Zuzugsfreibetrag - Berechnung des Mindesteinkommens für die gesetzliche Vermutung des öffentlichen Interesses nach § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/13/0044. Mit Erkenntnis v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7101300/2024 erledigt.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7102446/2020-RS1 | Der nach § 2 Abs. 2 Z.3 ZBV maßgebende Beurteilungszeitraum geht vom Zuzugszeitpunkt bis zum Ende des ersten Veranlagungsjahres. Für diesen nach Tagen ermittelten Zeitraum ist das anteilige Bruttojahres-Mindestgehalt für die Blaue Karte EU nach § 12c AuslBG zu berechnen (Bruttojahres-Mindestgehalt/365XAnzahl der Tage des Beobachtungszeitraumes). |
RV/7102446/2020-RS2 | Vom Verordnungsgeber wurde eine für den Zweck der Interessensvermutung nach § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 sachliche Einkommensschwelle definiert und dazu auf den Mindestbezug von akademischen Schlüsselkräften für den Erhalt der Blaue Karte EU nach § 12c Ausländerbeschäftigungsgesetz abgestellt. Genauso gut hätte in der Verordnung ein bestimmter Grenzbetrag (allenfalls mit Indexanpassung) bezeichnet werden können. Es kommt jedoch bei der Berechnung nach § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV nicht darauf an, ob der zugezogene Wissenschaftler mit den an ihn zu bezahlenden Vergütungen die Blaue Karte EU erhalten kann. Es spielt daher überhaupt keine Rolle, ob die selbständigen, gewerblichen oder nichtselbständigen Einkünfte des zugezogenen Wissenschaftlers aus seiner überwiegenden Wissenschafts- oder Forschungstätigkeit in die Mindestbruttoentlohnung für die Blaue Karte EU nach § 12 c AuslBG einzuberechnen sind.
Es wäre sachlich nicht zu rechtfertigen, bestimmte Einkünfte aus der selbständigen oder nichtselbständigen Forschungstätigkeit des Zugezogenen von der Berechnung nach § 2 Abs. 2 Z. 3 ZVB bloß deshalb auszuscheiden, weil ihre Höhe erst in einem späteren Verlauf der Tätigkeit feststeht, wie dies beispielsweise bei den noch während des Beobachtungszeitraumes ausbezahlen Erfolgs- oder Leistungsprämien der Fall ist.
Ebenso besteht kein sachlicher Grund andere steuerbare Entgeltteile für eine überwiegende Forschungstätigkeit (im Sinne des § 108c Abs. 1 EStG) auf die ein arbeitsrechtlicher Anspruch besteht (ein solcher kann sich auch aus einer Betriebsvereinbarung oder geübten Betriebspraxis ergeben) nur deshalb bei der Berechnung auszuscheiden, weil ihre Höhe nicht von vornherein fix feststeht, sondern sich nach definierten und erbrachten Leistungskriterien bestimmt oder sie nur ein- oder zweimaligen im Arbeitsjahr oder nachträglich ausbezahlt werden. Auch die Bezeichnung des Entgeltteiles und der Leistungsgrund der Übernahme tätigkeitskausaler Ausgaben (stpfl. Übersiedlungskosten, stpfl. Zuschuss zu Dienstreisen usw.) erscheint kein sachliches Kriterium diese steuerbaren Einkünfte aus relevanter Forschungstätigkeit aus der Berechnung nach § 2 Abs. 2 Z. 3 EStG auszuscheiden. |
RV/7102446/2020-RS3 | Wie sich aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV „die dem Wissenschaftler zu bezahlenden Vergütungen (Löhne, Gehälter, Honorare)“ und dem Normzweck und Anwendungsbereich auch für durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte betriebliche Einkünfte ergibt, kommt es nicht auf den erfolgten Zufluss der Vergütungen im Beobachtungszeitraum an, sondern auf die dem Wissenschaftler im Beobachtungszeitraum entstandenen Ansprüche auf diese Vergütungen. Entgeltzahlungen die auf ihrer Anspruchsgrundlage über den Beobachtungszeitraum hinausgehen, sind deshalb auf diesen entsprechend zu aliquotieren (z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld).
Aus dem gleichen Grund wären aber auch Leistungsansprüche (z.B. die erst nach dem Beobachtungszeitraum abgerechnet werden, aber für diesen Zeitraum zustehen) in die Beurteilung einzubeziehen, wie z.B. Nachzahlung von Boni für im Beobachtungszeitraum erbrachte Leistungen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Dieter Fröhlich über die Bescheidbeschwerde des Dr. ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Villacher Treuhand Dr. Nehsl & Partner Steuerberatungsges.m.b.H., Nikolaigasse 39, 9500 Villach, vom gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen, GZ. BMF-X1 vom , zugestellt am , mit dem der Antrag vom auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Absatz 1a EStG 1988 abgewiesen wurde
zu Recht erkannt:
I.
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO stattgegeben und gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Ziffer 3 ZBV 2016 der beantragte Zuzugsfreibetrag in Höhe von 30% der zum Tarif besteuerten Einkünfte in dem Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zuzugszeitpunkt - das ist der - zuerkannt.
Der Zuzugsfreibetrag steht nur für jene Bemessungszeiträume zu, in denen die Einkünfte aus der Forschungstätigkeit des Antragstellers in Österreich das gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 festgelegte Mindestbruttojahresgehalt (in den Rumpfzeiträumen, 19.2. bis und 1.1. bis das entsprechende aliquote Mindestbruttojahresgehalt) für die Blaue Karte EU erreichen.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt und Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf. genannt) ist promovierter Elektronik- und IT-Techniker und lebte mit seiner Familie in Kanada. Anfang Jänner 2019 verlegte er seinen Hauptwohnsitz nach Villach und nahm mit eine nichtselbständige Forschungstätigkeit als "Engineer R&D III, Global Grade 11", bei der Firma I- AG auf.
Seine Lebenspartnerin (Dr. EG) und ihr gemeinsames Kind (K., ****2018 geb.) zogen Mitte Februar ebenfalls von Kanada an den Wohnsitz des Bf. in Villach. Am erfolgte die amtliche Anmeldung eines Hauptwohnsitzes in der Wohnung des Bf. (damals Villach, Adr.1).
Mit Anbringen vom beantragte der Bf. durch seinen steuerlichen Vertreter (StV) die Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages nach § 103 Abs. 1a EStG 1988 iVm der Zuzugsbegünstigungsverordnung des Bundesministers für Finanzen (ZBV 2016).
Von der zuständigen Abgabenbehörde wurde der Antrag mit Bescheid vom mit folgender Begründung abgewiesen:
"§ 2 Abs. 2 ZBV 2016 normiert ergänzend zu Abs. 1 leg. cit. drei Standardfälle, in denen der Zuzug eines Wissenschaftlers oder Forschers jedenfalls im öffentlichen Interesse liegt. Dies betrifft neben Professorinnen/Professoren iSd § 94 Abs. 2 Z 1 Universitätsgesetz 2002 (Z 1) und habilitierten Wissenschaftlern und Forschern an bestimmten Forschungseinrichtungen (Z 2) auch Personen, deren Tätigkeit überwiegend in Forschung und Entwicklung liegt, sofern die an sie zu bezahlenden Vergütungen (Löhne, Gehälter, Honorare) nach § 108c Abs. 1 EStG 1988 prämienbegünstigte Forschungsaufwendungen oder -ausgaben darstellen und mindestens das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt betragen (Z 3). Ist der Zuzug des Antragstellers/der Antragstellerin einem dieser drei Tatbestände subsumierbar, wird vermutet, dass sämtliche Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 ZBV 2016 vorliegen. Fällt der Zuzug hingegen in keine der genannten Kategorien, ist eine materielle Einzelfallbeurteilung nach § 2 Abs. 1 ZBV 2016 vorzunehmen.
Aus den beigebrachten Unterlagen ist ersichtlich, dass es sich beim Zuzug des Bf. um keinen Standardfall iSd § 2 Abs. 2 ZBV 2016, insbesondere nicht um einen solchen nach Z3 handelt. Zwar wurde eine Bestätigung der Dienstgeberin vorgelegt, wonach die an den Antragsteller ausgezahlten Vergütungen Aufwendungen iSd § 108c Abs. 1 EStG 1988 darstellen. Doch beträgt das laut. Pkt. 3 des vorgelegten Dienstvertrages vereinbarte monatliche All-In-Pay-Bruttoentgelt lediglich 4.300 Euro. Das hochgerechnete Jahresbruttoentgelt (4.300 x 14) beläuft sich also auf 60.200 Euro und liegt damit unter dem für die Blaue Karte EU erforderlichen Mindestjahresgehalt von 62.265 Euro (Wert für das Jahr 2019).
In diesesBruttojahresgehalt sind nur die regelmäßig gebührenden Zulagen sowie Pauschalenund Sachbezüge, auf die ein arbeitsrechtlicher Anspruch besteht, miteinzurechnen.Kostenersätze, Überstundenzuschläge und unregelmäßige Einmalzahlungen - hierzu zählenauch die im Dienstvertrag und Sideletter zum Arbeitsvertrag vereinbarten einmaligen Kostenersätze und variablen Einkommensbestandteile (anfängliche Übernahme von Unterkunftskosten und der Maklergebühren,Umzugskostenpauschale sowie Erfolgshonorare und Leistungsprämien) sind hingegen nicht zu berücksichtigen.
In weiterer Folge wareine materielle Einzelfallbeurteilung nach § 2 Abs. 1 ZBV 2016 durchzuführen.
Bei einer materiellen Einzelfallbeurteilung muss das Vorliegen einerjeden Voraussetzung des§ 2 Abs. 1 ZBV 2016 gesondert geprüft werden. Die Prüfung konzentriert sich dabei vor allemauf die Tätigkeit und die Qualifikation des Antragstellers. Im Ergebnis sollbei der materiellen Einzelfallbeurteilung kein strengerer Maßstab angelegt werden, als der gesetzlichen Vermutung beiden Standardfällen des § 2 Abs. 2 ZBV 2016 zu Grunde liegt (siehe Erläuterungen zur ZBV 2016). Dass jedochauch kein niedriger Maßstab anzulegen ist, ergibt sich aus den EB zu § 103 EStG, da lautdiesen bloß der Zuzug von Spitzenkräften und nicht von Forschern im Allgemeinen gefördertwerden soll (vgl. ErlRV 684 BlgNR 25. GP 25) Der Antragsteller konnte durch Vorlage seines Dienstvertrages sowie der obgenanntenDienstgeberbestätigung in einer nachvollziehbaren Weise darlegen, dass seine Tätigkeit beider Fa. I- AG überwiegend in einer wissenschaftlichen, bzw. forschenden TätigkeitiSd § 2 Abs. 1 Z1 ZBV 2016 besteht.
Als weiteres Kriterium war die Qualifikation des Antragstellers zu prüfen. § 2 Abs. 1Z 4 ZBV2016 setzt voraus, dass der zuziehende Wissenschaftler/Forscher eine hohe wissenschaftlicheQualifikation vorzuweisen hat, ohnejedoch näherzu definieren, was als eine solcheanzusehen ist. Aus dem Wortlaut ("hohe") istjedoch zu schließen, dass nichtjedewissenschaftliche Qualifikation eine Zuzugsbegünstigung vermittelt. Die Erläuterungen zurZBV 2016 weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Qualifikation durchentsprechende Leistungen - bspw. durch Publikationen oder Mitarbeit anForschungsprojekten - dokumentiert sein muss. Wissenschaft und Forschung können durchTätigkeiten im universitären wie auch im außeruniversitären Bereich gefördert werden.
Das BFG hat in mehreren Erkenntnissen zum Ausdruck gebracht, dass angehendeWissenschaftler ohne Habilitation, wie beispielsweise Universitätsassistenten, dasTatbestandsmerkmal des öffentlichen Interesses im Allgemeinen nicht erfüllen. Dies ergebesich eindeutig aus der Normierung in § 2 ZBV 2016. Auch bei einer internationalen und mitausgezeichnetem Erfolg abgeschlossenen Universitätsausbildung sei ein Doktorratsstudium grundsätzlich noch keine hinreichend "hohe wissenschaftliche Qualifikation" im Sinne des § 2Abs. 1Z 4 ZBV 2016 (vgl. ; ,RV/7100448/2018; , RV/7103382/2018). Wenngleich den zitiertenErkenntnissen Fälle von universitärer Forschung zugrunde lagen, hat entsprechendes auch fürden Bereich der betrieblichen Forschung zu gelten.
Die vom Bf. beigebrachte Publikationsliste weist ihn als (Co-)Autor voninsgesamt sechzehn Artikeln in Fachjournalen aus; zudem leistete er Beiträge bei mehrerenKonferenzen. Außerdem erhielt der Antragsteller diverse Stipendien und Auszeichnungenzugesprochen. Wann dem Bf. der Doktortitel verliehen wurde, kann den vorgelegten Unterlagen nicht zweifelsfrei entnommen werden. Ebenso wenig vermag die Abgabenbehörde festzustellen, ob derAntragsteller vor seinem Zuzug nach Österreich bereits einschlägige berufliche Erfahrungengesammelt hat, bzw. ob er in verantwortungsvoller Funktion an wissenschaftlichenForschungsprojekten teilgenommen hat. Dies, weil weder ein Lebenslauf noch andereDokumentationen, die ein entsprechende Bild vermitteln könnten, vorgelegt wurden. Demvon der Fa. I- AG ausgestellten Tätigkeitsnachweis kann zwarentnommen werden, dass der Antragsteller über ein fundiertes Fachwissen im Bereich "Elektromagnetik und Mikrowellen" verfügt und dass er aufgrund seines Wissensetwa auch zur Realisierung von Bildgebungssystemen für biomedizinische und industrielleAnwendungen beiträgt, dass ihm hierbei ein entsprechend ausgeprägter, sich von dertypischerweise von Jungwissenschaftlern ausgeübten Tätigkeit in besonderem Maßeabhebender und damit eine hohe wissenschaftliche Qualifikation iSd § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016indizierender Verantwortungsgrad zukommt, ist hingegen nicht zu ersehen.
In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass laut Pkt. 4 des vorgelegten, mit der Fa. I- AG abgeschlossenen Dienstvertrages der Kollektivvertrag fürAngestellte der Elektro- und Elektronikindustrie zur Anwendung gelangt und dass der Antragsteller in die Beschäftigungsgruppe "G" eingestuft wurde. Bei dieserBeschäftigungsgruppe handelt es sich nach Abschnitt Sechs des genanntenKollektivvertrages um die im oberen Mittelfeld angesiedelte, lediglich fünfthöchste voninsgesamt elf, mit den Buchstaben "A" bis "K" bezeichneten und für die Mindesthöhe derEntlohnung maßgeblichen Gruppen. Dem Antragsteller gebührt demnach seit 1. Mai2019 ein kollektivvertragliches Mindestmonatsgehalt von 3.410,22 Euro (bis 3.298,09 Euro). Dieser Betrag liegt zwar über dem typischen Anfangsgehalt fürJungakademiker, bewegt sich aber immer noch im Rahmen eines guten Einstiegsgehalts.
Dass sich in Beschäftigungsgruppe "G" des Kollektivvertrages für Angestellte der Elektround Elektronikindustrie auch jene absoluten Spitzenkräfte, die von der ZBV 2016angesprochen sind, wiederfinden würden, kann wohl als unwahrscheinlich erachtet werden.
Bei Begünstigungen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber derOffenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der Antragsteller mussdeshalb einwandfrei und nachvollziehbar darlegen, dass alle gesetzlich gefordertenUmstände vorliegen (; , 96/14/0037;, 2003/17/0207; , 2013/16/0034). In § 7 Abs. 1 Z1 ZBV 2016ist zudem ausdrücklich geregelt, dass der Antragsteller Belege, die der Glaubhaftmachungdienen, dem Verzeichnis beilegen muss.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen gelangt die Abgabenbehörde zu dem Schluss, dass es dem Antragsteller nicht gelungen ist, das Vorliegen einerhohen wissenschaftlichen Qualifikation, wie sie in § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016 gefordert wird,hinreichend zu dokumentieren. Dies, weil entsprechende Forschungserfahrungen -insb.solche in leitender Funktion - nicht nachgewiesen wurden und auch der beigebrachte, vonder nunmehrigen Dienstgeberin ausgestellte Tätigkeitsnachweis keine andere Beurteilungzulässt. Die kollektivvertragliche Einstufung des Antragstellers durch die Fa. I- AG fügt sich in das gewonnene Gesamtbild ein. Der Antrag war daher abzuweisen."
Gegen den Abweisungsbescheid erhob der Bf. durch seinen StV form- und fristgerecht Bescheidbeschwerde mit dem Begehren, dass seinem Antrag auf Anerkennung des Zuzugsfreibetrages für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zuzugszeitpunkt stattgegeben werde.
Die geforderte hohe wissenschaftliche Qualifikation des Bf. stehe außer Zweifel und könne entsprechend dokumentiert werden. Eine umfangreiche Liste seiner Publikationen sowie der Erhalt zahlreicher Stipendien und Auszeichnungen würden dies auch belegen. Mit Vorhalt vom sei vom BMF die Zusendung eines detaillierten Lebenslaufes angefordert worden. Die Vorhaltsbeantwortung mit Dokumentbeilagen sei bereits am erfolgt. Durch ein Versehen dürfte eine unvollständige Datei, welche den Lebenslauf nicht beinhaltete, übermittelt worden sein. Dies sei mit der Grund für die Abweisung des Antrages gewesen.
Wie aus dem nun beiliegenden Lebenslauf eindeutig ersichtlich sei, habe der Bf. bereits vor dem Zuzug umfangreiche berufliche Forschungserfahrungen. Er habe in zahlreichen verantwortungsvollen Funktionen an wissenschaftlichen Forschungsprojekten teilgenommen. Durch seine bisherigen Erfahren hebe er sich jedenfalls von einem "Jungwissenschaftler" und seine hohe wissenschaftliche Qualität iSd § 2 Abs. 1 Z. 4 ZBV 2016 sei nachweislich belegt.
In der Folge holte die Abgabenbehörde gemäß § 8 ZBV die sachverständige Beurteilung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) ein (am ). In der sachverständigen Stellungnahme vom gelangte die FFG zu einem negativen Ergebnis: Aus der vorgelegten Dokumentation habe nicht erkannt werden können, dass durch den Zuzug des Antragstellers eine im öffentlichen Interesse liegende Förderung des Forschungsstandortes Österreich im Sinne des § 103 EStG zu erwarten sei.
Mit Vorlagebericht vom wurde vom BMF die Beschwerde mitsamt dem bezugshabenden Verwaltungsakt als Direktvorlage gemäß § 262 Abs. 2 iVm § 265 BAO dem Bundesfinanzgericht zu Entscheidung vorgelegt.
Der StV nahm zu dem Vorlagebericht mit Schriftsatz vom ergänzend wie folgt Stellung:
"Der Zuzug des Bf. nach Österreich erfolgte maßgebend unter der Voraussetzung der im Gesetz gemäß § 103 Abs.1a EStG zugesicherten Zuzugsbegünstigung, um den - wie in der Zweckbestimmung des Gesetzes vorgesehen Zuzugsmehraufwand und den auf den lnlandseinkünften entfallenden Steuernachteil auszugleichen. Ziel des im § 103 EStG Abs.1a EStG gewährten Zuzugsfreibetrag ist der Abbau von Hindernissen, die einem Zuzug von Spitzenkräften im Bereich Wissenschaft und Forschung entgegenstehen und die steuerliche Rechtssicherheit für den Zuzug zu erhöhen. Auf diesen Anspruch hat der Bf. bei seinem Zuzug vertraut.
Die im Vorlagebericht vom Bundesministerium für Finanzen vertretene Auffassung, wonach der Bf. nicht die in der ZBV 2016 vorgesehen Voraussetzungen erfülle, entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten und muss entschieden zurückgewiesen werden.
Gemäß § 103 Abs.1a EStG ist die Voraussetzung für die Gewährung des Zugsfreibetrages, dass der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft oder Forschung dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist. Aufgrund der Ermächtigung des § 103 Abs.3 EStG wurde in der Zuzugsbegünstigungsverordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 2 in eindeutiger Weise bestimmt unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft und Forschung dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist. Im § 2 Abs.2 der Zuzugsverordnung werden dazu genaue Kriterien bestimmt. Der Antrag auf Zuzugsbegünstigung an das Bundesministerium für Finanzen ist bei Erfüllung dieser Kriterien zu gewähren.
Gemäß § 2 Abs.2 Z.3 der Zuzugsverordnung gebührt bei einem Zuzug des Antragstellers die Zuzugsbegünstigung, wenn Folgendes zutrifft:
Die bezahlten Vergütungen stellen Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne des § 108c Abs.1 EStG (Forschnungsprämie) und
betragen mindestens das für die Blaue Karte erforderliche Bruttojahresgehalt (das entspricht für das Jahr 2019 € 62.265,00)
Beide Kriterien konnte der Bf. eindeutig nachweisen. Das Bundesministerium für Finanzen wies aber den Antrag zurück, weil laut Ihrer Berechnung die maßgebende Einkommensschwelle von € 62.265,00 nicht erreicht worden sei und daher die unwiderlegliche gesetzliche Vermutung des öffentlichen Interesses am Zuzug nicht zur Anwendung gelangt sei.
Zu diesem unrichtigen Ergebnis konnte das Bundesministerium für Finanzen nur kommen, indem es mit unzutreffender Rechtsauffassung die variablen Bestandteile des Gehaltes, wie die jährlichen leistungsabhängigen Zulagen nicht einberechnete. Selbst nach dieser falschen Berechnung kam es nur zu einem geringfügigen Unterschreiten der Einkommensschwelle von € 590,53 (siehe Beilage 1). Diese Rechtsmeinung der belangten Behörde und die von ihr vorgenommene Berechnungwiderspricht jedenfalls der Zuzugsbegünstigungsverordnung. Auch in der Fachliteratur wird die Rechtsmeinung vertreten, dass auch die variablen steuerpflichtigen Gehaltsbestandteile, auf die der Arbeitnehmer arbeitsvertraglichen Anspruch hat, in die Berechnung der Einkommensschwelle nach § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 einzubeziehen seien.
Der Verordnungstext des § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 erwähnt als mögliche Vergütungen explizit auch Honorare neben Gehälter und Löhne, womit eindeutig ableitbar ist, dass auch variable Einkommensbestandteile bei der Berechnung zu berücksichtigen sind. Es wird daher in der ZBV für die Ermittlung der Einkommensschwelle keine Unterscheidung zwischen fixen und variablen Vergütungen vorgenommen. Dies wurde auch in der Fachliteratur bisher so vertreten (vgl. Kerschner/Seydl, RWZ 12/2016). In dem Beitrag wird darauf hingewiesen, das auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit der Zuzugsbegünstigung unterliegen. Es wurde ausgeführt, dass sämtliche - wie in der Verordnung ausdrücklich angeführt - zu bezahlenden Vergütungen (Löhne, Gehälter, Honorare), die forschungsprämienbegünstigte Aufwendungen und Ausgaben isd § 108c Abs.1 EStG (Forschungsprämie) darstellen, dem erforderlichen Einkommensbetrag (für die Ermittlung der Einkommensschwelle in Höhe eines Bruttojahresgehalts für die Blaue EU Karte, das sind 2019: € 62.265,00) zuzurechnen sind. Des Weiteren wurde festgehalten, dass alle zum Tarif besteuerten Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit für die Berechnung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs.1 a EStG zu berücksichtigen seien. Dies überzeugende Rechtsauffassung steht im deutlichen Widerspruch zur im Bescheid getroffenen Entscheidung.
Abgesehen davon hätte auch bei einer Einzelfallbeurteilung der Bf. alle Voraussetzungen für eine Stattgabe seines Antrages erfüllt. Zusammenfassend ist hierzu zu bemerken, dass die Einzelfallbeurteilung mangelhaft erfolgte und zum Teil auf falschen Kriterien beruhte. Die Stellungnahme der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterliegt der freien Beweisführung und ist für das BFG daher nicht bindend. Es wird daher ersucht die vorgebrachten Standpunkte in der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen."
Auf Grund des vom Arbeitgeber der Finanzverwaltung elektronisch übermittelten Jahresgehaltszettels steht fest, dass der Bf. im Jahr 2019 eine Bruttobezug gemäß § 25 EStG (Kz. 210) von € 69.854,10 erhalten hat. Im Jahr 2020 betrug dieser Bruttobezug lt. dem überspielten Jahresgehaltszettel (Kz. 210) € 66.963,83.
Der StV schloss der ergänzenden Stellungnahme vom eine detaillierte Aufstellung der vom Bf. bezogenen Entgeltteile an und belegte diese mit der Vorlage sämtlicher Monatsgehaltsabrechnungen des Jahres 2019.
Der Bf. hatte in den Monaten Jänner bis April ein All-in-Grundgehalt von € 4.300. Im Jänner wurden anteilsmäßig mit Arbeitsantritt 14.1. € 2.496,77 ausgezahlt. Ab Mai erfolgte eine Gehaltserhöhung und betrug bis Dezember sein All-in-Grundgehalt € 4.437,60. Zudem bezog der Bf. zwei Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) von jeweils € 4.279,60. Außerdem erhielt der Bf. auch- die im Arbeitsvertrag angeführten - variablen, erfolgs- oder leistungsabhängigen Entgeltbestandteile (VEB). Diese bestanden 2019 aus zwei Prämien für Diensterfindungen von insgesamt € 700 sowie zwei Leistungshonorare von jeweils € 716. Das gesamte 2019 bezahlte variable Erfolgsentgelt betrug somit € 2.132. Zudem erhielt der Bf. im Jänner eine als sonstiger Bezug versteuerte Umzugskostenpauschale von € 5.500, einen im April abgerechneten Sachbezug von insgesamt € 2.445,11 und versteuerte Reiseentgelte von insgesamt € 320,18. Der gesamte Bruttobezug gemäß § 25 EStG betrug somit im Jahr 2019 € 69.854,10 (Anmerkung: im Jahr 2020: € 66.963,82 [Kz. 210]).
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung
Der obige Sachverhalt ist aktenkundig und wird gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Durch die vorgelegten monatlichen Gehaltsabrechnungen sowie den Jahresgehaltszettel 2019 und den Arbeitsvertrag samt Sideletter wurde vom Bf. eindeutig bewiesen, welche Vergütungen ihm für seine Forschungstätigkeit bei der I-AG zu leisten sind. Folgende Zahlungen hat der Bf. ab Arbeitsbeginn von seinem Arbeitgeber im Jahr 2019 nachweislich erhalten:
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Zeitraum 14.1.-31.12 | Grund-Bezug | Sach- bezug | Erfolgs- entgelt-VEB. | Umzugsk.-Pauschale | Reise-Entgelte |
Jänner | 2.496,77 | 5.500,00 | |||
Feber | 4.300,00 | ||||
März | 4.300,00 | ||||
April | 4.300,00 | 2.445,11 | |||
Mai | 4.437,60 | ||||
Juni | 4.437,60 | ||||
Juli | 4.437,60 | 400,00 | |||
August | 4.437,60 | 716,00 | |||
September | 4.437,60 | 300,00 | |||
Oktober | 4.437,60 | 716,00 | |||
November | 4.437,60 | ||||
Dezember | 4.437,60 | ||||
Sonderzahl. | 8.559,20 | 2.445,11 | 2.132,00 | 5.500,00 | 320,19 |
Gesamt | 59.456,77 | ||||
Einkünfte gesamt | 69.854,07 |
(Tabelle 1)
Der Bf. hat auch seine persönlichen Verhältnisse offengelegt, sodass eine sichere Beurteilung des Zeitpunktes seines Zuzugs nach Österreich vorgenommen werden konnte.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Für die Entscheidung maßgebend ist die Lösung der Tat- und Rechtsfrage, ob dem Bf. im Jahr des Zuzugs 2019 für seine nichtselbständige Forschungstätigkeit in Österreich die gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 216 "zu bezahlenden Vergütungen" mindestens das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt (§ 12c AuslBG) betragen haben.
Erreichen die ab dem Zuzugszeitpunkt dem Bf. bis zum zustehenden Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit bei der I-AG das auf diesen Vergütungszeitraum anteilsmäßig aufzuteilende Mindestgehalt nach § 12c AuslBG, dann ist Kraft unwiderleglicher gesetzlicher Vermutung das öffentliche Interesse am Zuzug nach § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV jedenfalls gegeben.
Der Zuzug des Bf. erfolgte nicht bereits mit Wohnsitzbegründung (7.1.) oder Arbeitsbeginn (14.1.) in Österreich. Nach stRsp des VwGH kommt den persönlichen Beziehungen für die Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen größeres Gewicht als den wirtschaftlichen Beziehungen zu. Der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person wird bei gemeinsamen Haushalt regelmäßig am Ort des Aufenthaltes der Familie sein. (z.B. VwGH, , 2008/15/0114).
Der Bf. hat daher erst mit dem Nachzug seiner Ehegattin und des gemeinsamen minderjährigen Kindes (2018 geboren) den Familienwohnsitz in Villach begründet und damit erst den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen nach Österreich erfolgt. Als Zeitpunkt des Zuzuges - das ist der Zeitpunkt der vollständigen Verlegung des Lebensmittelpunktes - war daher der festzustellen, weil mit dieser amtlichen Wohnsitzmeldung nachweislich dokumentiert wurde, dass mit diesem Zeitpunkt der Familienwohnsitz in Villach begründet wurde.
Ab dem Zuzugszeitpunkt () bis zum Ende des Veranlagungsjahres 2019 ergeben sich somit 316 Tage, die für die Berechnungen im Zusammenhang mit der Beurteilung des Anspruchs auf den Zuzugsfreibetrag heranzuziehen sind.
Die Bestimmung des § 103 EStG 1988 über die Zuzugsbegünstigung, BGBl. I Nr. 118/2015, idF StRefG 2015/2016 lautet auszugsweise:
"§ 103. (1) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen für die Dauer des im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkens dieser Personen steuerliche Mehrbelastungen bei nicht unter Q 98 fallenden Einkünften beseitigen, die durch die Begründung eines inländischen Wohnsitzes eintreten. Dabei kann auch die für eine Begünstigung in Betracht kommende Besteuerungsgrundlage oder die darauf entfallende Steuer mit einem Pauschbetrag festgesetzt werden.
(1 a) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft oder Forschung dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen, unabhängig von der Gewährung einer Begünstigung gemäß Abs. 1 aufgrund des Zuzugs für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Zuzugs einen Freibetrag in Höhe von 30% der zum Tarif besteuerten Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit festsetzen. Wird der Freibetrag gewährt, können daneben keine weiteren Betriebsausgaben, Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Zuzug stehen, geltend gemacht werden.
(2) […]
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren betreffend die Erteilung der Zuzugsbegünstigung im Sinne des Abs. 1 und des Abs. 1 a mit Verordnung zu regeln. Dabei ist auch näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist. […]"
Auf Basis der Bestimmung des § 103 Abs. 3 EStG 1988 wurde die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Zuzugsbegünstigungen (Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016 - ZBV 2016), BGBl. II Nr. 261/2016, erlassen.
Die am in Kraft getretene ZBV 2016 lautet auszugsweise:
"§ 2. (1) Der Zuzug hochqualifizierter Personen aus dem Ausland dient der Förderung von Wissenschaft und Forschung und ist aus diesem Grund im öffentlichen Interesse gelegen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
1. Die Tätigkeit der zuziehenden Person im Bereich der Wissenschaft und Forschung besteht überwiegend in einer wissenschaftlichen Tätigkeit (einschließlich der universitären Erschließung und Entwicklung der Künste). Eine Tätigkeit ist als wissenschaftlich anzusehen, wenn sie auf systematische Weise unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden mit dem Ziel durchgeführt wird, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten (Forschung und experimentelle Entwicklung).
2. Die Tätigkeit im Bereich der Wissenschaft und Forschung liegt maßgeblich im öffentlichen Interesse Österreichs.
3. Die Förderung von Wissenschaft und Forschung würde ohne Zuzug nicht in diesem Ausmaß eintreten und erfolgt unmittelbar.
4. Die hohe wissenschaftliche Qualifikation des Antragstellers ist hinreichend dokumentiert.
(2) Ein der Förderung der Wissenschaft und Forschung dienender Zuzug aus dem Ausland liegt in folgenden Fällen jedenfalls im öffentlichen Interesse:
1. Der zuziehende Wissenschaftler wird als Professorin/Professor im Sinne des § 94 Abs. 2 Z 1 Universitätsgesetz 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120, tätig oder des § 12 Abs. 1 Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology - Austria, BGBl. I Nr. 69/2006 in Verbindung mit § 94 Abs. 2 Z 1 UG.
2. Der zuziehende Wissenschaftler wird in seinem Habilitationsfach oder einem an sein Habilitationsfach angrenzenden wissenschaftlichen oder künstlerischen Fach tätig,
[…]
Die Forschung und experimentelle Entwicklung muss in einem inländischen Betrieb, einer inländischen Betriebsstätte oder einer anderen inländischen wirtschaftlich selbständigen Einheit dieser Forschungseinrichtung erfolgen. Bei Personen, die nicht ausschließlich in Forschung und experimenteller Entwicklung tätig sind, müssen dabei die der Forschung und experimentellen Entwicklung (einschließlich der universitären Erschließung und Entwicklung der Künste) dienenden Tätigkeiten im Kalenderjahr überwiegen.
3. Die dem zuziehenden Wissenschaftler zu bezahlenden Vergütungen (Löhne, Gehälter, Honorare) stellen Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne des § 108c Abs. 1 EStG 1988 dar und betragen mindestens das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt. Z 2 letzter Satz gilt entsprechend."
Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (vgl. ErlRV 684 BlgNR XXV, GP 26) ist klar zu entnehmen, dass die Steuerbegünstigung auf den Zuzug von ausländischen Spitzenkräften aus den Bereichen von Wissenschaft und Forschung abstellt. Ohne den Zuzug dieser Forschungs- bzw. Wissenschaftskapazität würde eine Förderung der inländischen Wissenschaft und Forschung nicht in diesem Ausmaß eintreten, als es durch sein Wirken in Österreich zu erwarten ist. Der Sinn der Bestimmung des § 103 EStG wird in den Gesetzesmaterialien zum Steuerreformgesetz 2015 dahingehend beschrieben, dass steuerliche Anreize geschaffen werden sollen, um die Hemmnisse für den Zuzug von hochqualifizierten Wissenschafts- und Forschungspersonal nach Österreich zu beseitigen.
Entsprechend der klaren Intention des Gesetzgebers, wonach diese Steuerbegünstigung auf den Zuzug von Spitzenkräften der Wissenschaft und Forschung beschränkt ist, widmet sich § 2 ZBV 2016 der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmales "des öffentlichen Interesses" am Zuzug von Wissenschaftlern und Forschern.
Gemäß § 2 Abs. 2 ZBV 2016 ist das öffentliche Interesse am Zuzug in unwiderlegbarer gesetzlicher Vermutung jedenfalls gegeben, wenn der zuziehende Wissenschaftler in seinem Habilitationsfach oder in einem angrenzenden Fach an einer Universität oder vergleichbaren Einrichtung tätig wird (§ 2 Abs. 2 Z 1 und Z 2 ZBV 2016).
Ferner besteht eine gesetzliche Vermutung des öffentlichen Interesses am Zuzug von überwiegend in der betrieblichen Forschung und experimentellen Entwicklung tätigen Wissenschaftlern, wenn die ihnen "zu bezahlenden Vergütungen (Löhne, Gehälter, Honorare) überwiegend Aufwendungen im Sinne des § 108c Abs. 1 EStG darstellen und mindestens das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt betragen" (§ 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016).
Die Bestimmung des § 12c Ausländerbeschäftigungsgesetz lautet:
"Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie über einen Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer verfügen, für eine dieser Ausbildung entsprechende Beschäftigung ein Bruttojahresgehalt erhalten, das dem Eineinhalbfachen des von der Bundesanstalt "Statistik Österreich" zuletzt veröffentlichten durchschnittlichen österreichischen Bruttojahresgehalts von Vollzeitbeschäftigten entspricht […]."
Beurteilungszeitraum 19.2. bis - 316 Tage
Der nach § 2 Abs. 2 Z.3 ZBV maßgebende Beurteilungszeitraum geht vom Zuzugszeitpunkt, dem bis zum Ende des ersten Veranlagungsjahres 2019. Dieser Zeitraum umfasst 316 Tage. Das erforderliche anteilige Bruttojahres-Mindestgehalt für die Blaue Karte EU errechnet sich somit mit € 53.906 (= Mindestbrutto-Jahresgehalt 2019 von € 62.265/365x316).
Im Beurteilungszeitraum zu zahlenden Vergütungen
Im nächsten Schritt sind die dem Bf. auf Grund seiner nichtselbständigen Forschungstätigkeit vom Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 im Beobachtungszeitraum zu zahlenden Vergütungen zu ermitteln und dem Grenzbetrag, das ist das anteilige Mindestgehalt nach § 12c AuslBG von € 53.906 gegenüberzustellen.
Wie sich aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV "die dem Wissenschaftler zu bezahlenden Vergütungen (Löhne, Gehälter, Honorare)" und dem Normzweck und Anwendungsbereich auch für durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte betriebliche Einkünfte ergibt, kommt es nicht auf den erfolgten Zufluss der Vergütungen im Beobachtungszeitraum an, sondern auf die dem Wissenschaftler im Beobachtungszeitraum entstandenen Ansprüche auf diese Vergütungen.
Entgeltzahlungen die auf ihrer Anspruchsgrundlage über den Beobachtungszeitraum hinausgehen, sind deshalb auf diesen entsprechend zu aliquotieren. Das gilt beispielsweise für die beiden Sonderzahlungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das im Juni und November für einen Anspruchszeitraum von 352 Tage (14.1-31.12.) ausbezahlt wurde. Da das Umzugskostenpauschale zur Abgeltung von Übersiedlungskosten bei Selbstkündigung oder Entlassung innerhalb von 3 Jahren zurückzuzahlen wäre, wurde dieses Entgelt für einen Arbeitszeitraum von 36 Monaten geleistet und ist entsprechend auf den Beurteilungszeitraum aufzuteilen.
Aus dem gleichen Grund wären aber auch Leistungsanprüche (z.B. die erst nach dem Beobachtungszeitraum abgerechnet werden, aber für diesen Zeitraum zustehen) in die Beurteilung einzubeziehen (z.B. Nachzahlung von Boni für im Beobachtungszeitraum erbrachte Leistungen).
Für den gegenständlichen Fall kommen folgende Vergütungen, auf die der Bf. für seine Forschungstätigkeit im Beobachtungszeitraum 19.2. bis Anspruch hatte in Betracht:
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Beobachtungszeitraum 19.2.-31.12 | Grund-Bezug | Sach- bezug | Erfolgs- entgelt-VEB. | Umzugsk.-Pauschale | Reise-Entgelte |
Feber ab 19.2. | 1.535,72 | ||||
März | 4.300,00 | ||||
April | 4.300,00 | 2.445,11 | |||
Mai | 4.437,60 | ||||
Juni | 4.437,60 | ||||
Juli | 4.437,60 | 400,00 | |||
August | 4.437,60 | 716,00 | |||
September | 4.437,60 | 300,00 | |||
Oktober | 4.437,60 | 716,00 | |||
November | 4.437,60 | ||||
Dezember | 4.437,60 | ||||
Sonderzahl. | 7.683,83 | 2.445,11 | 2.132,00 | 1.587,21 | 320,19 |
Grundbezug inkl. SZ | 53.320,35 | ||||
Einkünfte gesamt ohne UK-P. und RK-E | 57.897,46 | ||||
Einkünfte gesamt | 59.804,85 |
(Tabelle 2)
Feststeht, dass allein mit den Grundbezügen und Sonderzahlungen der Grenzbetrag von € 53.906 für den Eintritt der gesetzlichen Vermutung des öffentlichen Interesses nicht erreicht wird.
Für den Ausgang des Verfahrens ist somit die Frage entscheidend, ob auch die anderen Entgeltteile, die nicht monatlich ausbezahlt wurden und nur aus bestimmten besonderen Gründen zusätzlich geleistet wurden, in die Berechnung der "dem Wissenschaftler zu zahlenden Vergütungen" nach § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 einzubeziehen sind.
Nach Auffassung des BFG führen der klare der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 "die dem Wissenschaftler zu bezahlenden Vergütungen […] müssen mindestens das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt betragen" und der Normzweck dieser Bestimmung zu einem eindeutigen Ergebnis:
Vom Verordnungsgeber wurde eine für den Zweck der Interessensvermutung sachliche Einkommensschwelle definiert und dazu auf den Mindestbezug von akademischen Schlüsselkräften für den Erhalt der Blaue Karte EU nach § 12c Ausländerbeschäftigungsgesetz abgestellt. Genauso gut hätte in der Verordnung ein bestimmter Grenzbetrag/Einkommensschwelle (allenfalls mit Indexanpassung) bezeichnet werden können, wodurch die Norm wesentlich einfacher lesbar gewesen wäre. Es kommt somit schon nach dem Normtext für die Berechnung nach § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV nicht darauf an, ob der zugezogene Wissenschaftler mit den ihm zu bezahlenden Vergütungen die Blaue Karte EU erhalten kann. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob die selbständigen, gewerblichen oder nichtselbständigen Einkünfte des zugezogenen Wissenschaftlers aus seiner überwiegenden Wissenschafts- oder Forschungstätigkeit in die Mindestbruttoentlohnung für die Blaue Karte EU nach § 12 c AuslBG einzuberechnen sind.
Die Auffassung der belangten Behörde (die auch in die EStR 2000, Rz 8202f letzter Absatz Einzug gefunden hat) dass - so wie im § 12c AuslBG - nur fixe Gehaltsbestandteile, aber keine unregelmäßigen Zahlungen, wie beispielsweise die Erfolgshonorare und Leistungsprämien (€ 2.132) nicht zu berücksichtigen sind, findet schon im unmissverständlichen Wortlaut der Bestimmung keine Deckung.
Es wäre sachlich in keiner Weise zu rechtfertigen, bestimmte Einkünfte aus der selbständigen oder nichtselbständigen Forschungstätigkeit des Zugezogenen von der Berechnung nach § 2 Abs. 2 Z. 3 ZVB bloß deshalb auszuscheiden, weil ihre Höhe erst in einem späteren Verlauf der Tätigkeit feststeht, wie dies beispielsweise bei den noch während des Beobachtungszeitraumes ausbezahlen Erfolgs- oder Leistungsprämien der Fall ist.
Ebenso besteht kein sachlicher Grund andere steuerbare Entgeltteile für eine überwiegende Forschungstätigkeit (im Sinne des § 108c Abs. 1 EStG) auf die ein arbeitsrechtlicher Anspruch besteht (ein solcher kann sich auch aus einer Betriebsvereinbarung oder geübten Betriebspraxis ergeben) nur deshalb bei der Berechnung auszuscheiden, weil ihre Höhe nicht von vornherein fix feststeht, sondern sich nach definierten und erbrachten Leistungskriterien bestimmt, sie nur ein- oder zweimaligen im Arbeitsjahr oder nachträglich ausbezahlt werden. Auch die Bezeichnung des Entgeltteiles und der Leistungsgrund der Übernahme tätigkeitskausaler Ausgaben (stpfl. Übersiedlungskosten, stpfl. Zuschuss zu Dienstreisen usw.) erscheint kein sachliches Kriterium diese steuerbaren Einkünfte aus relevanter Forschungstätigkeit aus der Berechnung nach § 2 Abs. 2 Z. 3 EStG auszuscheiden.
Soweit ersichtlich gibt es zur Bestimmung des § 12c AuslBG hinsichtlich der Frage, welche Entgeltteile für die Berechnung des Mindestgehaltes heranzuziehen sind keine Rechtsprechung und auch keine detaillierte Auseinandersetzung in der Literatur. In den gängigen Kommentaren werden offensichtlich der Erläuternden Bemerkungen einhellig wiedergegeben, dass die regelmäßig gebührenden Zulagen und insbesondere Pauschalen und Sachbezüge, auf die ein arbeitsrechtlicher Anspruch besteht, in die Bruttoentlohnung einzuberechnen sind.
Dass vertraglich vereinbarte und klar definierte sowie jährlich ausbezahlte Erfolgs- und Leistungsvergütungen keine regelmäßig gebührenden Zulagen sind, kann aus diesen Kommentierungen nicht geschlossen werden (vgl. Kind, AuslBG, 2018, § 12c Rz. 2; Deutsch, Novotny, Seitz, Ausländerbeschäftigungsrecht, §§ 12-13, Rz 68; sowie Gerhartl, Kommentar-AuslBG, Linde-Verlag, §§12-13, Rz. 60).
Selbst auf der Grundlage des §12c AuslBG erscheint es unter dem Gebot einer sachgerechten Gleichbehandlung inhaltlich vergleichbarer Entgeltteile äußerst zweifelhaft, Arbeitnehmer, die modernen leistungs- und erfolgsorientierten Gehaltssystemen unterliegen, deshalb schlechter zu stellen und ihre variablen Gehaltsbestandteile - die allenfalls auch als Zielwert zu Beginn einer Arbeitsperiode darstellbar sind und zum Teil auch in den Arbeitsverträgen so dargestellt werden - generell aus der Berechnung für das Mindestgehaltes auszuscheiden.
Zusammenfassend und unter Verweis auf die in Tabelle 2 dargestellten tatsächlichen Gehaltansprüche des Bf. im Zuzugszeitraum 2019 ist festzuhalten, dass der Tatbestand des § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 verwirklicht wurde und damit jedenfalls ein der Förderung der Wissenschaft und Forschung dienender und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegener Zuzug des Bf. aus dem Ausland besteht.
Da es sich bei dieser Tatbestandsverwirklichung um eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung des im öffentlichen Interesse gelegenen Zuzugs handelt, vermag eine davon abweichende Beurteilung durch die sachverständige Stellungnahme der FFG vom an diesem Ergebnis nichts zu ändern.
Daraus folgt aber auch, dass der Anspruch auf den Zuzugsfreibetrag für den jeweiligen Zeitraum (insb. Veranlagungsjahre 2020 bis 2023 und Rumpfzeitraum 1.1. bis ) verloren geht, wenn die steuerbaren Einkünfte des Antragstellers aus der Forschungstätigkeit den Grenzbetrag nach § 2 Abs. 2 Z. 3 ZVB (Mindestgehalt für Blaue Karte EU) nicht erreichen sollten, weil dann die Rechtsfolge der gesetzlichen Vermutung des öffentlichen Interesses nicht eintritt.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Beurteilung der Höhe der Einkünfte des Bf. im Rahmen der Prüfung des § 2 Abs. 2 Z. 3 EStG handelt es sich zunächst primär um eine Tatfrage, die nicht Gegenstand einer ordentlichen Revision sein kann. Die Lösung der Frage, ob vertraglich vereinbarte, variable Entgeltteile (Leistungsvergütungen) keine gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016 "dem zuziehenden Wissenschaftler zu bezahlenden Vergütungen" seien, ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Norm und ist aus diesem Grunde nicht vor rechtserheblicher Bedeutung. Die Revision war daher für nicht zulässig zu erklären.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016, Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016, BGBl. II Nr. 261/2016 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Stöger-Frank in Schmidjell-Dommes in SWI 2024, 618 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102446.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at