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OGH vom 13.10.2010, 3Ob139/10b

OGH vom 13.10.2010, 3Ob139/10b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ilse E*****, vertreten durch Löffler Jelincic Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die verpflichtete Partei Helmut E*****, bisher vertreten durch BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert KG in Wien, wegen 29.777,80 EUR sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 47 R 139/10d 19, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 64 E 405/10d 10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der betreibenden Gläubigerin war zur Hereinbringung von Unterhaltsrückständen gegen den Verpflichteten ua (teilweise vom Antrag abweichend) die Exekution durch Pfändung der ihm als Stifter gegenüber einer bestimmten Privatstiftung zustehenden Gesamtrechte bewilligt worden, insbesondere des Rechts auf Auflösung der Stiftung und [des Rechts] auf Einziehung des Liquidations bzw Auflösungserlöses. Die betreibende Partei hatte die Verwertung durch die Ermächtigung beantragt, die genannten Rechte im eigenen Namen geltend zu machen, insbesondere durch Abänderung der Stiftungsurkunde die Privatstifung zu monatlichen Ausschüttungen in bestimmter Höhe zu verpflichten.

Der Verpflichtete beantragte aufgrund einer von ihm eingebrachten Oppositionsklage die Aufschiebung der Exekution nach §§ 331 ff EO. Zu seiner Gefährdung brachte er nur vor, sein unter dem Existenzminimum liegendes gemeinsames Pensionseinkommen mit seiner Gattin reiche für die Befriedigung der einfachsten Lebensbedürfnisse kaum hin. Daher würde eine Abschöpfung der von der Betreibenden behaupteten Einkünfte ihn und seine Frau praktisch mittellos dastehen lassen.

Das Erstgericht, das schon für den eine (in der Folge ungeachtet eines Vertagungsantrags des Verpflichteten auch abgehaltene) Tagsatzung zur Verhandlung über den Verwertungsantrag anberaumt hatte, schob mit Beschluss vom die Exekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Oppositionsklage auf, machte die Aufschiebung aber vom Erlag einer Sicherheit von 7.500 EUR abhängig.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Betreibenden dahin Folge, dass es den Aufschiebungsantrag abwies (Punkt 1.). Dem gegen die Auferlegung der Sicherheit gerichteten Rekurs des Verpflichteten gab es dagegen nicht Folge (Punkt 2.). Es sprach zu Punkt 1. aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, dagegen zu Punkt 2., der Revisionsrekurs sei nach § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs müsse vom Aufschiebungswerber die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer ersetzbaren Vermögensnachteils (§ 44 Abs 1 EO) außer im Fall ihrer Offenkundigkeit konkret behauptet und erforderlichenfalls bescheinigt werden. Die Offenkundigkeit sehe die Rechtsprechung bei verschiedenen Exekutionsarten unterschiedlich. Nach Ansicht des Rekursgerichts sei die Situation bei der Pfändung von Rechten des Stifters gegenüber einer Privatstiftung ähnlich zu sehen wie bei der Pfändung und Verwertung eines GmbH-Geschäftsanteils. In einem Stadium des Exekutionsverfahrens, in dem die Verwertung noch in zeitlicher Ferne sei, sei eine Gefahr iSd § 44 Abs 1 EO nicht offenkundig. Der Verpflichtete habe ein derartiges Vorbringen nicht erstattet, zur Anleitung zu einem solchen sei das Erstgericht nicht verpflichtet. Daher sei dem Rekurs der Betreibenden Folge zu geben und der Aufschiebungsantrag abzuweisen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil keine Rechtsprechung zur Offenkundigkeit des Vermögensnachteils bei der Pfändung auf Rechte eines Stifters gegen die Privatstiftung vorliege.

Da die Aufschiebung zu Unrecht bewilligt worden sei, müsse auf den Rekurs des Verpflichteten nicht eingegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Wenn es auch unklar bleibt, wie das Rekursgericht zur Auffassung kommt, dass in Ansehung des wenn auch erfolglosen - Rekurses des Verpflichteten eine volle Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichts (das dem Aufschiebungsantrag, wenn auch vorbehaltlich einer Sicherheitsleistung stattgegeben hatte, während ihn die zweite Instanz abwies!) vorliege, würde der Ausspruch zu Punkt 2. aus mehreren Gründen auch eine Antragsstattgebung ohne Sicherheitsleistung nicht hindern.

Vor allem bindet ein Ausspruch nach § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 2 ZPO weder die Parteien noch die Gerichte (§ 500 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Im Übrigen hätte das Rekursgericht, das zwar über den Rekurs des Verpflichteten ausdrücklich abzusprechen hatte, auf keinen Fall getrennte Zulässigkeitsaussprüche machen dürfen, läge doch zweifellos eine einheitliche und auch nicht teilbare Sachentscheidung (Abweisung des Aufschiebungsantrags) vor, wenn es überhaupt über das Rechtsmittel des Verpflichteten meritorisch entschieden hätte. Der aus ihrer Entscheidung abzuleitenden Ansicht der zweiten Instanz, sie hätte über diesen Rekurs in der Sache entschieden, kann allerdings nicht zugestimmt werden. Das würde voraussetzen, sie hätte das Argument, im Fall der Aufrechterhaltung der Aufschiebung wäre diese zu Unrecht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht worden, entweder gebilligt oder abgelehnt. Nichts davon kann der angefochtenen Entscheidung entnommen werden. Maßgeblich für eine voll bestätigende Entscheidung ist ja, ob das Rechtsmittelgericht zum selben Ergebnis gekommen ist wie das Erstgericht (RIS Justiz RS0042621). In Wahrheit wurde mit der aus der Verneinung der hinreichenden Behauptung einer Gefahr folgenden gänzlichen Ablehnung der Aufschiebung dem Verpflichteten das Objekt seiner Anfechtung und damit jegliches rechtliches Interesse an einer sachlichen Behandlung seines Rechtsmittels genommen (vgl RIS Justiz RS0002495). Demnach wäre er mit seinem Rekurs nach dem üblichen Sprachgebrauch auf die Entscheidung über den Rekurs der Betreibenden zu verweisen gewesen, was der Sache nach eine Zurückweisung bedeutet. Schon deshalb kann auch im Umfang der Sicherheitsleistung keine voll bestätigende und damit unanfechtbare Entscheidung vorliegen.

2. In der Sache ist auszuführen:

Gemäß § 44 Abs 1 EO darf die Exekution nur aufgeschoben werden, wenn der Beginn oder die Fortführung für denjenigen, der die Aufschiebung verlangt, mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden wäre. Ist dieser Umstand nicht offenkundig, so muss der Aufschiebungswerber Umstände konkret behaupten und erforderlichenfalls bescheinigen, aus denen sich die Gefahr eines solchen Nachteils ergibt (RIS Justiz RS0001619). Ob ein solcher Vermögensnachteil droht, hängt vom Exekutionsobjekt und von der Exekutionsart ab (RIS Justiz RS0001666). Außerdem wird auch (jedenfalls bei manchen Exekutionsarten bzw objekten) nach dem Stand des Verfahrens unterschieden (RIS Justiz RS0001677 [T1, T 3 und T 5] zur Zwangsversteigerung; 3 Ob 212/08k zur Exekution auf GmbH Geschäftsanteile). Als unersetzlich wird ein Schaden etwa dann beurteilt, wenn die Gefahr droht, dass eine Speziessache (bei ohnehin zum Verkauf bestimmten Waren könnte dagegen die Gefahr wohl mit gutem Grund verneint werden), wie etwa ein Grundstück, endgültig verloren geht und nicht mehr beschafft werden kann (RIS Justiz RS0001677). Als offenkundig gilt eine Gefahr iSd § 44 EO ganz allgemein bei der Fahrnisexekution (RIS Justiz RS0001745; krit dazu Jakusch in Angst , EO² § 44 Rz 5a; Hackl in Anm zu EvBl 2009/73 und Rassi in Anm zu GesRZ 2009, 181), bei der Zwangsversteigerung, wenn die Versteigerung unmittelbar bevorsteht (RIS Justiz RS0001677 [T1, T 3 und T 5]), und bei der Exekution nach §§ 331 ff EO auf GmbH-Anteile, wenn bereits ein Schätzungsgutachten vorliegt und daher der Verkauf des Geschäftsanteils unmittelbar bevorsteht (3 Ob 212/08k).

Im vorliegenden Verfahren, in dem Gegenstand der Exekution die Gesamtrechte des Verpflichteten als Stifter einer Privatstiftung sind, entschied nun das Erstgericht über den Aufschiebungsantrag des Verpflichteten nur zwei Tage vor jener Tagsatzung, in der über den Verwertungsantrag der Betreibenden verhandelt werden sollte (und auch wurde), weshalb in zeitlicher Nähe zu diesem Termin wohl auch die Entscheidung über den Antrag zu erwarten gewesen wäre. Da die betreibende Partei die Ermächtigung begehrt hatte, die Gesamtrechte des Verpflichteten, insbesondere das umfassende Änderungsrecht der Stiftungsurkunde sowie das Recht auf Übertragung des ihm zustehenden Anteils eines allfälligen Liquidationserlöses, im eigenen Namen auszuüben, kann davon ausgegangen werden, dass eine allfällige den Schaden für den Verpflichteten bewirkende Handlung in sehr naher Zukunft erfolgen hätte können. Dass demnach im maßgeblichen Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung eine Verwertung noch in weiter Ferne gelegen wäre, wie das Rekursgericht anscheinend meint, kann daher nicht gesagt werden, bedarf doch eine derartige Verfügung keines besonderen organisatorischen Aufwands.

Dennoch ist dem Gericht zweiter Instanz im Ergebnis zuzustimmen. Bei der Exekution auf die Gesamtrechte des Privatstifters an der Stiftung kann nicht generell gesagt werden, die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils sei in irgendeinem Verfahrensstadium offenkundig. Dies könnte allenfalls bejaht werden, wenn im Verwertungsverfahren der Widerruf der Privatstiftung und damit die Auflösung dieses „eigentümerlosen“ Vermögens mit Rechtspersönlichkeit (RIS Justiz RS0052195) nahe bevorstünde. Ein solcher Widerruf führt nach § 35 Abs 2 Z 1 PSG über einstimmigen Vorstandsbeschluss oder gerichtliche Entscheidung zur Auflösung der Privatstiftung. Der Auflösung hat die Abwicklung der Stiftung und deren Löschung im Firmenbuch zu folgen (§§ 36, 37 PSG). Demnach führt ein Widerruf der Privatstiftung zu deren endgültigem Untergang. Damit könnte ein dem Verlust einer Speziessache oder eines GmbH-Anteils durchaus vergleichbare Situation angenommen werden. Einer endgültigen Klärung bedarf diese Frage aber nicht. Ein Widerrufsrecht kann auch vom betreibenden Gläubiger nur dann ausgeübt werden, wenn sich der Stifter ein solches vorbehalten hat. Ein gesetzliches Recht zum Widerruf steht ihm ja nicht zu (§ 9 Abs 2 Z 8 iVm § 10 Abs 2 PSG; s auch 3 Ob 217/05s = SZ 2006/66 = JBl 2007, 110 [ Vollmaier ] = ZfS 2006, 109 [ Torggler ]). Im vorliegenden Verfahren bestehen nun keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Verpflichtete ein Widerrufsrecht gegenüber seiner Privatstiftung vorbehalten hätte. Dass auch eine bloße Änderung der Stiftungsurkunde (wie hier im Verwertungsverfahren ausdrücklich von der Betreibenden angestrebt von der Ermächtigung zu einem Widerruf der Stiftung war im Verfahren nie die Rede) zu einem ähnlichen Nachteil des Stifters führen könnte, ist keineswegs offenkundig. Abgesehen davon, dass ein änderungsberechtigter Stifter im Fall des Obsiegens im Oppositionsprozess Änderungen ja wieder rückgängig machen könnte, zielt das Exekutionsverfahren hier vor allem auf die Erwirkung monatlicher Ausschüttungen an den Verpflichteten ab, also auf die Schaffung einer zukünftig zustehenden Geldforderung. Auf diese könnte die betreibende Partei dann im Wege der Forderungsexekution greifen. Damit liegt aber in Ansehung der Gefahr nach § 44 EO ein der Forderungsexekution vergleichbarer Fall vor, bei der die Offenkundigkeit der Gefahr verneint wird (RIS Justiz RS0001685). Somit kann hier von einer solchen nicht die Rede sein.

Der Verpflichtete hätte eine Gefahr behaupten und allenfalls bescheinigen müssen. Dass er dies nicht tat, hat das Rekursgericht völlig richtig beurteilt. Der Verpflichtete, der sich nach seinem eigenen Vorbringen in der Oppositionsklage in Untersuchungshaft befindet, hat selbst nicht behauptet, er (oder über ihn seine nunmehrige Ehefrau) würde aus der Stiftung ein laufendes Einkommen beziehen. Ein solches wäre im Übrigen (wie auch geschehen) durch Forderungsexekution in Anspruch zu nehmen und ist daher nicht Gegenstand der vorliegenden Exekution nach den §§ 331 ff EO. Sonstige Umstände hat er aber nicht geltend gemacht.

Daher hat das Gericht zweiter Instanz zu Recht die ausreichende Behauptung einer Gefahr verneint. Seine Entscheidung ist daher zu bestätigen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 50, 40 ZPO.