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OGH vom 20.12.2005, 1Ob236/05w

OGH vom 20.12.2005, 1Ob236/05w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Abstammungssache der mj. Emma P*****, geboren am *****, auf Grund des Antrags auf Feststellung der unehelichen Vaterschaft des Mag. Klaus Hans S*****, vertreten durch Dr. Christine Kolbitsch, Dr. Heinrich Vana, Dr. Charlotte Böhm und Mag. Marina Breitenecker, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner

1) Elisabeth P*****, und 2) Dipl. Phys. Armin P*****, beide vertreten durch Mag. Johannes Bügler, Rechtsanwalt in Wien, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 220/05z-18, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 13 Fam 2/05t-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aus Anlass des Revisionsrekurses als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller begehrte am (Einlangen), „das Gericht möge gemäß § 163 Abs 1 ABGB feststellen, dass die mj. Emma ..., geboren , vom Antragsteller ... " abstamme. Er brachte vor, die Erstantragsgegnerin sei mit dem Zweitantragsgegner im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet gewesen. Sie habe ihn im Juli 2000 informiert, dass er der leibliche Vater Emmas sei. Um Sicherheit über seine biologische Vaterschaft zu gewinnen, habe er sich mit Zustimmung der Erstantragsgegnerin einem „DNA-Vaterschaftstest" unterzogen. Nach dessen Ergebnis sei er mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von 99,9 % der leibliche Vater des Kindes. Er habe ab Juli 2000 - im Einverständnis mit der Erstantragsgegnerin - regelmäßig einmal wöchentlich Kontakt mit seiner Tochter gehabt. Deshalb habe sich zwischen ihm als leiblichem Vater und dem Kind „eine emotionale Bindung entwickelt, die als sehr gut und innig beschrieben werden" könne. Er habe der Erstantragsgegnerin seine Absicht, Emma seine leibliche Vaterschaft zu eröffnen, mehrmals angekündigt und das Kind im August 2004 entsprechend informiert. Seither verwehre ihm die Erstantragsgegnerin jeden Kontakt mit Emma. Bereits am habe er seine - durch die Bezirkshauptmannschaft Mödling beurkundete - Vaterschaft anerkannt und bei Gericht die Einräumung eines Besuchsrechts beantragt. Die Erstantragsgegnerin habe sich indes geweigert, ihn - entsprechend § 163e Abs 2 ABGB - als Vater zu bezeichnen. Sein Anerkenntnis sei somit „gemäß § 164 Abs 1 Z 2 ABGB trotz Widerspruchs der Kindesmutter nicht für rechtunwirksam zu erklären". Die Antragsgegner - den Einwendungen der Erstantragsgegnerin schloss sich der Zweitantragsgegner nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom offenkundig an - begehrten die Abweisung des Feststellungsantrags. Sie brachten vor, dass der vom Antragsteller behauptete „DNA-Vaterschaftstest" existiere. Jener habe mit Emma zunächst - mit Einwilligung der Erstantragsgegnerin - „spärliche Kontakte" gehabt. „Die einzige Vaterfigur" für das Kind sei jedoch der Zweitantragsgegner, der Antragsteller sei „maximal Nebendarsteller". Es habe deshalb keine Notwendigkeit dafür bestanden, dass der Antragsteller das Kind über seine "vielleicht" bestehende leibliche Vaterschaft aufkläre. Dessen Besuche bei der Familie der Erstantragsgegnerin „bis Ostern 2003" hätten nicht Emma, sondern deren Mutter gegolten, weil die Erstantragsgegnerin mit dem Antragsteller „eine länger dauernde außereheliche Affäre" gehabt habe. Der Antragsteller habe damals zum Freundeskreis der „gesamten Familie" - auch zum Freundeskreis des Zweitantragsgegners - gehört. Unrichtig sei, dass die Erstantragsgegnerin dem Kind den Vaterkontakt verwehre, könne es doch seinen ehelichen Vater, den Zweitantragsgegner, „jeden Tag und so intensiv" wie es dies wünsche „sehen". Die Erstantragsgegnerin werde den Antragsteller auch künftig nicht als Vater bezeichnen. Sie bezeichne vielmehr den Zweitantragsgegner als Vater. Der Antragsteller versuche bloß „massiv", sich in das Familienleben der Antragsgegner „einzumischen" und dieses - im Fall eines Antragserfolgs - „massiv" zu stören, „wenn nicht vollkommen" zu zerstören. Die Erstantragsgegnerin sei nicht damit einverstanden gewesen, dass der Antragsteller Emma eröffne, er sei „unter Umständen ihr Vater". Diese Mitteilung bilde eine „besondere Einmischung" in das Familienleben der Antragsgegner. Weil der Antragsteller versucht habe, sich in die Familie "zu drängen", habe die Erstantragsgegnerin „den Kontakt zwischen der mj. Emma und dem Antragsteller unterbunden". Der Schutz der Interessen der sozialen Familie gehe nach dem Gesetz den „Interessen des Anerkennenden" vor. Das Begehren müsse bereits deshalb scheitern, weil die Erstantragsgegnerin den Antragsteller nicht als Vater des Kindes bezeichnet habe.

Das Erstgericht wies den Feststellungsantrag, ohne für eine Verfahrensbeteiligung des Kindes gesorgt zu haben, zurück. Es stellte bloß fest, dass der Antragsteller am - somit nicht erst am (entsprechend den Antragsbehauptungen) - ein von der Bezirkshauptmannschaft Mödling beurkundetes Vaterschaftsanerkenntnis erklärt, ihn jedoch die Erstantragstellerin nicht als Vater bezeichnet hatte. In rechtlicher Hinsicht führte es im Wesentlichen aus, das Erfordernis der Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter gemäß § 163e Abs 2 ABGB sei bereits im KindRÄG 2001 normiert und vom FamErbRÄG 2004 beibehalten worden. Es könne deshalb an sich dahingestellt bleiben, ob der Anlassfall bereits nach der Rechtslage auf Grund des FamErbRÄG 2004 zu lösen sei. Der Antrag sei ausdrücklich auf § 163 Abs 1 ABGB gestützt worden, während Art IV § 6 Abs 2 FamErbRÄG 2004 nur auf § 163e ABGB verweise. Wegen der Beurkundung des Anerkenntnisses der Vaterschaft durch den Antragsteller am sei allerdings noch die alte Rechtslage anzuwenden. Da es an einer Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter mangle, sei der Feststellungswerber für den begehrten Ausspruch nicht aktiv legitimiert. Sein Antrag sei daher „zurückzuweisen".

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es erörterte die Entwicklung des Kindschaftsrechts seit dem KindRÄG 2001 und gelangte - offenkundig auf Grund des seit dem FamErbRÄG 2004 geltenden Rechts - zum Ergebnis, der Gesetzgeber habe die Frage danach, „ob der wahre Vater die Feststellung begehren könne, sein Kind stamme nicht vom Ehemann der Mutter ab", durch die in § 163e Abs 2 ABGB getroffene Bestimmung geregelt. Ein Mann, der seine biologische Vaterschaft behaupte, entbehre eines Antragsrechts gemäß § 163b ABGB. Diese Regelung bezwecke, „dass sich dem Kind, das bereits einen Vater im Rechtssinn" habe, nicht „der biologische Vater um jeden Preis" aufdränge. Der Gesetzgeber bekenne sich daher „insofern zum Schutz der sozialen Familie, wo eine solche tatsächlich gelebt" werde. Mangels eines Antragsrechts des Feststellungswerbers habe das Erstgericht dessen Begehren zu Recht zurückgewiesen. Die Entscheidung hänge von der Lösung einer erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG ab, weil es zur „Antragslegitimation des behaupteten biologischen Vaters" an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangle.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Revisionsrekurses ist eine Nichtigkeit als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG wahrzunehmen.

1. Nach dem Datum der Antragstellung ist gemäß § 199 AußStrG BGBl I 2003/111 bereits das neue Verfahrensrecht anzuwenden. Materiell-rechtlich ist gemäß Art IV § 6 Abs 2 FamErbRÄG 2004 BGBl I 2004/58 nicht mehr die Rechtslage in der Fassung des KindRÄG 2001 BGBl I 2001/135 maßgebend. Die Wirksamkeit eines Anerkenntnisses nach § 163e ABGB ist vielmehr nach dem gemäß Art IV § 1 FamErbRÄG 2004 seit dem geltenden Recht zu beurteilen, ist doch die Urkunde über die Bezeichnung des Anerkennenden als Vater dem Standesbeamten zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des FamErbRÄG 2004 im Anlassfall noch nicht zugekommen.

2. Parteien im Abstammungsverfahren sind gemäß § 82 Abs 2 AußStrG jedenfalls das Kind, die Person, deren Elternschaft durch das Verfahren begründet, beseitigt oder wieder begründet werden kann, und der andere Elternteil, sofern er einsichts- und urteilsfähig sowie am Leben ist.

2. 1. Nach der Verfahrenseinleitung waren lediglich der Antragsteller und die Erstantragsgegnerin verfahrensbeteiligt. Deren bevollmächtigter Rechtsanwalt erklärte jedoch in der mündlichen Verhandlung vom , auch "den gesetzlichen Vater ... zu vertreten". Dieser hat an der Verhandlung überdies persönlich teilgenommen. Vorgetragen wurden die mit Schriftsatz erstatteten Einwendungen der Erstantragsgegnerin, denen sich der Zweitantragsgegner offenkundig angeschlossen hatte. Das Kind, das bei der ein Vaterschaftsanerkenntnis nach § 163e Abs 2 ABGB betreffenden Zustimmung gemäß § 163e Abs 4 ABGB durch den Jugendwohlfahrtsträger gesetzlich vertreten wird, wurde dem Verfahren dagegen nicht beigezogen.

2. 2. Mangels Verfahrensbeteiligung des Kindes haftet den Entscheidungen und dem Verfahren der Vorinstanzen eine Nichtigkeit gemäß § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 2 AußStrG an. Diese im Rechtsmittel nicht geltend gemachte Nichtigkeit ist im Revisionsrekursverfahren - analog § 55 Abs 3 AußStrG - von Amts wegen wahrzunehmen, es sei denn, es ließe sich der angefochtene Beschluss bestätigen, ohne dass dadurch in die Rechte des Antragstellers oder des bisher unvertretenen Kindes eingegriffen würde (vgl insofern allgemein 5 Ob 174/05g).

2. 3. Im fortgesetzten Verfahren wird der Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlicher Vertreter des Kindes zu beurteilen haben, ob dem Vaterschaftsanerkenntnis des Antragstellers gemäß § 163e Abs 2 ABGB zuzustimmen sein werde oder dem Feststellungsantrag entgegenzutreten sei. Es kann im Übrigen nach der derzeitigen Verfahrenslage nicht unterstellt werden, dass eine allfällige Zustimmung namens des Kindes in dessen wohlverstandenem Interesse jedenfalls ohne Einfluss auf die Willensbildung der Erstantragstellerin bleiben und diese den Antragsteller selbst dann nicht gemäß § 163e Abs 2 ABGB als Vater bezeichnen und sich weiterhin gegen dessen Feststellungsantrag zur Wehr setzen werde, wenn eine solche Erklärung dem Kindeswohl förderlich wäre. Somit ist aber die unter 2. 2. erörterte Voraussetzung für eine Bestätigung des angefochtenen Beschlusses trotz des verwirklichten Nichtigkeitsgrunds nicht erfüllt. Einer Nichtigerklärung von Ergebnissen der Verhandlung vom bedurfte es nicht, weil über den Feststellungsantrag unter Beiziehung des Kindes ohnehin neuerlich mündlich zu verhandeln sein wird. 2. 4. Sollten die für die Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses des Antragstellers nach § 163e Abs 2 ABGB erforderlichen Erklärungen im Zuge des fortgesetzten Verfahrens abgegeben werden, so wäre dem Feststellungsantrag der Boden entzogen, wirkte doch das Vaterschaftsanerkenntnis gemäß § 163e Abs 2 letzter Satz ABGB bereits ab dem Zeitpunkt seiner Erklärung, sofern die darüber sowie die über die Zustimmung des Kindes und über die - hier gebotene - Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter errichteten Urkunden oder ihre öffentlich-beglaubigten Abschriften dem Standesbeamten zugekommen sind. Der Zweitantragsteller wäre dann auf das Widerspruchsrecht gemäß § 163e Abs 3 ABGB verwiesen. 2. 5. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren nach der Beteiligung des Kindes indes herausstellen, dass die für die Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses des Antragstellers gemäß § 163e Abs 2 ABGB normierten Voraussetzungen nicht eintreten werden, weil dem Feststellungsantrag sowohl das Kind als (weiterhin) auch die Mutter entgegentreten, so könnte die Verfassungskonformität des einfachgesetzlichen Ausschlusses des biologischen Vaters von der Feststellung seiner Vaterschaft nach einem formgerecht erklärten Anerkenntnis bei Eingreifen des wegen des Ehelichkeitsstatus des Kindes relevanten Tatbestands des § 163e Abs 2 ABGB - vor dem Hintergrund der im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom (= VfSlg 16.928) entwickelten Leitlinien - zweifelhaft sein. Um allerdings diese Frage abschließend beurteilen zu können, wären im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber zu treffen, ob der Antragsteller der biologische Vater Emmas ist, ob er entsprechend seinen Behauptungen tatsächlich über Jahre hinweg eine - nach ihrer Intensität zu klärende - gelebte persönliche (väterliche) Beziehung zu Emma aufbauen konnte, und ob die Antragsgegner die Fortführung dieses Verhältnisses abrupt unterbanden. Von solchen Tatsachen würde es abhängen, ob die allfällige Unterbindung jedes weiteren persönlichen Kontakts des Antragstellers mit Emma einen Eingriff in dessen familiäre Beziehungen bilden und der Ausschluss von der Feststellung seiner Vaterschaft Zweifel an der Verfassungskonformität der erörterten einfachgesetzlichen Rechtslage nahelegen kann. 2. 6. Sollte der Feststellungsantrag im zweiten Rechtsgang in erster Instanz allein deshalb neuerlich zurückgewiesen werden, weil das Erstgericht gemäß Art 89 Abs 2 B-VG nicht kompetent ist, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, so könnten die bereits erörterten Gesichtspunkte - je nach den maßgebenden Tatsachen - im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens des zweiten Rechtsgangs ein Gesetzesprüfungsverfahren veranlassen.