Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.02.2022, RV/2101041/2020

Übernahme von Pflegekosten und Pflegetätigkeit durch nahe Angehörige - Berechnung der von der zu pflegenden Person und der unterhaltsverpflichteten Personen zu tragenden Anteile

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Bf beantragte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von € 13.328,00.

Das Finanzamt ersuchte daraufhin um Vorlage von Rechnungen, Bezeichnung der Aufwendungen, Einzelpreise und Summe aller Aufwendungen sowie die Bekanntgabe der Abzüge von Krankenkasse, Versicherung, Fonds, usw. und die Bekanntgabe erhaltener Ersätze.

Mit dem über Finanz-Online erstellten Schreiben vom gab der Bf bekannt, dass sich die gewünschten Unterlagen zu den von ihm getätigten Zahlungen für die 24-Stunden-Betreuung seiner Mutter im Anhang befinden würden.

Mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurden die beantragten außergewöhnlichen Belastungen vom Finanzamt mit der Begründung abgelehnt, dass kein Anhang übermittelt worden sei.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde bezüglich der begehrten außergewöhnlichen Belastung darauf hingewiesen, dass die Pension der Mutter nicht reichen würde. Weiters wurden Belege über die bezahlten Honorare an die 24-Stunden-Pflegerinnen und der an sie bezahlten Fahrtkosten in Kopie übermittelt.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt begründend aus, dass die beantragten Kosten für die 24-Stunden-Pflege der Mutter des Bf in Höhe von € 13.328,00 nicht anerkannt hätten werden können, da der Begriff der Zwangsläufigkeit fehlen würde, sodass eine steuerliche Absetzbarkeit nicht gegeben sei. Das Einkommen der Mutter (€ 17.239,77) sowie das erhaltene Pflegegeld (€ 7.830,10) seien ausreichend, sodass diese Kosten von ihr selbst getragen werden hätten können.

In dem dagegen fristgerecht erhobenen Vorlageantrag gab der Bf bekannt, dass seine Mutter, Frau ***2***, SV-Nr. ***3***, seit Februar 2019 eine 24h-Stunden-Pflege beschäftigen müsse, deren Notwendigkeit auch vor Bewilligung des Zuschusses des Unterstützungsfonds des Sozialministeriums von 550,00 Euro pro Monat bzw. vor der Einstufung in die Pflegestufe 4 geprüft worden sei. Die dafür angefallenen Pflegekosten - Honorare, Fahrtkosten der Pflegerinnen und Provision an das Rote Kreuz und AIW - seien der beiliegenden Aufstellung zu entnehmen. Wie daraus ersichtlich, hätten seine Mutter 11.632,00 Euro als außergewöhnliche Belastung und er als Sohn 13.328,00 Euro als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt geltend gemacht. Seiner Mutter sei dies mit Einkommenssteuerbescheid vom anerkannt worden.

Es treffe nicht zu, dass das Einkommen seiner Mutter samt Pflegegeld ausreichend sei, die Kosten selbst zu tragen. Er beziehe sich auf den Einkommenssteuerbescheid 2019 seiner Mutter vom , wonach sie für die 24h-Pflege den Anteil der Pflegekosten von 11.632,00 Euro, den sie nachweislich von ihrem Einkommen bezahlt habe, als außergewöhnliche Belastung anerkannt bekommen habe. Damit sei ihr keinesfalls das "ausreichende" Einkommen verblieben wie in der Beschwerdevorentscheidung angegeben, sondern ein laut Einkommensteuerbescheid zu versteuerndes Einkommen von € 5.607,77 plus Pflegegeld, womit sie neben den Lebensunterhaltskosten für sich und die Pflegerin, Strom, Miete, Medikamente etc. unter keinen Umständen die vollen Pflegekosten bestreiten hätte können.

Wie aus der beiliegenden Aufstellung bzw. den nun übermittelten papierenen Belegen ersichtlich habe er den restlichen Betrag von 13.328,00 Euro für Honorare und Fahrtkosten bezahlt, wozu er sich als Sohn auch gemäß dem Begriff der Zwangsläufigkeit verpflichtet gesehen habe und daher die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt beantragt habe.

Ergänzend wurde folgende Übersicht über die angefallenen Pflegeaufwendungen und darüber, wer dafür aufgekommen ist, vorgelegt:

Pflegekosten für ***2*** 2019


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bezahlt von
***2***
***Bf1***
Summe
Honorare (€ 77/Tag)
15.092,00
10.318,00
25.410,00
Fahrtkosten
0,00
3.010,00
3.010,00
Provision AIW, RK
2.590,00
0,00
2.590,00
- minus Zuschuss Sozialmin.
-6.050,00
0,00
-6.050,00
= außergew. Belastung
11.632,00
12.328,00
24.960,00

Das Finanzamt legte die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte in seiner Stellungnahme aus, dass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen wäre.

Über Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes gab der Bf bekannt, dass sie zwei Geschwister seien, seine Schwester, ***4***, SV-Nummer ***5***, wohnhaft in ***6***, und er. Seine Schwester habe im Jahr 2019 ein monatliches Nettoeinkommen von € 2.137,41 und er € 3.324,12 gehabt. Seine Mutter besitze kein verwertbares Vermögen, sie lebe in einer Mietwohnung (Miete 2019 monatlich ca. € 658,25) und verfüge über kein Kapitalvermögen. Es habe bisher keine Schenkungen, Erbvorgänge oder anderweitige Übergaben gegeben.

Ergänzend bat er um Berücksichtigung des folgenden Sachverhalts:
Seine Schwester und er hätten sich immer beide moralisch und im Sinne des § 143 ABGB verpflichtet gefühlt, für den ausreichenden Unterhalt ihrer Mutter zu sorgen. Seine Schwester habe ein wesentlich geringeres Einkommen als er (sie bezog 2019 steuerpflichtige Bezüge von € 32.592,62, während er mit € 57.190,56 fast das doppelte gehabt habe). Sie habe die Mutter, die seit einem Unfall am ein Pflegefall sei, in ihrem Haushalt in ***7*** bis ohne Kostenverrechnung ver- und gepflegt. Sie habe den Umbau der sanitären Anlagen in der Wohnung ihrer Mutter und die 24-Stundenhilfe organisiert und alle bürokratischen Angelegenheiten geregelt. Seit der Rückkehr seiner Mutter in ihre Wohnung sei sie zuerst öfter, dann zumindest einmal wöchentlich zu ihrer zusätzlichen Betreuung, die bis heute nötig sei, auf eigene Kosten von ***7*** nach ***8*** gefahren. Diese Leistungen seiner Schwester, die er als aktiver Angestellter nicht erbringen hätte können, würden ihm, auch unter Berücksichtigung der Differenz ihrer Einkommen, als nach allen ihren möglichen Kräften ausreichender Anteil am Unterhalt ihrer Mutter im Sinne des ABGB erscheinen. Daher sei es für ihn selbstverständlich, seinen Anteil durch die Bezahlung der offenen Honorare und Fahrtkosten für die Pflegerinnen zu leisten, wenn das Konto seiner Mutter nicht die nötige Deckung aufgewiesen habe.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Mutter des Bf wohnt in einer Mietwohnung und bedarf seit Februar 2019 einer 24-Stunden-Pflege. Insgesamt sind Pflegekosten in Höhe von € 31.010,00 angefallen. Pflegekosten wurde in Höhe von € 11.632,00 von der Mutter des Bf selbst und in Höhe von € 13.328,00 vom Bf getragen.

Die Mutter des Bf bezog im Jahr 2019 eine Pension lt. Lohnzettel einschließlich Sonderzahlungen netto in Höhe von € 19.470,38 (108,96+21.969,50-960,36-1.487,66-160,06) und Pflegegeld in Höhe von € 7.830,10, insgesamt € 27.300,48. Nach den Angaben des Bf unterstützte das Sozialministerium die Pflegemaßnahmen für die Mutter mit einem Betrag in Höhe von € 6.050,00. Damit Stand der Mutter des Bf im Jahr 2019 ein Geldbetrag in Höhe von € 33.350,48 zur Verfügung.

Der Bf hat eine Schwester, die an den Pflegekosten nicht beteiligt wurde, sondern sich anderweitig um die Mutter kümmerte (Besuche, Pflege der Mutter nach ihrem Unfall im Jahr 2018, Organisation des Umbaus der sanitären Anlagen in der Wohnung der Mutter, Organisation der 24-Stunden-Pflege, alle bürokratischen Angelegenheiten). Der Bf bezog im strittigen Jahr 2019 laut Lohnzettel steuerpflichtige Bezüge (Kennzahl 245 des Lohnzettels) in Höhe von € 57.190,56 und seine Schwester € 32.592.62.

Aus dem Verwaltungsakt und dem Vorbringen des Bf ist nicht erkennbar, dass die Mutter des Bf noch verwertbares Vermögen besitzt bzw. dass Schenkungen, Erbvorgänge oder anderweitige Übergaben erfolgt sind.

Beweiswürdigung

Die unstrittigen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegtem Verwaltungsakt, den Angaben des Bf sowie aus der Finanzdatenbank.

Rechtliche Beurteilung

§ 34 EStG 1988 regelt die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen und lautet:

"§ 34
(1) Bei der Ermittlung der Einkommen (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen haben:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, wenn sie höher ist als jene, die die Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung berücksichtigt wesentlich die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von
höchstens 7.300 Euro 6%
mehr als 7.300 Euro bis 14.600 Euro 8%
mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro 10%
mehr als 36.400 Euro 12%

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt,
- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag
- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der Ehe(Partner) Einkünfte im Sinne der § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt
- für jedes Kind (§ 106).

(5) Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
- Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten.
- Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs. 8.
- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß
§ 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

(7) Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:
1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe, den Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a, den Kindermehrbetrag gemäß § 33 Abs. 7 sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.
(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)
4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.
5. (Verfassungsbestimmung) Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen."

Wenn durch Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit Aufwendungen verursacht werden, können außergewöhnliche Belastungen vorliegen ().

Wird bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen mit Anspruch auf Pflegegeld anstelle einer Heimunterbringung eine häusliche Pflege organisiert, so stellen die Pflege- und Betreuungsaufwendungen wie z.B. Kosten für das Pflegepersonal, eventuelle Aufwendungen für die Vermittlungsorganisation sowie für Pflegemittel, eine außergewöhnliche Belastung dar.

Diese Aufwendungen sind um die erhaltenen Zuschüsse wie Pflegegeld oder Zuschüsse zu den Betreuungskosten zu kürzen.

Grundsätzlich können nur die von der pflegebedürftigen Person selbst getragenen Kosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Dabei muss ihr nach der Verwaltungsübung (LStR 2002, Rz 899a) der Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Personen verbleiben.

Bezieht diese Person unter Berücksichtigung des Ausgleichszulagenrichtsatzes ein zu niedriges Einkommen, um die Pflegekosten zu bezahlen und trägt eine unterhaltsverpflichtete Person die nicht gedeckten Pflegekosten, so kann diese Person die Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend machen, allerdings nur den um den Selbstbehalt gekürzten Betrag (vgl. LStR 2002, Rz 899).

Gemäß § 143 Abs. 1 ABGB schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Der Vorfahre hat Anspruch auf den angemessenen und nicht bloß auf den notwendigen Unterhalt (vgl. Stabentheiner in Rummel, ABGB3, §140 Rz 3).

Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten (§ 143 Abs. 2 ABGB). Dabei gilt die Anspannungstheorie, die Nachkommen haben zur Leistung des Unterhalts alle Kräfte anzuspannen, das heißt alle Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen.

Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteiles mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet (§ 143 Abs. 3 ABGB).

Eine Belastung liegt nur dann vor, wenn Ausgaben getätigt werden, die zu einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr, somit zu einem Ausscheiden aus der wirtschaftlichen Verfügungsmacht führen (). Werden Pflegekosten als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern übernommen bzw. erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen nur deshalb, weil ihm das zu ihrer Deckung dienende Vermögen zugekommen ist, ist eine Auswirkung auf die einkommensteuerbezogene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verneinen und liegt insoweit daher keine Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 vor (/02019.

Hat der Steuerpflichtige Vermögen bereits unter der Bedingung der späteren Pflege übertragen oder erfolgte die Vermögensübertragung in zeitlicher Nähe (sieben Jahr) zur Übersiedelung in das Pflegeheim, so liegt nach Auffassung der Verwaltung bis zur Überschreitung des Vermögenswertes durch die Summe der Zahlungen keine außergewöhnliche Belastung vor. Hat der Pflegedürftige hingegen sein Vermögen (Wohnung, Sparbuch) nicht übertragen, sollen die Pflegekosten zunächst zulasten dieses Vermögens gehen und erst ein im Nachlass nicht gedeckter Teil bei den vorgesehenen Erben als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommen (vgl. LStR 2002, Rz 823).

Nach dem Vorbringen des Bf sind als Pflegekosten die Honorare für die Pflegerinnen in Höhe von € 25.410,00 (€ 77/Tag), Fahrtkosten in Höhe von € 3.010,00 und Provisionen in Höhe von € 2.590,00 angefallen. Weiters sind Aufwendungen für die Unterkunft und Verpflegung der Pflegerinnen in der Wohnung der Mutter des Bf in Höhe des Ansatzes des Wertes der vollen Station von monatlich 196,20 Euro gemäß § 1 der Sachbezugswerte-Verordnung anzusetzen, was einem Betrag von € 2.158,20 (196,2x11) entspricht. Insgesamt ist daher von einem Pflegeaufwand in Höhe von € 33.168,20 Euro, auszugehen.

Der Mutter des Bf stand zur Deckung ihres Pflegeaufwandes ihre Jahresnettopension in Höhe von € 19.470,38, das Pflegegeld in Höhe von € 7.830,10 und die Ersätze vom Sozialministerium in Höhe von 6.050,00, insgesamt € 33.350,48, zur Verfügung. Nach den Angaben des Bf kam seine Mutter für Honorare der Pflegerinnen in Höhe von € 15.092,00, Provisionen in Höhe von 2.590,00, Unterkunft und Verpflegung der Pflegerinnen in Höhe von € 2.158,20, insgesamt somit € 19.840,20 auf.

Die zu pflegende Person hat jedoch neben den Pflegekosten auch ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Zur Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten erachtet das Bundesfinanzgericht die vom Bund den Pensionsbeziehern in Form der Ausgleichszulage gewährte bedarfsorientierte Mindestsicherung als geeignete Größe, um den Mindestaufwand für die Lebensführung bei alleinstehenden Personen, welche eine Pension beziehen, zu ermitteln (). Der Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende (§ 293 Abs. 1 lit. a ASVG) betrug im Jahr 2019 € 1.048,57 monatlich und somit € 12.582,84 für das gesamte Jahr 2019.

Zusammen mit dem der Mutter des Bf für die Bestreitung ihres Lebensunterhaltes verbleibenden Ausgleichzulagenrichtsatz in Höhe von € 12.582,84 im Jahr 2019 und den von ihr getragenen Pflegekosten in Höhe von € 19.840,20 hat die Mutter des Bf insgesamt € 32.423,04 des ihr zur Verfügung stehenden Betrages von € 33.350,48 verbraucht, womit ihr noch ein Betrag in Höhe € 927,44 übriggeblieben ist.

Daraus ist abzuleiten, dass die Mutter des Bf von den vom Bf aufgewendeten Pflegekosten in Höhe von € 13.328,00 noch einen Betrag in Höhe von € 927,44 übernehmen hätte müssen. Insgesamt bestand somit eine Pflegekostenunterdeckung in Höhe von € 12.400,56, für die die Schwester und der Bf aus rechtlicher Sicht aufzukommen verpflichtet waren.

Die rechtliche Verpflichtung zur Übernahme von Pflegekosten durch die Kinder und Enkelkinder der pflegebedürftigen Eltern oder Großeltern ergibt sich aus dem oben zitierten § 143 ABGB. Dabei reicht die Unterhaltspflicht eines Kindes nur soweit, als dem Eltern- oder Großelternteil die Heranziehung des Stammes zumutbar ist, der eigene angemessene Unterhalt nicht gefährdet ist und nicht andere Kinder unterhaltspflichtig sind. Die Unterhaltspflicht des Bf wird aber u.U. dadurch vermindert, dass neben ihm auch andere Kinder der Pflegebedürftigen nach den Bestimmungen des ABGB unterhaltspflichtig waren. Grundsätzlich haben mehrere Kinder den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten (§ 143 Abs. 2 ABGB).

Der Bf führt im Hinblick darauf, dass seine Schwester keinen monetären Beitrag zu den Pflegekosten der Mutter geleistet hat, in der Vorhaltsbeantwortung vom aus, dass die Leistungen seiner Schwester (Pflege der Mutter nach einem Unfall am in ihrem Haushalt in ***7*** ohne Kostenverrechnung, Organisation des Umbaus der sanitären Anlagen in der Wohnung der Mutter, Organisation der 24-Stundenhilfe, Regelung aller bürokratischen Angelegenheiten, zumindest einmal wöchentliche Fahrt auf eigene Kosten von ***7*** nach ***8*** für den Besuch der Mutter seit ihrer Rückkehr in ihre Wohnung zu ihrer zusätzlichen Betreuung, die bis heute nötig sei) die er als aktiver Angestellter nicht erbringen hätte können, ihm, auch unter Berücksichtigung der Differenz ihrer Einkommen, als nach allen ihren möglichen Kräften ausreichender Anteil am Unterhalt ihrer Mutter im Sinne des ABGB erscheinen würden.

Zum Begehren des Bf, die für den Pflegeaufwand der Mutter von seiner Schwester durchgeführten Tätigkeiten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen und die von ihm allein getragenen Kosten in Höhe von € 13.328,00 ausschließlich bei ihm als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ist auf Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG Kommentar, § 34 Tz 9, hinzuweisen. Demnach setzt eine "Belastung" iSd § 34 grundsätzlich Geldausgaben des StPfl voraus. Der Eintritt eines Vermögensschadens allein stellt noch keine außergewöhnliche Belastung dar, erst die Kosten zur Beseitigung dieses Schadens können nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen steuerlich abgesetzt werden (vgl UFS Linz , RV/1162-L/04). Arbeitsleistungen des StPfl selbst, wie bspw Pflege naher Angehöriger oder bei der Beseitigung von Katastrophenschäden, können zwar durchwegs eine Belastung darstellen, mangels Geldabflusses liegt jedoch kein Anwendungsfall des § 34 vor (; UFS Linz , RV/0498-L/04; UFS Graz , RV/0340-G/07). Gleiches gilt für unentgeltliche Leistungen durch Angehörige (UFS Wien , RV/2040-W/04).

Auch Aufwendungen für Besuchsfahrten zu nahen Angehörigen stellen keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 mangels Außergewöhnlichkeit dar und zwar auch dann, wenn Angehörige erkrankt bzw. pflegebedürftig sind (vgl. vgl. Erkenntnisse des ; , RV/2100814/2012; , RV/5100970/2013; , RV/1100309/2014). Überdies gilt für den Zeitpunkt des Abzuges das Abflussprinzip des § 19 Abs. 2 EStG 1988 (vgl. ), wonach im Jahr 2018 von der Schwester des Bf getätigte Aufwendungen nicht im Jahr 2019 berücksichtigt werden dürfen.

Das bedeutet, dass im gegenständlichen Fall die von der Schwester des Bf getragenen Aufwendungen in Form von Arbeitsleistungen nicht als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 und nur die anteilsmäßigen Pflegeaufwendungen beim Bf als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können.

Folgt man zur Ermittlung der Anteilsmäßigkeit den Angaben des Bf in der Vorhaltsbeantwortung vom , wonach seine Schwester im Jahr 2019 über steuerpflichtige Bezüge in der Höhe von € 32.592,62 und er in Höhe von € 57.190,56 verfügt haben, ergibt sich bei der Schwester des Bf ein Anteil von 36,30 % und beim Bf ein Anteil von 63,70 %. Eine rechtliche Verpflichtung zur Übernahme der Pflegekostenunterdeckung in Höhe von € 12.400,56 bestand für den Bf demnach nur im Ausmaß von 63,70 %, das sind € 7.899,16. Eine sittliche Verpflichtung zur Übernahme auch des restlichen Anteiles bestand für den Bf nicht, da ein höheres Einkommen oder bessere Vermögensverhältnisse allein nach der Sittenordnung noch nicht zur Übernahme überproportionaler Belastungen führen. Dass die Schwester des Bf etwa wegen ihres geringen Einkommens oder anderer Sorgepflichten von einer Unterhaltspflicht gegenüber ihrer Mutter auszunehmen war, wurde nicht vorgebracht.

Somit können die vom Bf geltend gemachten Pflegekosten nur im Ausmaß von € 7.899,16 (63,70 % von € 12.400,56) als zwangsläufig entstanden anerkannt und somit als außergewöhnliche Belastung, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 6 EStG 1988 nicht vorliegen, aber erst nach Abzug des Selbstbehaltes berücksichtigt werden.

Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beträgt der Selbstbehalt bei einem Einkommen von mehr als 36.400 Euro 12%. Der Selbstbehalt errechnet sich wie folgt (siehe Sailer Bernold Mertens, die Lohnsteuer in Frage und Antwort, § 34 RZ 34/7):

Lohnzettel Kennzahl (KZ) 245 57.190,56
+ sonstige Bezüge KZ 220 11.328,00
- SV KZ 225 - 1.752,53
- Sonderausgaben - 132,00
- Werbungskosten - 60,00
Bemessungsgrundlage Selbstbehalt 66.574,03x12%=
Selbstbehalt 7.988,88

Von den beim Bf anzuerkennenden außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von € 7.899,16 ist der Selbstbehalt in Höhe von 7.988,88 abzuziehen. Da der Selbstbehalt die anzuerkennenden außergewöhnlichen Belastungen übersteigt, konnten keine außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt werden.

Aus den dargestellten Gründen war die Beschwerde, wie aus dem Spruch ersichtlich, als unbegründet abzuweisen.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige und einheitliche Rechtsprechung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Graz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at