OGH vom 19.05.2010, 6Ob220/09k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 21.500 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 4.500 EUR), über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 52/09t 11, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 153/08h 6, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei ist ein in § 29 Abs 1 KSchG genannter Verein. Sie macht Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung ihrer Ansicht nach gesetzwidriger beziehungsweise sittenwidriger Bestimmungen in von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern gemäß § 28 Abs 1 KSchG geltend. Die Beklagte ist unter anderem Emittentin von Bankschuldverschreibungen mit dem Namen „Callable Snowball Floater Obligation 2005-2013/11“ (ISIN-Code AT 0000248687). Diese sind als Inhaberpapier ausgestaltete Bankschuldverschreibungen, die als Daueremission auch an Verbraucher zur Ausgabe gelangten. Sie wurden unter Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gezeichnet, die unter anderem folgende Klauseln enthalten:
§ 3 (Verzinsung)
Die Schuldverschreibungen werden bezogen auf den Nennwert wie folgt verzinst:
(1) Fixe Periode: (1. Jahr) Für den Zeitraum vom (inklusive) bis zum (exklusive) beträgt der Zinssatz 5,25 % p.a.
(2) Variable Perioden: (2. - 8. Jahr) Für den Zeitraum vom (inklusive) bis (exklusive) werden die Zinssätze jeweils fünf Geschäftstage vor dem Zinszahlungstag am Ende der betreffenden Zinsperiode („Zinsfestsetzungstag“) wie folgt - halbjährlich im Nachhinein – fixiert:
Variable Zinsperioden 2. Jahr:
(inkl.) bis (exkl.)
(inkl.) bis (exkl.)
2,00 % plus Zinssatz der Zinsvorperiode minus 6 Monats Euribor
Variable Zinsperioden 3. Jahr:
(inkl.) bis (exkl.)
(inkl.) bis (exkl.)
2,50 % plus Zinssatz der Zinsvorperiode minus 6 Monats Euribor
Variable Zinsperioden 4. Jahr:
(inkl.) bis (exkl.)
(inkl.) bis (exkl.)
3,00 % plus Zinssatz der Zinsvorperiode minus 6 Monats Euribor
Variable Zinsperioden 5. Jahr:
(inkl.) bis (exkl.)
(inkl.) bis (exkl.)
3,50 % plus Zinssatz der Zinsvorperiode minus 6 Monats Euribor
Variable Zinsperioden 6. Jahr:
(inkl.) bis (exkl.)
(inkl.) bis (exkl.)
4,00 % plus Zinssatz der Zinsvorperiode minus 6 Monats-Euribor
Variable Zinsperioden 7. Jahr:
(inkl.) bis (exkl.)
(inkl.) bis (exkl.)
4,50 % plus Zinssatz der Zinsvorperiode minus 6 Monats Euribor
Variable Zinsperioden 8. Jahr:
(inkl.) bis (exkl.)
(inkl.) bis (exkl.)
5,00 % plus Zinssatz der Zinsvorperiode minus 6-Monats-Euribor
…
Sollte der Zinssatz gemäß oben stehender Berechnungsmethode einen Wert kleiner als „Null“ ergeben, so beträgt der Zinssatz für diese Periode „Null“ Prozent.
(3) Die Zinsen werden halbjährlich jeweils im Nachhinein am 10. April und am 10. Oktober eines jeden Jahres, erstmals am , fällig und ausbezahlt (die „Zinszahlungstage“). Der Zeitraum zwischen den Zinszahlungstagen wird als Zinsperiode bezeichnet. Die Zinsenberechnung erfolgt auf Basis kalendermäßig/kalendermäßig.
…
§ 6 (Kündigung)
(1) Eine Kündigung seitens des Gläubigers ist ausgeschlossen.
(2) Die B***** AG ist berechtigt, die Schuldverschreibungen jeweils bis längstens vier Geschäftstage vor dem Zinszahlungstag erstmalig zum , danach halbjährlich zu jedem nächsten Zinszahlungstag zum Nennwert zu kündigen.
(3) Die Kündigung der Schuldverschreibungen wird gemäß § 9 dieser Bedingungen bekanntgegeben.
Der 6-Monats-Euribor ist ein für Termingelder (Termineinlagen, Festgeld) in Euro ermittelter Zwischenbanken-Zinssatz. Die Quotierung dieses Zinssatzes erfolgt durch repräsentative Banken (Euribor Panel-Banken; das Panel wird derzeit aus 57 Banken gebildet, darunter 47 Banken aus der Eurozone, 4 Banken aus sonstigen EU-Ländern und 6 Banken außerhalb der EU), die sich durch aktive Teilnahme am Euro-Geldmarkt auszeichnen. Der 6-Monats-Euribor entwickelte sich in den letzten Jahren folgendermaßen: 1999 3,05 %; 2000 4,55 %; 2001 4,16 %; 2002 3,35 %; 2003 2,31 %; 2004 2,15 %; 2005 2,23 %; 2006 3,23 %; 2007 4,35 %. Der Euribor wird auch monatlich berechnet, wobei der Satz innerhalb eines jeden Monats und auch von Monat zu Monat um bis zu 10 % schwankt.
Am Ausgabestichtag der verfahrensgegenständlichen Schuldverschreibungen betrug der 6-Monats-Euribor 2,209 %. Fix verzinste Anleihen mit vergleichbarer Laufzeit wurden in diesem Zeitraum mit 2,75 bis 3,125 % begeben.
Das Erstgericht verbot der Beklagten die Verwendung sowohl der Verzinsungs- als auch der Kündigungsklausel sowie sinngleicher Klauseln.
Das Berufungsgericht verbot der Beklagten dem gegenüber lediglich, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern bei Unternehmer-Verbraucher-Geschäften in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen über die Ausgabe der Bankschuldverschreibungen „Callable Snowball Floater“ Obligation 2005-2013/11 zugrunde legt, und/oder in hierbei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der Kündigungsklausel oder sinngleicher Klauseln; hinsichtlich der Verzinsungsklausel wies es das Klagebegehren ab. Darüber hinaus sprach das Berufungsgericht aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die Revision zulässig sei; gesicherte Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit der Inhaltskontrolle gemäß § 879 Abs 3 ABGB beziehungsweise § 6 KSchG von Emissionsbedingungen im Zusammenhang mit Bankanleihen liege nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen beider Parteien sind zulässig; sie sind jedoch nicht berechtigt.
Zur Verzinsungsklausel:
Die klagende Partei stützt ihren Anspruch auf Unterlassung der Verzinsungsklausel durch die Beklagte auf § 879 Abs 3 ABGB, auf § 6 Abs 2 Z 3 KSchG und auf § 6 Abs 3 KSchG. Da sich der 6-Monats-Euribor inversiv auswirke, führe die Verzinsungsklausel überdurchschnittlich zu einem Sinken des Anleihezinssatzes, jedoch nur unterdurchschnittlich zu einem Ansteigen; dadurch werde der Anleger gröblich benachteiligt. Zusätzlich habe die Beklagte das Ungleichgewicht zwischen sich und dem Anleger ausgenutzt, erwarte sich doch der durchschnittliche Anleger während der gesamten Laufzeit der Anleihe eine marktübliche Verzinsung. Die Beklagte könne zwar die von ihr zu erbringende Zinsenleistung nicht einseitig ändern; maßgeblich sei jedoch, ob die vereinbarte Anpassungsmodalität den Verbraucher letztendlich unfair benachteiligt. Aufgrund der von der Beklagten einseitig vorformulierten, jedoch unangemessenen Berechnungsformel, verstoße diese weiters gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG. Schließlich sei die Verzinsungsklausel für den durchschnittlichen Verbraucher nicht durchschaubar, der Verweis auf die Zinsvorperiode sei unklar und mehrdeutig, die Formulierung suggeriere steigende Zinsen, der 6-Monats-Euribor wirke jedoch inversiv - je höher dieser werde, desto weniger Zinsen erhalte der Anleger.
Das Berufungsgericht hielt die Verzinsungsklausel zwar für „komplex“, jedoch nicht für intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG. Der Anleger werde über die aus der Regelung resultierenden Rechtsfolgen nicht getäuscht oder im Unklaren gelassen; es werde eine rechnerisch nachvollziehbare Darstellung der Verzinsung geboten. Der Begriff des Euribor sei für jeden Verbraucher im Internet abrufbar, § 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen definiere den Begriff Zinsvorperiode. Die Beklagte sei aufgrund der Verzinsungsklausel auch nicht berechtigt, ihre Zinsenleistung einseitig zu ändern. Inwieweit die Klausel den Anleger gröblich benachteilige, zeige die klagende Partei nicht auf; ihre Kritik an der Formulierung der Klausel sei am Transparenzgebot zu messen.
1. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (Transparenzgebot). Die Vorschrift bezieht sich sowohl auf die Form als auch auf den Inhalt. Es geht um die sprachliche Darstellung, die nicht so beschaffen sein darf, dass sie dem Verbraucher den Inhalt unzugänglich macht. Es geht also nicht nur um die rein sprachliche Verständlichkeit, sondern um die Möglichkeit des Verbrauchers, den Inhalt des Geschäfts tatsächlich zu erfassen ( Schurr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ [2006] § 6 KSchG Rz 5 mwN). Maßstab für die Transparenz ist das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen „Durchschnittskunden“. Einzelwirkungen des Transparenzgebots sind das Gebot der Erkennbarkeit und Verständlichkeit, das Gebot, den anderen Vertragsteil auf bestimmte Rechtsfolgen hinzuweisen, das Bestimmtheitsgebot, das Gebot der Differenzierung, das Richtigkeitsgebot und das Gebot der Vollständigkeit (1 Ob 241/06g). Der Verbraucher muss bis zu einem gewissen Grad die wirtschaftlichen Folgen einer Regelung abschätzen können. Ziel des Transparenzgebots ist es, eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung Allgemeiner Vertragsbestimmungen sicherzustellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Durchschnittsverbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird, ihm unberechtigte Pflichten abverlangt werden, ohne dass er sich zur Wehr setzt oder er über Rechtsfolgen getäuscht oder ihm ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt wird (7 Ob 233/06z SZ 2007/68).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann der Verzinsungsklausel Transparenz nicht abgesprochen werden (ebenso 7 Ob 15/10x). Sie enthält - weder an überraschender noch an unübersichtlicher Stelle in einem lediglich drei DIN-A4-Seiten umfassenden Schriftstück - in durchaus übersichtlicher Form die konkreten Berechnungsschritte für den künftig zur Anwendung kommenden Anleihezinssatz. Dem Zinssatz der Vorperiode ist der jeweils konkret angegebene Zinssatz der nächsten variablen Periode hinzuzuzählen und davon jeweils wieder der 6-Monats-Euribor in Abzug zu bringen. Was unter Vorzinsperiode gemeint ist, erläutert § 3 Abs 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, kommt es jeweils auf die letzte Halbjahresperiode an. Warum diese Vorgangsweise nicht durchschaubar sein soll, wie die klagende Partei in ihrer Revision meint, ist nicht nachvollziehbar. Dass derzeit infolge Unkenntnis der Entwicklung des Euribor künftige Zinssätze nicht vorhersehbar sind, liegt in der Natur von Zinsgleitklauseln ( Leitner , Das Transparenzgebot [2005] 54); dass derartige Klauseln nicht grundsätzlich unzulässig sind, ist ständige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0115215).
Auch wenn bei Beurteilung der Transparenz von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom durchschnittlichen Verbraucher auszugehen ist, so hat der Oberste Gerichtshof doch bereits entschieden, dass auch vom durchschnittlichen, möglicherweise erstmals in Wertpapiere investierenden Kleinanleger wegen der Bedeutung von Anlageentscheidungen eine höhere situationsbedingte Aufmerksamkeit erwartet werden kann (4 Ob 188/08p); außerdem hat dieser seine Aufmerksamkeit allen Punkten des Klauselwerks bis zum Ende zu widmen (7 Ob 230/08m). Damit kann jedoch der Auffassung der klagenden Partei in ihrer Revision, die Verzinsungsklausel suggeriere steigende Zinsen, nicht gefolgt werden. Tatsächlich wird im letzten Satz des § 3 Abs 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen deutlich auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der Zinssatz aufgrund der vereinbarten Berechnungsmethode auch einen Wert kleiner als Null erreichen könne. Aus dem Begriff Snowball Floater lässt sich - jedenfalls bei ausreichender Befassung mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen - auch für den Durchschnittsanleger nichts Gegenteiliges erschließen.
Und schließlich bestehen auch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts keine Bedenken, wonach sich der Durchschnittsanleger ohne Aufwand Kenntnis von der Bedeutung des 6-Monats-Euribor machen kann (ebenso 7 Ob 15/10x). Weiters ist der Begriff Euribor nicht nur ein gesetzlicher Begriff (§ 2 Abs 3 1. Euro-Justiz-BegleitG); sein Vorgänger VIBOR wird vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur Vertragsauslegung qua hypothetischem Parteiwillen herangezogen (9 Ob 62/04i; 6 Ob 172/05w), desgleichen auch der Begriff Euribor selbst (3 Ob 236/05k; vgl außerdem 4 Ob 59/09v, wo Intransparenz lediglich deshalb angenommen wurde, weil zwei einander widersprechende Euribor-Werte herangezogen worden waren).
Die Verzinsungsklausel verstößt somit nicht gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KschG.
2. Nach § 6 Abs 2 Z 3 KSchG muss eine Klausel, wonach der Unternehmer eine von ihm zu erbringende Leistung einseitig ändern oder von ihr abweichen kann, im Einzelnen ausverhandelt worden sein, es sei denn, die Änderung beziehungsweise Abweichung ist dem Verbraucher zumutbar, besonders weil sie geringfügig und sachlich gerechtfertigt ist. Nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG sind für den Verbraucher grundsätzlich Vertragsbestimmungen nicht verbindlich, nach denen dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine Leistung ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zusteht.
Wie bereits das Berufungsgericht hervorgehoben hat, lässt die Verzinsungsklausel eine einseitige Abänderung durch die Beklagte nicht zu; maßgeblich ist lediglich die Veränderung des 6-Monats-Euribor. Außerdem scheidet die Anwendung des § 6 Abs 2 Z 3 und 5 KSchG auf Zinsgleitklauseln bereits ganz grundsätzlich aus, wenn dort von vorneherein eine gleitende Verzinsung endgültig festgelegt wird, also beide Seiten daran nichts mehr ändern können.
3. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt.
Das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass bei Geldveranlagungen, deren wirtschaftlicher Grund in der gebotenen Verzinsung liegt, ebenso wie bei einem Bankdarlehen die Verzinsung der Hauptschuld zuzurechnen sei; damit sei die Verzinsungsklausel von der Normenkontrolle des § 879 Abs 3 ABGB nicht erfasst. Das Berufungsgericht hat dem nicht widersprochen.
Die klagende Partei ist dieser Auffassung zwar in ihrer Berufungsbeantwortung entgegen getreten, erwähnt die Frage in der Revision jedoch mit keinem Wort, sondern führt lediglich aus, weshalb sie die Verzinsungsklausel für gröblich benachteiligend hält. Damit fehlt es aber bereits an einer Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 879 Abs 3 ABGB im vorliegenden Fall. Lediglich der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang jedoch erwähnt, dass der Oberste Gerichtshof erst jüngst in einer ebenfalls Snowball genannte Bankschuldverschreibungen einer anderen österreichischen Bank mit inhaltlich durchaus vergleichbaren Emissionsbedingungen betreffenden Entscheidung (7 Ob 15/10x) nahezu wortgleiche Verzinsungsklauseln unter dem Blickwinkel des § 879 Abs 3 ABGB geprüft und diese im Hinblick auf das spekulative Moment der Veranlagungen für nicht gröblich benachteiligend gehalten hat.
4. Da somit das Berufungsgericht das Klagebegehren hinsichtlich der Verzinsungsklausel zutreffend abgewiesen hat, war der Revision der klagenden Partei insoweit der Erfolg zu versagen.
Zur Kündigungsklausel:
Die klagende Partei stützt ihren Anspruch auf Unterlassung der Kündigungsklausel durch die Beklagte auf § 879 Abs 3 ABGB und auf § 6 Abs 3 KSchG. Da die Beklagte die Anleihevereinbarung bereits nach 1 Jahr, der Anleger hingegen erst nach 8 Jahren einseitig auflösen könne, werde letzterer gröblich benachteiligt. Im Übrigen sei die Kündigungsklausel nicht transparent, sei doch nicht erkennbar, ob lediglich die ordentliche oder auch die außerordentliche Kündigung ausgeschlossen seien.
Beide Vorinstanzen verboten der Beklagten die Verwendung der Kündigungsklausel. Die Laufzeit sei keine Hauptleistung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB, jedenfalls sei sie nicht in § 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt, sondern in deren § 2. Darüber hinaus sehe deren § 3 zwar eine Anpassung der Kuponhöhe in negativer wie positiver Hinsicht vor, doch erlaube das ihr eingeräumte Kündigungsrecht der Beklagten, eine der durch § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verpönten Einseitigkeit nahekommende Vertragslage zu schaffen, weil die Beklagte einer für den Anleger günstigen Zinsentwicklung mit ihrem Kündigungsrecht willkürlich ein Ende setzen könne.
1. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst im Zusammenhang mit Bedingungen betreffend Teilschuldverschreibungen und aufgrund einer ebenfalls von einem nach § 29 KSchG klageberechtigten Verein eingebrachten Klage nach § 28 KSchG unter anderem ausgeführt, dass eine gröbliche Benachteiligung gemäß § 879 Abs 3 ABGB vorliegt, wenn es im Belieben des Emittenten steht, die Teilschuldverschreibung zu kündigen und seinen Gewinn dadurch zu maximieren, dem Anleger hingegen ein Äquivalent zu diesem Kündigungsrecht nicht eingeräumt ist; dessen Weiterverkaufsrecht (an Dritte) stellt kein derartiges Äquivalent dar (9 Ob 81/08i). Dem schließt sich der erkennende Senat an; einer näheren Erörterung der in der Revision der klagenden Partei aufgeworfenen Fragen, ob Emissionsbedingungen überhaupt einer Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB unterworfen sind, bedarf es daher nicht. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Laufzeit der Anleihe nicht Hauptleistungspflicht, sondern lediglich Nebenverpflichtung; das Weiterverkaufsrecht des Anlegers kann die ordentliche Aufkündigung nicht ersetzen (vgl zu all diesen Fragen erst jüngst 7 Ob 15/10x).
2. Die Beklagte meint in ihrer Revision, bei einer Anleihe bestehe ein besonders enger Zusammenhang zwischen der Höhe des Entgelts des Emittenten (Zinsen) und der Dauer der Laufzeit, für die der Anleger dem Emittenten das Kapital überlässt. Dabei liege es auf der Hand, dass der Emittent „Nebenbestimmungen“ über Laufzeit und ordentliche Kündigung, die für den Anleger ungünstig sind, durch eine besonders günstige Hauptleistung, namentlich eine besonders hohe Verzinsung ausgleichen könne.
2.1. Der Oberste Gerichtshof hat dieses „Preisargument“ etwa in der Entscheidung 4 Ob 5/08a berücksichtigt und ausgeführt, das jeweilige Angebot (Handytarif) sei als Ganzes zu sehen; der Kunde habe die Wahl zwischen mehreren Tarifen, er sei keineswegs gezwungen, einen bestimmten zu wählen; damit sei seine Willensfreiheit aber auch nicht in besonderem Maß verdünnt. Tatsächlich handelte es sich dabei also nicht um einen Fall des Preisarguments, sondern um einen solchen des Tarifwahlsystems.
Auch der erkennende Senat führte aus, dass eine benachteiligende Bestimmung in einzelnen Punkten bei einer vorzunehmenden Gesamtbetrachtung auch gerechtfertigt erscheinen könne; insbesondere könnten Nachteile durch andere vorteilhafte Vertragsbestimmungen ausgeglichen werden; in diesem Sinne könne ein Ausgleich durch zweckkongruente günstige Nebenbestimmungen, allenfalls auch durch sonstige günstige Nebenbestimmungen erfolgen, wobei ein Gesamtvergleich vorzunehmen sei (6 Ob 253/07k). Der Senat wies jedoch zugleich darauf hin, dass dieses Preisargument problematisch sei und ihm nur bei bestimmten Fallgruppen näher getreten werden könne.
2.2. Sowohl der 4. als auch der erkennende 6. Senat haben in den angeführten Entscheidungen auf die Ausführungen Krejcis verwiesen, der vor allem im Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz (1981) 161 das Preisargument ablehnte. Krejci führte dabei vor allem ins Treffen, dass das Preisargument nur dann nicht zum Scheinargument werde, wenn man den „richtigen Preis“ feststelle; dies sei aber schwer möglich, weil die Preiskalkulation des Unternehmers auf ihre wirtschaftliche Rechtfertigung hin geprüft werden müsste (vgl dens auch in Rummel ³ [2000] § 879 Rz 241). Der historische Gesetzgeber des § 879 Abs 3 ABGB hat außerdem ausgeführt, dass der Vertragspartner sich die Gültigkeit unlauterer Bestimmungen nicht dadurch erkaufen können solle, dass er dafür - meist ohnehin nur vorgeblich - einen geringeren Preis für seine Leistung verlange, also beispielsweise eine Ware billiger verkaufe, dafür jedoch Gewährleistungspflichten ausschließe (ErläutRV 744 BlgNR 14. GP 47).
Entgegen der in der Revision der Beklagten vertretenen Auffassung kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Oberste Gerichtshof das Preisargument bereits grundsätzlich (und generell) anerkannt habe. Dass Zeichner der verfahrensgegenständlichen Teilschuldverschreibungen im Sinn des Tarifwahlsystems (4 Ob 5/08a) bei der Beklagten auch Verschreibungen hätten zeichnen können, die zwar eine niedrigere Zinsgestaltung, dafür jedoch einen Kündigungsverzicht der Beklagten enthalten hätten, ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen. Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit Zinsgestaltung und Kündigungsklausel „zweckkongruent“ (6 Ob 253/07k) sein sollen.
Dem Preisargument der Beklagten ist somit nicht zu folgen.
3. Die Frage der (angeblich) mangelnden Transparenz der Kündigungsklausel gemäß § 6 Abs 3 KSchG braucht angesichts des Umstands, dass das Klagebegehren insoweit ohnehin erfolgreich ist, nicht mehr weiter erörtert werden.
4. Da somit die Vorinstanzen dem Klagebegehren hinsichtlich der Kündigungsklausel zutreffend statt gegeben haben, war (auch) der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Zur Fassung des Unterlassungsgebots:
Das Berufungsgericht hat das Unterlassungsgebot gegenüber dem Klagebegehren insofern eingeschränkt, als es die Verwendung der Kündigungsklausel oder sinngleicher Klauseln nicht in allen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern der Beklagten betreffend die Ausgabe von Bankschuldverschreibungen untersagte, sondern lediglich betreffend die Ausgabe der Bankschuldverschreibung „Callable Snowball Floater“ Obligation 2005-2013/11. Die klagende Partei hält dem entgegen, es sei „wahrscheinlich“, dass die Beklagte einen derartigen Rechtsverstoß nicht nur bei der konkreten, der Klage zugrunde liegenden Bankschuldverschreibung, sondern auch bei ähnlichen Produkten setzen „könnte“; es sei Zweck des § 28 KSchG, Rechtsverstöße nicht bloß für das eine konkrete Produkt, sondern für alle „vergleichbaren“ Produkte zu verhindern.
Die klagende Partei übersieht damit jedoch, dass sie ihre Klage ausdrücklich auf die gegenständlichen Teilschuldverschreibungen gestützt und die konkreten Allgemeinen Geschäftsbedingungen inkriminiert hat. Dass die Beklagte weitere, „vergleichbare“ Produkte anbieten würde, hat sie hingegen nicht vorgebracht. Eine ausreichende Gefahr ist aber nur bei konkreter Besorgnis des (künftigen) Zuwiderhandelns gegeben ( Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ [2006] § 28 KSchG Rz 3).
Damit war der Berufung der klagenden Partei auch insoweit der Erfolg zu versagen.
Zur Kostenentscheidung:
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Da auf beiden Seiten gleich hohe Kosten angefallen sind, waren diese gegeneinander aufzuheben. Die von der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung verzeichnete Pauschalgebühr steht mangels einer entsprechenden Entrichtungspflicht nicht zu.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00220.09K.0519.000