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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.03.2022, RV/7102032/2016

Umsatzsteuerbetrug im reverse charge System

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102032/2016-RS1
Wird die Umsatzsteuer gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 UStG 1994 vom Empfänger der (sonstigen) Leistung geschuldet (reverse charge), wird dessen Recht auf Vorsteuerabzug im Sinne des § 12 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994 nicht dadurch ausgeschlossen, dass der leistende Unternehmer keine Rechnung gelegt oder keine zusammenfassenden Meldungen im Sinne des Art. 21 Abs. 3ff UStG 1994 erstattet hat.
RV/7102032/2016-RS2
Ein in der Liefer- bzw. Leistungskette stattgefundener Umsatzsteuerbetrug schließt das Recht zum Vorsteuerabzug grundsätzlich nur dann aus, wenn er zu einem tatsächlichen Umsatzsteuerausfall geführt hat, wofür die Abgabenbehörde beweispflichtig ist.
RV/7102032/2016-RS3
§ 12 Abs. 1 Z. 1 Satz 4 UStG 1994 i.d.F. vor dem StRefG 2015/2016, BGBl I Nr. 118/2015 (entspricht § 12 Abs. 14 UStG 1994 i.d.F. nach dem StRefG 2015/2016) geht insoweit über das Unionsrecht hinaus, als er den Vorsteuerabzug auch dann ausschließt, wenn ein Umsatz im Zusammenhang mit einem sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht (ohne dass es zu einem Ausfall an Umsatzsteuer gekommen ist) und ist daher insoweit nicht anzuwenden.
RV/7102032/2016-RS4
Eine Umsatzsteuerpflicht kraft Rechnungslegung setzt voraus, dass die betreffende Rechnung formal die Voraussetzungen des §§ 11 Abs. 1 UStG 1994 erfüllt, da der Zweck des § 11 Abs. 14 UStG 1994 darin liegt, einem unberichtigten Vorsteuerabzug vorzubeugen. Dokumente, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen und sich damit nicht als Grundlage eines Vorsteuerabzuges eignen, können daher nicht den Tatbestand des Umsatzsteuerbetruges i.S.d. § 12 Abs. 1 Z. 1 Satz 4 UStG 1994 i.d.F. vor dem StRefG 2015/2016, BGBl I Nr. 118/2015 (entspricht § 12 Abs. 14 UStG 1994 i.d.F. nach dem StRefG 2015/2016) verwirklichen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch "ÖBUG" DR. NIKOLAUS Wirtschaftstreuhand GmbH - Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, St.-Veit-Gasse 8, 1130 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf (nunmehr zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuerfestsetzung 01.2015, 02/2015, 03/2015 und 04/2015 sowie vom betreffend Umsatzsteuer 2011, 2012, 2013 und 2014, alle Steuernummer ***BFStNr1*** (nunmehr: ***BFStNr2*** ) zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Umsatzsteuer 2011 wird mit € 38.463,77 festgesetzt.

Die Umsatzsteuer 2012 wird mit € 39.143,88 festgesetzt.

Die Umsatzsteuer 2013 wird mit € 42.589,77 festgesetzt.

Die Umsatzsteuer 2014 wird mit € 51.981,41 festgesetzt.

Die Umsatzsteuer 01/2015 wird mit € 1.146,37 festgesetzt.

Die Umsatzsteuer 02/2015 wird mit € 2.892,57 festgesetzt.

Die Umsatzsteuer 03/2015 wird mit € 5.469,11 festgesetzt.

Die Umsatzsteuer 04/2015 wird mit € 6.373,96 festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Berechnung der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer, der (britische) ***TV*** Satellitenreceiver und Empfangskarten vertreibt, zunächst die Umsatzsteuer 2011 mit € 28.164,03 fest, mit Bescheid vom die Umsatzsteuer 2012 mit € 22.477,21, mit Bescheid vom die Umsatzsteuer 2013 mit € 24.256,44 und mit Bescheid vom die Umsatzsteuer für den Zeitraum 01/2015 mit € 1.146,43.

Nach einer Außenprüfung verfügte die belangte Behörde mit Bescheid vom gemäß § 303 Abs. 1 BAO die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für 01/2015 (Bescheid vom ). Mit vier weiteren Bescheiden vom selben Tage setzte die belangte Behörde die Umsatzsteuer für den Zeitraum 01/2015 mit nunmehr € 5.074,26, die Umsatzsteuer für den Zeitraum 02/2015 mit € 6.800,53 die Umsatzsteuer für den Zeitraum 03/2015 mit € 9.312,21 und die Umsatzsteuer für den Zeitraum 04/2015 mit € 10.462,76 fest. Mit drei Bescheiden vom verfügte die belangte Behörde gemäß § 303 Abs. 1 BAO die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2011 (Bescheid vom ), 2012 (Bescheid vom ) und 2013 (Bescheid vom ) und setzte mit vier weiteren Bescheiden vom selben Tage die Umsatzsteuer 2011 mit € 59.948,63, die Umsatzsteuer 2012 mit € 54.467,00, die Umsatzsteuer 2013 mit € 59.902,91 und die Umsatzsteuer 2014 mit € 67.445,89 fest. Den Begründungen dieser Bescheide, dem Bericht vom über die Außenprüfung (auf welchen in den Bescheidbegründungen verwiesen wird) sowie der Niederschrift über die Schlussbesprechung über die Außenprüfung gemäß § 149 Abs. 1 BAO vom ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde geltend gemachte Vorsteuern aus dem Erwerb von ***TV***-Satellitenreceivern und ***TV***-Empfangskarten nicht anerkannte, weil diesbezüglich keine dem § 11 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994 1994 entsprechenden Eingangsrechnungen vorliegen. Soweit Rechnungen überhaupt existieren (es handelt sich um vier Rechnungen einer "***RngAusst***" für die Jahre 2011-2014), fehle die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers, die genaue Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände bzw. Art und Umfang der sonstigen Leistung, das Ausstellungsdatum, eine fortlaufende Nummer sowie die vom Finanzamt erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID). Zudem habe im Rahmen der innergemeinschaftlichen Erwerbe der leistende (in Großbritannien ansässige) Unternehmer ***LstU*** keine Rechnungen mit gültiger UID ausgestellt und hinsichtlich der von ihm an den Beschwerdeführer erbrachten Leistungen keine Zusammenfassenden Meldungen im Sinne des Art. 21 Abs. 3ff UStG 1994 erstattet.

Konkret wurden folgende Vorsteuerbeträge nicht anerkannt:

USt 2011:
Vorsteuer laut unzureichender Rechnung ***RngAusst*** € 16.666,67
Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben (keine Rng.) € 21.484,90

USt 2012:
Vorsteuer laut unzureichender Rechnung ***RngAusst*** € 16.666,67
Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben (keine Rng.) € 15.323,12

USt 2013:
Vorsteuer laut unzureichender Rechnung ***RngAusst*** € 18.333,33
Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben (keine Rng.) € 17.313,14

USt 2014:
Vorsteuer laut unzureichender Rechnung ***RngAusst*** € 22.500,00
Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben (keine Rng.) € 15.464,48

USt 01/2015:
Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben (keine Rng.) € 3.927,89

USt 02/2015:
Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben (keine Rng.) € 3.907,96

USt 03/2015:
Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben (keine Rng.) € 3.843,10

USt 04/2015:
Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben (keine Rng.) € 4.088,80

Anerkannt wurden folgende Vorsteuerbeträge:

2011: € 3.747,56

2012: € 2.338,45

2013: € 8.193,23

2014: € 3.319,99

01/2015: € 1.238,63

02/2015: € 107,43

03/2015: € 355,89

04/2015: € 116,04

Gegen die vier Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner, Februar, März und April 2015 vom sowie gegen die vier Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2014 vom (sowie - hier nicht gegenständlich - gegen mehrere ESt-Bescheide) richtet sich die Beschwerde vom . Die Wiederaufnahmebescheide blieben unangefochten. In der Beschwerde wird der von der Behörde angenommene Sachverhalt im Wesentlichen außer Streit gestellt. Insbesondere werden die von der belangten Behörde ihren Entscheidungen zugrunde gelegten Umsatzsteuerbeträge als rechnerisch richtig zugestanden. Unstrittig ist weiters, dass die Rechnungen der ***RngAusst*** nicht alle Rechnungsmerkmale im Sinne des § 11 UStG 1994 aufweisen, sowie dass der im Rahmen der innergemeinschaftlichen Erwerbe leistende (britische) Unternehmer ***LstU*** keine Rechnungen an den Beschwerdeführer gelegt hat. Bekämpft wird demnach die rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde, wonach der Vorsteuerabzug ausgeschlossen sei, weil keine tauglichen Rechnungen vorliegen bzw. weil ***LstU*** keine Zusammenfassenden Meldungen im Sinne des Art. 21 Abs. 3ff UStG 1994 erstattet habe. Nach der (vom Beschwerdeführer soweit im Ergebnis noch geteilten) Rechtsauffassung der belangten Behörde schuldet der Beschwerdeführer gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 die Umsatzsteuer hinsichtlich der an ihn erbrachten sonstigen Leistungen (Einräumung von Fernsehempfangsrechten), weil der leistende Unternehmer ***LstU*** im Inland weder sein Unternehmen betreibt noch eine Betriebsstätte hat und der Beschwerdeführer als Leistungsempfänger Unternehmer ist (reverse charge). Das gegengleiche Vorsteuerabzugsrecht stehe dem Beschwerdeführer entgegen der Auffassung der belangten Behörde in derartigen Fällen jedoch unabhängig davon zu, ob eine Rechnung ausgestellt wurde, der leistende Unternehmer Zusammenfassende Meldungen erstattet hat oder sonstige Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten eingehalten wurden. Einzige Voraussetzung für den Vorsteuerabzug sei, dass Umsatzsteuer gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 geschuldet wird, dass es sich bei den zugrundeliegenden Leistungen um solche handelt, die im Inland ausgeführt worden sind und dass die Leistungserbringung für das Unternehmen des Leistungsempfängers erfolgt (§ 12 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994). Diese Voraussetzungen würden im gegenständlichen Fall vorliegen, sodass dem Beschwerdeführer das Vorsteuerabzugsrecht zustehe.

Mit vier Beschwerdevorentscheidungen vom wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen die Bescheide vom über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 01/2015, 02/2015, 03/2015 und 04/2015 als unbegründet ab. Mit vier weiteren Beschwerdevorentscheidungen vom selben Tag änderte sie die USt-Bescheide 2011-2014 dahingehend, dass die Umsatzsteuer 2011 nunmehr mit € 76.615,27, die Umsatzsteuer 2012 mit € 71.133,67, die Umsatzsteuer 2013 mit € 78.236,24 und die Umsatzsteuer 2014 mit € 89.945,89 festgesetzt wurde. Die Änderungen bei den USt-Bescheiden 2011-2014 beruhen darauf, dass die belangte Behörde nunmehr auch die Rechnungen der ***RngAusst*** den Umsätzen mit ***LstU*** zugerechnet und die sich daraus ergebende Umsatzsteuer gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 vorgeschrieben hat. Das hierzu korrespondierende Vorsteuerabzugsrecht wurde weiterhin nicht zugestanden (weder hinsichtlich der bereits in den angefochtenen Bescheiden gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 vorgeschriebenen USt noch hinsichtlich der in den Beschwerdevorentscheidungen zusätzlich vorgeschriebenen USt aufgrund der Rechnungen der ***RngAusst***), nunmehr allerdings mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer wissen hätte müssen, dass in der Lieferantenkette ein Umsatzsteuerbetrug stattgefunden habe, sodass das Vorsteuerabzugsrecht gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 (heute geregelt in § 12 Abs. 14 UStG 1994) ausgeschlossen sei. Diesen Umsatzsteuerbetrug erblickt die belangte Behörde darin, dass Herr ***LstU***, der aufgrund seiner Tätigkeit, in deren Rahmen er nachhaltig, selbstständig und entgeltlich Leistungen erbringt und nach außen hin in Erscheinung tritt, als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG 1994 zu betrachten sei, laut Aussage des Beschwerdeführers jedoch als Privater aufgetreten sei, keine Rechnungen, keine Auftragsbestätigungen und keine sonstigen schriftlichen Unterlagen oder Dokumente ausgestellt habe. Zudem habe der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den Rechnungen der ***RngAusst*** von "Steueroptimierung" gesprochen.

Gegen diese (insgesamt acht) Beschwerdevorentscheidungen richtet sich der Vorlageantrag vom , der durch einen Schriftsatz vom ergänzt wurde. Darin pflichtet der Beschwerdeführer der belangten Behörde insoweit bei, als auch die Leistungen laut Rechnungen der ***RngAusst*** in diejenigen Umsätze einzubeziehen sind, für die die Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 von Herrn ***LstU*** auf den Beschwerdeführer übergegangen ist, weil auch diesbezüglich das Leistungstauschverhältnis ausschließlich mit Herrn ***LstU*** bestanden habe. Allerdings stehe dem Beschwerdeführer dann auch das Vorsteuerabzugsrecht hinsichtlich dieser USt-Beträge zu. Auch die von der belangten Behörde in den Beschwerdevorentscheidungen erstmals ins Treffen geführte Begründung (Umsatzsteuerbetrug) sei nicht geeignet, den Vorsteuerabzug auszuschließen, da ein Umsatzsteuerbetrug tatsächlich nicht vorliege. Im Zusammenhang mit den von Herrn ***LstU*** an den Beschwerdeführer erbrachten Leistungen sei ein Umsatzsteuerbetrug schon deswegen nicht denkbar, da die Umsatzsteuerschuld gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 auf den Beschwerdeführer übergegangen ist, der sohin gleichzeitig die Umsatzsteuer schuldet und die Vorsteuer in gleicher Höhe abziehen kann, sodass ausgeschlossen sei, dass das Vorsteuerabzugsrecht geltend gemacht wird, ohne dass die gegengleiche Umsatzsteuerschuld beglichen wird. Hinsichtlich des nachgelagerten Umsatzes, also der Weiterveräußerung der Receiver und Karten durch den Beschwerdeführer an seine Kunden liege ebenfalls kein Umsatzsteuerbetrug vor, da der Beschwerdeführer die daraus resultierende Umsatzsteuer ordnungsgemäß erklärt und abgeführt habe. Hinsichtlich des vorgelagerten Umsatzes, also des Erwerbes der Receiver und Karten durch Herrn ***LstU*** habe die belangte Behörde das Vorliegen eines Umsatzsteuerbetruges weder substantiiert behauptet noch bewiesen. Aus dem Fehlen von Eingangsrechnungen oder schriftlichen Bestellungen bzw. Auftragsbestätigungen könne nicht auf einen Umsatzsteuerbetrug beim vorgelagerten Umsatz geschlossen werden, und schon gar nicht, dass der Beschwerdeführer von einem solchen wusste oder wissen musste. Auch eine allfällige "Steueroptimierung" im Zusammenhang mit den Rechnungen der ***RngAusst*** würde sich nicht auf den vorgelagerten Umsatz, sondern auf den Umsatz zwischen Herrn ***LstU*** und dem Beschwerdeführer beziehen. Letztlich sei auch im Zusammenhang mit den Rechnungslegungen der ***RngAusst*** an den Beschwerdeführer kein Umsatzsteuerbetrug zu erblicken, da der Beschwerdeführer die in Rede stehenden Leistungen stets direkt von Herrn ***LstU*** aus Großbritannien bezogen hat und die ***RngAusst*** in die "Leistungskette" nie einbezogen war. Ein Vorsteuerabzug stehe der ***RngAusst*** (abgesehen davon, dass die Rechnungen formelle Mängel aufweisen) schon deshalb nicht zu, weil diese keine Leistungen im Inland an den Beschwerdeführer ausgeführt hat. Selbst wenn man - entgegen dem diesbezüglich zwischen der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer herrschenden Einvernehmen - annehmen wollte, dass eine Leistungserbringung zwischen der ***RngAusst*** und dem Beschwerdeführer stattgefunden hat, könnte ein allfälliger Ausschluss des Vorsteuerabzuges infolge eines Umsatzsteuerbetruges dann nur die von der ***RngAusst*** an den Beschwerdeführer erbrachten Leistungen betreffen, wobei diesfalls die Leistungserbringung des Herrn ***LstU*** an ***RngAusst*** als Zwischenhändler erfolgt wäre und letztere Steuerschuldnerin nach § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 und gleichzeitig diesbezüglich vorsteuerabzugsberechtigt gewesen wäre, was aber das Vorsteuerabzugsrecht des Beschwerdeführers in keiner Weise tangiert hätte.

Der Beschwerdeführer beantragt daher, die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass der jeweilige Gesamtbetrag der Vorsteuern um die jeweils nicht anerkannten Beträge erhöht wird.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer vertreibt in Österreich Receiver und Viewing Cards, die zum Empfang von Fernsehprogrammen des britischen Senders "***TV***" benötigt werden. Zu den Hauptkunden des Beschwerdeführers zählen die ***K1*** und die ***K2***. An seine Kunden legt der Beschwerdeführer diesbezüglich Rechnungen einschließlich USt-Ausweis. In den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen hat der Beschwerdeführer gegenüber seinen Kunden Leistungen im Ausmaß der nachstehenden Beträge erbracht:

2011: € 211.056,67

2012: € 207.411,67

2013: € 253.915,00

2014: € 276.507,00

01/2015: € 11.925,00

02/2015: € 15.000,00

03/2015: € 29.125,00

04/2015: € 32.450,00

Die Receiver und Karten bezieht er aus Großbritannien von ***LstU***, ***LstU-Adr***. Die Bestellungen erfolgten hierbei telefonisch oder per E-Mail. Hierfür überweist der Beschwerdeführer monatlich Beträge an Herrn ***LstU***, die dieser ihm zuvor genannt hat. In den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen hat der Beschwerdeführer Receiver und Karten um die nachstehend angeführten Beträge bestellt, erhalten und bezahlt:

2011: € 190.757,83

2012: € 159.948,95

2013: € 178.232,38

2014: € 189.822,39

01/2015: € 19.639,45

02/2015: € 19.539,82

03/2015: € 19.215,50

04/2015: € 20.443,98

Rechnungslegungen durch Herrn ***LstU*** erfolgten nicht. Ebenso wenig erstattete dieser hinsichtlich seiner Umsätze mit dem Beschwerdeführer Zusammenfassenden Meldungen im Sinne des Art. 21 Abs. 3ff UStG 1994. Woher ***LstU*** die Receiver und Karten bezieht, wie hierbei und bei allfälligen vorgelagerten Erwerbsvorgängen verfahren wird, insbesondere ob die umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften beachtet werden, kann nicht festgestellt werden.

Für einen Teil der o.a. Umsätze liegen an den Beschwerdeführer adressierte Rechnungen vor, die als Aussteller "***RngAusst***" ausweisen. Aufschluss darüber, welche Rechtsperson hinter "***RngAusst***" steht, geben diese Rechnungen nicht. Es ist lediglich eine E-Mail-Adresse (***RngAusst-email***) angegeben. Anstatt eines Rechnungsdatums ist jeweils das gesamte Kalenderjahr angeführt, anstelle einer fortlaufenden Nummer enthalten die Rechnungen den Vermerk "Sammelrechnung". Bei der auf den Rechnungen angeführten UID handelt es sich um jene des Beschwerdeführers; eine UID der "***RngAusst***" ist nicht angegeben. Verrechnet werden jeweils "***TV*** Cards GB" um einen nicht näher aufgeschlüsselten Gesamtbetrag. 20% USt aus diesem Gesamtbetrag sowie der jeweilige Bruttobetrag sind gesondert ausgewiesen. Für die verfahrensgegenständlichen Jahre weisen diese Rechnungen folgende Beträge aus:

2011: € 83.333,33 zzgl. 20% USt € 16.666,67, brutto sohin € 100.000,00

2012: € 83.333,33 zzgl. 20% USt € 16.666,67, brutto sohin € 100.000,00

2013: € 91.666,67 zzgl. 20% USt € 18.333,33, brutto sohin € 110.000,00

2014: € 112.500,00 zzgl. 20% USt € 22.500,00, brutto sohin € 135.000,00

Die Umsätze laut diesen Rechnungen erfolgten nicht mit ***RngAusst*** oder einer allenfalls dahinterstehenden Rechtsperson, sondern ausschließlich mit ***LstU***.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist zwischen den Parteien i.W. unstrittig und ergibt sich auch aus den vorliegenden Urkunden. Unstrittig sind insbesondere die von der belangten Behörde ihren Bescheiden zugrunde gelegten Bemessungsgrundlagen und Berechnungen für die vorgeschriebene Umsatzsteuer (strittig ist lediglich die Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer der Vorsteuerabzug zusteht). Woher der Beschwerdeführer die Receiver und Karten bezieht, an wen er sie weiter veräußert und wie hierbei vorgegangen wird, hat er anlässlich der Außenprüfung gegenüber der belangten Behörde angegeben und hat die Behörde diese Angaben den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegt. Die vom Beschwerdeführer an seine Kunden gelegten Ausgangsrechnungen liegen vor und ergibt sich aus diesen, dass er hierbei USt ausgewiesen hat.

Auch die Rechnungen der ***RngAusst*** liegen vor und ergeben sich die diesbezüglichen Feststellungen hieraus. Zu diesen Rechnungen hat der Beschwerdeführer anlässlich der Prüfung angegeben, dass er im Jahre 2011 von einem Herrn ***X*** per E-Mail kontaktiert worden wäre und dieser im angeboten hätte, ihm über einen Teil seiner innergemeinschaftlichen Erwerbe Rechnungen zu schicken. Näheres hierzu konnte der Beschwerdeführer nicht angeben. Feststellungen zum Zustandekommen der Rechnungen der ***RngAusst*** konnten daher nicht getroffen werden. Zum einen erscheint es dem Gericht nicht nachvollziehbar, dass dem Beschwerdeführer von einem (offenbar nicht näher bekannten) Außenstehenden angeboten wird, ihm Rechnungen über die Umsätze mit Herrn ***LstU*** auszustellen, zum anderen ist dies aus rechtlichen Erwägungen auch unerheblich (s. unten Pkt 3.1.). Nähere Informationen zur ***RngAusst*** liegen nicht vor. Es ist daher nicht bekannt, ob es ein Unternehmen mit dieser Bezeichnung überhaupt gibt und von wem es betrieben wird bzw. welche Rechtsperson dahinter steht. Dass zwischen einem allenfalls existierenden Unternehmen ***RngAusst*** und dem Beschwerdeführer kein Leistungsaustausch stattgefunden hat, sondern die in den Rechnungen fakturierten Leistungen ausschließlich zwischen Herrn ***LstU*** und dem Beschwerdeführer stattgefunden haben, ist zwischen den Parteien unstrittig und auch für das Gericht naheliegend, da keinerlei Hinweise dafür vorliegen, dass der Beschwerdeführer Receiver und Karten von jemand anderem bezogen hat, als von Herrn ***LstU***.

Ebenso wenig liegen Informationen darüber vor, von wem Herr ***LstU*** seinerseits die Receiver und Karten bezieht und wie hierbei vorgegangen wird, insbesondere ob die beteiligten Personen die umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften einhalten. Diesbezüglich war daher eine Negativfeststellung zu treffen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 wird die Umsatzsteuer bei sonstigen Leistungen vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn der leistende Unternehmer im Inland weder sein Unternehmen betreibt noch eine an der Leistungserbringung beteiligte Betriebsstätte hat und der Leistungsempfänger Unternehmer im Sinne des § 3a Abs. 5 Z. 1 und 2 UStG 1994 ist (reverse charge).

Sowohl der Beschwerdeführer als auch Herr ***LstU*** sind Unternehmer im Sinne des § 2 UStG 1994 (bzw. im Sinne des § 3 Abs. 5 Z. 1 UStG 1994, der auf § 2 UStG 1994 verweist). Beide üben eine nachhaltige Tätigkeit (Veräußerung von Rechten einschließlich technischer Hilfsmittel zum Empfang von Fernsehsendungen) zur Erzielung von Einnahmen, sohin eine gewerbliche bzw. berufliche Tätigkeit selbstständig aus. Daran, dass ihre Tätigkeit nachhaltig ist, also in Wiederholungsabsicht ausgeübt bzw. tatsächlich wiederholt wird, sowie dass sie der Erzielung von Einnahmen dient (Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich), kann angesichts dessen, dass Herr ***LstU*** und der Beschwerdeführer in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen (über vier Jahre) Fernsehempfangsrechte im Ausmaß von rund € 200.000,00 jährlich bzw. € 20.000,00 monatlich veräußert haben, kein Zweifel bestehen.

Bei den von Herrn ***LstU*** gegenüber dem Beschwerdeführer erbrachten Leistungen handelt es sich um "sonstige Leistungen" im Sinne des § 3a Abs. 1 UStG 1994, nämlich die Einräumung von Fernsehempfangsrechten. Die zu diesem Zweck von Herrn ***LstU*** gelieferten körperlichen Gegenstände, also die Receiver und Karten stellen lediglich technische Hilfsmittel bzw. Voraussetzungen dar, um Sendungen empfangen zu können, und teilen daher nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung als unselbstständige Nebenleistungen von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung, sodass auch in der Zurverfügungstellung der Receiver und Karten keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung liegt. Die gegenständliche Leistung wird daher gemäß § 3a Abs. 6 UStG 1994 an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger (Beschwerdeführer) sein Unternehmen betreibt, also in Österreich.

Da Herr ***LstU*** in Großbritannien (im verfahrensgegenständlichen Zeitraum noch EU-Mitglied) ansässig ist und in Österreich weder sein Unternehmen betreibt noch eine an der Leistungserbringung beteiligte Betriebsstätte unterhält, liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 vor. Schuldner der Umsatzsteuer aus den Umsätzen zwischen Herrn ***LstU*** und dem Beschwerdeführer ist daher der Beschwerdeführer. All dies ist zwischen den Parteien unstrittig (im Verfahren vor der belangten Behörde hatte der Beschwerdeführer noch angegeben, dass er Herrn ***LstU*** für eine Privatperson hält; im Beschwerdeverfahren bezweifelt er jedoch nicht mehr, dass es sich um einen Unternehmer handelt).

Strittig ist, ob dem Beschwerdeführer das spiegelbildliche Vorsteuerabzugsrecht im Sinne des § 12 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994 aus den im Inland ausgeführten Umsätzen mit Herrn ***LstU*** zusteht. Dies wurde von der belangten Behörde zunächst mit der Begründung verneint, dass keine tauglichen Eingangsrechnungen vorliegen bzw. Herr ***LstU*** keine Zusammenfassenden Meldungen im Sinne des Art. 21 Abs. 3ff UStG 1994 erstattet hat. Für den hier vorliegenden Fall des Übergangs der Steuerschuld vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger (reverse charge) hat der EuGH (, Rs C-90/92, Bockemühl) entschieden, dass der Leistungsempfänger keine Rechnung benötigt, um sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können. Verfügt die Steuerverwaltung über die Angaben, die für die Feststellung erforderlich sind, dass der Steuerpflichtige als Empfänger der fraglichen Leistung die Mehrwertsteuer schuldet, so darf sie hinsichtlich des Rechts des Steuerpflichtigen auf Abzug der Vorsteuer keine zusätzlichen Voraussetzungen festlegen, die die Ausübung dieses Rechts verhindern können. Ein derartiges Erfordernis würde nämlich dazu führen, dass der Steuerpflichtige einerseits als Dienstleistungsempfänger die entsprechende Mehrwertsteuer schuldet, andererseits aber Gefahr läuft, diese nicht abziehen zu können. Demgemäß können auch Aufzeichnung- und Erklärungsfehler den Vorsteuerabzug nicht hindern, solange diese Verstöße nicht den sicheren Nachweis verhindern, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (, Rs C-96/07, Ecotrade; , C-590/13, Indexx Laboratories Italia). Diese Rechtsprechung hat auch Eingang in die österreichischen Umsatzsteuerrichtlinien gefunden (UStR 2000, Rz. 1876). Im vorliegenden Fall stehen alle Informationen zur Verfügung, um festzustellen, dass der Beschwerdeführer die Umsatzsteuer aus den von Herrn ***LstU*** an ihn erbrachten Leistungen schuldet und hat die belangte Behörde (zutreffend und insoweit unbekämpft) diese Umsatzsteuer gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 dem Beschwerdeführer vorgeschrieben. Der Vorsteuerabzug kann daher nicht deswegen versagt werden, weil für diese Leistungen keine tauglichen Eingangsrechnungen vorliegen bzw. Herr ***LstU*** keine Zusammenfassenden Meldungen erstattet hat (Letzteres stellt schon grundsätzlich keine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug dar).

In den Beschwerdevorentscheidungen wird diese Rechtsauffassung von der belangten Behörde offenkundig nicht mehr aufrechterhalten. Stattdessen wird der Vorsteuerabzug nunmehr mit der Begründung verweigert, dass der Beschwerdeführer um einen Umsatzsteuerbetrug in der Leistungskette wissen hätte müssen. Diesen Umsatzsteuerbetrug erblickt die belangte Behörde einerseits im Verhalten des Herrn ***LstU***, der weder schriftliche Rechnungen noch Auftragsbestätigungen bzw. sonstige schriftliche Unterlagen oder Dokumente ausstellt und andererseits in der beabsichtigten "Steueroptimierung" mittels der Rechnungen der ***RngAusst***.

Die diesbezügliche Regelung in § 12 Abs. 1 Z. 1 letzter Satz UStG 1994 (heute: § 12 Abs. 14 UStG 1994) beruht auf einer Rechtsprechung des EuGH, wonach nationale Behörden und Gerichte einem Unternehmer im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. Leistung das Recht auf Vorsteuerabzug versagen müssen, sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass dieser Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung des betreffenden Rechts beruft, an einer im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Leistung begangenen Mehrwertsteuer-Hinterziehung beteiligt hat (verb. Rs C-131/13, C-163/13 und C-164/13, Schoenimport "Italmoda Mariano Previti u.a.), und zwar auch dann wenn diese Steuerhinterziehung auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Liefer-oder Leistungskette stattgefunden hat (, Bonik).

Allerdings ist das Recht der Steuerpflichtigen, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer jene Steuer abzuziehen, die für die von ihnen erworbenen Gegenstände und empfangenen Dienstleistungen als Vorsteuer geschuldet wird oder entrichtet wurde, ein fundamentaler Grundsatz des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ( Maks Pen, , Rs C-324/11 Gabor Toth). Daher haben die Mitgliedsstaaten bei der Verhängung von Sanktionen zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Mehrwertsteuersystems den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und sich nur solcher Mittel zu bedienen, die es zwar erlauben, das Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen und Steuerumgehungen wirksam zu erreichen, die aber die Ziele und Grundsätze des Unionsrechts wie das fundamentale Prinzip des Rechts auf Vorsteuerabzug möglichst wenig beeinträchtigen. Demgemäß hat der EuGH die Sanktion des Verlustes des Vorsteuerabzugs als unangemessen qualifiziert, wenn kein Betrug und keine Schädigung des Haushaltes des Staates nachgewiesen ist, und muss in derartigen Fällen grundsätzlich mit gelinderen Mittel wie Geldstrafen das Auslangen gefunden werden (, EMS-Bulgaria Transport OOD). Dies bedeutet, dass aufgrund einer Umsatzsteuerhinterziehung bzw. eines Umsatzsteuerbetruges (der EuGH verwendet diese Begriffe synonym) der Vorsteuerabzug nur dann versagt werden darf, wenn es tatsächlich zu einer USt-Verkürzung gekommen ist. Dies ist jedoch im reverse charge System, in dem der Empfänger einer Leistung die darauf entfallende USt schuldet und sofort die Vorsteuer in gleicher Höhe abziehen kann, sodass es zu keiner Zahlung an den Fiskus kommt, grundsätzlich ausgeschlossen.

Im Zusammenhang mit den Umsätzen zwischen Herrn ***LstU*** und dem Beschwerdeführer kann es demnach zu keiner Umsatzsteuerhinterziehung gekommen sein. Schuldner der USt aus diesen Umsätzen war der Beschwerdeführer, der jedoch aufgrund der sofort und in gleicher Höhe zustehenden Vorsteuer insoweit keine Zahlungen an die belangte Behörde zu leisten hatte, sodass er auch keine Umsatzsteuer hinterziehen konnte. Bei Herrn ***LstU*** ist eine Umsatzsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit den an den Beschwerdeführer erbrachten Leistungen schon allein deswegen ausgeschlossen, weil er nicht Schuldner der aus diesen Leistungen resultierenden USt ist. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn unter Verwendung der Rechnungen der ***RngAusst*** tatsächlich eine Umsatzsteuerhinterziehung ("Steueroptimierung") beabsichtigt gewesen sein sollte, der Beschwerdeführer also der (irrigen) Auffassung gewesen sein sollte, zur Geltendmachung des Vorsteuerabzuges Rechnungen zu benötigen und sich zu diesem Zweck die Rechnungen der ***RngAusst*** beschafft haben sollte. Da die Umsätze laut diesen Rechnungen nicht zwischen dem Beschwerdeführer und der ***RngAusst*** oder einer allenfalls dahinter stehenden Rechtsperson stattgefunden haben, sondern zwischen dem Beschwerdeführer und Herrn ***LstU***, die Rechnungen daher dem Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und Herrn ***LstU*** zuzurechnen sind und von der belangten Behörde auch zugerechnet wurden, gilt auch für diese Rechnungen, dass die daraus resultierende USt vom Beschwerdeführer geschuldet wird und infolge des sofortigen Vorsteuerabzuges in gleicher Höhe keine Steuer an das Finanzamt zu entrichten ist, die verkürzt werden könnte. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass eine Umsatzsteuerhinterziehung auch nicht im Zusammenhang mit einer allfälligen Steuerpflicht kraft Rechnungslegung infrage kommt: Nach § 11 Abs. 14 UStG 1994 schuldet derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausgeführt hat oder nicht Unternehmer ist, diesen Betrag. Da von der ***RngAusst*** bzw. einer allenfalls dahinterstehenden Rechtsperson tatsächlich keine Leistungen an den Beschwerdeführer erbracht wurden, würde die Ausstellung von Rechnungen mit USt-Ausweis sohin grundsätzlich eine Steuerpflicht kraft Rechnungslegung nach sich ziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH hat diese Steuerschuld aber zur Voraussetzung, dass eine solche Rechnung erstellt wird, die formal die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 UStG 1994 erfüllt, da der Zweck des § 11 Abs. 14 UStG 1994 darin liegt, einem unberechtigten Vorsteuerabzug vorzubeugen. Dokumente, die nicht die formalen Voraussetzungen einer Rechnung haben, können schon aus diesem Grund nicht als Grundlage eines Vorsteuerabzuges dienen, weshalb ein Missbrauch nicht in Betracht kommt (; , 2001/14/0023; , 2006/13/0128; , 2005/15/0150). Den Rechnungen der ***RngAusst*** fehlen mehrere Merkmale im Sinne des § 11 Abs. 1 UStG 1994, nämlich Name ("***RngAusst***" ist offenkundig eine Geschäftsbezeichnung und bezeichnet weder eine natürliche noch eine juristische Person) und Anschrift (angegeben wird lediglich eine E-Mail-Adresse) des leistenden Unternehmers, Art und Umfang der sonstigen Leistung (die Leistung wird lediglich als "***TV*** Cards GB" bezeichnet, die Anzahl der Karten wird nicht angegeben), Ausstellungsdatum, fortlaufende Nummer und UID des leistenden Unternehmers. Diese Rechnungsmerkmale werden auch von der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStRL) gefordert (Art. 226), sodass deren Fehlen auch im Lichte der Rechtsprechung des EuGH zum Verlust des Vorsteuerabzuges führen muss ( "Pannon"; ausdrücklich zur präzisen Angabe der erbrachten Leistung: "Petroma Transports SA"). Die Rechnungen eigenen sich daher nicht zum Vorsteuerabzug und lösen nach der o.a. Rechtsprechung sohin auch nicht die USt-Pflicht nach § 11 Abs. 14 UStG 1994 aus. In Ermangelung einer USt-Pflicht kommt demnach auch insoweit eine Umsatzsteuerhinterziehung (die im Übrigen außerhalb der hier gegenständlichen Liefer- bzw. Leistungskette stehen würde und daher wohl auch aus diesem Grund dem Vorsteuerabzug nicht entgegenstehen würde) nicht infrage.

Davon, dass auf der nachgelagerten Umsatzstufe, also bei der Weiterveräußerung der Fernsehempfangsrechte einschließlich Receiver und Karten durch den Beschwerdeführer an seine Kunden ein Umsatzsteuerbetrug stattgefunden haben könnte, geht auch die belangte Behörde nicht aus. In den diesbezüglichen Rechnungen ist die Umsatzsteuer ordnungsgemäß ausgewiesen und wird auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt, dass der Beschwerdeführer diese Umsatzsteuer ordnungsgemäß erklärt und abgeführt hat.

Die belangte Behörde erblickt einen Umsatzsteuerbetrug offenbar in erster Linie auf der vorgelagerten Umsatzstufe, also beim Erwerb der Fernsehempfangsrechte einschließlich Receiver und Karten durch Herrn ***LstU*** (vom Betreiber des Senders "***TV***" oder mittelbar über einen Zwischenhändler), indem sie darauf verweist, dass dieser weder schriftliche Rechnungen noch Auftragsbestätigungen bzw. sonstige schriftliche Unterlagen oder Dokumente ausstellt, sich also um umsatzsteuerrechtliche Vorschriften nicht kümmert. Da der Beschwerdeführer diese Vorgehensweise aktiv unterstützt habe, müsse ihm bewusst gewesen sein, dass hier ein Umsatzsteuerbetrug stattfinde. Hierzu ist festzuhalten, dass die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Verhaltensweisen des Herrn ***LstU*** nicht die vorgelagerte Umsatzstufe betreffen, sondern die Umsätze und Leistungsbeziehungen mit dem Beschwerdeführer. Darüber wie Herr ***LstU*** beim Erwerb der gegenständlichen Leistungen vorgegangen ist, fehlt jegliche Information. Nach der Rechtsprechung des EuGH hat die Steuerbehörde jene objektiven Umstände hinreichend nachzuweisen, die den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen hätte müssen, dass der zur Begründung des Vorsteuerabzugs ausgeführte Umsatz vom Lieferer oder von einem anderen Unternehmer in der Leistungskette in eine Steuerhinterziehung einbezogen war (, Bonk EOOD). Es besteht daher eine Beweispflicht der belangten Behörde dafür, dass die Voraussetzungen für den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechtes vorliegen, insbesondere daher auch dafür, dass (hier: auf einer vorgelagerten Umsatzstufe) eine Steuerhinterziehung einschließlich Abgabenverkürzung tatsächlich stattgefunden hat. Dieser Beweispflicht ist die belangte Behörde nicht nachgekommen. Zudem ist auch auf der vorgelagerten Umsatzstufe eine Umsatzsteuerhinterziehung durch Herrn ***LstU*** kaum denkbar. Wenn er sich auch beim Erwerb der gegenständlichen Leistungen wie ein Privater verhalten sollte, würde er dadurch lediglich auf sein Recht zum Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit allfälligen an ihn gerichteten und von ihm bezahlten Rechnungen verzichten. Eine Umsatzsteuer, die er hinterziehen könnte, schuldet er jedoch auch aus dieser Umsatzstufe nicht, sofern nicht auch hier eine reverse charge Situation vorliegen sollte, wofür aber jeglicher Anhaltpunkt fehlt und was angesichts dessen, dass Empfangsrechte eines britischen Senders wohl in Großbritannien bezogen werden müssen, auch nicht naheliegend ist. Falls Herr ***LstU*** Ertragssteuern hinterziehen sollte, könnte dies ebenso wenig das Vorsteuerabzugsrecht des Beschwerdeführers ausschließen, da nur eine Umsatzsteuerhinterziehung mit dieser Sanktion belegt ist.

Der Vollständigkeit halber ist noch darauf einzugehen, dass nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 (bzw heute: § 12 Abs. 14 UStG 1994) auch sonstige, die Umsatzsteuer betreffende Finanzvergehen das Recht auf Vorsteuerabzug ausschließen, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit einem solchen Vergehen steht. Demnach wäre der Vorsteuerabzug auch bei Kenntnis oder verschuldeter Unkenntnis von einem bloßen Finanzvergehen (ohne dass es zu einem ungerechtfertigten Abgabenvorteil gekommen ist) zu versagen. Diese Regelung geht aber über die Rechtsprechung des EuGH, wonach es für die Versagung des Vorsteuerabzuges bei Hinterziehung bzw. Betrug (Missbrauch) wesentlich ist, dass tatsächlich eine Abgabenverkürzung stattgefunden hat, hinaus und ist damit insoweit nicht vom Unionsrecht gedeckt. Nach der Rechtsprechung des BFG ist diese Bestimmung daher nicht anwendbar (; , RV/5101299/2017). Allfällige sonstige Vergehen in der Liefer- bzw. Leistungskette, die zu keiner USt-Verkürzung geführt haben, sind daher nicht geeignet das Vorsteuerabzugsrecht des Beschwerdeführers auszuschließen.

Die angefochtenen Bescheide waren daher dahingehend abzuändern, dass einerseits bei den USt-Bescheiden 2011 bis 2014 - wie schon in den Beschwerdevorentscheidungen - die gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 dem Beschwerdeführer vorgeschriebene USt um die USt laut Rechnungen der ***RngAusst*** erhöht wird und andererseits bei allen Bescheiden der Gesamtbetrag der Vorsteuern um die aus den Umsätzen mit Herrn ***LstU*** (einschließlich Rechnungen der ***RngAusst***) resultierende Vorsteuer i.S.d. § 12 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994 erhöht wird.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt demnach vor, wenn sie von der Judikatur bereits beantwortet wurde, wobei es sich nicht notwendigerweise um eine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handeln muss, sondern eine Rechtsfrage auch dann nicht (mehr) von grundsätzlicher Bedeutung ist, wenn sie durch eine Entscheidung des EuGH gelöst wurde (; , Ra 2017/02/0122). Im vorliegenden Fall hängt die Entscheidung maßgeblich von der Frage ab, ob der Vorsteuerabzug unter Hinweis auf einen Umsatzsteuerbetrug auch dann versagt werden kann, wenn eine tatsächliche Verkürzung der Umsatzsteuer (also ein Einnahmenausfall des Staates) nicht eingetreten oder nicht nachgewiesen ist. Dies wurde von der unter Punkt 3.1. Zitierten Rechtsprechung des EuGH (insb. , EMS-Bulgaria Transport OOD) verneint. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher im gegenständlichen Fall nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise


, EMS-Bulgaria Transport OOD
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102032.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at