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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 06.07.2011, RV/2224-W/10

EU-Widrigkeit der Kammerumlage 1

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch A, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Abweisung des Antrages auf Festsetzung und auf Rückzahlung der Kammerumlage I gemäß § 122 Wirtschaftskammergesetz 1998 für das erste Quartal 2010 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt am eingelangt, stellte die Bw. einen Antrag auf Festsetzung der Kammerumlage I mit jeweils € 0,00 sowie auf Rückzahlung der Kammerumlage I für das 1. Quartal 2010 und führte dazu aus:

"Unter Hinweis auf die nachstehende Begründung haben wir die KU I für das erste Quartal 2010 mit € 0,00 berechnet. Rechnerisch ergäbe sich für das erste Quartal 2010 ein Zahlungsbetrag von € 3.275,79, den wir auf Grund der im folgenden geäußerten Rechtsansicht nicht schulden. Eine Einzahlung dieses Betrages ist jedoch bereits erfolgt.

Die Selbstberechnung der Kammerumlage I mit dem Betrag von € 0,00 erfolgt mit folgender Begründung:

Die Bw. ist eine Steuerpflichtige im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MWSt- Systemrichtlinie).

Die Bw. beruft sich auf einen Verstoß von § 122 WKG gegen Art 168 MWSt- Systemrichtlinie. Der Verstoß liegt darin, dass Art. 168 MWSt- Systemrichtlinie einen Vorsteuerabzug für bestimmte Beträge vorsieht, während § 122 WKG diese Beträge der Umlagepflicht unterzieht und somit den Vorsteuerabzug in einer Weise einschränkt, die nach der MWSt- Systemrichtlinie nicht ausdrücklich zugelassen ist.

Sohin stellt die Bw. innerhalb offener Frist den Antrag, die Abgabenbehörde möge die Kammerumlage I bescheidmäßig mit dem Betrag von € 0,00 festsetzen, jedenfalls aber die Kammerumlage mit Bescheid festsetzen. Weiters stellt die Bw. einen Antrag auf Rückzahlung der Unrecht erhobenen Abgabe. Hinsichtlich der Begründung verweisen wir auf die obigen Ausführungen.

Sollte die Abgabenbehörde die Kammerumlage I nicht mit dem Betrag von € 0,00 festsetzen und nicht zurückzahlen, so behält sich die Bw. das Recht vor, Berufung gegen diesen Bescheid zu erheben, in welcher sie die Rechtswidrigkeit der Festsetzung eingehender begründen wird".

Am erließ das Finanzamt hinsichtlich des gestellten Antrages auf Festsetzung und auf Rückzahlung der Kammerumlage I für das erste Quartal 2010 einen Abweisungsbescheid und begründete diesen damit, dass keine Festsetzung der Abgabe zu erfolgen habe, wenn sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als richtig erweise. Der EuGH habe mit Urteil vom Rs C-318/96 in der Erhebung der Kammerumlage keinen Verstoß gegen die Mehrwertsteuerrichtlinie - damals 6. MwSt RL - erblickt.

Die steuerliche Vertretung der Bw. erhob in weiterer Folge mit Schreiben vom das Rechtsmittel der Berufung gegen den "Bescheid über die Abweisung des Rückzahlungsantrages betreffend Kammerumlage I für das erste Quartal 2010 vom ", nach Vorbringen der steuerlichen Vertretung zugestellt am , und beantragte zunächst "die Rückzahlung der Kammerumlage I für das erste Quartal 2010 mit € 3.275,79".

Wie die steuerliche Vertretung dazu ausführt, sei die Bw. eine Steuerpflichtige im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MWSt-Systemrichtlinie). Einer der wichtigsten Grundsätze dieser Richtlinie und somit des gesamten europäischen Umsatzsteuerrechts sei der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer. Die zentrale Bestimmung, die diesen Grundsatz gewährleisten solle, sei das Recht auf Vorsteuerabzug. Gem. § 12 Abs 1 Z 1 UStG 1994 sei der Unternehmer berechtigt, die von anderen Unternehmern in einer Rechnung gem. § 11 UStG 1994 an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden seien, als Vorsteuer abzuziehen. Diese Bestimmung beruhe auf Art 17 Abs 1 bis 3 der sechsten MWSt- Richtlinie bzw. Art 168 der MWSt-Systemrichtlinie, welche ausschließlich dieses Recht auf Vorsteuerabzug einräumten.

In seiner Rechtsprechung habe der EuGH bereits mehrmals festgehalten, dass das Recht auf Vorsteuerabzug ein wesentliches Element der Kostenneutralität sei, welches durch Maßnahmen der Staaten nicht beeinträchtigt werden solle. Die Neutralität der Mehrwertsteuer dürfe nicht durch Einschränkung des Vorsteuerabzuges in Frage gestellt werden, weil sie ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sei (siehe dazu zB , HE, Rn 80; bis C 147/98, Gabalfrisa u.a.). Weiters folge aus dem Mehrwertsteuersystem, dass die Steuerpflichtigen das Recht auf Abzug der gesamten Steuerbelastung sofort ausüben dürften, sofern es keine Vorschrift gäbe, die den Mitgliedstaaten eine Einschränkung dieses Rechtes gestatte. Da derartige Einschränkungen in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelten müssten, seien Ausnahmen nur in den in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig (vgl. RX C 94-90 Lennartz, Rz 28 und RS 50/97, Kommission/Frankreich, Rn 16 und 17).

Nach § 122 WKG sei die Bemessungsgrundlage der Kammerumlage I die Summe aus den Vorsteuerbeträgen für Lieferungen und sonstige Leistungen, den Erwerbsteuern auf innergemeinschaftliche Erwerbe, aus Einfuhrumsatzsteuern und jener Umsatzsteuerschuld, die auf die Gesellschaft übergegangen sei. Wirtschaftlich betrachtet werde durch § 122 WKG das Recht auf Vorsteuerabzug eingeschränkt bzw. teilweise rückgängig gemacht.

Die Bw. berufe sich auf den Verstoß von § 122 WKG gegen Art 17 Abs. 1 bis 3 der sechsten MwSt-Richtlinie bzw. gegen Art 168 MwSt-Systemrichtlinie. Der Verstoß liege darin, dass Art 17 Abs 1 bis 3 sechste MwSt-Richtlinie bzw. Art 168 MwSt-Systemrichtlinie einen Vorsteuerabzug für bestimmte Beträge vorsähe, während § 122 WKG diese Beträge der Umlagenpflicht unterzöge und somit den Vorsteuerabzug in einer Weise einschränke, die nach der MwSt-Systemrichtlinie nicht ausdrücklich zugelassen sei.

Weiters verletze § 122 WKG den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer.

Da die Kammerumlage von Vorsteuerbeträgen für Lieferungen und sonstige Leistungen, den Erwerbsteuern auf innergemeinschaftliche Erwerbe, aus Einfuhrumsatzsteuern und den Reverse-Charge-Beträgen der Bw. berechnet werde, berufe sich die Bw. weiters auf einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz gem. Art 7 B-VG bzw. gem. dem EU-rechtlich gebotenen Gleichheitssatz auf Grund der Rechtsprechung des EuGH (vgl. zB. , Ideal Tourisme SA; C-85-97, Societé financière d'investissesments SPRL (SFI) u.a.) da - die Kammerumlage I derzeit nicht Rücksicht auf die Leistungskraft der Kammermitglieder nähme und - derzeit viele Kammermitglieder trotz vorhandener Leistungskraft umlagenfrei gestellt würden, - während viele Kammermitglieder durch sehr hohe Umlagen belastet würden (vgl. Beiser, Rechtfertigung und Grenzen der Umlagenfinanzierung der Wirtschaftskammern - eine verfassungsrechtliche Analyse des Status quo und Vorschläge de lege ferenda, SWK 9/2008).

Die Bw. werde nämlich im Vergleich zu anderen Unternehmen verhältnismäßig stärker mit Kammerumlagen belastet, was zu einem Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatz führe.

Die Bw. berufe sich somit auf die EU-Widrigkeit der Kammerumlage und stelle daher nochmals den Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Widerspruch im Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union (Antrag gemäß § 299 BAO iVm § 302 IVm § 201 BAO) und den Antrag, die Kammerumlage für das erste Quartal 2010 rückzuzahlen.

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die anhängige Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass zwar das Berufungsbegehren formell nur auf die "Rückzahlung" der Kammerumlage gerichtet ist, sich jedoch aus dem Zusammenhalt der Berufungsausführungen ergibt, dass die Bw. erstens die Kammerumlage I für den vom Antrag umfassten Zeitraum gemäß § 201 BAO mit € 0,00 festgesetzt haben will, da sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nach Ansicht der Bw. nicht richtig erwiesen hat, und zweitens, das sich anschließend - folgt man dem Antrag der Bw. - ergebende Guthaben zurückgezahlt haben möchte.

§ 122 Abs. 5 Z 2 und Abs. 7 Wirtschaftskammergesetz (WKG) enthalten eine zwingende Anordnung über die Selbstberechnung der Kammerumlage durch den Schuldner.

Kammerumlagen stellen nach § 126 Abs. 2 WKG Abgaben im Sinne der Bundesabgabenordnung (BAO) dar, weshalb die entsprechenden Verfahrensvorschriften insoweit anzuwenden sind, als das WKG keine abweichenden Bestimmungen enthält.

Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs. 1 BAO in der für den Streitzeitraum 9-12/2009 geltenden Fassung nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 der genannten Bestimmung auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Aus § 201 Abs. 1 BAO ergibt sich, dass erstmalige Festsetzungen von Selbstberechnungsabgaben von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabepflichtigen zu erfolgen haben bzw. erfolgen können. Die Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe setzt stets voraus, dass sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist oder dass der Abgabepflichtige, obwohl er hiezu verpflichtet ist, keinen selbstberechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt.

Die Festsetzung kann § 201 Abs. 2 BAO zufolge erfolgen,

1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,

3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden,

4. ---

5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b BAO oder des § 295a BAO die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.

Gemäß § 201 Abs. 3 BAO hat die Festsetzung zu erfolgen,

1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist, oder

2. wenn bei sinngemäßer Anwendung der 303 bis 304 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag der Partei vorliegen würden.

Dem § 201 Abs. 2 und 3 BAO zufolge ist die Festsetzung in einigen Fällen stets antragsgebunden. Die Antragsbefugnis steht dem Abgabepflichtigen im Sinne des § 77 BAO zu.

Fristen zur Antragstellung ergeben sich aus:

§ 201 Abs. 2 Z 1 BAO: ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

§ 201 Abs. 3 Z 1 BAO: ein Monat ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages; bei Wahrung dieser Frist liegt die Festsetzung der Abgabe nicht im Ermessen der Abgabenbehörde,

§ 201 Abs. 3 Z 2 BAO: drei Monate ab nachweislicher Kenntnis des "Wiederaufnahmsgrundes", sofern der Antrag innerhalb der für Wiederaufnahme auf Antrag maßgebenden Frist des § 304 BAO eingebracht wird (vgl. Ritz, BAO³, § 201 Tz 25).

Mittelbar ergeben sich weitere Fristen aus § 201 Abs. 2 Z 3 BAO und aus § 201 Abs. 2 Z 4 BAO. In beiden Fällen ergibt sich die Antragsfrist de facto aus der jeweils maßgebenden Verjährungsfrist (vgl. Ritz, BAO³, § 201 Tz 26).

Der streitgegenständlich zu beurteilende Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Kammerumlage I, wurde offenkundig fristgerecht gemäß § 201 Abs. 3 Z 1 BAO gestellt, sodass ein Rechtsanspruch auf Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe besteht, sofern die Voraussetzungen des § 201 Abs. 1 BAO - keine Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages oder unrichtige Selbstberechnung - gegeben sind.

Die erstmalige Abgabenfestsetzung muss somit von der bekannt gegebenen Selbstberechnung abweichen (Ellinger/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 201 Anm 12)

Dies ist hier jedoch nicht der Fall:

Wie bereits in der gegenüber der Bw. ergangenen Berufungsentscheidung des UFS vom x, betreffend Vorzeiträume ausgeführt, kann gemäß § 122 Abs. 1 WKG zur Bedeckung der in den genehmigten Jahresvoranschlägen vorgesehenen und durch sonstige Erträge nicht gedeckten Aufwendungen der Landeskammern und der Bundeskammer von den Kammermitgliedern eine Umlage nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme eingehoben werden, wobei die Verhältnismäßigkeit auch an dem Verhältnis zwischen den Umlagebeträgen und der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen zu messen ist.

Die Umlage ist in einem Tausendsatz zu berechnen von jenen Beträge, die

1. auf Grund der an das Kammermitglied für dessen inländische Unternehmensteile von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen vom anderen Unternehmer, ausgenommen auf Grund von Geschäftsveräußerungen, als Umsatzsteuer geschuldet werden,

2. als Umsatzsteuerschuld auf Grund der an das Kammermitglied für dessen Unternehmen von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen auf das Kammermitglied übergegangen ist,

3. auf Grund der Einfuhr von Gegenständen für das Unternehmen des Kammermitgliedes oder auf Grund des innergemeinschaftlichen Erwerbs für das Unternehmen des Kammermitglieds vom Kammermitglied als Umsatzsteuer geschuldet werden.

Der Tausendsatz beträgt für die Bundeskammer 1,3 vT und für alle Landeskammern einheitlich 1,9 vT der Bemessungsgrundlagen gemäß Z 1 bis 3. Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer kann jeweils geringere Tausendsätze beschließen.

Der Kammertag der Wirtschaftskammer Österreich fasste am , mit Wirkung ab , ua folgenden Beschluss:

a) Der Umlagensatz für die Bundeskammer wird mit 1,2 von Tausend der Bemessungsgrundlagen gemäß § 122 Abs. 1 WKG 1998 festgelegt.

b) Der Umlagensatz für die Landeskammern wird einheitlich mit 1,8 von Tausend der Bemessungsgrundlagen gemäß § 122 Abs. 1 WKG 1998 festgelegt.

Die nunmehr in Geltung stehende Mehrwertsteuersystemrichtlinie trat am in Kraft und löste die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ab. Die Artikel 17 Abs. 2 und Artikel 33 Abs. 1 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie wurden durch die Artikel 168 und 401 der MwSt-Systemrichtlinie ersetzt. Bei den dabei vorgenommenen Änderungen handelt es sich um keine Änderungen inhaltlicher Natur (vgl auch Berger, Was bringt die neue Mehrwertsteuerrichtlinie? in SWK 2007, S 462). Im Folgenden wird daher nur mehr auf die Bestimmungen der MwSt-Systemrichtlinie eingegangen, die inhaltlich mit den korrespondierenden Bestimmungen der Sechsten Richtlinie deckungsgleich sind:

Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ("MwSt-Systemrichtlinie") lautet:

"Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

b) die Mehrwertsteuer, die für Umsätze geschuldet wird, die der Lieferung von Gegenständen beziehungsweise dem Erbringen von Dienstleistungen gemäß Artikel 18 Buchstabe a sowie Artikel 27 gleichgestellt sind;

c) die Mehrwertsteuer, die für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i geschuldet wird;

d) die Mehrwertsteuer, die für dem innergemeinschaftlichen Erwerb gleichgestellte Umsätze gemäß den Artikeln 21 und 22 geschuldet wird;

e) die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist."

Artikel 401 der MwSt-Systemrichtlinie hat folgenden Wortlaut:

"Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist."

Art. 401 der MwSt-Systemrichtlinie regelt die Zulässigkeit anderer Abgaben und Steuern neben der Mehrwertsteuer und sind nach dieser Bestimmung grundsätzlich konkurrierende Abgaben zulässig. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie soll durch diese Bestimmung die Einführung von Steuern, Abgaben und Gebühren verhindert werden, die das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigen, indem sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze so belasten, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist (vgl. , "Banca popolare di Cremona").

Eine Belastung liegt jedenfalls dann vor, wenn die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer gegeben sind:

- Allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte

- Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen

- Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe

- Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, sodass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird.

Im Zuge einer gesamthaften Beurteilung ist jedoch zu prüfen, ob die Abgabe das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, es ist besonderes Augenmerk auf das Erfordernis zu legen, dass die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems jederzeit gewährleistet ist.

Wendet man diese Kriterien auf die streitgegenständliche Kammerumlage 1 an, ist - und hier wird auf die ständige Spruchpraxis des UFS verwiesen - festzustellen, dass der Kammerumlage 1 die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer fehlen und sich eine der Mehrwertsteuer vergleichbare Abgabe auch nicht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ergibt.

1. Die Kammerumlage ist von den Beträgen zu rechnen, die von anderen Unternehmern auf Grund der an das Kammermitglied erbrachten Lieferungen und sonstigen Leistungen geschuldet werden. Es liegt damit aber keine Bemessung von den Umsätzen der Gegenstände und Dienstleistungen des umlageverpflichteten Kammermitglieds vor.

2. Die Abgabe wird von der Mehrwertsteuer des Vorlieferanten berechnet, daher ist keine proportionale Zuordnung zum Preis des Gegenstandes und der Dienstleistung gegeben.

3. Sie wird auf der Einzelhandelsstufe nicht erhoben.

4. Eine Zuordnung der Belastung der Kammermitglieder auf allfällige Verbraucher ist nicht möglich; die Abgabe wird nicht vom Verbraucher getragen.

Im Zuge der nach der Rechtsprechung des EuGH darüber hinaus anzustellenden Gesamtbeurteilung ist auf die Belastungskonzeption und die Besteuerungstechnik der Kammerumlage abzustellen. Im Gegensatz zur Mehrwertsteuer ist bei der Kammerumlage von der Belastungskonzeption her eine Abwälzung auf den Letztverbraucher nicht beabsichtigt und auch nicht möglich, weil eine genaue Zuordnung der Belastung nicht erfolgen kann. Auch die Besteuerungstechnik der Kammerumlage, und zwar die Bemessung von den Vorsteuern, Einfuhrumsatzsteuern und Erwerbssteuern, deutet nicht auf eine mit der Umsatzsteuer vergleichbare Abgabe hin.

Wenn vorgebracht wird, § 122 WKG verstoße gegen Artikel 168 der MwSt-Systemrichtlinie, da Artikel 168 der MwSt-Systemrichtlinie einen Vorsteuerabzug für bestimmte Beträge vorsehe, während § 122 WKG diese Beträge der Umlagepflicht unterziehe und somit den Vorsteuerabzug in einer Weise einschränke, die nach der MwSt-Systemrichtlinie nicht ausdrücklich zugelassen sei, ist auf das zur österreichischen Kammerumlage ergangene , SPAR Österreichische Warenhandels AG, zu verweisen, da - wie bereits erwähnt - die Artikel 17 Absatz 2 und 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie inhaltlich praktisch unverändert in die Artikel 168 und 401 der MwSt-Systemrichtlinie übernommen wurden. Ruppe gelangt in seinem Beitrag "Kein Verstoß der KU 1 gegen Gemeinschaftsrecht" () zur Auffassung, dass die Regelung des § 122 WKG mit einer Beschneidung des Vorsteuerabzuges inhaltlich nichts zu tun habe, da die Kammerumlage 1 nicht an die abziehbaren Vorsteuern anknüpfe, sondern die in Rechnung gestellten Vorsteuern die Bemessungsgrundlage bildeten. Das bedeute aber, so Ruppe, dass ein Unternehmer auch dann mit Kammerumlage 1 belastet sei, wenn er seine Vorsteuern gar nicht oder nur teilweise abziehen könne, weil er zum Beispiel ausschließlich oder teilweise steuerfreie Umsätze im Inland tätige. In diesem Fall bedeute die Kammerumlage 1 offensichtlich keine Beschneidung des Vorsteuerabzuges, sondern eine Zusatzbelastung. Wäre die Kammerumlage 1 inhaltlich als Regelung zu verstehen, die den Vorsteuerabzug wieder teilweise rückgängig machen solle, dürfte sie nicht erhoben werden, wenn der Steuerpflichtige ohnehin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Damit sei aber bestätigt, dass die Kammerumlage 1 nicht eine Beschneidung des Rechts auf Vorsteuerabzug bezwecke, sondern dass man eine praktikable und objektive Bemessungsgrundlage für eine Beitragsfinanzierung gesucht habe, die lediglich bemessungstechnisch mit dem Vorsteuerabzug in Verbindung stehe.

Der Unabhängige Finanzsenat hat bereits mehrfach entschieden, dass die Kammerumlage 1 (§ 122 WKG) gemeinschaftsrechtskonform ist (vgl. für viele ; , RV/0428-L/09; , RV/0427-L/09; , RV/0462-L/09, , RV/2116-W/09; ; ).

Zusammenfassend dargestellt kam der Unabhängige Finanzsenat in diesen Entscheidungen - die Berufungsvorbringen stimmen mit dem gegenständlichen Berufungsvorbringen inhaltlich weitestgehend überein - unter Hinweis auf die Ausführungen von Laudacher zur Gemeinschaftsrechtskonformität der Kammerumlage 1 (SWK 2009, T 145) - zum Schluss, dass

- die Einforderung der Umlage keine "Rückgängigmachung" der gemäß Art. 168 MWSt-Systemrichtlinie gewährten Vorsteuer darstellt;

- ein Verstoß gegen Art. 33 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie (neu Art. 401) nicht gegeben ist, weil die Kammerumlage keine der Mehrwertsteuer ähnliche Abgabe ist;

- die Niederlassungsfreiheit und das Beihilfenrecht durch das WKG in diesem Zusammenhang nicht verletzt werden.

Unter Bedachtnahme auf vorstehende Ausführungen bestand auch im vorliegenden Verfahren keine Veranlassung von der bisherigen Spruchpraxis des UFS abzugehen.

Das Finanzamt vertritt die Auffassung, dass die der jeweiligen Entrichtung zu Grunde liegende Bemessung durch die Bw. richtig ist.

Die Bw. hat, abgesehen von der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit, nicht dargelegt, dass die der jeweiligen Entrichtung zu Grunde liegende Bemessung durch die Bw. unrichtig sei.

Wie das Finanzamt zutreffend ausführt, haben Bescheide nach § 201 BAO über die Festsetzung von Selbstbemessungsabgaben nur dann zu ergehen, wenn von der Selbstberechnung der Bw. abzuweichen wäre.

Da dies nach den obigen Ausführungen nicht der Fall ist, kommt eine Festsetzung der Kammerumlage I nach § 201 BAO ebenso wenig in Betracht wie - mangels entsprechenden Guthabens - eine Rückzahlung.

Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem jüngst zu gegenständlicher Rechtsproblematik ergangenem Erkenntnis vom , Zl. 2009/15/0172, ausgesprochen hat, dass die Richtlinie 2006/112 der Erhebung einer Abgabe mit den Merkmalen der Kammerumlage I nach § 122 Abs. 1 bis 6 WKG nicht entgegenstehe und auch nicht ersichtlich sei, dass die Erhebung der gegenständlichen Kammerumlage I den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts (nunmehr Unionsrechts) berühre, weshalb auch kein Anwendungsfall der Gemeinschaftsgrundrechte (Unionsgrundrechte), so auch des gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatzes, vorliege. Dessen ungeachtet hegt der Verwaltungsgerichtshof auch im Hinblick auf die Befreiung von Unternehmen mit (geringen) Umsätzen sowie die unterschiedliche Belastung von Unternehmen je nach der Höhe des Betriebsaufwandes keine gleichheitsrechtlichen Bedenken. Auch das Beihilfenverbot steht der Erhebung der Kammerumlage I nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs nicht entgegen, da sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der Schuldner einer Abgabe in seinem Abgabenverfahren nicht darauf berufen kann, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgaben zu entziehen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Steuer und die vorgesehene Steuerbefreiung integraler Bestandteil einer Beihilfenmaßnahme wären. Dies würde voraussetzen, dass das Aufkommen aus der Abgabe notwendig für die Finanzierung der Beihilfe verwendet werde, was im gegenständlichen Fall nicht zutreffe. Es bestehe kein zwingender Zusammenhang zwischen einer Abgabe und der Befreiung von dieser Abgabe zugunsten einer Gruppe von Unternehmen; die Anwendung einer Abgabenbefreiung und deren Umfang hängen nicht vom Aufkommen aus der Abgabe ab (vgl. auch EuGH, vom , C-266/04 u.a., Nazairdis u.a., Rn 44; vgl. auch die Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, 2009/C 85/01, vom , Rn 73 bis 75).

Die Berufung vom gegen den Bescheid betreffend Abweidung des Antrages auf Festsetzung und auf Rückzahlung der Kammerumlage I für das 1. Quartal 2010 war daher als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 122 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
Schlagworte
Kammerumlage 1
EU-Widrigkeit
Verstoß gegen § 122 WKG

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at