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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.03.2023, RV/3100034/2011

§ 16 Abs 1 UStG: Berichtigung einer gemäß § 11 Abs 12 UStG geschuldeten Umsatzsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch ***Vertreter1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2008 und gegen den Bescheid vom betreffend Umsatzsteuer 2009 (ursprünglich gerichtet gegen den Bescheid vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für Dezember 2008 und gegen den Bescheid vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für Jänner 2009), Steuernummer 041/3571, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Umsatzsteuerberichtigungen:
Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: BF) brachte beim Finanzamt für folgende Voranmeldungszeiträume Berichtigungen der Steuerbeträge aufgrund von Rechnungsberichtigungen gemäß § 16 UStG (eingetragen in Kennzahl 067) in angegebener Höhe ein:

Jänner 2008: 78.491,13 Euro

Feber 2008: 37.902,97 Euro

März 2008: 39.285,68 Euro

April 2008: 59.910,11 Euro

Dezember 2008: 467.599,36 Euro

Jänner 2009: 221.961,38 Euro.

Der verminderte Steuerbetrag beläuft sich auf insgesamt 905.150,63 Euro.

2. Außenprüfung
Im Zuge einer Außenprüfung betreffend den Zeitraum 02/2008 bis 12/2008 ermittelte das Finanzamt durch die Großbetriebsprüfung den Sachverhalt, verweigerte die geltend gemachten Umsatzsteuergutschriften und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

a. Da dem Wortlaut des § 11 Abs. 12 UStG 1994 kein Hinweis zu entnehmen sei, dass damit andere Umsätze als solche nach § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 erfasst sind, sei bei im Inland nicht steuerbaren Umsätzen von einer Steuerschuld gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 auszugehen.

b. Es seien keine Ausgangsrechnungen für die Jahre 1995 bis zum Wirtschaftsjahr 2002/2003 vorhanden bzw. vorgelegt worden. Da eine Steuerschuld auf Grund der Rechnung in diesem Zeitraum nicht nachweisbar sei, habe eine Rechnungsberichtigung keine Rechtswirkung ex nunc.

c. Eine Rechnungsberichtigung habe zur Voraussetzung, dass eine Steuerschuld entstanden ist und bescheidmäßig verarbeitet wurde. Die Steuerschuld auf Grund der Rechnungslegung ist in eine spezielle Kennzahl einzutragen.
Es wird zitiert aus Ruppe, USt-Kommentar, § 16, Rz. 15: "Wurde ein Umsatz als steuerfrei behandelt und stellt sich nachträglich heraus, dass er steuerpflichtig ist (oder umgekehrt), so liegt keine Änderung der Bemessungsgrundlage vor, sondern eine unrichtige Beurteilung im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld, die - bei bereits rechtskräftiger Veranlagung - im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens ex tunc zu korrigieren ist."

d. Nur innerhalb der Verjährungsfrist könne die Finanzverwaltung die Korrespondenz zwischen Vorsteuerabzug und Steuerschuld herstellen, deshalb können die Rechnungsberichtigungen nicht anerkannt werden.

e. Die Bestimmung in § 239a BAO sei zu beachten, die eine ungerechtfertigte Bereicherung verhindern soll.
Die BF habe keine Rückzahlungen an die europäischen Reisebüros vorgenommen und beabsichtige dies auch nicht, weil laut Aussage des Geschäftsführers mit den Leistungsempfängern Bruttopreise vereinbart wurden seien. Daher habe nach Ansicht des Finanzamtes eine Gutschrift am Abgabenkonto zu unterbleiben.

Am erging der Umsatzsteuerbescheid 2008, in dessen Begründung auf die Niederschrift über die Außenprüfung hingewiesen wurde.

3. Berufung:
Mit Schriftsatz vom wurde Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom , gegen die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für Dezember 2008 vom und für Jänner 2009 vom erhoben.

Begehrt wurde im Umsatzsteuerbescheid 2008 die Anerkennung der Gutschrift aus der Berichtigung gemäß § 16 UStG iHv. 215.589,89 Euro, für Dezember 2008 iHv. 467.599,36 Euro und für Jänner 2009 iHv. 221.961,38 Euro. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt,

a. dass sich durch die seinerzeitig irrtümlich mit österreichischer Umsatzsteuer ausgestellten Rechnungen eine Steuerschuld gemäß § 11 Abs 12 UStG ergebe. § 11 Abs 14 UStG sei nicht anwendbar.

b. Die Rechnung der Jahre 1995 bis 2003 könnten durch Reaktivierung des seinerzeitig verwendeten EDV-Systems in Kopie wiederhergestellt werden. Dies sei vom Finanzamt wegen des beträchtlichen Aufwandes bisher nicht als notwendig erachtet worden.
Die Berichtigungen seien nur an noch bestehende Reisebüros bzw. deren Gesamtrechtsnachfolger mittels eingeschriebenem Brief gesendet worden.

c. Es sei nicht nachvollziehbar, dass eine Steuerschuld aufgrund einer Rechnungslegung nur dann entstehe, wenn diese entsprechend bescheidmäßig verarbeitet wurde. Es sei dem Gesetz nicht zu entnehmen, dass die Eintragung in eine Kennzahl der Steuererklärung ausschlaggebend für die Entstehung einer Steuerschuld gemäß § 11 Abs 12 UStG ist, vielmehr stehe die Berichtigung im Belieben des Unternehmers. Zeitlich sei sie an keine Frist gebunden, die Wirkungen würden aber erst ex nunc eintreten.

Bei den fraglichen Umsätzen handle es sich um nicht steuerbare Umsätze, sodass die Feststellung der Außenprüfung ins Leere gehe.

d. Die Feststellung, dass nur innerhalb der Verjährungsfrist die Korrespondenz von Vorsteuerabzug und Steuerschuld seitens der Finanzverwaltung und des Abgabepflichtigen hergestellt werden kann, entspreche nicht der Gesetzeslage. Die Berichtigung sei an keine Frist gebunden.

e. Das Bereicherungsverbot gemäß § 239a BAO sei nicht anzuwenden, weil eine Abgabe gemäß § 11 Abs. 12 UStG niemals wirtschaftlich von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen werden soll.

Abschließend werde festgehalten, dass die Möglichkeit der Rechnungsberichtigung den Steuerpflichtigen vor der Konsequenz eine irrtümlich in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zahlen zu müssen, schützen soll. Die von der Großbetriebsprüfung angeführte Doppelnichtbesteuerung könne nicht nachvollzogen werden, da der Ort der erbrachten Leistung und das damit verbundene Besteuerungsrecht des Empfängerstaates klar geregelt ist. Es bestehe somit keine Gefahr, dass das Prinzip der Wettbewerbsneutralität verletzt wird. Auch gebe es keine gesetzliche Grundlage dafür, dass der österreichische Fiskus die Refundierung einer zu Unrecht erhaltenen Mehrwertsteuer mit der Steuerpflicht eines ausländischen Leistungsempfängers im Ausland verknüpfen kann. Die zivilrechtliche Befugnis des Vorgehens des BF sei nicht durch die Finanzverwaltung zu prüfen, sondern obliege den Zivilgerichten (siehe BFH vom19.09.1996, V R 41/94).

Beantragt werde weiters eine mündliche Verhandlung vor dem Senat.

4. Vorlage:
Am legte das Finanzamt die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat vor und beantragte die Abweisung mit Verweis auf die Begründung im Bericht der Außenprüfung. Abschließend wurde bemerkt: "Die in diesem Zusammenhang ausgesendeten Kontrollmitteilungen sind zum derzeitigen Zeitpunkt zum Teil noch ausständig."

5. Am erging der Umsatzsteuerbescheid 2009. Die Begründung lautet:
"Durch die Betriebsprüfung wurde im Dezember 2008 die Korrektur der Steuer im Ausmaß von 467.599,56 Euro und im Jänner 2009 im Ausmaß von 221.961,38 Euro versagt. Die von Ihnen erklärten Steuerberichtigungen wurden in diesem Ausmaß von -689.560.74 Euro auf null Euro gekürzt. Die am eingereichten Berufungen gegen die Festsetzungsbescheide Dezember 2008 und Jänner 2009 haben auch gegen diesen Jahresbescheid Gültigkeit. Eine erneute Berufung im Zusammenhang mit dieser Berichtigung ist somit nicht erforderlich."

6. Gemäß § 323 Abs 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

7. Mit Eingabe (Telefax) vom gab der steuerliche Vertreter seine Vertretungsvollmacht bekannt und teilte mit, dass auf die mündliche Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat verzichtet wird.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Aufgrund der Beweiswürdigung festgestellter Sachverhalt

1. Die BF hat in den Wirtschaftsjahren 1995/96 bis 2006/07 (Bilanzstichtag 30.11.) Schiausrüstungen von diversen inländischen Sportartikelhändlern angemietet und an ca. 60 Reisebüros im übrigen Gemeinschaftsgebiet verliehen. Diese Umsätze wurden von der BF mit 20% Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und die entsprechende Umsatzsteuer wurde an das Betriebsfinanzamt abgeführt.

Im Zuge einer Wirtschaftsprüfung wurde diese Besteuerung angezweifelt und die Rechtsmeinung vertreten, dass gemäß § 3a Abs 9 UStG 1994 iVm § 3a Abs 10 lit 12 UStG 1994 idF BGBl I Nr. 24/2007 diese sonstige Leistung (Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände) am Unternehmerort im Gemeinschaftsgebiet ausgeführt wird und daher nicht in Österreich steuerbar ist.

Es wurden in der Folge sämtliche Rechnungen ab dem Wirtschaftsjahr 1995/96 -soweit konnte man die Umsätze noch zurückermitteln- gegenüber den europäischen Vertragspartnern gemäß § 16 UStG 1994 in Form von Sammelberichtigungen berichtigt. Berichtigungen wurden nur gegenüber noch bestehenden Reisebüros bzw. deren Gesamtrechtsnachfolgern durchgeführt.

In den Rechnungsberichtigungen wurde der in Rechnung gestellte Betrag auf den Nettobetrag gekürzt und auf den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger hingewiesen.

Die Rechnungsberichtigungen wurden den Leistungsempfängern per Post mit Einschreiben übermittelt.

Die auf die berichtigten Rechnungen entfallende Umsatzsteuer iHv. 905.150,63 Euro wurde ertragsteuerlich als "sonstige Erlöse nach § 16" gebucht.

Dies ergibt sich aus der aktenkundigen Sachverhaltsdarstellung der Großbetriebsprüfung.

2. Für folgende Voranmeldungszeiträume wurde eine Berichtigung ex nunc gem. § 16 UStG 1994 erklärt:


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Jänner 2008
78.491,13
Feber 2008
37.902,97
März 2008
39.285,68
April 2008
59.910,11
Dezember 2008
467.599,36
Jänner 2009
221.961,38

3. Von der Großbetriebsprüfung wurde die Verbuchung der Umsatzsteuer stichprobenweise bis ins Wirtschaftsjahr 1995/96 nachverfolgt, wobei jede gewünschte Ausgangsrechnung buchungsmäßig nachvollzogen werden konnte.
Dies ergibt sich aus der aktenkundigen Sachverhaltsdarstellung der Großbetriebsprüfung.

4. Duplikate der Rechnungen der Jahre 1995 bis 2003 sind nicht mehr in Papierform bei der BF vorhanden, hätten aber im Zeitraum der Berichtigungen und Überprüfung durch die Großbetriebsprüfung durch Reaktivierung des seinerzeitig verwendeten EDV-Systems in Kopie wiederhergestellt werden können.
Die Rechnungen hatten in allen Berichtigungszeiträumen dasselbe Layout (dieselben Rechnungsmerkmale).
Dies ergibt sich aus dem unwidersprochenem und glaubwürdigen Vorbringen der BF in der Beschwerde und im weiteren Schriftverkehr.

5. Aufgrund der Berichtigungen gab es eine einzige Rückforderung der Umsatzsteuer durch einen Leistungsempfänger. Diese Rückforderung iHv. 13.027,47 Euro wurde von der BF als Gutschrift zugunsten des Leistungsempfängers verbucht und mit späteren Forderungen verrechnet.
Andere Forderungen von Kundenseite wurden nicht gestellt. Mangels Anfragen wurden von der BF auch keine Verjährungsverzichte abgegeben.
Dies ergibt sich aus der Mitteilung des steuerlichen Vertreters im E-Mail vom an das Bundesfinanzgericht.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Rechtslage

§ 11 Abs. 12 des Bundesgesetzes über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetzes 1994 - UStG 1994) in der Stammfassung, BGBl. Nr. 663/1994, lautet:

"(12) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt. Im Falle der Berichtigung gilt § 16 Abs. 1 sinngemäß."

§ 16 Abs. 1 UStG 1994 idF BGBl. Nr. 663/1994 lautet:

"(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben

1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und

2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist."

Durch den Verweis in § 11 Abs. 12 letzter Satz UStG 1994 auf § 16 Abs. 1 UStG 1994 ergibt sich, dass für den Aussteller der Rechnung die Steuerschuld aufgrund der Rechnung zu dem Zeitpunkt (in jenem Voranmeldungszeitraum) wegfällt, in dem die Rechnung berichtigt wird (vgl. ). Für den Aussteller der Rechnung wirkt die Rechnungsberichtigung somit ex nunc, d.h. die Steuerschuld des Rechnungsausstellers entfällt durch die spätere Rechnungsberichtigung nicht etwa rückwirkend auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung.

Das UStG 1994 sieht keine Befristung der Rechnungsberichtigung nach § 11 Abs. 12 UStG 1994 vor. Eine solche ergibt sich - mangels Rückwirkung der Rechnungsberichtigung - auch nicht aus den allgemeinen Verjährungsbestimmungen der BAO.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Entstehung der Steuerschuld kraft Rechnung wegen Gefährdung des Steueraufkommens:
Die gegenständlichen Rechnungen wurden an vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger gestellt. Mit der Rechnungsstellung wurde diesen Unternehmern die Möglichkeit einer Vorsteuerrückerstattung eröffnet. Somit entstand nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts eine Gefährdung des Steueraufkommens und gleichzeitig eine Steuerschuld aufgrund der Rechnung. Dass keine Steuerschuld aufgrund der Rechnung entstanden wäre, weil keine Gefährdung des Steueraufkommens vorgelegen hätte (vgl. , P GmbH), wird vom Finanzamt nicht behauptet.

2. Wird für eine nicht steuerbare Auslandleistung (irrtümlich) USt ausgewiesen, liegt ein Fall des § 11 Abs 12 UStG 1994 vor, die Rechnungsberichtigung wirkt ex nunc (Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), Umsatzsteuergesetz: Kommentar 5. Auflage (2017) zu § 11 UStG Rz 127).

Die Berichtigung steht im Belieben des Unternehmers. Eine Zustimmung des Rechnungs-empfängers ist ebenso wenig notwendig wie die Zustimmung zur Rechnungsausstellung selbst.

Die Berichtigung ist nicht für jede einzelne Rechnung erforderlich. Es sind auch Sammel-berichtigungen oder -ergänzungen zulässig, zB in Form einer Liste der zu korrigierenden Rechnungen samt Hinweis auf die entsprechenden Korrekturpunkte (Kollmann in Melhardt/Tumpl, UStG, 3. Auflage, § 11, Rz 233).

Im gegenständlichen Fall ist § 11 Abs 12 UStG 1994 anwendbar. Die Form der Berichtigung (Sammelberichtigungen samt Hinweis auf die zu korrigierende Umsatzsteuer) wurde vom Finanzamt überprüft und nicht beanstandet.

3. Die Verbuchung und Entrichtung der ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge wurde vom Finanzamt überprüft und nicht beanstandet.

Beanstandet wurde jedoch, dass für den Zeitraum 1995 bis 2003 keine Duplikate der Rechnungen in Papierform mehr vorhanden sind, weshalb nicht mehr festgestellt werden könne, ob überhaupt eine Umsatzsteuerschuld kraft Rechnung entstanden ist.

Nach Auskunft der BF war es möglich die Rechnungen für diesen Zeitraum durch Reaktivierung des seinerzeitig verwendeten EDV-Systems in Kopie wiederherzustellen. Die Großbetriebsprüfung erachtete anlässlich der Überprüfung im Jahr 2009 diese Reaktivierung und den Ausdruck der Rechnungsduplikate -auch angesichts des beträchtlichen Aufwandes- als nicht notwendig.
Von der Großbetriebsprüfung wurde die Verbuchung der Umsatzsteuer stichprobenweise bis ins Wirtschaftsjahr 1995/96 nachverfolgt, wobei jede gewünschte Ausgangsrechnung buchungsmäßig nachvollzogen werden konnte.

Es ist für das Bundesfinanzgericht kein Grund zur Annahme ersichtlich, dass diejenigen Rechnungen, für die keine Duplikate in Papierform mehr vorhanden sind, hinsichtlich der relevanten Rechnungsmerkmale von den in Papierform vorhandenen Rechnungskopien abweichen. Nach Mitteilung der BF verfügen die Rechnungen in allen Zeiträumen über dasselbe Layout (dieselben Rechnungsmerkmale), dies wurde vom Finanzamt auch nie angezweifelt.
Nach Feststellung der Großbetriebsprüfung wurde die Umsatzsteuer in den Jahren 1995-2003 genauso verbucht und abgeführt, wie in den Jahren 2004-2007.

Für das Bundesfinanzgericht steht daher fest, dass auch in den Jahren 1995-2003, in denen keine Rechnungsduplikate in Papierform vorhanden sind, eine Umsatzsteuerschuld kraft Rechnung entstanden ist.

4. Keine Verjährung:
Da aufgrund der in § 16 Abs. 1 UStG 1994 ausdrücklich angeordneten ex nunc-Wirkung der Rechnungsberichtigung die ursprüngliche Steuerfestsetzung unberührt bleibt, kann eine Berichtigung auch dann erfolgen, wenn für die ursprüngliche Steuerfestsetzung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist ().

Auch liegen im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte für die Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung vor, die allenfalls die Versagung einer steuerwirksamen Rechnungsberichtigung rechtfertigen könnten.


5. Zustellung der Berichtigungen:
Die Rechnungsberichtigung und damit der Wegfall der Steuerschuld auf Grund der Rechnung ist nur wirksam, wenn die berichtigte Rechnung dem Leistungsempfänger nachweislich zugekommen ist (Kollmann in Melhardt/Tumpl, UStG, 3. Auflage, § 11, Rz 234). Die Bedingung der Vorlage von Empfangsbestätigungen ist im nationalen Gesetz nicht vorgesehen.

Im gegenständlichen Fall erfolgte der Versand der Rechnungsberichtigungen mittels Einschreibens. Bei einem Einschreiben wird die Postaufgabe bestätigt und die Sendungszustellung von der Post dokumentiert. Die Briefsendung kann durch eine Registernummer verfolgt werden (Information auf der Webseite der Post AG).

Das Zukommen der berichtigten Rechnungen an die Leistungsempfänger wurde von der Großbetriebsprüfung und vom Finanzamt anlässlich der Überprüfung im Jahr 2009 nicht bezweifelt. Auch für das Bundesfinanzgericht gibt es keine Hinweise, die Zweifel wecken würden. Die Übermittlung mittels Einschreibens durch die Post erfüllt nach Meinung des Bundesfinanzgerichts das Erfordernis des nachweislichen Zukommens (vgl. Huber/Lacha in SWK 19/2022, 815).

6. Ein Umsatzsteuerjahresbescheid, der im Zuge der Veranlagung erlassen wurde, tritt an die Stelle der diesen Veranlagungszeitraum umfassenden Umsatzsteuerfestsetzungsbescheiden (vgl. ).
Die ursprünglich gegen die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für Dezember 2008 und Jänner 2009 eingebrachte Berufung gilt gemäß § 253 BAO auch gegen den später erlassenen Umsatzsteuerjahresbescheid 2009.

7. Aus den genannten Erwägungen steht einer Berichtigung der gegenständlichen Rechnungen mit ex nunc-Wirkung kein Grund entgegen. Daher war der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben.

Die Umsatzsteuern 2008 und 2009 berechnen sich (unter Berücksichtigung der Feststellungen der Außenprüfung über die Jahre 2008-2010; Bericht vom ) wie folgt:


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KURZTEXT
KZ
2008
2009
steuerbarer Umsatz
000
44.367.962,70
46.259.498,05
20% Normalsteuersatz
022
1.383.321,54
1.177.257,02
10% ermäßigter Steuersatz
029
42.984.641,16
45.082.241,03
Steuerschuld gem. § 19
057
36.838,20
60.974,99
innergem. Erwerbe
070
111.492,75
16.633,10
20% Normalsteuersatz
072
111.492,75
16.633,10
Vorsteuern (ohne EUSt)
060
4.172.960,33
4.263.611,06
Vorsteuern innergem. Erwerb
065
22.298,55
3.326,62
Vorsteuern § 19(1), Art.19,25
066
36.838,20
60.974,99
sonstige Berichtigungen
090
-215.589,89
-689.560,74
Umsatzsteuer
186.578,20
-209.496,29

8. Hinweis auf die Rückzahlungssperre gemäß § 239a BAO:
Nach § 239a BAO ist die Rückzahlung (Gutschrift, Umbuchung, Überrechnung, Verwendung zur Tilgung) indirekter Abgaben ausgeschlossen, wenn dies zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen würde. Berichtigt der Leistende eine in der Rechnung zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer, bedingt die Rückzahlung (Gutschrift) eine Bereicherung, es sei denn, der Leistende leitet diesen Betrag an den Leistungsempfänger weiter.
Von § 239a BAO betroffene Gutschriften sind zwar in den Abgabenbescheiden auszuweisen, jedoch muss von der Abgabenbehörde explizit bescheidmäßig festgestellt werden, dass eine Verbuchung dieser Gutschriften am Abgabenkonto nach Maßgabe des § 239a BAO zu unterbleiben hat (Ritz/Koran, BAO 7. Auflage § 239a Tz 14).
Die Erlassung solcher Bescheide obliegt auch dann der Abgabenbehörde, wenn sich die Gutschrift aus einem Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ergibt (vgl. ErläutRV 38 BlgNR 24. GP 12).

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt in diesem Erkenntnis bezüglich der Frage der Verjährung der Berichtigungsmöglichkeit der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Im Übrigen waren Sachverhaltsfragen zu klären, die einer ordentlichen Revision nicht zugänglich sind.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100034.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at