeberin. Die Kreditnehmerin sei nicht das eigene Unternehmen des Beklagten, dafür fehle es ihm an der „Selbstständigkeit“ im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer. Er habe die Weisungen von Mitgesellschaftern befolgen müssen, zumal er weder über 50 % der Geschäftsanteile an der RMS, noch über eine gesellschaftsvertragliche Sperrminorität verfüge. Somit sei die Verbrauchereigenschaft des Beklagten bei Abschluss des Bürgschaftsvertrags zu bejahen. Dies führe zur Konsequenz, dass das im Bürgschaftsvertrag enthaltene Aufrechnungsverbot jedenfalls unwirksam sei. Im Übrigen hätte die Klägerin eine Überprüfung der Bonität der Kreditnehmerin vorzunehmen und den Beklagten diesbezüglich aufzuklären gehabt. Die eingegangene Bürgenhaftung wobei nicht festgestellt worden sei, dass sich der Beklagte als Bürge und Zahler verpflichtet habe stehe außer Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beklagten. Die Klausel Pkt 8 des Bürgschaftsformulars sei auch dann nichtig, wenn man den Beklagten als Unternehmer qualifiziere, weil ein unbestimmter genereller Einredenausschluss nach § 937 ABGB nichtig sei. Als Verfahrensmangel macht der Beklagte geltend, dass sich das Berufungsgericht nicht ausreichend mit seiner Beweisrüge auseinander gesetzt habe.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision des Beklagten zurück- bzw abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Senat hat erwogen:
1. Der Gesellschafter als Verbraucher:
1.1. Grundsätzlich ist ein Geschäftsführer, der eine persönliche Bürgschaft für Schulden der GmbH übernimmt, mangels eines eigenen Unternehmens als Verbraucher nach dem KSchG anzusehen (RIS-Justiz RS0065238). Dies gilt auch für einen Minderheitsgesellschafter, dessen Gesellschaftsbeteiligung eine bloße Finanzinvestition ist und der (daher) keinen relevanten Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausübt, zumal die bloße Anlage von Kapital noch nicht als unternehmerisches Handeln angesehen werden kann (RIS Justiz RS0121109).
1.2. In der Entscheidung 7 Ob 266/06b wurde mangels Geschäftsführungsbefugnis auch bezüglich des bürgenden Mehrheitsgesellschafters und Prokuristen der Kreditnehmerin die Unternehmereigenschaft verneint. Gerade die Geschäftsführungstätigkeit komme dem in § 1 Abs 2 KSchG genannten Merkmal des Unternehmerbegriffs (selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit) sehr nahe.
2. Der Gesellschafter als Unternehmer:
2.1. Nach der Rechtsprechung stellt die Kreditaufnahme eines geschäftsführenden Alleingesellschafters zu unternehmerischen Zwecken für ihn als Kreditnehmer kein Verbrauchergeschäft dar (RIS-Justiz RS0116313). Die Entscheidung 6 Ob 12/03p nahm dies im Zusammenhang mit Art 13 EuGVÜ auch für bürgende geschäftsführende Mitgesellschafter einer kreditnehmenden Gesellschaft an.
2.2. Der jüngst ergangenen Entscheidung 6 Ob 105/10z lag zugrunde, dass die Beklagten einem Franchisevertrag, der zwischen der Klägerin und der GmbH in Gründung abgeschlossen wurde, persönlich beigetreten waren. Beide Beklagten waren jeweils selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der GmbH, der Zweitbeklagte war 50%iger Gesellschafter dieser GmbH. Der Erstbeklagte war auch geschäftsführender Alleingesellschafter einer weiteren GmbH, die zu ebenfalls 50 % als Gesellschafterin an der in den Franchisevertrag eingebundenen GmbH beteiligt war. Der 6. Senat gelangte zum Ergebnis, dass beide Beklagten unter Berücksichtigung der Beteiligungsverhältnisse und der Geschäftsführungsbefugnis ein maßgebendes wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgten und jeweils für sich einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen und Handlungen der Franchisenehmerin ausüben konnten. Angesichts dessen seien sie in Wahrheit mit Alleingesellschaftern vergleichbar. Mangels Erreichbarkeit einer einfachen Mehrheit in der Gesellschafterversammlung komme die Erteilung einer Weisung durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht in Betracht, sodass im Ergebnis aus praktischer Sicht beiden Beklagten unternehmerische Alleinentscheidungsbefugnis zukomme. In der Entscheidung wurde unter Bezugnahme auf 6 Ob 12/03p auch die Meinung vertreten, dass § 1 KSchG ein einheitlicher Verbraucherbegriff zugrunde liege und eine unterschiedliche Auslegung desselben, je nachdem ob eine Bestimmung der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben diene oder nicht, nicht sachgerecht erscheine.
2.3. Die Entscheidung 1 Ob 99/10f erachtete den als Bürgen in Anspruch genommenen Minderheitsgesellschafter (25 %) und Alleingeschäftsführer der kreditnehmenden Gesellschaft als Unternehmer, weil seine Gattin 75 % der Geschäftsanteile nur aus steuerlichen Gründen halte und er wirtschaftlich betrachtet in Wahrheit alleine unternehmerisch tätig werde (siehe auch die Zusammenfassung der jüngeren Rechtsprechung und Lehre bei Schindler , Der GmbH-Gesellschafter als Verbraucher, Zak 2010, 423).
3. In der Lehre werden unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Kriterien vertreten, unter denen die Qualifikation als „wirtschaftlicher Unternehmer“ anzunehmen sei.
3.1. P. Bydlinski/Haas (ÖBA 2003, 11) gehen davon aus, dass wirtschaftliches Eigeninteresse und organschaftliche Handlungsbefugnis für das Unternehmen in einer Person zusammenfallen müssen, um die betreffende Person rechtlich als Unternehmer zu behandeln. Das bloße Halten von Geschäftsanteilen im Rahmen privater Vermögensverwaltung ohne jedes eigene aktive Tätigwerden im Geschäftsverkehr könne keine Unternehmereigenschaft begründen. Die Autoren schlagen vor, ein eigenes wirtschaftliches Interesse erst ab einer Kapitalbeteiligung von über 50 % zu bejahen.
3.2. Auch Huemer (JBl 2007, 240) verlangt eine Beteiligung von mehr als 50 % an der GmbH, um als Unternehmer eingestuft zu werden. Einem derartigen Gesellschafter komme aufgrund seiner Weisungsbefugnis jedenfalls ein relevanter Einfluss auf die Geschäftsführung zu, auch wenn er selbst nicht als Geschäftsführer bestellt sei.
3.3. Karollus (JBl 2002, 526) stellt ausschließlich auf die Gesellschafter- und nicht auf die Geschäftsführerstellung ab, weil jene eine Qualifikation als „wirtschaftlicher Eigentümer“ des Unternehmens zulasse. In Anlehnung an die Rechnungslegungsbestimmung des § 228 HGB idF vor dem HaRÄG (BGBl I 2005/120) schlägt Karollus vor, bei Minderheitsgesellschaftern als Untergrenze, ab der nicht mehr von einer „unternehmerischen“ Beteiligung gesprochen werden könne, einen Geschäftsanteil von 20 % anzusetzen.
3.4. Auch Heidinger (wbl 2007/199 [446 f]) vertritt die Auffassung, dass die Gesellschafterstellung (und nicht die Geschäftstätigkeit als solche) das entscheidende Moment sei. Als Untergrenze schlägt er in Anlehnung an § 5 Eigenkapitalersatz-Gesetz (EKEG) einen Geschäftsanteil von 25 % vor, ab der die Gesellschafter stets als Unternehmer behandelt werden sollten.
3.5. Harrer (wbl 2010, 605) hält die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die dazu führt, Gesellschafter-Geschäftsführer unter bestimmten Umständen als Unternehmer zu qualifizieren, für bedenklich. Er vertritt eine differenzierende Lösung, wonach zwar der Verbraucherstatus des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht zu bestreiten sei, jedoch einzelne Bestimmungen des KSchG aufgrund besonderer Umstände nicht heranzuziehen seien. So sei § 25c KSchG (Belehrung über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens) nicht auf GmbH-Geschäftsführer anzuwenden, weil sich diese gemäß § 25 GmbHG sowie aufgrund insolvenzrechtlicher und strafrechtlicher Vorgaben über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens kontinuierlich informieren müssten.
3.6. Auch Krejci/Haberer (in Zib/Dellinger , Großkomm UGB § 1 Rz 176) halten es für befremdlich, einem Gesellschafter-Geschäftsführer den Schutz der §§ 25b, 25c, und 25d KSchG zu gewähren, da der Gesellschafter-Geschäftsführer über die wirtschaftliche Lage „seiner“ Gesellschaft wohl selbst am besten informiert sein sollte und die Haftung als Bürge in aller Regel auch aus einem hinreichenden Eigeninteresse heraus übernehme (vgl auch Artmann/Herda (in Jabornegg/Artmann UGB 2 § 1 Rz 16), wonach es aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gerechtfertigt sein könne, dass bei wirtschaftlicher Identität zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter auf bestimmte Schutzvorschriften des KSchG verzichtet werde.
3.7. Schindler (aaO) entnimmt der bisherigen Rechtsprechung ein bewegliches System mit den Beurteilungskriterien Gesellschafterstellung, organschaftliche Handlungsbefugnis und tatsächlicher Einfluss (faktische Machtverhältnisse). Für die Qualifizierung als „wirtschaftlicher“ Unternehmer sei eine Beteiligung von zumindest 50 % notwendig, weil dann mangels Erreichbarkeit einer einfachen Mehrheit in der Gesellschafterversammlung keine Weisung an den Geschäftsführer erteilt werden könne. Ein beherrschender Einfluss sei auch dann zu bejahen, wenn die Beteiligung zwar geringer als 50 % sei, dem Gesellschafter-Geschäftsführer aber aufgrund des Gesellschaftsvertrags eine Sperrminorität zukomme (RIS Justiz RS0077386, RS0021243). Hinsichtlich der Handlungsbefugnis sei jene des Prokuristen ausreichend. Den tatsächlichen Machtverhältnissen könne im Vergleich zu den beiden anderen Elementen nur eine geringere Bedeutung beigemessen werden, weil diese für Dritte regelmäßig nicht erkennbar seien.
3.8. F. Schuhmacher (wbl 2012, 71) stellt auf die typisierte, der unternehmerischen Tätigkeit vergleichbare Position des Gesellschafters ab. Es komme wertungsmäßig auf die Handlungsfähigkeit nach außen über die Geschäftsführerstellung und auf die Beherrschung der GmbH an, die dazu führten, dass eine unternehmerische Stellung des Gesellschafters bejaht werden könne. Die maßgebliche Zurechnung der unternehmerischen Tätigkeit der GmbH setze daher die Geschäftsführerstellung und den beherrschenden Einfluss in der GmbH voraus. In diesem Fall sei die Anwendung konsumentenschutzrechtlicher Bestimmungen zu verneinen.
4.1. Der Senat hält es für die Unternehmerqualifikation eines (hier geschäftsführenden) GmbH-Gesellschafters für erforderlich, dass dieser die Mehrheit der Geschäftsanteile oder zumindest 50 % hievon (vgl 6 Ob 105/10z) hält. Eine geringere Beteiligung (ohne gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität) verschafft dem Gesellschafter typischerweise keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung. Die Ansätze Karollus' und Heidingers , Gesellschafter schon bei einem Geschäftsanteil von 20 bzw 25 % als Unternehmer im Sinne des KSchG zu qualifizieren, vermögen nicht zu überzeugen. Weder die Rechnungslegungsbestimmung des § 228 UGB noch § 5 EKEG sind ausreichend einschlägig.
4.2. Für das Vorliegen einer Unternehmerstellung verlangt § 1 Abs 2 KSchG eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit. Ob dafür auch die Geschäftsführer Stellung erforderlich ist, kann hier dahingestellt bleiben.
5. Die Anwendung der obigen Grundsätze führen im vorliegenden Fall dazu, den Beklagten als Verbraucher im Sinn des KSchG zu qualifizieren. Er erreicht weder mit seiner (durchgerechneten) Anteilsquote von 32,5 % noch mit seinen gesellschaftsvertraglichen Einflussmöglichkeiten einen beherrschenden Einfluss in der kreditnehmenden Gesellschaft (RMS).
6. Diese Qualifikation hat zur Folge, dass auf den gegenständlichen Bürgschaftsvertrag die Normen des KSchG anzuwenden sind.
6.1. Gemäß § 25c KSchG hat der Gläubiger den Bürgen davor zu warnen, wenn der Hauptschuldner die Verbindlichkeit erkennbar nicht oder nicht vollständig erfüllen kann. Der Kreditgeber ist allerdings dann nicht zur Aufklärung verpflichtet, wenn der Interzedent derart konkret und vollständig informiert ist, dass er nicht mehr gewarnt werden muss ( Kathrein in KBB 3 § 25c KSchG Rz 5 mwN). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Gläubiger die wirtschaftliche Notlage des Schuldners kannte oder kennen musste, trifft den Interzedenten ( Kathrein aaO Rz 7 mwN).
Der Beklagte hat den Beweis nicht erbracht (und diesbezüglich auch kein konkretes Beweismittel angeboten), dass die Hauptschuldnerin (RMS) zum Zeitpunkt seiner Gutstehungserklärung (vgl Mayrhofer in Klang 3 § 25c KSchG Rz 2) in einer wirtschaftlichen Notlage gewesen sei und die Klägerin dies erkannt hat oder erkennen hätte müssen. Die Vorinstanzen konnten den Aspekt der Aufklärungspflicht daher schon aus diesem Grund außer Betracht lassen.
Die ausdrückliche Feststellung der Verpflichtung des Beklagten als Bürge und Zahler erübrigte sich mangels substanziierter Bestreitung durch den Beklagten. Aufgrund der Haftung des Beklagten als Bürge und Zahler bedurfte es keiner Vorausmahnung der Hauptschuldnerin.
6.2. Gemäß § 25d Abs 1 KSchG kann der Richter die Verbindlichkeit eines Interzedenten insoweit mäßigen oder auch ganz erlassen, als sie in einem unter Berücksichtigung aller Umstände unbilligen Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit des Interzedenten steht, sofern die Tatsache, dass der Verbraucher bloß Interzedent ist, und die Umstände, die dieses Missverhältnis begründet oder herbeigeführt haben, bei Begründung der Verbindlichkeit für den Gläubiger erkennbar waren.
Das Erstgericht führte dazu aus, dass dem Beklagten auch bei Anwendbarkeit des KSchG nicht der Beweis gelungen wäre, dass seine Bürgschaftserklärung in seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Deckung gefunden hätte. Das Berufungsgericht hat sich aufgrund seiner Rechtsansicht, wonach dem Beklagten Unternehmerstellung zukomme, nicht mit dem auf dieses Thema bezogene Berufungsvorbringen auseinandergesetzt.
6.3. Gemäß § 6 Abs 1 Z 8 KSchG sind Vertragsklauseln, welche die Aufrechnung ausschließen, für den Verbraucher nicht verbindlich.
Der Einredeausschluss gemäß Punkt 8. des gegenständlichen Bürgschaftsvertrags ist daher unwirksam. Das Erstgericht hat sich dennoch mit den Gegenforderungen des Beklagten auseinander gesetzt und diese als nicht zu Recht bestehend beurteilt. Das Berufungsgericht ist (auf Grundlage seiner Rechtsansicht folgerichtig) auch auf das diesbezügliche Berufungsvorbringen des Beklagten nicht eingegangen.
7. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Rechtssache noch nicht spruchreif ist. Das Berufungsgericht wird sich daher im fortgesetzten Berufungsverfahren mit den oben aufgezeigten Berufungspunkten auseinanderzusetzen haben.
In Stattgebung der Revision ist das angefochtene Urteil somit aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung des Beklagten zurückzuverweisen.
8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.