OGH vom 15.12.2010, 4Ob176/10a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG (vormals C***** Aktiengesellschaft), *****, vertreten durch Grohs Hofer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Revisionsverfahren 13.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 11/10g 14, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 22 Cg 24/09m 7, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Beklagte bewarb in einer Informationsbroschüre ein „Asien Währungszertifikat mit 100 % Kapitalgarantie“, das von L***** B***** T***** Co B.V. emittiert und von deren „Großmuttergesellschaft“ L***** B***** H***** Inc. garantiert wurde. Das beworbene Anlageprodukt war ein strukturiertes anleihenähnliches Instrument, das Anlegern die Möglichkeit bieten sollte, an der potentiellen Aufwertung ausgewählter südostasiatischer Währungen zu partizipieren. Die Werbebroschüre enthält keinerlei Hinweis, wer die Kapitalgarantie gibt. Unter „Eckdaten“ wird lediglich die Emittentin genannt und auf deren Rating verwiesen (A1/A+/A+). Die Wertpapierart wird mit „Zertifikat mit Kapitalgarantie“ genannt, die Laufzeit datumsmäßig angegeben, der Emissionskurs (100 % zuzüglich 5 % Agio) genannt. Darüber hinaus wird der Basiswert (asiatischer Währungskorb), die Partizipation (200 %) und die Stückelung (1.000 EUR) und der Ort der Börsennotiz (Luxemburg, Frankfurt) ausgewiesen.
Das Anlageprodukt wurde vorwiegend über in und ausländische Kooperationspartner der Beklagten vertrieben. Darüber hinaus beriet die Beklagte auch eigene Kunden und warb bis zum Ende der Zeichnungsfrist mit der Broschüre für dieses Produkt. Derartige Produkte werden im Regelfall von den Zeichnern über die gesamte Laufzeit gehalten. Es gibt nur einen kleinen Sekundärmarkt, der über die Emittentin, die niederländische Tochter von L***** B***** abgewickelt wurde.
Aufgabe der Beklagten in Kooperation mit der Emittentin war, ihren Vertriebspartnern Kapitalmarktprospekte zur Verfügung zu stellen und darüber hinaus die Marketingbroschüre zu erstellen, die die wesentlichen Produkteigenschaften darlegte und auf die weiteren Ausführungen im Kapitalmarktprospekt verwies.
In der Werbebroschüre wird unter der Überschrift „Asiens Währungen vor dem Durchbruch“ auf die Kursentwicklung der für das beworbene Zertifikat maßgeblichen asiatischen Währungen eingegangen (China, Indien, Malaysia, Indonesien und Philippinen). Es wird auf die wachsende Bedeutung Süd und Ostasiens für die Weltwirtschaft, die hohen Exportüberschüsse, die boomende Binnenkonjunktur, die großen Währungsreserven (insbesondere Chinas) sowie den politischen Aufwertungsdruck verwiesen. Weiters werden die Wachstumsraten im Vergleich zum Euro Raum auch grafisch dargelegt und argumentiert, warum mit einer Aufwertung der genannten asiatischen Währungen zu rechnen sei.
Unter der Überschrift „enormes Potential und 100%ige Sicherheit“ wird das Finanzprodukt konkret beschrieben: So wird erläutert, dass der Anleger während der Laufzeit des Papiers im Ausmaß von 200 % an der Aufwertung des Währungskorbs profitiert, es wird auf die 100%ige Kapitalgarantie verwiesen, auf die 4 jährige Laufzeit und auf die Partnerschaft mit L***** B*****, „einem der weltweit führenden Anbieter für strukturierte Währungsprodukte mit spezieller Expertise für den asiatischen Raum“.
Die „100 % Kapitalgarantie“ wird dahin erläutert, dass es trotz des hohen Ertragspotentials für den Anleger kein Verlustrisiko gebe, weil eine Garantie für das gesamte eingesetzte Kapital vorhanden sei. Auch wenn der Währungskorb abgewertet werden sollte, erhalte der Anleger den vollen Kapitaleinsatz zurück.
Unter der Zwischenüberschrift „Große Chancen, kein Risiko“ werden die Vorteile des Produkts unter Hinweis auf 13,38 % p.a. historische Rendite auf Basis einer Rückrechnung für alle vier Jahresperioden von 1992 bis 2006 mit den Schlagworten: „Basket der attraktivsten asiatischen Währungen“, „100 % Kapitalgarantie“, „hohe Performancepartizipation“, „kurze Laufzeit“ und „Referenzwährung Euro“ zusammengefasst. Daneben werden die bereits zitierten Eckdaten ausgewiesen.
Bei strukturierten Produkten wie dem gegenständlichen, sind häufig Emittent und Garantiegeber in Personalunion vereint. Oft fallen sie zwar auch auseinander, in diesen Fällen ist der Garant aber - wie auch hier meist eine Konzerngesellschaft. Auch für den Fall, dass keine separate Garantie abgegeben worden wäre, hätte der Anleger unter der Prämisse, dass der Emittent solvent ist, keinen Verlust erwirtschaften können.
Dass L***** B***** H***** Inc. als Garantin fungierte, ist aus der Informationsbroschüre nicht ersichtlich. Genannt wird die Garantin lediglich in den Emissionsbedingungen, auf die am Ende der Broschüre in Kleindruck verwiesen wird.
Bei Bewerbung des Produkts vor Beginn der Laufzeit (2006) war das Insolvenzrisiko der Emittentin (und der Garantin) entsprechend dem in der Broschüre angegebenen Rating als „vernachlässigbarer, theoretischer Natur“ angesehen worden. Ende September 2008 meldete die Garantin und in der Folge auch die Emittentin des Produkts Konkurs an.
Der Kläger, ein nach § 14 Abs 1 UWG und § 29 Abs 1 KSchG klagebefugter Verein, begehrt zuletzt noch das Verbot, im geschäftlichen Verkehr das konkrete Produkt oder eine andere vergleichbare Anleihe durch Ankündigungen wie „das Asien Währungszertifikat mit 100 % Kapitalgarantie“ und/oder „enormes Potential und 100%ige Sicherheit“ und/oder „100 % Kapitalgarantie“ und/oder „große Chancen, kein Risiko“ zu bewerben und dadurch den Eindruck zu erwecken, Anleger würden in jedem Fall 100 % des einbezahlten Kapitals zurückerhalten, wenn dem Anleger gegenüber nicht offengelegt wird, dass der Garant mit dem Emittenten konzernrechtlich verflochten ist, insbesondere wenn der Garant direkt oder indirekt sämtliche Anteile am Emittenten hält; hilfsweise den Eindruck zu erwecken, die Beklagte selbst sei Garantin der Kapitalgarantie, wenn dies nicht der Fall sei.
Das Berufungsgericht wies dieses Unterlassungsbegehren mit der Begründung ab, die beanstandete Werbebroschüre sei nicht im Sinne des Klagevorbringens irreführend. Das Klagebegehren ziele auf eine Irreführung über die Person der Garantin ab, einerseits infolge Verschweigung der konzernrechtlichen Verflechtung zwischen Emittentin und Garantin des Produkts, andererseits dadurch, dass der Eindruck erweckt werde, die Beklagte sei selbst Garantin. Der bei der Geldveranlagung eher unerfahrene Durchschnittsverbraucher habe aufgrund der beanstandeten Werbebroschüre keinen Anlass, mit irgendeiner Person zu rechnen, welche das Insolvenzrisiko des Emittenten abdecke. Er könne weder im Sinn des Hauptbegehrens mit einem unabhängigen Garanten anstelle eines konzernverbundenen Garantiegebers noch im Sinn des Eventualbegehrens mit der Beklagten als Garantiegeberin rechnen. Der versierte Anleger möge zwar aufgrund der Kenntnis vergleichbarer Produkte vermuten, dass zur Absicherung des Bonitätsrisikos des Emittenten ein finanzkräftiger Garantiegeber vorhanden sei, dieser bliebe aber ungenannt. Ein die Veranlagungsentscheidung beeinflussender Irrtum werde nicht hervorgerufen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers , mit der er die Stattgebung des von ihm erhobenen Unterlassungsbegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Die vom Berufungsgericht angesprochene erhebliche Rechtsfrage (Abgrenzung von bloß unverbindlichen Werbemitteilungen von der Klauselkontrolle unterliegenden AGB) betrifft das in dritter Instanz strittig gebliebene Unterlassungsbegehren nicht.
Erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO vermag der Kläger aber nicht aufzuzeigen.
Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klageerzählung vom Kläger gemeint ist (RIS Justiz RS0037440). Die Frage, ob die Auslegung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht nach der Aktenlage zwingend ist, hat nicht die Bedeutung einer über den Einzelfall hinausgehenden erheblichen Rechtsfrage (4 Ob 6/91; RIS Justiz RS0037440 [T6]; 5 Ob 21/97t; RIS Justiz RS0042828 [T3]). Die Auffassung des Berufungsgerichts, das vom Kläger erhobene Unterlassungs( haupt )begehren richte sich gegen die Verschweigung des Umstands, dass Garant und Emittent konzernrechtlich verflochten sind, beruht jedenfalls nicht auf einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung.
Welchen Inhalt eine bestimmte Bekanntmachung oder Mitteilung nach ihrem Eindruck auf die angesprochenen Verkehrskreise hat, wirft ebensowenig eine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl RIS Justiz RS0043000). Die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Auslegung der beanstandeten Werbebroschüre, wonach dieser keinerlei Hinweis auf die Identität der Garantin für die mehrfach erwähnte Kapitalgarantie, insbesondere aber nicht der Eindruck zu entnehmen ist, dass die Beklagte die Garantin wäre, bildet gleichfalls keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.
Enthält die Werbung für ein Finanzprodukt mit Kapitalgarantie, Risikolosigkeit etc keinerlei Hinweis auf die Identität des Garanten, ist sie von vornherein nicht geeignet, falsche Vorstellungen über das in diesem Fall beanstandete Verhältnis zwischen dem Emittenten des Finanzprodukts und dem davon verschiedenen Garanten hervorzurufen. Insoweit ist die fehlende Irreführungseignung auch völlig unabhängig vom allenfalls unterschiedlichen Verständnis verschiedener angesprochener Anlegergruppen. Fragen nach der Zulässigkeit der Bildung solcher Gruppen bzw ihrer Abgrenzung stellen sich in diesem Fall daher nicht.
Die beanstandete Werbebroschüre weist deutlich und ausdrücklich auf die Person der Emittentin hin und nennt deren (zum damaligen Zeitpunkt) als völlig unproblematisch angesehene Bonität (Rating). Dies bedeutet eine Information der Anleger über das Insolvenzrisiko der Emittentin. Dass dieses Rating falsch gewesen wäre, behauptet der Kläger nicht. Da nach den getroffenen Feststellungen das offengelegte Bonitätsrisiko (zum damaligen Zeitpunkt) von bloß theoretischer, vernachlässigbarer Natur war, bestand zwischen der in der Werbebroschüre beworbenen Sicherheit des Finanzprodukts und den tatsächlichen Verhältnissen (zu diesem Zeitpunkt) kein Widerspruch. Der für die Beurteilung der Richtigkeit einer Werbeankündigung maßgebende Zeitpunkt ist jener, in dem sie gemacht wurde (RIS Justiz RS0088811).
Ist der Sinngehalt der beanstandeten Tatsachenmitteilung nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsbetrachters in einer bestimmten Richtung klar, so kann schon aus diesem Grund die Anwendung der sogenannten „Unklarheitenregel“ nicht mehr in Betracht kommen (RIS Justiz RS0085169).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hingewiesen.