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OGH vom 29.08.2019, 3Ob113/19t

OGH vom 29.08.2019, 3Ob113/19t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Markus Singer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. M*****, vertreten durch die Kollisionskuratorin Mag. Ute Svinger, Rechtsanwältin in Wien, und 2. V*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator, Mag. Axel Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unwirksamerklärung und Löschung einer Grundbuchseintragung und Wiederherstellung des Grundbuchstands, über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 46 R 58/19y-230, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 52 C 150/14s-200, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Erstbeklagte ist im Grundbuch als Eigentümerin von Liegenschaftsanteilen, mit denen Wohnungseigentum an einer Wohnung verbunden ist (kurz: einer Eigentumswohnung), eingetragen.

Dazu gelangte sie wie folgt:

Die mittlerweile verstorbene Mutter der Erstbeklagten, deren Verlassenschaft hier Zweitbeklagte ist, war ursprünglich Eigentümerin der Eigentumswohnung und veräußerte diese mit (Raten)Kaufvertrag vom an die Klägerin, deren Eigentum im Grundbuch einverleibt wurde. Am brachte die Mutter der Erstbeklagten gegen die Klägerin eine Klage auf Aufhebung des Kaufvertrags und Einwilligung in die Löschung ihres Eigentumsrechts (kurz: Aufhebungsklage) mit der Begründung ein, die Klägerin sei mit der Bezahlung des Kaufpreises säumig. Über diese Klage erging am ein Versäumungsurteil, dessen Vollstreckbarkeit am bestätigt wurde. Am schloss die Erstbeklagte mit ihrer Mutter einen Kaufvertrag über diese Eigentumswohnung. Am beantragte die Erstbeklagte unter Vorlage des vollstreckbaren Versäumungsurteils und des Kaufvertrags vom 1. die Löschung des Eigentumsrechts der Klägerin, 2. die Wiederherstellung des vorherigen bücherlichen Stands durch Eintragung des Eigentumsrechts für die Mutter der Erstbeklagten und 3. die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Erstbeklagte. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom bewilligt, dessen Zustellung an die Klägerin unwirksam war.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom wurde (jedoch) die Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils vom wieder aufgehoben, weil nicht festgestellt werden konnte, dass die (damals) Beklagte im Zeitpunkt der Zustellung des Versäumungsurteils an der Zustelladresse wohnhaft gewesen sei. Auch das Versäumungsurteil wurde infolge Widerspruchs der (dort) Beklagten mit Beschluss vom aufgehoben. Nach dem Ableben der Mutter der Erstbeklagten und nach erfolgter Einverleibung des Eigentumsrechts der Erstbeklagten zog der Vertreter der Verlassenschaft die Aufhebungsklage am unter Anspruchsverzicht zurück.

Im Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Mutter der Erstbeklagten vom war als Kaufpreis ein Betrag von 130.800 EUR vereinbart, zahlbar in 60 aufeinanderfolgenden Monatsraten zu je 2.180 EUR, beginnend mit . Im Falle des Zahlungsverzugs waren 6 % Verzugszinsen vereinbart.

Die Klägerin bezahlte der Mutter der Erstbeklagten von April 2003 bis inklusive November 2005 67.688,64 EUR. Da als Nebenabrede zum Kaufvertrag vereinbart war, dass die von der Mutter der Erstbeklagten wirtschaftlich zu tragenden Betriebskosten von der Klägerin bezahlt werden sollten und von dieser von den monatlichen Raten von je 2.180 EUR in Abzug gebracht werden können, bezahlte die Klägerin auf diesem Weg weitere 2.071,36 EUR.

Die Mutter der Erstbeklagten trat dieser mit Abtretungsvertrag vom alle rechtskräftig festgestellten bzw noch geltend zu machenden Forderungen gegenüber der Klägerin aus welchem Rechtsgrund immer ab.

Ihre bereits im Jahr 2014 eingebrachte Löschungsklage begründete die Klägerin im Wesentlichen mit der nachträglichen Beseitigung des der Eigentumseinverleibung der Erstbeklagten zugrunde liegenden Versäumungsurteils; dieses sei auf ungesetzliche Weise zustande gekommen, weshalb der Titel materiell unwirksam gewesen sei. Die Erstbeklagte habe nicht gutgläubig im Sinne des GBG sein können, weil ihre Mutter weder bei Kaufvertragsabschluss noch bei Antragstellung beim Grundbuch einverleibt gewesen sei. Im Fall der Klagestattgebung würde sie den Restkaufpreis an die Zweitbeklagte auf einmal bezahlen.

Die Erstbeklagte wendete zusammengefasst ein, sie sei beim Erwerb stets gutgläubig gewesen. Eine das materielle Recht verletzende Eintragung liege nicht vor, weil der mit dem Versäumungsurteil festgestellte Anspruch bestehe. Aufgrund der Nichtzahlung der im Kaufvertrag vereinbarten Raten durch die Klägerin seien die fälligen Raten eingeklagt und es sei Terminsverlust geltend gemacht worden. Die Aufhebung des Kaufvertrags sei daher zu Recht erfolgt. Mit der Klagerücknahme unter Anspruchsverzicht sei kein Verzicht auf den materiellen Anspruch verbunden.

Die zweitbeklagte Verlassenschaft trat dem Klagebegehren nur insoweit entgegen, als dieses darauf gerichtet war, eine Einverleibung des Eigentumsrechts für die Klägerin zu erwirken, ohne zumindest Zug um Zug den restlichen Kaufpreis zu bezahlen oder sicherzustellen. Für den Fall der Einverleibung des Eigentumsrechts an der Wohnung für die Klägerin bestehe die Gefahr, dass die Restkaufpreiszahlung nicht durchgesetzt werden könne, weshalb die „Unsicherheitseinrede/Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags“, erhoben werde. Ein vom Verlassenschaftskurator mit der Klägerin geschlossener, verlassenschaftsgerichtlich genehmigter Generalvergleich sehe ua vor, dass die Aufhebungsklage unter Anspruchsverzicht zurückgezogen werde, weil der Verlassenschaft bei einem Obsiegen in diesem Prozess die Erfüllung des aus einer Vertragsauflösung folgenden Anspruchs auf Rückabwicklung des bereits erhaltenen Kaufpreisteils unmöglich wäre.

Das Erstgericht gab dem Löschungs, Wiederherstellungs und Einverleibungsbegehren statt (womit es die im Beschluss vom antragsgemäß bewilligten Grundbuchseintragungen wieder rückgängig machte). Im Zeitpunkt des Grundbuchantrags durch die Erstbeklagte sei deren Mutter nicht im Grundbuch eingetragen gewesen, weshalb der Erstbeklagten ein Vertrauen auf den Grundbuchstand nicht zugute kommen könne. Die Löschungsklage sei daher nicht verfristet. Das Versäumungsurteil, sohin der Titel, mit dem die Erstbeklagte die Einverleibung ihres Eigentumsrechts ob der im Spruch genannten Liegenschaftsanteile erwirkt habe, sei rechtskräftig aufgehoben und die diesem Versäumungsurteil zugrunde liegende Aufhebungsklage unter Anspruchsverzicht zurückgezogen worden. Daher sei der Titel, welcher Einverleibung zugrunde liege, materiell unwirksam. Eine ZugumZugEinrede der Zweitbeklagten komme gegenüber der auf die Angleichung des Grundbuchstands an die materielle Rechtslage abzielenden Löschungsklage nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Erstbeklagten nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Es übernahm die Begründung des Erstgerichts (§ 500a ZPO) und ergänzte diese wie folgt: Geschützt sei ausschließlich das Vertrauen auf den Grundbuchstand nicht aber jenes auf außerbücherliche Umstände. Sekundäre Feststellungsmängel zur allfälligen Kenntnis der Erstbeklagten von einer mangelhaften Zustellung der Klage und des Versäumungsurteils lägen daher nicht vor. Wegen Aufhebung des Versäumungsurteils und Rückziehung der Aufhebungsklage unter Anspruchsverzicht sei der der Einverleibung der Erstbeklagten zugrunde liegende Titel materiell unwirksam, ohne dass es einer weiteren Prüfung bedürfe, ob der mit dem Versäumungsurteil festgestellte Anspruch bestehe oder nicht. Eine Zug-um-Zug-Einrede sei mangels zueinander im synallagmatischen Verhältnis stehender gegenseitiger Leistungen ausgeschlossen.

Mit ihrer außerordentlichen Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung strebt die Erstbeklagte die Abänderung durch Klageabweisung an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Sie macht im Wesentlichen eine Durchbrechung des positiven Publizitätsgrundsatzes des Grundbuchs im Zusammenhang mit dem Gutglaubensschutz dritter Personen, ausgelöst durch eine öffentliche Urkunde, geltend. Der Grundbuchstand sei ihr bekannt gewesen, ihr guter Glaube habe sich jedoch auf das vorliegende Urteil mit Rechtskraftstampiglie erstreckt, also eine öffentliche Urkunde nach § 292 ZPO, die vollen Beweis begründe. Wenn durch eine solche einverleibungsfähige Urkunde der wahre Grundbuchstand durch ihr Gesuch erst geschaffen werden solle, sei die Erstbeklagte umso schutzwürdiger. Der Schutz des gutgläubigen Erwerbers müsse über den Schutz nach dem GBG hinausgehen; die Gutgläubigkeit also auch hinsichtlich des Titels und des Modus nach ABGB geschützt sein. Wären die entsprechenden Feststellungen (gemeint: zur Unkenntnis der Erstbeklagten von der unwirksamen Zustellung) getroffen worden, wäre die Klage abzuweisen gewesen.

Aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin offenbar mit der Zahlung der Kaufpreisraten säumig gewesen sei, sei konkret zu befürchten, dass der Kaufpreis nicht bezahlt werde. Daher wäre die ZugumZugLeistung in den Urteilsspruch aufzunehmen gewesen.

Unabhängig vom Wegfall des Versäumungsurteils berechtigten nur materiell unrichtige Einverleibungen zur Löschungsklage, die hier nicht vorlägen. Aufgrund des damals als rechtskräftig anzusehenden Versäumungsurteils sei dem Abschluss eines Kaufvertrags zwischen der Zweitbeklagten und der Erstbeklagten sowie deren anschließendem Grundbuchsgesuch kein rechtliches Hindernis entgegen gestanden. Wegen Nichtzahlung der im Kaufvertrag vereinbarten Raten sei dessen Aufhebung zu Recht erfolgt.

Die Klägerin erstattete – ohne Freistellung – eine Revisionsbeantwortung, mit der sie nur die Gutgläubigkeit der Erstbeklagten in Abrede stellt und die Zurückweisung der Revision beantragt, hilfsweise deren Abweisung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Vorweg ist klarzustellen:

1.1. Das Erstgericht verneinte – im Hinblick auf die im nur gegen die hier Erstbeklagte geführten Vorprozess (s 6 Ob 150/13x) ergangene rechtskräftige Klageabweisung – das Prozesshindernis der res iudicata in der Begründung seines Urteils. Das blieb von Beklagtenseite unbekämpft, weshalb dazu eine für den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung vorliegt (vgl RISJustiz RS0039774).

1.2. Im Vorprozess wurde entschieden, dass es sich bei den beiden beklagten Parteien um eine notwendige Streitgenossenschaft handelt (6 Ob 150/13x). Sie bilden also eine einheitliche Streitpartei, bei der sich die Wirkung der Prozesshandlungen tätiger Streitgenossen gemäß § 14 Abs 2 ZPO auch auf die säumigen Streitgenossen erstreckt. Erhebt also einer der Streitgenossen ein Rechtsmittel, so wirkt es auch zugunsten des Säumigen (2 Ob 41/11k; 10 Ob 47/11a mwN; RS0113760). Daher ist weder das Ersturteil noch jenes des Berufungsgerichts gegenüber der im Rechtsmittelverfahren untätig gebliebenen Zweitbeklagten in Teilrechtskraft erwachsen.

1.3. Die Erhebung eines Teils eines von der Erstbeklagten selbst erstatteten Revisionsschriftsatzes zum integrierten Bestandteil der von der Kollisionskuratorin verfassten Revision ist als unzulässiger Verweis auf den Inhalt eines anderen (Rechtsmittel- oder sonstigen) Schriftsatzes unzulässig und daher unbeachtlich (RS0043579; RS0043616; RS0007029).

2. Inhaltlich ist der Revision nicht zu folgen, wenn sie meint, die Erstbeklagte habe sich beim Erwerb des Eigentums an der Eigentumswohnung im guten Glauben iSd § 63, 64 GBG befunden.

2.1. Der Vertrauensgrundsatz (oder das materielle Publizitätsprinzip) ist auf die Rechtsscheinwirkung des öffentlichen Grundbuchs zurückzuführen. Aufgrund des Eintragungsgrundsatzes erzeugt das Grundbuch den Anschein einer bestimmten Rechtslage. Der grundbücherliche Vertrauensgrundsatz besagt daher, dass das Vertrauen desjenigen, der seine Disposition auf den Rechtsschein des Grundbuchs gründet, unter bestimmten Voraussetzungen zu schützen ist. Seinen Ausdruck findet dieser Grundsatz in den Bestimmungen der § 468, 469, 527, 1443 und 1500 ABGB sowie in der starken Beschränkung der Löschungsklage gegen Dritte nach § 63 ff GBG (Rechberger/Bittner Grundbuchsrecht² Rz 168).

Die positive Seite des Vertrauensgrundsatzes („Was eingetragen ist, gilt“) ist in den § 61 ff GBG geregelt. Geschützt ist immer nur das Vertrauen auf den Grundbuchstand, nicht aber auf außerbücherliche Umstände; diese können allenfalls den guten Glauben zerstören (vgl die Problematik offenkundiger Dienstbarkeiten [RS0034803]). Die Gutgläubigkeit ist also nur nach dem Grundbuchstand zu beurteilen, weshalb der Vertrauensgrundsatz dann zum Tragen kommt, wenn ein gutgläubiger Dritter im Vertrauen auf den Grundbuchstand bücherliche Rechte erwirbt (Hinteregger in Schwimann/Kodek ABGB4 Vor § 431–446 Rz 14; Höller in Kodek Grundbuchsrecht2§ 4 GBG Rz 73 f; Rassi Grundbuchsrecht² Rz 78). Es kommt darauf an, ob Zweifel an der Richtigkeit des Grundbuchstandes erweckt wurden (vgl RS0011345).

2.2. Der einer Löschungsklage entgegenstehende gute Glaube eines im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Dritten muss nicht bloß im Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbsgeschäfts, sondern auch noch im Zeitpunkt des Ansuchens um grundbücherliche Einverleibung gegeben gewesen sein (RS0011323 [T1]).

Da die neuerliche Einverleibung des Eigentumsrechts der Mutter der Erstbeklagten an der Eigentumswohnung jedenfalls erst nach dem Abschluss des Kaufvertrags zwischen der Erstbeklagten und ihrer Mutter erfolgte, erwarb die Erstbeklagte die Eigentumswohnung erst zu einem Zeitpunkt, als das Eigentumsrecht ihrer Vorfrau noch nicht im Grundbuch eingetragen war (vgl Holzner in Rummel/Lukas4§ 431 ABGB Rz 26; G. Kodek in G. Kodek Grundbuchsrecht2§ 63 GBG Rz 14). Ein guter Glaube an die Gültigkeit der bestrittenen Einverleibung (§ 63 Abs 2 GBG), also auf einen bestimmten Grundbuchstand, kommt dann aber von vornherein nicht in Betracht (4 Ob 523/92 mwN), weshalb die Erstbeklagte schon deshalb nicht als gutgläubig iSd § 63, 64 GBG angesehen werden kann. Ihr allenfalls gerechtfertigtes Vertrauen auf außerbücherliche Umstände vermag daran nichts zu ändern, weil dieses einer Löschungsklage nicht wirksam entgegen gehalten werden kann.

2.3. Ist aber der Erwerber (Dritte) nicht gutgläubig, dann bleibt dem durch die unrichtige Eintragung Beschwerten das Recht zur Löschungsklage während der 30jährigen Verjährungsfrist offen (RS0011344). Erst die Verjährung der Löschungsklage bewirkt die Unanfechtbarkeit der Einverleibung, die solcherart den Eigentumserwerb auch ohne Titel herbeiführen kann (RS0011346 [T1]; RS0011342 [T1]; RS0011270 [T3]). Somit hat sich die Klägerin der Löschungsklage noch nicht verschwiegen.

3. Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wegen Aufhebung des Versäumungsurteils und Rückziehung der Aufhebungsklage unter Anspruchsverzicht sei der der Einverleibung der Erstbeklagten zugrunde liegende Titel materiell unwirksam.

3.1. Die Klage auf Löschung einer ungültigen Eintragung wird gewährt, wenn die Einverleibung aus dem Grunde der ursprünglichen Nichtigkeit oder durch nachträglichen Wegfall des Rechtstitels, auf dem sie beruht, vom Grundeigentümer angefochten wird (RS0107070 [T1]). Die Löschungsklage setzt somit voraus, dass bereits im Zeitpunkt der Eintragung die materielle Fehlerhaftigkeit zugunsten des Beklagten vorlag (G. Kodek in G. Kodek Grundbuchsrecht² § 61 GBG Rz 6; Rassi Grundbuchsrecht² Rz 497) und steht im Fall einer ursprünglichen Nichtigkeit (Geschäftsunfähigkeit, Scheingeschäft, Nichteintritt einer Bedingung, Nichteinhalten der nötigen Form für bestimmte Rechtsgeschäfte) zur Verfügung; es genügt auch die ex-tunc-Anfechtung wegen des nachträglichen Wegfalls des Rechtstitels, auf dem die bekämpfte Einverleibung beruht (3 Ob 616/83 NZ 1984, 134 [einvernehmlicher Vertragsaufhebung vor Einverleibung]; vgl 5 Ob 13/70 = SZ 43/75; RS0060512 [T3]). Hingegen kann eine Löschungsklage nach der Rechtsprechung nicht auf einen erst nach rechtswirksamer Eintragung eingetretenen Umstand gestützt werden, zB bei Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks (RS0024586), Aufhebung von Ehepakten (RS0060337) oder bei Kompensation der pfandgesicherten Forderung mit einer erst später entstandenen Gegenforderung (5 Ob 13/70 = SZ 43/75; 9 Ob 227/99v = RS0107070 [T8]).

3.2. Die für die materielle Fehlerhaftigkeit der Eintragung als Anspruchsvoraussetzung einer Löschungsklage behauptungs- und beweispflichtige Klägerin stützte die materielle Unwirksamkeit des Titels im Wesentlichen nur darauf, das der Eigentumseinverleibung der Erstbeklagten zugrunde gelegte Versäumungsurteil sei auf ungesetzliche Weise zustande gekommen, aufgehoben und nachträglich beseitigt worden. Sie leitet die materiell-rechtliche Unwirksamkeit der im Versäumungsurteil ausgesprochenen Aufhebung des Kaufvertrags und Einwilligung in die Löschung ihres Eigentumsrechts somit erkennbar aus der Aufhebung des Versäumungsurteils infolge ihres Widerspruchs ab.

Allerdings muss der Wegfall des Rechtstitels auch zum Verlust des der bekämpften Eintragung zugrunde liegenden Anspruchs geführt haben. Die bloße Aufhebung eines Versäumungsurteils, auf dem eine grundbücherliche Eintragung beruht, ist daher nicht ausschlaggebend. Im Zuge des über eine Löschungsklage durchgeführten Verfahrens ist daher zu prüfen, ob der mit dem Versäumungsurteil festgestellte Anspruch besteht oder nicht (2 Ob 511/96; RS0107070 [T5]), und zwar bezogen auf den Zeitpunkt der mit der Löschungsklage bekämpften Eintragung.

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es bedürfe keiner weiteren Prüfung, ob der mit dem Versäumungsurteil festgestellte Anspruch bestehe oder nicht, kann daher nicht beigetreten werden.

3.3. Wesentlich ist vielmehr, ob es vor der Einbringung des Grundbuchsgesuchs am (vgl RS0061117) zu der im Versäumungsurteil ausgesprochenen Aufhebung des Kaufvertrags und es deshalb zur ebenfalls ausgesprochenen Verpflichtung der Klägerin kam, in die Einverleibung der Löschung ihres Eigentumsrechts (und der– neuerlichen – Einverleibung des Eigentumsrechts der Mutter der Erstbeklagten) einzuwilligen.

Tatsachenvorbringen der Klägerin, das eine (abschließende) Beurteilung dieser Fragen zuließe, liegt nicht vor. Nach den Behauptungen der Erstbeklagten habe ihre Mutter wegen der Nichtzahlung der im Kaufvertrag vereinbarten Raten durch die Klägerin die fälligen Raten mit Klage sowie Terminsverlust geltend gemacht, weshalb die Aufhebung des Kaufvertrags zu Recht erfolgt sei, wozu das Erstgericht jedoch keine Feststellungen getroffen hat. Allerdings bleibt auch danach unklar, ob die Mutter der Erstbeklagten unabhängig von der Einbringung der (offensichtlich nicht wirksam zugestellten) Aufhebungsklage den Rücktritt vom Vertrag erklärte. Die Behauptung der Klägerin, sie habe der Beklagten vom bis November 2005 32 Mal 2.180 EUR, insgesamt also 69.760 EUR bezahlt, und die dem entsprechende Feststellung des Erstgerichts reichen nicht aus, weil sie nicht erkennen lassen, ob die Klägerin dabei in Verzug geraten war.

3.4. Eine Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz zwecks Erörterung der dargestellten Rechtslage zur materiellen Unwirksamkeit des der bekämpften Eintragung zugrunde liegenden Titels, um den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben, ist somit unvermeidbar.

3.5. Da sich die Klägerin zur materiell-rechtlichen Unrichtigkeit der von ihr bekämpften Eintragung gar nicht auf die (lange nach deren Zeitpunkt erfolgte) Rückziehung der Aufhebungsklage unter Anspruchsverzicht durch die Zweitbeklagte beruft, bedarf es keine Auseinandersetzung mit den (allfälligen) materiell-rechtlichen Wirkungen dieser Prozesserklärung (vgl dazu 4 Ob 62/18y; Lovrek in Fasching/Konecny³ § 237 ZPO Rz 2 ff).

4. Sollte das Erstgericht nach der Erweiterung des Verfahrens zum Ergebnis gelangen, dass im Zeitpunkt der bekämpften Eintragung deren materielle Fehlerhaftigkeit nicht gegeben war, weil der Kaufvertrag vom durch Rücktritt der Mutter der Erstbeklagten bereits aufgelöst und die Klägerin zur Rückübertragung des Eigentums an der Eigentumswohnung an die Mutter der Erstbeklagten verpflichtet war, wäre die Löschungsklage abzuweisen.

5. Sollte sich hingegen herausstellen, dass dieser Kaufvertrag damals noch aufrecht war, wäre der mit der Löschungsklage geltend gemachte Anspruch grundsätzlich zu bejahen.

5.1. In diesem Zusammenhang ist allerdings Folgendes zu beachten:

Während die Erstbeklagte das Klagebegehren uneingeschränkt bestritt, trat ihm die Zweitbeklagte nur insoweit entgegen, als es auf eine Einverleibung des Eigentumsrechts für die Klägerin gerichtet war, ohne (wegen der Gefahr der Uneinbringlichkeit) zumindest Zug um Zug den restlichen Kaufpreis an sie zu bezahlen (s aber die festgestellte Zession der Ansprüche der Mutter der Erstbeklagten an diese) oder sicherzustellen. Orientiert man sich am Urteilsgegenantrag der Zweitbeklagten, liegt eine Anerkennung des Löschungsanspruchs, der mit dem Einwand einer Zug-um-Zug-Leistungspflicht verknüpft ist, vor (vgl § 1052 Satz 1 ABGB; RS0016321). Orientiert man sich hingegen an der Begründung für den Einwand, erhebt die Zweitbeklagte die Unsicherheitseinrede nach § 1052 Satz 2 ABGB; die begründete Unsicherheitseinrede führt aber zur Klageabweisung, die durch – hier allerdings nicht erfolgte – Bewirkung der Nachleistung oder Sicherstellung abgewendet werden kann (Aicher in Rummel/Lukas4§ 1052 ABGB Rz 51).

5.2. Damit widersprechen einander die Prozesserklärungen der beiden einheitlichen Streitparteien. Da allerdings auch das Vorbringen der Zweitbeklagten in sich widersprüchlich und daher unschlüssig ist, was auch dazu eine Erörterung verlangt, erübrigt sich derzeit eine Auseinandersetzung mit der Frage, welche Konsequenzen widersprüchliche Prozesserklärungen der notwendigen Streitgenossen haben (vgl Schneider in Fasching/Konecny³ § 14 ZPO Rz 103 ff; RS0035701 [T6]).

5.3. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist noch festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach eine Zug-um-Zug-Einrede gegenüber einer Löschungsklage als zulässig angesehen hat (RS0016321 [T10]).

6. Da die dargestellten Unklarheiten im Vorbringen aller Parteien mit ihnen erörtert werden müssen, sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache ist zur entsprechenden Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurückzuverweisen.

7. Der ausgesprochene Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00113.19T.0829.000

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