zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 07.08.2008, 6Ob150/08i

OGH vom 07.08.2008, 6Ob150/08i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der G***** GmbH mit dem Sitz in *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Gesellschafters und Geschäftsführers Gottfriedt W*****, vertreten durch Hopmeier & Wagner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 78/08g-48, womit der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 48 Fr 362/08p-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 15 Abs 1 FBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat zwei Gesellschafter. Der Gesellschaftsvertrag lautet - soweit im vorliegenden Fall von Belang - wie folgt:

„IX. Geschäftsanteile

1.) Die Geschäftsanteile bestimmen sich nach der Höhe der übernommenen Stammeinlage.

2.) Jedem Gesellschafter steht nur ein Geschäftsanteil zu.

3.) Die Geschäftsanteile sind übertragbar, teilbar und vererblich.

4.) Die Gesellschafter räumen sich für jeden Fall der Abtretung von Geschäftsanteilen oder Teilen hievon durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden an Nichtgesellschafter das Aufgriffsrecht zu Gunsten der verbleibenden Gesellschafter im Verhältnis ihrer übernommenen Stammeinlagen, oder nach einem sonst unter ihnen vereinbarten Verhältnis ein.

Macht ein Gesellschafter von diesem ihm zustehenden Aufgriffsrecht keinen Gebrauch, so wächst dieses Recht verhältnismäßig oder nach einem zu vereinbarenden Verhältnis den anderen Gesellschaftern zu.

Besteht die Gesellschaft im gegebenen Zeitpunkt nur aus zwei Gesellschaftern und beabsichtigt einer von ihnen, seinen Geschäftsanteil oder Teile hievon abzutreten, so kommt das Aufgriffsrecht dem anderen Gesellschafter zur Gänze zu.

...

6.) Wird zwischen dem abtretenden Gesellschafter und dem aufgreifenden Gesellschafter keine Einigung über die Gegenleistung erzielt, so ist als Abtretungspreis der Buchwert heranzuziehen, der dem Abtretungszeitpunkt des zuletzt vorangegangenen Jahresbilanzstichtages entspricht. Unter Buchwert wird die Stammeinlage plus/minus Ergebnisvorträge (Gewinn-, Verlustvortrag) plus offene versteuerte Rücklagen plus 50 % (fünfzig Prozent) von unversteuerten Rücklagen verstanden. Firmenwert, Kundenstock wie auch stille Reserven bleiben unberücksichtigt.

...

XII.

Verpfändung und Pfändung, Insolvenzverfahren

1.) Für die Verpfändung des Geschäftsanteiles benötigt der jeweilige Gesellschafter die Zustimmung sämtlicher übriger Gesellschafter.

2.) a) Im Falle der exekutiven Pfändung bzw. der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Vor-, Ausgleichs- oder Konkursverfahren) über das Vermögen eines Gesellschafters scheidet dieser sofort aus der Gesellschaft aus. Sein Geschäftsanteil wächst den übrigen Gesellschaftern anteilsmäßig zu.

b) Der Abtretungs- bzw. Übernahmsbetrag richtet sich gemäß Punkt X [gemeint: IX] 6.) und 7.) des Vertrages."

Der Revisionsrekurswerber ist Gesellschafter und Geschäftsführer; er hat gegen die (Mehrheits-)Mitgesellschafterin Exekution geführt; diese wurde auch bewilligt, in der Folge aber - über Antrag bzw mit Zustimmung des Revisionsrekurswerbers - nach § 39 Abs 1 Z 6 EO eingestellt. Die Ordnungsgemäßheit der Zustellung der Exekutionsbewilligung an die Mitgesellschafterin ist strittig.

Gestützt auf die seinerzeitige Bewilligung der Exekution beantragte der Revisionsrekurswerber die Löschung der Mitgesellschafterin und die Eintragung der Erhöhung seiner Stammeinlage auf 500.000 ATS. Nach Art XII Abs 2 lit a des Gesellschaftsvertrags sei der Anteil der Mitgesellschafterin ipso iure auf ihn übergegangen.

Die Rechtspflegerin beim Erstgericht bewilligte diesen Antrag. Einem dagegen von der Mitgesellschafterin erhobenen Rekurs gab der Firmenbuchrichter selbst statt, stellte den ursprünglichen Firmenbuchstand wieder her und wies den Löschungsantrag des Revisionsrekurswerbers zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Auch bei vereinfachten Anmeldungen habe das Firmenbuchgericht eingeschränkt materiell zu prüfen, ob der Vorgang nach den gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen wirksam und zulässig ist. Dies sei im vorliegenden Fall zu verneinen. Eine statutarische Anwachsungsklausel (dazu Hager-Rosenkranz, Beschränkungen der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in der Exekution, wbl 2006, 253 [254, 255]) sei unzulässig. In Hinblick auf § 76 GmbHG werde eine Vereinbarung, dass der Geschäftsanteil mit Eintritt eines bestimmten Ereignisses, insbesondere Todes eines Gesellschafters, ohne weiteres einem oder mehreren anderen Gesellschaftern zufalle, als unzulässig und wirkungslos angesehen (5 Ob 110/99h ua). Eine Einziehung von Geschäftsanteilen sei nach österreichischem Recht - im Gegensatz zu § 34 dGmbHG - unzulässig. Auch als Ausschlussklausel sei die gegenständliche Bestimmung des Gesellschaftsvertrags unwirksam, weil das Recht eines jeden Gesellschafters, die Wirksamkeit des Ausschlusses gerichtlich, allenfalls schiedsgerichtlich abklären zu lassen, keinesfalls beschränkt werden könne (Jabornegg in Jabornegg, HGB § 140 Rz 51; Koppensteiner/Rüffler, Anh GmbHG3 § 71 Rz 22). Im Übrigen sei die Exekution noch nicht bewirkt, weil die Zustellung des Verfügungsverbots an die Mitgesellschafterin nicht nachgewiesen sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil sich das Rekursgericht in allen erheblichen Rechtsfragen auf eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stützen habe können.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

1. Nach ständiger Rechtsprechung (2 Ob 593/90 = ecolex 1990, 756 [zustimmend Reich-Rohrwig]; 10 Ob 34/97s; 5 Ob 110/99h; RIS-Justiz RS0007884) und überwiegender Lehre (W. Arnold, Gebührenrechtliche Fragen zur Abtretung von Geschäftsanteilen einer Gesellschaft mbH nach dem AbgÄG 1989, NZ 1990, 105; Wolf, Unternehmensnachfolge aus gesellschaftsrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht [2002] 25; Ch. Nowotny/Schwarzinger in Bertl/Mandl/Ruppe, Unternehmensnachfolge 122; Schauer, GesRZ Spezial 2006, 35 ff; Kalss in Kalss/Schauer, Unternehmensnachfolge, 76 f, 81; Umfahrer, GmbHG6 Rz 721) ist es bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung - anders als bei Personengesellschaften des Handelsrechts - nicht möglich zu vereinbaren, dass der Anteil eines Gesellschafters dem anderen ohne weiteres zuwächst. Wenngleich sich diese Entscheidungen auf den Fall des Todes eines Gesellschafters beziehen, ist doch ein Grund für eine abweichende Behandlung in anderen Fällen nicht ersichtlich. Auch der überwiegende Teil der zitierten Literatur schränkt die Unzulässigkeit der Vereinbarung eines ipso iure-Übergangs eines Gesellschaftsanteils nicht auf den Fall des Todes eines Gesellschafters ein.

2.1. Für die Differenzierung gegenüber den Personengesellschaften spricht zunächst, dass im GmbH-Gesetz ein Äquivalent zum früheren Art 7 Nr 15 4. EVHGB fehlt. Entgegen Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 76 Rz 14 kann die Zulässigkeit des ipso iure-Übergangs des Geschäftsanteils bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht lediglich damit begründet werden, dass für eine abweichende Behandlung kein Grund ersichtlich sei. Der tiefere dogmatische Grund für die seinerzeitige Regelung des Art 7 Nr 15 4. EVHGB war die gesamthänderische Ausgestaltung der OHG. Die gesamthänderische Mitberechtigung bezüglich der Gegenstände des Gesellschaftsvermögens folgte aus der Gesellschafterposition. Endete diese, so fiel damit notwendigerweise auch die Berechtigung weg; als neue Zuordnungssubjekte kamen nur die verbleibenden Gesellschafter in Betracht (Koppensteiner in Straube, HGB3 Art 7 Nr 15, 16 Rz 4).

2.2. Dazu kommt, dass die Übertragung des Gesellschaftsanteils bei Personengesellschaften wesentlich einfacher ist (dazu Koppensteiner in Straube, HGB3 § 124 Rz 16 mwN) als bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Nach § 76 Abs 2 GmbHG bedarf die Übertragung von Geschäftsanteilen unter Lebenden eines Notariatsakts. Der rechtspolitische Grund dieses Formerfordernisses liegt einerseits in der Immobilisierung der Geschäftsanteile, allenfalls auch im Schutz vor Übereilung (SZ 62/28), aber auch in der Klarstellungsfunktion. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Identität der jeweiligen Gesellschafter sicher festgestellt werden kann (GesRZ 2007, 131 [Koppensteiner] = RWZ 2007, 68 [Wenger]; RdW 2005, 357; JBl 2004, 583; GesRZ 2003, 348; WBl 2003, 140; RdW 2001, 284; SZ 72/149; ecolex 1992, 634; NZ 1990, 279; JBl 1990, 715; Kostner/Umfahrer, GmbHG5 Rz 697; P. Bydlinski, Veräußerung und Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen, 34 ff; P. Bydlinski, NZ 1986, 242 f; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 76 Rz 16).

2.3. Ein derartiges Klarstellungsinteresse besteht aber auch dann, wenn die Satzung die Voraussetzungen des Übergangs des Gesellschaftsanteils regelt. Auch in derartigen Fällen können durchaus Zweifelsfragen auftauchen. So kann fraglich sein, ob überhaupt die Voraussetzungen für einen in der Satzung vorgesehenen ipso iure-Übergang des Geschäftsanteils erfüllt sind. Dies kann von strittigen Tatfragen abhängen, etwa dann, wenn der Übergang des Geschäftsanteils erst dann zum Tragen kommt, wenn alle oder einzelne Gesellschafter den Erwerb des Geschäftsanteils ablehnen, sodass unklar ist, wem in welchem Verhältnis Anteile anwachsen sollen, aber auch von Rechtsfragen, etwa im vorliegenden Fall von der Beantwortung der Frage, ob die nach der Satzung zum ipso iure-Übergang des Geschäftsanteils führende Voraussetzung, dass gegen einen Gesellschafter ein Exekutionsverfahren eingeleitet wurde, auch dann erfüllt ist, wenn die Exekution zwar bewilligt, in der Folge aber über Antrag des betreibenden Gläubigers wieder eingestellt wurde und damit die - Grund für den vorgesehenen Rechtsübergang bildende - Anordnung staatlicher Zwangsgewalt wieder zurückgenommen wurde (Jakusch in Angst, EO2 § 39 Rz 5).

3. Von der herrschenden Auffassung abzugehen, besteht daher kein Anlass. Weil sich die Entscheidung des Rekursgerichts bereits aus diesem Grund als zutreffend erweist, bedurfte es keines Eingehens auf die Frage, inwieweit § 76 Abs 4 GmbHG zwingend ist oder inwieweit auch hier im Gesellschaftsvertrag ein Aufgriffsrecht vorgesehen werden kann (dazu Koppensteiner/Rüffler GmbHG3 § 76 Rz 32). Die Ausschaltung bloß einzelner vom Rechtsmittelwerber als unzutreffend angesehener Abweisungsgründe vermag nämlich die Anrufung des Obersten Gerichtshofs nicht zu begründen (vgl für das Grundbuchsverfahren 5 Ob 91/93, 5 Ob 127/95). Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach einhelliger Auffassung eine derartige Regelung im Gesellschaftsvertrag wegen Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig sein kann (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 76 Rz 10; Hager-Rosenkranz, wbl 2006, 256), was insbesondere dann naheliegt, wenn der für den Fall des Konkurses oder der Zwangsvollstreckung vorgesehene Preis sich von demjenigen in vergleichbaren Fällen unterscheidet (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 76 Rz 10; zum Konkurs vgl 6 Ob 142/05h).

4. Zusammenfassend bringt der Revisionsrekurswerber somit keine Rechtsfragen der im § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass der außerordentliche Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.