Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSL vom 10.02.2011, RV/0376-L/10

Festsetzung eines Säumniszuschlages bei Aufrechnung von Abgabenzahlungsanspruch und negativem Abgabenzahlungsanspruch erst nach Fälligkeit der Stammabgabe

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/0376-L/10-RS1
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Säumniszu­schlagspflicht den Bestand eines formellen Abgabenzahlungsanspruches voraus (). Besteht ein solcher Zahlungsanspruch (fällige Abgabenschuld) und ergibt sich aus einem Einkommensteuerbescheid eine Gutschrift, entsteht der daraus resultierende negative Abgabenzahlungsanspruch mit Bekanntgabe (Zustellung) des Bescheides (Ritz, BAO³, § 210 Tz 5), sodass erst zu diesem Zeitpunkt sich Abgabenzahlungsanspruch und negativer Abgabenzahlungsanspruch aufrechenbar gegenüberstehen und eine Verrechnung der Gutschrift mit der Zahllast gemäß § 214 Abs. 1 BAO möglich ist.
RV/0376-L/10-RS2
Wer sich vom tatsächlichen Bestand eines "vermuteten" ausreichenden Guthabens am Abgabenkonto nicht überzeugt, nimmt in Kauf, dass die gesetzlichen Säumnisfolgen eintreten. In einem solchen Fall wird die für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen, weshalb ein über den minderen Grad des Ver­sehens hinausgehendes Verschulden an der Säumnis vorliegt (vgl. mwN).

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Ludwig Kreil und die weiteren Mitglieder Mag. Alfred Zinöcker, Dr. Ernst Grafenhofer und Leopold Pichlbauer im Beisein der Schriftführerin Tanja Grottenthaler über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom zu StNr. 000/0000, mit dem von der Einkommensteuervorauszahlung 01-03/2010 in Höhe von 10.000,00 € gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 200,00 € festgesetzt wurde, nach der am durchgeführten Beratung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hatte das Finanzamt die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2010 und Folgejahre mit 73.578,15 € festgesetzt.

Aufgrund eines am elektronisch eingelangten Antrages wurde die Vorauszahlungen mit Bescheid vom auf 40.000,00 € herabgesetzt. Für das erste Quartal 2010 ergab sich daraus eine am fällige Vorauszahlung in Höhe von 10.000,00 €.

Am langte die elektronisch eingebrachte Einkommensteuererklärung des Berufungswerbers für das Veranlagungsjahr 2009 ein.

Aus der mit Bescheid vom durchgeführten erklärungsgemäßen Veranlagung ergab sich eine Gutschrift in Höhe von 16.531,75 €, mit der die am fällig gewesene, vom Berufungswerber zum Fälligkeitstermin jedoch nicht entrichtete Einkommensteuervorauszahlung für das erste Quartal 2010 in Höhe von 10.000,00 € getilgt wurde. Am Abgabenkonto verblieb somit ein Guthaben von 6.531,75 €.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt von dieser (nicht bis entrichteten) Einkommensteuervorauszahlung einen ersten Säumniszuschlag von 200,00 € fest, der mit dem am Abgabenkonto bestehenden Guthaben abgedeckt wurde. Der Restbetrag von 6.331,75 € wurde an den Berufungswerber zurückgezahlt.

Gegen den Säumniszuschlagsbescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben und die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt. Der Berufungswerber habe durch seinen steuerlichen Vertreter bereits Anfang Februar 2010 den Jahresabschluss für das Kalenderjahr 2009 eingereicht. Eine Bearbeitung der Veranlagung für das Jahr 2009 sei dem steuerlichen Vertreter des Berufungswerbers auf Grund technischer Probleme (EDV-Probleme) bei der Behörde bzw. bei der Finanzverwaltung erst für frühestens Anfang März 2010 in Aussicht gestellt worden. Die Vorausberechnung der Veranlagung für 2009 habe eine Abgabengutschrift von mehr als 15.000,00 € ergeben. Nach der nunmehr durchgeführten Veranlagung stehe fest, dass die Abgabengutschrift des Berufungswerbers 16.531,75 € betrage. Seitens des steuerlichen Vertreters des Berufungswerbers sei ein Teilbetrag der Abgabengutschrift in Höhe von 10.000,00 € korrekt mit der ursprünglichen Vorschreibung für das 1. Quartal 2010 zum verrechnet und die Rückzahlung des restlichen Abgabenguthabens in Höhe von € 6.531,75 beantragt worden. In der Buchungsmitteilung Nr. 2 vom sei dem Berufungswerber ein restliches Steuerguthaben von 6.531,75 € bestätigt worden. Der Behörde sei im berufungsgegenständlichen Fall insofern zunächst Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorzuwerfen, als die Verzögerung der "Neuveranlagung" des Berufungswerbers auf Grund dessen zeitgerecht eingereichten Jahresabschlusses nicht auf Verschulden des Berufungswerbers zurückzuführen gewesen sei, sondern auf technische Probleme bei der Finanzverwaltung, die ein Abgabepflichtiger niemals zu vertreten habe. Technische Probleme der Finanzverwaltung im Allgemeinen oder der Abgabenbehörde erster Instanz im Besonderen seien von der Behörde zu vertreten und dürften sich in keinster Weise auf Vorschreibungen an die Abgabepflichtigen auswirken. Die Abgabenbehörden hätten die Ermittlungsverfahren iSd "§§ 37 ff AVG" durchzuführen. Ob sie sich dabei einer technischen Einrichtung (EDV-Ausstattung) oder anderer Methoden bedienten, sei gleichgültig. Falls technische Einrichtungen versagen würden, sei das Verfahren in herkömmlicher Weise zu führen. Ein Stillstand in der Bearbeitung, sofern ein solcher auf Grund technischer Pannen oder Mängel unvermeidbar wäre, könne und dürfe sich niemals zum Nachteil der Partei (des Abgabepflichtigen) auswirken. Das In-Aussicht-Stellen einer (im Ergebnis aus Sicht des Berufungswerbers infolge einer Abgabengutschrift positiven) Erledigung der Behörde erst lange nach dem Fälligkeitsdatum für die Einkommensteuervorauszahlung für das erste Quartal 2010 zu einem künftigen, für den Abgabepflichtigen völlig uneinschätzbaren, ungewissen Zeitpunkt, vermöge "keine Abgabenschuldigkeiten zu begründen". Würde die Finanzverwaltung auf Grund technischer Probleme womöglich erst Monate nach einem Fälligkeitszeitpunkt (technisch) in der Lage sein, eine Veranlagung durchzuführen, die zu einem Abgabenguthaben des Abgabepflichtigen führt, wäre der Abgabepflichtige somit genötigt, "rechtlich nicht bestehende Abgabenverbindlichkeiten zu erfüllen". Ein mangelhaftes oder verspätetes Verfahren der Abgabenbehörde, worauf immer die Mangelhaftigkeit zurückzuführen sei, könne sich daher niemals zu Lasten des Abgabepflichtigen auswirken. Ungeachtet dessen sei jedoch ein allfälliger Stillstand in der Bearbeitung von Veranlagungen iSd §§ 39 ff EStG bei der Behörde, sofern dieser die Ursache für die verspätete "Ausfertigung der Abgabengutschrift" zugunsten des Berufungswerbers gewesen sein sollte, für die rechtliche Beurteilung der Steuerschuld und deren Fälligkeit insofern irrelevant, als die Abgabengutschrift die Abgabenschuld bereits ex ante kompensiert habe. Die Behörde habe unter der offenbar unrichtigen Annahme (vermutlich in Folge der verspäteten Bearbeitung der Veranlagung), der Berufungswerber hätte am eine Abgabenschuld in Höhe von 10.000,00 € zu entrichten gehabt, bei Vorschreibung des Säumniszuschlages rechtlich die Tatsache außer acht gelassen, dass die vermeintliche Abgabenverbindlichkeit des Berufungswerbers zum bereits längst durch eine dieser Abgabenverbindlichkeit gegenüberstehende Abgabengutschrift kompensiert war. Der Stammrechtssatz aus dem Erkenntnis des UFS Linz vom , RV/1350-L/07, laute: "Der Anspruch des Abgabepflichtigen auf Gutschrift der Einkommensteuervorauszahlungen (§ 46 Abs. 2 EStG) ist ein Gegenanspruch (negativer Abgabenanspruch), der spiegelbildlich im selben Zeitpunkt ex lege begründet wird, in dem die Einkommensteuervorauszahlungsschuld entsteht (§ 4 Abs. 2 lit. a Z 1 BAO)." Die Einkommensteuervorauszahlungsschuld des Berufungswerbers "für das Kalenderjahr 2010" sei gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 1 BAO mit Beginn des ersten Kalendervierteljahres am um 00.00 Uhr entstanden. Der Gegenanspruch des Berufungswerbers auf Abgabengutschrift (negativer Abgabenanspruch) in Höhe von 16.531,75 € sei in genau demselben Zeitpunkt am um 00.00 Uhr ex lege und uno actu entstanden. Der UFS Linz beziehe sich in seinem oben zitierten Erkenntnis ganz eindeutig auf die §§ 1438 ff ABGB, wonach gegenseitige Forderungen (z.B. Abgabenschuldigkeiten und Abgabengutschriften), die richtig, gleichartig, und so beschaffen seien, dass eine Sache, die dem einen als Gläubiger gebühre, von diesem auch als Schuldner dem anderen entrichtet werden könne, sich insoweit gegeneinander ausgleichen würden, als eine gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeiten (Kompensation) entstehe, welche schon für sich die gegenseitige Zahlung bewirke. Die Abgabengutschriften und Abgabenschuldigkeiten aus Einkommensteuervorauszahlungen, wie im Falle des Berufungswerbers, seien iSd § 1438 ABGB richtig (Festsetzung mittels Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz), vollkommen gleichartig (sogar aus der selben Steuerart entsprungen) und uneingeschränkt aufrechenbar. Ergo dessen habe die festgestellte Abgabengutschrift (negative Abgabenforderung) zu Gunsten des Berufungswerbers mit Rechtswirksamkeit am um 00.00 Uhr kraft Gesetzes, ohne dass hiezu ein Bescheid der Abgabenbehörde erforderlich gewesen wäre, die Zahlung der ebenfalls am um 00.00 Uhr entstandenen Abgabenschuld für das erste Quartal 2010 bewirkt. Eine Abgabenverbindlichkeit in Höhe von 10.000,00 € habe zu Lasten des Berufungswerbers folglich am gar nicht mehr bestanden, weil diese Verbindlichkeit durch die wesentlich höhere Gutschrift schon am vollständig bezahlt worden sei. Aus diesem Grunde sei die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages mit der Begründung, der Abgabepflichtige habe die vermeintliche Abgabenschuldigkeit nicht bis spätestens entrichtet, rechtlich unzulässig. Die Abgabenschuldigkeit des Berufungswerbers an Einkommensteuervorauszahlung für das erste Quartal 2010 in Höhe von 10.000,00 € sei kompensando schon am durch die gleichartige Abgabengutschrift an "Einkommensteuervorauszahlung" vollständig entrichtet worden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (§ 217 Abs. 2 BAO).

Einleitend ist im Hinblick auf die Berufungsausführungen zunächst auf den Unterschied zwischen Abgabenanspruch und Abgabenzahlungsanspruch hinzuweisen.

Der Abgabenanspruch entsteht nach der Grundregel des § 4 Abs. 1 BAO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Diese Generalklausel gilt nur dann, wenn keine spezielleren Regelungen den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches bestimmen (§ 4 Abs. 3 BAO; vgl. dazu die bei Ritz, BAO³, § 4 Tz 4 angeführten Beispiele). Für einige Abgaben (vor allem Einkommen- und Körperschaftsteuer) enthält die Bestimmung des § 4 BAO im Absatz 2 selbst derartige Sonderbestimmungen. Demnach entsteht der Abgabenanspruch betreffend die Einkommensteuervorauszahlungen mit Beginn des Kalendervierteljahres, für das die Vorauszahlungen zu entrichten sind (Z 1), hinsichtlich der zu veranlagenden Abgabe entsteht der Abgabenanspruch (spätestens) mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird (Z 2). § 4 Abs. 4 BAO bestimmt schließlich, dass der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches ist.

Der Abgabenanspruch entsteht kraft Gesetzes und somit unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit, setzt daher keine diesbezügliche Bescheiderlassung voraus. Bei Rückforderungsansprüchen handelt es sich um nichts anderes als um "negative Abgabenansprüche". Auch solche Ansprüche entstehen kraft Gesetzes (Ritz, BAO³, § 4 Tz 2 mit Judikaturnachweisen).

Vom Abgabenanspruch ist der Abgabenzahlungsanspruch zu unterscheiden, worunter die Verpflichtung zu verstehen ist, einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten. Diese Verpflichtung ergibt sich aus einer bescheidmäßigen Festsetzung oder bei Selbstbemessungsabgaben auf Grund des Abgabengesetzes selbst bzw. aus einer Selbstberechnung durch den Abgabepflichtigen (Ritz, BAO³, § 4 Tz 3).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Säumniszuschlagspflicht den Bestand eines formellen Abgabenzahlungsanspruches voraus (). Dafür spricht schon der Wortlaut der Bestimmung des § 217 Abs. 1 BAO, die ausdrücklich darauf abstellt, dass eine Abgabe nicht am Fälligkeitstag (somit einem "bestimmten Zeitpunkt" im oben genannten Sinn) entrichtet wurde.

Bei der Festsetzung des gegenständlichen Säumniszuschlages war daher nicht entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Abgabenanspruch betreffend die Einkommensteuervorauszahlung für das erste Quartal 2010 entstanden war (), sondern wann der Abgabenzahlungsanspruch entstanden ist. Dies war gemäß § 45 Abs. 2 EStG erst am der Fall.

Gleiches gilt spiegelbildlich für negative Abgabenzahlungsansprüche (Anspruch auf Gutschrift eines negativen Abgabenanspruches). Während der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuer gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Zif. 2 BAO für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, entsteht (bei der Einkommensteuer für das Kalenderjahr 2009 daher mit Ablauf des ), entsteht der Abgabenzahlungsanspruch gemäß § 210 Abs. 1 BAO erst mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides. Ergibt sich aus dem Einkommensteuerbescheid eine Gutschrift, entsteht dieser negative Abgabenzahlungsanspruch mit Bekanntgabe (Zustellung) des Bescheides (Ritz, BAO³, § 210 Tz 5).

Der zum entstandene Abgabenzahlungsanspruch des Abgabengläubigers aus dem Titel der Einkommensteuervorauszahlung für das erste Quartal 2010 konnte durch den negativen Abgabenzahlungsanspruch (Gutschrift) aus dem Bescheid vom über die Veranlagung des Berufungswerbers zur Einkommensteuer 2009 somit erst im Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieses Bescheides (Bekanntgabe bzw. Zustellung iSd § 97 Abs. 1 BAO) getilgt werden (Verrechnung dieser Gutschrift mit der verbuchten Vorauszahlungsschuld gemäß § 214 Abs. 1 BAO). Die Tilgung des Abgabenzahlungsanspruches (Entrichtung der gegenständlichen Einkommensteuervorauszahlung) erfolgte daher verspätet, weshalb die Festsetzung des Säumniszuschlages rechtmäßig war.

Für den Berufungswerber ist auch aus seinen eingehenden Ausführungen zur Frage der zivilrechtlichen Kompensation der wechselseitigen Ansprüche (Vorauszahlungsschuld und Veranlagungsgutschrift) aus folgenden Gründen nichts zu gewinnen:

Die Formen der Tilgung von Abgaben sind in § 211 BAO geregelt, wobei die Entrichtungsformen dort allerdings nicht erschöpfend aufgezählt sind. Es kommen daher alle zivilrechtlich zulässigen Entrichtungsformen für die Abgabenentrichtung in Betracht, insbesondere auch die Kompensation gemäß §§ 1438 ff ABGB, soweit sie nicht ausdrücklich für unzulässig erklärt werden (z.B. die nach § 211 Abs. 4 für die Abgabenentrichtung unzulässige Hingabe von Wechseln; Ritz, BAO³, § 211 Tz 1 mwN).

§ 1438 ABGB normiert: Wenn Forderungen gegenseitig zusammentreffen, die richtig, gleichartig, und so beschaffen sind, daß eine Sache, die dem Einen als Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem Andern entrichtet werden kann; so entsteht, in so weit die Forderungen sich gegen einander ausgleichen, eine gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeiten (Compensation), welche schon für sich die gegenseitige Zahlung bewirket.

§ 1439 ABGB bestimmt jedoch: Zwischen einer richtigen und nicht richtigen, so wie zwischen einer fälligen und noch nicht fälligen Forderung findet die Compensation nicht Statt. In wie fern gegen eine Insolvenzmasse die Compensation Statt finde, wird in der Insolvenzordnung bestimmt.

Eine Kompensation setzt daher voraus, dass die Forderungen gleichartig, richtig und fällig sind (Ritz, BAO³, § 211 Tz 17; Dullinger in Rummel, ABGB, § 1439 Rz 7). Wie bereits oben ausgeführt war die Einkommensteuervorauszahlung für das erste Quartal 2010 erst am fällig, der Gegenanspruch des Berufungswerbers aus der Veranlagung zur Einkommensteuer 2009 erst mit Zustellung des Bescheides vom . Erst zu diesem Zeitpunkt standen sich Forderung und Gegenforderung aufrechenbar gegenüber.

Anderes gilt nur im Insolvenzrecht. Nach der Bestimmung des § 19 Insolvenzordnung (die inhaltlich der zuvor in Geltung gestandenen Norm des § 19 KO entspricht) brauchen Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits aufrechenbar waren, im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht zu werden. Die Aufrechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Forderung des Gläubigers zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch bedingt oder betagt war. Im Insolvenzverfahren entfallen daher die Voraussetzungen der Fälligkeit und Unbedingtheit (Dullinger, a.a.O., § 1439 Rz 9) bzw. bestimmt § 14 Abs. 2 Insolvenzordnung (wie bereits bisher schon § 14 Abs. 2 KO), dass betagte Forderungen im Insolvenzverfahren als fällig gelten. In der vom Berufungswerber ins Treffen geführten Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/1350-L/07, ging es jedoch gerade um die Rückforderung einer veranlagten Einkommensteuergutschrift durch den Masseverwalter. In diesem Insolvenzfall gelangten die angeführten insolvenzrechtlichen Bestimmungen über die Aufrechnung im Konkursfall zur Anwendung. Die damaligen Entscheidungsgründe können jedoch auf die gegenständliche Aufrechnung außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht übertragen werden.

In der Berufung wurde ferner ausgeführt, dass die Verzögerung der "Neuveranlagung" des Berufungswerbers auf Grund dessen zeitgerecht eingereichten Jahresabschlusses nicht auf sein Verschulden zurückzuführen gewesen sei, sondern auf technische Probleme bei der Finanzverwaltung, die ein Abgabepflichtiger niemals zu vertreten habe. Der Berufungswerber brachte damit zum Ausdruck, dass ihn an der eingetretenen Säumnis seiner Ansicht nach kein Verschulden treffe.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Der Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO kann auch in einer Berufung gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden (vgl. Ritz, SWK 2001, S 343) und ist diesfalls in der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen. Für die Beurteilung von Anbringen kommt es dabei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Judikaturnachweise bei Ritz, BAO³, § 85 Tz 1) nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes. Ist aus dem Vorbringen des Berufungswerbers zu erschließen, dass ihn seiner Ansicht nach aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen an der Säumnis kein (grobes) Verschulden treffe, ist in der Berufungsentscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO zu prüfen (z.B. mwN).

Die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO bei fehlendem groben Verschulden an der Säumnis stellt eine Begünstigung dar. Bei Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung Inanspruchnehmende hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (; ; vgl. auch zu § 212 BAO).

Der Unabhängige Finanzsenat hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass es etwa in den Fällen der Abdeckung einer Zahllast durch ein umgebuchtes oder überrechnetes Guthaben Sache des Abgabenschuldners ist, sich durch Rückfrage über den Bestand eines der Umbuchung oder Überrechnung zugänglichen Guthabens, das eine Tilgung seiner Abgabenschulden mit Wirksamkeit vom Tag des Umbuchungsantrages bewirken kann, zu vergewissern. Unterlässt der Abgabenschuldner eine solche Vergewisserung, nimmt er das Risiko des Fehlens eines der Umbuchung zugänglichen Guthabens zum Fälligkeitszeitpunkt seiner Abgabenschulden auf sich und muss die Folgen des tatsächlichen Fehlens eines der Umbuchung oder Überrechnung zugänglichen Guthabens im Fälligkeitszeitpunkt seiner Abgabenschulden als schlichte Auswirkung der normalen Rechtslage tragen ( zu § 236 BAO). Wird eine solche Rückfrage über den tatsächlichen Bestand eines der Umbuchung oder Überrechnung zugänglichen Guthabens unterlassen, liegt aber auch ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO vor (; ).

Gleiches gilt umso mehr für den gegenständlichen Fall, in dem der Berufungswerber aufgrund der Tatsache, dass die Veranlagung zur Einkommensteuer 2009 im Fälligkeitszeitpunkt der Umsatzsteuervorauszahlung für das erste Quartal 2010 noch nicht durchgeführt war, wusste bzw. wissen musste, dass noch kein Guthaben aus dieser Veranlagung am Abgabenkonto bestand, welches die fällige Einkommensteuervorauszahlung abdecken hätte können. Wer sich vom tatsächlichen Bestand eines "vermuteten" ausreichenden Guthabens am Abgabenkonto nicht überzeugt, nimmt in Kauf, dass die gesetzlichen Säumnisfolgen eintreten. In einem solchen Fall wird die für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen, weshalb ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden an der Säumnis vorliegt ( mwN).

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Durchführung der Veranlagung für das Kalenderjahr 2009 verzögert hatte. Zum einen hatte das Finanzamt den Berufungswerber bzw. seinen steuerlichen Vertreter nach dem Berufungsvorbringen nicht im Unklaren darüber gelassen, dass die Veranlagung frühestens Anfang März 2010 durchgeführt werden könne. Zum anderen haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle gemäß § 115 BAO (nicht gemäß §§ 37 ff AVG) zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Das Finanzamt hat daher auch und insbesondere im Veranlagungsverfahren die aus diesem Amtswegigkeitsgrundsatz erfließenden Ermittlungsgrundsätze (Gebot der Erforschung und Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auch über die Abgabenerklärungen hinaus; gegebenenfalls Durchführung eines Ergänzungs- oder Bedenkenvorhalteverfahrens) zu beachten. Es ist daher keineswegs so, dass dem Abgabepflichtigen ein Anspruch auf unverzügliche, ungeprüfte und erklärungsgemäße Veranlagung aufgrund einer eingereichten Einkommensteuererklärung zustünde. Auch aus diesem Grund kann ein Abgabepflichtiger nicht darauf vertrauen, dass bei einer möglichst raschen Veranlagung noch zeitgerecht ein Guthaben am Abgabenkonto entstünde, welches zur Abgabenentrichtung verwendet werden könnte. Schließlich wurde die Einkommensteuererklärung 2009 am eingereicht, der Einkommensteuerbescheid erging am . Bei dieser Sachlage kann auch keine Rede davon sein, dass die Abgabenbehörde nicht ohne unnötigen Aufschub im Sinne des § 311 Abs. 1 BAO entschieden hätte.

Aus den angeführten Gründen erweist sich die Festsetzung des gegenständlichen Säumniszuschlages als rechtmäßig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 210 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 211 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 214 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1438 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 1439 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 14 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 19 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFSjournal 3/2011, 122

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at