Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.05.2021, RV/2100149/2019

Bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft ist im Versendungsfall in der Regel die erste Lieferung die bewegte Lieferung und daher steuerfrei. Die anschließende ruhende Lieferung findet im Bestimmungsmitgliedstaat statt. Die Verwendung der UID des Abgangsstaates durch den mittleren Unternehmer führt zur Vorschreibung von Erwerbsteuer, die nicht als Vorsteuer abzugsfähig ist.

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2021/15/0034. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/2100806/2022 erledigt.; VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2604/2021 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Alois Pichler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Umsatzsteuer 2015 und Umsatzsteuer 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Umsatzsteuer 2015 wird festgesetzt mit einer Zahllast von 366.073,92 €.

Die Umsatzsteuer 2016 wird festgesetzt mit einer Zahllast von 275.642,72 €.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Unternehmen der Beschwerdeführerin (Bf.) - einer Aktiengesellschaft belgischen Rechtes (NV) ohne Betriebstätte im Inland - fand eine abgabenbehördliche Außenprüfung statt. In ihren Prüfungsfeststellungen führte die Außenprüfung Folgendes aus:

"Die Bf. mit Sitz in A., Belgien, ohne Betriebsstätte in Österreich, handelt mit Glukose (S.). Sie verfügt über eine belgische (BE0405xxxxxx) und eine österreichische (ATU619xxxxx) UID-Nummer. Ansonsten ist sie in keinem weiteren EU-Land steuerlich registriert.
Im Prüfungszeitraum 2015 bis 2016 kauft das geprüfte Unternehmen die Glukose aufgrund eines mehrjährigen Rahmenvertrages bei der J. Austria AG (J.) in W. ein und beliefert verschiedene EU-Abnehmer (J. Konzerngesellschaften, Lebensmittelhersteller und chemisch-pharmazeutische Unternehmen). Die Ware gelangt direkt vom Werk von J. in P. (Bundesland Niederösterreich) an die jeweiligen Endabnehmer. In den überwiegenden Fällen wird die Glukose über Transportbeauftragung der S. an die Endabnehmer versendet (Lieferkondition DDP). Daneben gibt es Geschäftsfälle, wo die Glukose von den jeweiligen Endabnehmern im Werk in P. abgeholt wird (Lieferkondition FCA).

In beiden Fällen (Lieferkondition DDP bzw. FCA in den Rechnungen von S.) legt JBL Rechnungen mit 10% österreichischer Umsatzsteuer, die von S. als Vorsteuer in Abzug gebracht wird. In den Rechnungen sind jeweils die österreichische UID-Nummer des geprüften Unternehmens und die Lieferkondition FCA angeführt. S. fakturiert an ihre Kunden stets ohne österreichische Umsatzsteuer. In den Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Umsatzsteuerjahreserklärungen werden vom geprüften Unternehmen alle Geschäftsfälle - unabhängig von der Transportbeauftragung - als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt und Zusammenfassende Meldungen eingereicht. Es kann daher auch davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Warenempfänger (Letzte in der Lieferkette) die jeweiligen Erwerbe in den Bestimmungsländern erklärt und versteuert haben.

3.2. Rechtliche Beurteilung:

Nach Ansicht der AP handelt es sich bei den beschriebenen Geschäftsfällen um Reihengeschäfte. Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand ein Geschäft (Kaufvertrag) abschließen und diese dadurch erfüllt werden, dass der Erste dem Letzten unmittelbar die Verfügungsmacht verschafft. Dabei ist zu beachten, dass der Ort jedes einzelnen Umsatzes gesondert ermittelt werden muss, wobei nur für einen Umsatz in der Reihe die Lieferung gem. § 3 Abs. 8 UStG bestimmt wird (Beginn der Beförderung oder Versendung). Nur diese bewegte Lieferung gem. § 3 Abs. 8 UStG kann (gedanklich) über die Grenze gehen und ist somit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gem. Art. 7 UStG steuerfrei. Alle übrigen Lieferungen sind steuerbar und steuerpflichtig am Ort der vorangegangenen oder nachfolgenden Übergabe (ruhende Lieferung).

Hinsichtlich der von den Kunden der S. in P. abgeholten Glukose (Lieferkondition FCA) ist nach Ansicht der AP die bewegte Lieferung gem. § 3 Abs. 8 UStG zwischen S. und den abholenden Kunden anzunehmen (steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung der S). Die ruhende Lieferung besteht zwischen J. und S. (steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz von JBL). (Anm. BFG: unstrittig)

Anders sind jedoch nach Ansicht der AP die Geschäftsfälle zu beurteilen, wo das geprüfte Unternehmen die Transportaufträge erteilt hat (Lieferkondition DDP). In diesen Fällen ist von einer bewegten Lieferung gem. § 3 Abs. 8 UStG zwischen J. und S. auszugehen. J. tätigt daher in Österreich steuerbare und bei Vorliegen der Voraussetzungen gem. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.

Nach der Bestimmung des Art. 3 Abs. 8 UStG wird ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Versendung befindet (Art. 28b Teil A Abs. 1 der Sechsten RL und Art. 40 der MwStSystRL). Das geprüfte Unternehmen hat daher in den einzelnen Mitgliedstaaten der letzten Abnehmer (Bestimmungsland) einen innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt.

Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferanten eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte UID-Nummer, so gilt gem. Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG der Erwerb solange in dem Gebiet des Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist (Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten RL und Art. 41 der MwStSystRL).

Da S. gegenüber dem Lieferer die österreichische UID-Nummer verwendet hat, gilt der Erwerb auch in Österreich als bewirkt.

Gem. Art. 12 Abs. 1 Z 1 UStG kann der Unternehmer die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen als Vorsteuer abziehen. Ein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht nur für den echten (originären) innergemeinschaftlichen Erwerb, d.h. den Erwerb, der im Bestimmungsland bewirkt wird.

Aufgrund des , ist der Vorsteuerabzug für die zusätzliche Erwerbsteuer (Verwendung der österreichischen UID-Nummer) nicht möglich.

Daher ist dem geprüften Unternehmen die Erwerbsteuer in Österreich vorzuschreiben, ein entsprechender Vorsteuerabzug besteht nicht. Die Erwerbe fallen erst wieder weg (ex nunc), wenn die Erwerbsbesteuerung der gelieferten Waren in den jeweiligen Bestimmungsländern nachgewiesen wird.

Bei den Lieferungen von S. an die jeweiligen Endkunden im EU-Gebiet handelt es sich um die ruhenden Lieferungen (§ 3 Abs. 7 UStG). Die Lieferorte befinden sich gem. § 3 Abs. 7 UStG in den einzelnen Bestimmungsländern. Daher sind die vom geprüften Unternehmen in Österreich erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen entsprechend zu berichtigen.

3.3. Argumentation des Unternehmens bzw. der steuerlichen Vertretung und Stellungnahme dazu:
In einer Stellungnahme der steuerlichen Vertretung B. GmbH in Wien bezieht sich diese auf die Entscheidung des , wonach es schon begrifflich nicht möglich sei, dass ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Abgangsland (im gegenständlichen Fall in Österreich) stattfindet. Dieser Ansicht kann sich die AP nicht anschließen, da, das ist der steuerlichen Vertretung bekannt, diese Entscheidung nicht der Rechtsmeinung der Finanzverwaltung entspricht. In dieser Entscheidung wird nicht dargelegt, ob es sich bei den erwähnten innergemeinschaftlichen Erwerben um solche des Art 3 Abs. 8 erster Satz oder solche des zweiten Satzes handeln sollte. Ebenso ist dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, warum es laut Rechtsprechung des EuGH sehr wohl einen so genannten Doppelerwerb bei Verwendung einer "falschen" UID-Nummer geben sollte, dies jedoch nicht gelte, wenn der Erwerber fälschlicherweise die UID-Nummer des Abgangslandes der Ware verwendet. Es wäre, dieser Logik folgend, im Fall einer innergemeinschaftlichen Lieferung ein Doppelerwerb in 26 (Nicht-Empfänger-) EU-Staaten möglich, nicht jedoch im 27. ebenfalls Nicht-Empfänger-Staat.

Anlässlich einer Besprechung mit dem Prüfer am wurde von dem zwischenzeitlich von S. beauftragten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. G. (Kanzlei L. in L.) die Auffassung vertreten, dass von zwei einzelnen Lieferungen und nicht von einem Reihengeschäft auszugehen sei. Diese Ansicht wurde aber - ohne an dieser Stelle näher darauf einzugehen - wieder fallen gelassen.

Am hat in der Kanzlei L. eine Besprechung zwischen Dr. G. und Mag. F. (Fachbereich U.) stattgefunden. Dabei wurde Übereinstimmung hinsichtlich einer durchgehenden Warenbewegung und damit eines vorliegenden Reihengeschäftes erzielt. Außerdem wurde hinsichtlich der Zuordnung der bewegten Lieferung übereinstimmend festgehalten, dass S. die Ware weiterverkauft hat (Verpflichtungsgeschäft) bevor die Warenbewegung beginnt. Davon hat auch der Erstlieferant J. Kenntnis erlangt. Strittig blieb aber, ob der Kunde von S. (Zweiterwerber) bereits im Abgangsstaat Österreich über die Ware verfügen konnte bevor die Warenbewegung beginnt.

Incoterms sind ein Indiz für diese Beurteilung. Nach Ansicht der AP spricht die durchgehend verwendete Lieferkondition DDP gegen eine Verfügungsgewalt des Zweiterwerbers in Österreich, da der Ersterwerber (Zweitlieferant) laut der Lieferkondition DDP an den Zweiterwerber erst am Bestimmungsort liefert und erst dort der Gefahrenübergang stattfindet.

Erklärung der Incoterm DDP (https://www.weka.ch/themen/recht/transport-und-verkehr/sachtransport-fracht/article/incoterms-klauseln-fuer-alle-transportarten/):

DDP - GELIEFERT VERZOLLT (… benannter Bestimmungsort)

Incoterm "Delivered Duty Paid"/"Geliefert verzollt" bedeutet, dass der Verkäufer die zur Einfuhr freigemachte Ware dem Käufer auf dem ankommenden Beförderungsmittel entladebereit am benannten Bestimmungsort zur Verfügung stellt. Der Verkäufer trägt alle Kosten und Gefahren, die im Zusammenhang mit der Beförderung der Ware bis zum Bestimmungsort stehen.
Bei dieser Klausel ist der Verkäufer verpflichtet, die Ware nicht nur für die Ausfuhr, sondern auch für die Einfuhr freizumachen, alle Abgaben sowohl für die Aus- als auch für die Einfuhr zu zahlen sowie alle Zollformalitäten zu erledigen.

Hinweis
Incoterms DDP stellt die Maximalverpflichtung für den Verkäufer dar.
Die Stelle innerhalb des benannten Bestimmungsortes ist so genau wie möglich zu bezeichnen, da die Gefahren bis zu dieser Stelle zu Lasten des Verkäufers gehen.

Aus dieser Lieferkondition "DDP" ergibt sich klar, dass jedenfalls die zivilrechtliche Lieferung erst am Bestimmungsort laut Vereinbarung stattfindet. Es ist Sache des Lieferanten, die Ware zum vereinbarten Übergabeort zu transportieren, er hat die Kosten dafür zu tragen und er trägt auch das Risiko von Beschädigungen der Ware, Diebstahl oder sonstigem Untergang der Ware. In diesen Fällen wird die Ware nicht im vereinbarten Zustand am vereinbarten Übergabeort ankommen, die Lieferung hat dann (zivilrechtlich) nicht stattgefunden.

Zu diesem Ergebnis gelangt man auch bei Beurteilung des Wortlautes der Verkaufsbedingungen in Pkt. 5.2.: "…, die Produkte werden nach den Incoterms 2010 am zwischen den Parteien vereinbarten Lieferort ausgeliefert." Auf diese Verkaufsbedingungen wird in den Kontraktbestätigungen hingewiesen. Auf den Rechnungen scheint ebenfalls als Lieferbedingung DDP jeweiliger Bestimmungsort (beim Warenempfänger) auf.

Laut den Ausführungen von Dr. G. (Mail vom ) ist in dem Vertrag zwischen J. und S. vom in Pkt. 7.2. eindeutig geregelt, dass die Lieferung mit Abgabe aus dem Füllstutzen als ausgeführt gilt und in diesem Zeitpunkt der Eigentumsübergang aber auch der Risiken des Verlustes oder des zufälligen Unterganges erfolgt. Damit gehen nicht nur das zivilrechtliche, sondern auch das wirtschaftliche Eigentum und folglich auch die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht über.

Dazu wird seitens der AP angemerkt, dass der Hinweis auf die Vereinbarung zwischen J. als Erstlieferant und S. als Ersterwerber für die Lösung des Reihengeschäftes nicht hilfreich ist. Wie bereits weiter oben ausgeführt ist unstrittig, dass die Ware vor Auslieferung bereits vom Ersterwerber weiterverkauft wurde und auf Grund der vorliegenden Unterlagen davon ausgegangen werden kann, dass dieser Weiterverkauf dem Erstlieferanten bekannt war/ist. Entscheidend ist die Frage, ob der nachfolgende Verkauf/die nachfolgende Lieferung erfolgt ist, bevor die Ware transportiert wird oder nicht. Für die Beantwortung dieser Frage sind die eben angeführten Vereinbarungen nach Ansicht der AP irrelevant. Entscheidend sind vielmehr die Umstände, unter denen die Lieferungen von S. als Zweitlieferant an dessen Kunden als Zweiterwerber erfolgt sind.

Was kann aber aus diesem Pkt. 7.2. abgeleitet werden?

Wie bereits oben bei den Ausführungen von Dr. G. angeführt ist, wird aus dieser Vereinbarung (Lieferung erfolgt bei Einfüllen in das Tankfahrzeug) auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums geschlossen und damit auch auf die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht.

Nach Ansicht der AP muss dies jedoch auch für die Vereinbarung betreffend der Zweitlieferung im Fall des verwendeten Incoterms DDP gelten. Diese Lieferkondition besagt klar, wann und wo der Übergang der Kosten- und Gefahrentragung ist, der Lieferant hat sich um den Transport bis zu diesem Punkt zu kümmern. Zweifellos kann in diesen Fällen der Kunde erst wirtschaftlich über die Ware verfügen, wenn ihm diese vom Lieferanten übergeben wurde. Erst dann kann er über den Gegenstand wie ein Eigentümer verfügen. Bis zu diesem Zeitpunkt verfügt zweifellos der Lieferant darüber, es liegt hier noch in seiner Verantwortung, die Ware zum vereinbarten Bestimmungsort zu bringen. Um dies bewerkstelligen zu können, muss er die Verfügungsgewalt über die Ware haben, anderenfalls könnte er nicht den Transport durchführen und auch dafür verantwortlich sein.

Dr. G. verweist zu den Incoterms auf die BFG Beschwerde vom , RV/2101122/2016, welche ausführt wie folgt: "In Österreich mag ihnen vielleicht Indizwirkung für das zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft (z.B Kaufvertrag, Titel) zukommen, nicht jedoch für das Verfügungsgeschäft (Modus)…Die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht werde damit nicht verschafft". Der zwischen S. und den Kunden vereinbarte Incoterm DDP Bestimmungsort regle somit nur, dass S. den Transport zu den jeweiligen von Kunden gewünschten Orten organisieren muss und dass an diesem Ort bestimmte zivilrechtliche Risiken und Gefahren übergehen, nicht aber, ob auch die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht übergegangen ist.

Zum Sachverhalt, der der angeführten Entscheidung des zugrunde liegt, ist anzumerken, dass dieser mit dem gegenständlichen Streitfall nicht vergleichbar ist.

:
Nach Ansicht der Bf. ist die Verfügungsmacht über die Ware bereits in Österreich von der M. GmbH auf sie und von ihr auf die EU-Warenempfänger übergegangen. Weitergehende Feststellungen hat die belangte Behörde nicht getroffen.

Im vorliegenden Fall wurden sehr wohl Erhebungen zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht durchgeführt mit dem Ergebnis, dass dieser Zeitpunkt bei der Zweitlieferung jedenfalls erst dann gegeben ist, wenn die Ware am Bestimmungsort dem Zweiterwerber übergeben wird.
Auch weitere Ausführungen in dieser Entscheidung entsprechen nicht der Rechtsauffassung der AP, so etwa:
"Die Bf. gab der M. GmbH ihre österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bekannt, damit konnte die M. GmbH ihre Lieferung nicht mehr als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandeln und stellte daher Umsatzsteuer in Rechnung."

Die AP verweist auf die Rechtsprechung des EuGH wonach eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nicht verwehrt werden kann, wenn der Empfänger keine UID-Nummer bekannt gibt. Weshalb dann bei Bekanntgabe einer österreichischen UID-Nummer jedenfalls eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht steuerfrei behandelt werden kann, bleibt offen.
Schließlich wird vom BFG noch die Auffassung vertreten, dass das dort strittige Reihengeschäft als missglücktes Dreiecksgeschäft beurteilt werden kann. Dabei wird wohl übersehen, dass bei einem begünstigten Dreiecksgeschäft unstrittig das zweite Umsatzgeschäft der so genannte stehende oder ruhende Umsatz sein muss. Trotz dieses Hinweises gelangt das BFG zum Ergebnis, der zweite Umsatz sei der so genannte bewegte Umsatz. Damit ist jedoch ein Vergleich mit einem begünstigten Dreiecksgeschäft wieder zwingend ausgeschlossen.
Worin die besonderen Umstände liegen, aufgrund derer der bewegte Umsatz dem zweiten Umsatzgeschäft zugeordnet wird, bleibt das BFG schuldig.

Auch wegen dieser fehlenden Begründung wurde seitens der Finanzverwaltung eine Amtsbeschwerde an den VwGH gerichtet. Daraus ist erkennbar, dass die Finanzverwaltung der Rechtsauffassung und den Aussagen des BFG in diesem Fall nicht zustimmt. Diese Entscheidung ist auch nicht geeignet, den gegenständlichen Fall eines Reihengeschäftes anders zu beurteilen als dies durch die AP geschieht.
Dr. G. vertritt außerdem die Ansicht, dass auch der Parteiwille zu berücksichtigen sei und beruft sich dabei auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Euro Tyre Holding, BV C- 430/09. In Rn. 34 wird ausgeführt, dass wenn der mittlere Erwerber die Ware abholt und zu seinem Kunden in ein anders EU Land transportiert, "so weit wie möglich die Absichten zu berücksichtigen sind, die der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs hatte, sofern sie durch objektive Gesichtspunkte gestützt werden". Im Weiteren verweist Dr. G. auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kreuzmayr GmbH, C-628/16, Rn. 34, die diese Ansicht wiederholt und wie folgt ausführt: "Schließlich sind zur Feststellung, ob eine Lieferung als "innergemeinschaftliche Lieferung" eingestuft werden kann, die Absichten zu berücksichtigen, die der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs des fraglichen Gegenstandes hatte, sofern sie durch objektive Gesichtspunkte gestützt werden". Die Absichten der Parteien, wonach die erste Lieferung eine (steuerpflichtige) Inlandslieferung und die zweite eine (steuerbefreite) innergemeinschaftliche Lieferung sein soll, sei unstrittig und könne objektiv durch die entsprechende Rechnungsausstellung, den Ausweis der Umsätze in den Umsatzsteuererklärungen und in den Zusammenfassenden Meldungen sowie durch Auftreten mit der jeweiligen österreichischen UID-Nummer objektiv nachgewiesen werden.

Dem ist seitens der AP entgegen zu halten, dass die Absichten, die den Verträgen zwischen den beteiligten Unternehmern zu entnehmen sind, andere sind. Demnach ist es klar Sache des Ersterwerbers, die Ware zum Zweiterwerber zu transportieren und dieser kann erst nach Ankunft der Ware bei ihm darüber wie ein Eigentümer verfügen. Der Zweiterwerber hat bis zu diesem Zeitpunkt weder Kosten zu tragen noch trägt er im Zusammenhang mit dem Wareneinkauf irgendein wirtschaftliches Risiko.

Aus den ausgestellten Rechnungen auf den Willen der beteiligten Unternehmer zu schließen, ist nach Ansicht der AP zu kurz gegriffen. Würde man dieser Logik folgen, gäbe es zahlreiche Fälle fehlerhafter Rechnungsausstellung nicht. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Erscheinungsform von Rechnungen meist mit den gespeicherten Daten des Kunden unmittelbar im Zusammenhang steht. Von diesem wird eine UID-Nummer gespeichert, diese wird auf der Rechnung angedruckt, diese UID-Nummer bewirkt wieder automatisch die Fakturierung einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder einer steuerpflichtigen Lieferung. Im Fall einer innergemeinschaftlichen Lieferung wird wieder automatisch die Zusammenfassende Meldung erstellt. Aus diesen zum Großteil auf Automatisierungsschritte zurückzuführenden Umständen kann laut AP nicht auf den konkreten Willen eines Unternehmers geschlossen werden.

Nach weiteren Ausführungen von Dr. G. sei Sinn und Zweck des fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbes gem. Art. 3 Abs. 8 UStG zweiter Satz sicherzustellen, dass ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Bestimmungsland beim Enderwerber der Mehrwertsteuer unterliegt und gleichzeitig zu verhindern, dass dieser Umsatz doppelt besteuert wird (vgl. EuGH Bühler, C-580/16, Rn 50 mit Verweis auf EuGH-Urteil X and Facet C-536/08 und C-539/08). Nur dann, wenn kein Erwerb im Bestimmungsland, in das die Ware physisch transportiert wurde, besteuert wird, solle der fiktive Erwerb im Land dessen UID-Nummer verwendet wurde, besteuert werden. Wenn aber der Erwerb im Bestimmungsland von den Kunden (Enderwerbern) korrekt besteuert wurde, sei kein Anwendungsbereich mehr für einen fiktiven Erwerb. Die Vorschreibung eines zusätzlichen fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbes (zusätzlich zu dem bereits korrekt erklärten innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsland) wäre überschießend und würde zu einer Doppelbesteuerung und zur Verletzung des Neutralitätsprinzips führen. In diesem Zusammenhang wird auf das bereits angeführte BFG Judikat vom verwiesen.

Zu diesen Ausführungen wird seitens der AP darauf hingewiesen, dass das Urteil des EuGH im Fall Bühler eine gänzlich andere Frage beantwortete. Strittig war, ob eine fehlerhaft abgegebene Zusammenfassende Meldung berichtigt werden kann und trotz der zunächst fehlerhaften Zusammenfassenden Meldung der Erwerber des Dreiecksgeschäftes die Begünstigungen in Anspruch nehmen kann. Dies wurde vom EuGH bejaht.

Mit Mail vom hat Dr. G. noch auf das BFG Judikat vom Bezug genommen. In diesem Erkenntnis kommt das BFG zum Ergebnis, dass für die Besteuerung eines fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbes kein Raum sei, wenn im Reihengeschäft mit drei Beteiligten der mittlere Unternehmer mit der österreichischen UID-Nummer aufgetreten ist und dem Erstlieferanten den von ihm organsierten Transport und Weiterverkauf in das übrige EU-Ausland mitgeteilt hat, der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich von den Endkunden im Bestimmungsland besteuert wurde, die Besteuerung von allen Beteiligten so gewollt, korrekt durchgeführt und erklärt wurde, sodass weder Missbrauch, noch Steuerhinterziehung oder Vermeidung bewirkt wurde und der Steuerverwaltung keine Einnahmen entgangen sind.

Seitens der AP wird im Zusammenhang mit dem hier angeführten Judikat darauf hingewiesen, dass auch hier die Finanzverwaltung nicht die Rechtsauffassung des BFG teilt, die Entscheidung des BFG mangelhaft begründet wurde, insbesondere nicht angeführt wurde, auf Grund welcher Umstände die Zuordnung des bewegten Umsatzes erfolgte und die Finanzverwaltung gegen diese Entscheidung eine Amtsbeschwerde an den VwGH gerichtet hat.

Nach Ansicht der AP kann aus den Ausführungen der steuerlichen Vertretung - wie oben ausführlich dargestellt - nicht geschlossen werden, dass S. die Verfügungsmacht ihren Kunden bereits in Österreich verschafft hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei sämtlichen unter Case 4 angeführten DDP-Lieferungen die Verfügungsmacht an die Abnehmer erst in den jeweiligen Bestimmungsländern übergegangen ist. Aus diesem Grund kann von der bereits eingangs ausführlich begründeten Prüfungsfeststellung nicht abgegangen werden.

Mit Mail vom hat Dr. G. zu der am vom Prüfer übermittelten Prüfungsfeststellung wie folgt Stellung genommen:

Pkt .1.2

Seitens der AP wird auf das hingewiesen. Dieses Urteil ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, behandelt einen völlig anderen Sachverhalt und betraf einen Missbrauchsfall. Die Feststellungen des EuGH betrafen die Rechtsfrage, ob die missbräuchlich zwecks Steuerhinterziehung unterlassene Besteuerung des tatsächlichen ig. Erwerbs im Bestimmungsland dazu führen, dass im Mitgliedstaat der verwendeten UID-Nr. ein zusätzlicher (fiktiver) ig. Erwerb anfällt und für diesen das Recht auf Vorsteuerabzug versagt werden darf. Dies wurde vom EuGH zur Verhinderung von Missbrauch bejaht. Anders als in dem vom EuGH entschiedenen Fall wurde im vorliegenden Sachverhalt der innergemeinschaftliche Erwerb von den Empfängern der Waren sehr wohl ordnungsmäßig besteuert, erklärt und liegt unstrittig keine Steuerhinterziehung oder Missbrauch vor.

Pkt. 1.3

Seitens der AP wird in Bezug auf den verwendeten Incoterm DDP bei der Zweitlieferung wie folgt ausgeführt: "Zweifellos kann in diesen Fällen der Kunde erst wirtschaftlich über die Ware verfügen, wenn ihm diese vom Lieferanten übergeben wurde. Erst dann kann er über den Gegenstand wie ein Eigentümer verfügen". Dabei verkennt die AP, dass für die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht die (physische) Übergabe der Ware nicht erforderlich ist. Auch ohne physische Übergabe kann der Kunde umsatzsteuerlich über die Ware wie ein Eigentümer verfügen. Dass dies im konkreten Fall gegeben ist, ergibt sich auch aus den hierfür explizit vom Kunden an S. ausgestellten "letter of confirmation for VAT purposes", wonach die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht sehr wohl vor Beginn des Transports übertragen wurde.

Sofern die AP die Ansicht vertritt, dass aus der entsprechenden Rechnungsstellung, dem Ausweis der Umsätze in den Umsatzsteuererklärungen und den Zusammenfassenden Meldungen sowie der durch das Auftreten mit der jeweiligen österreichischen UID-Nr. objektiv nicht der konkrete Wille des Unternehmers zum Ausdruck kommt, sondern es sich hierbei lediglich um "zum Großteil auf Automatisierungschritte zurückzuführende Umstände" handle, missachtet sie den klaren Parteienwillen. Dass dies der konkret beabsichtigte, stringent und steuerliche korrekt umgesetzte und dokumentierte Parteiwille ist, hätte die AP spätesten dann erkennen müssen, wenn sie auch die explizit vom Steuerpflichtigen vorgelegten "confirmation for VAT purposes" berücksichtigt hätte.

Auch wenn die Finanzverwaltung zur Frage des fiktiven ig Erwerbs alle drei bisher ergangenen Urteile des BFG mit gegenteiliger Rechtsauffassung kategorisch ablehnt und insofern Amtsbeschwerde an den VwGH erhoben hat, so entbindet dies die AP nicht davon, die Grundprinzipien und Dogmatik des Umsatzsteuerrechts im allgemeinen und die darin wiedergegebenen Aussagen des EuGH zu Sinn und Zweck des fiktiven ig Erwerbs, zur Verletzung des Neutralitätsprinzips und zum Verbot der Doppelbesteuerung im Speziellen zu beachten.

Abschließend sei noch auf die aktuellen Aussagen der Generalanwältin in den Schlussanträgen vom zum EuGH Verfahren C-414/17 AREX CZ a.s hingewiesen, zur Frage welcher Lieferung in einem grenzüberschreitenden Reihengeschäft die Beförderung und somit die steuerbefreite ig Lieferung zuzurechnen ist.

Nach Aussagen der Generalanwältin "spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass derjenige, der einen Gegenstand an einen anderen liefert und die Gefahr für den zufälligen Untergang des Gegenstandes während der Lieferung trägt, auch als Lieferant agiert. Seine Lieferung muss damit die innergemeinschaftlich befreite Lieferung sein." (Rn. 73) "Diese Vermutung gilt für zweiseitige ("normale") innergemeinschaftliche Lieferungen ebenso wie für Reihengeschäfte…" (Rn. 74) "Trägt somit der Erstverkäufer die Gefahr für den zufälligen Untergang während des Transport, kann er mithin davon ausgehen, dass seine Lieferung steuerbefreit ist. In dem Fall hingegen, in dem sein Vertragspartner die Gefahr trägt, kommt es für das Vorliegen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung darauf an, ob ein Reihengeschäft vorliegt." (Rn. 75) "Ist er jedoch informiert, dass es sich um ein Reihengeschäft handelt, kann er aus dem Umstand, dass ein anderer die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache trägt, darauf schließen, dass dieser als Leistender den Gegenstand grenzüberschreitend und somit steuerfrei liefert. Damit ist seine Lieferung steuerpflichtig." (Rn. 77)

Folgt man den Ausführungen der Generalanwältin, dann würde im vorliegenden Sachverhalt und unter Berücksichtigung der hier von der AP vertretenen Rechtsauffassung - wonach aufgrund des verwendeten Incoterms DDP S. das Risiko für den zufälligen Untergang der Ware während des Transports getragen hat - J. als Erstverkäufer die steuerpflichtige Lieferung und S. die grenzüberschreitend steuerfreie ig Lieferung tätigen. Dies, weil - wie die AP selbst ausführt - der Erstlieferant J. unstrittig Kenntnis über das Vorliegen des Reihengeschäftes hatte und aufgrund des von ihm verwendeten Incoterms FCA klar war, dass ein anderer die Gefahr für den zufälligen Untergang trägt. Dieses Ergebnis entspricht voll und ganz der bisher von den Parteien vorgenommenen rechtlichen Würdigung.

In den Jahren 2015 und 2016 kommt es daher zu den in Pkt.4. dargestellten Änderungen der Besteuerungsgrundlagen.
Bemessungsgrundlagen 2016:
AP beziffert die BMGL für den fiktiven ig Erwerb (KZ 070 und 073) für 2016 mit EUR 4.717.753,38 und Mehrergebnis USt EUR 471.775,33. Dabei werden aber auch Umsätze aus Case 4 berücksichtigt, die den Incoterm FCA enthalten bzw bei denen der Wareneinkauf ohne USt erfolgte. Richtig daher EUR 4.541.969,08 (KZ 070 und 073) und Mehrergebnis UST EUR 454.196,91.

Anlässlich der Schlussbesprechung am im Finanzzentrum L. wurden die von Dr. G. vorgebrachten Argumente ausführlich besprochen. Es konnte in der Beurteilung der Rechtsfrage jedoch keine Einigung erzielt werden. Die Bemessungsgrundlage der innergemeinschaftlichen Erwerbe 2016 (KZ 070 und 073) wurde aufgrund der Einwendungen der steuerlichen Vertretung entsprechend angepasst.
4. Verfahrensabschluss und betragliche Auswirkung der Feststellungen

Für die Umsatzsteuer der Jahre 2015 und 2016 erfolgt jeweils eine Erstveranlagung auf Grundlage der in Pkt. 3. dargelegten Feststellungen.

(Anmerkung BFG: Die Kennzahl 060, Vorsteuer, wurde unverändert aus den Steuererklärungen übernommen.)

Gegen die erlassenen Bescheide erhob die Bf. durch ihre steuerliche Vertreterin Beschwerde, stellte den Antrag von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abzusehen und die Entscheidungsfindung durch den Senat unter Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und führte u.a. aus:

"Die S. B. BV, nunmehr T. St. & S. B. NV (idF.S./T. im Folgenden: Bf.) mit Sitz in Belgien, handelt mit Glukose. Diese Glukose bezieht Bf. u.a. vom österreichischen Lieferanten J. AG. Bf. hat mit J. AG mehrjährige Lieferverträge abgeschlossen. Im Konkreten erwarb Bf. mit Vertrag vom bei J. AG als Lohnfertiger Glukose in bestimmten Mengen für die Jahre 2014, 2015, 2016 und 2017. Spezifikation, Preis, Menge - abgesehen von geringfügigen Toleranzen - etc. waren zu diesem Zeitpunkt bereits festgelegt. Bf. hat diese Waren nach Belieben unter Einhaltung eines bestimmten Prozedere abgerufen und in der Folge abholen können. Der Transport wurde dabei stets von Bf. oder deren EU-Kunden durchgeführt, da die mit J. AG vereinbarte Lieferkondition "FCA" war.
Die von J. AG erworbenen Waren wurden von Bf. an verschiedene EU- Kunden (Unternehmer) weiterveräußert. Die Ware gelangte dabei direkt vom Werk von J. AG in P. (Niederösterreich) an die jeweiligen EUR-Kunden in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten.
Grundlage für die Weiterveräußerung der Waren von Bf. an die EU- Kunden sind die mit diesen zu verschiedenen Zeitpunkten in den Jahren 2015 und 2016 eigens abgeschlossenen Verträge über die Lieferung der Produkte. Bei diesen Verträgen handelt es sich ebenfalls um Verträge, die eine bestimmte Zeitspanne umfassen (idR mehrere Monate bis zu einem Jahr). In diesen Verträgen werden ebenfalls Spezifikation, Preis und Menge endgültig geregelt. Die EU-Kunden können die von ihnen gekauften Waren nach Belieben ebenfalls unter Einhaltung eines bestimmten Prozedere abrufen. Sofern der EU-Kunde einen Abruf macht, informiert auch Bf. den Lieferanten J. AG und macht ihrerseits einen Abruf der bereits im Jahr 2014 vertraglich gekauften Waren.
In Bezug auf den durchzuführenden Transport wurde zwischen Bf. und dem EU-Kunden sowohl die Abholung durch den EU-Kunden (Lieferkondition FCA) als auch der Transport der Ware durch Bf. (Lieferkondition DDP) vereinbart.
In beiden Fällen (dh sowohl bei Transport durch den EU-Kunden als auch durch Bf.) hat J. AG Rechnungen mit 10% österreichischer Umsatzsteuer gelegt. Gegenüber J. AG und den EU-Kunden ist Bf. stets mit ihrer österreichischen UID-Nummer aufgetreten, welche auch von J. AG in den Rechnungen angeführt wurde.
Bf. hat die Lieferungen an ihre EU-Kunden wiederum als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt und fakturierte an ihre EU-Kunden daher ohne österreichische Umsatzsteuer mit dem Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung. In den Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Umsatzsteuerjahreserklärungen wurden die Umsätze auch als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt und entsprechend in die Zusammenfassenden Meldungen aufgenommen.
Die Besteuerung des korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerbs durch die EU-Kunden in den Bestimmungsländern ist ebenfalls erfolgt und steht auch seitens der Betriebsprüfung außer Streit.
Die belangte Behörde ist, der Betriebsprüfung folgend, zu dem Ergebnis gekommen, dass in den hier strittigen Fällen jeweils ein Reihengeschäft J. AG - Bf. - EU-Kunde vorliegt.
Geschäftsfälle mit der Lieferkondition DDP (dh bei denen der Transport von Bf. organisiert wurde) wurden von der belangten Behörde dergestalt beurteilt, dass es sich bei der Lieferung J. AG - Bf. um die bewegte Lieferung im Reihengeschäft gemäß § 3 Abs. 8 UStG handelt. Da Bf. gegenüber J. AG jedoch nicht mit einer UID-Nummer des Bestimmungslandes, sondern mit der österreichischen UID-Nummer aufgetreten ist, wurde von der belangten Behörde ein sog. fiktiver innergemeinschaftlicher Erwerb gem. Art 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG ohne Vorsteuerabzugsrecht festgesetzt, wogegen sich diese Beschwerde richtet.
2. Rechtliche Würdigung

2.1 Zuordnung der Warenbewegung:
Eingangs möchten wir darauf hinweisen, dass aufgrund des oben angeführten Sachverhalts bereits dem Grunde nach bezweifelt werden kann, dass ein Reihengeschäft vorliegt. Dies vor allem deshalb, weil - anders als bei einem klassischen Reihengeschäft - Bf. an ihren EU-Kunden Ware verkauft, die sie selber zeitlich aber weit vorgelagert und unabhängig von den weiteren Veräußerungen bei J. AG gekauft hat. Die beiden Lieferungen werden somit nicht dadurch ausgeführt, dass der erste Unternehmer dem letzten Abnehmer in der Reihe unmittelbar die Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschafft (vgl. Ruppe/Achatz, UStG, 5. Auflage, § 3 Rz. 53 mwN), sondern es wird die Verfügungsmacht zuerst von J. AG auf Bf. übertragen und erst nachgelagert in einem zweiten Schritt von Bf. auf den EU-Kunden.
So hat Bf. einen Vertrag über den Kauf von Produkten in bestimmten Mengen für die streitgegenständlichen Jahre mit J. AG abgeschlossen. Spezifikation, Preis, Menge - abgesehen von geringfügigen Toleranzen - etc. sind zu diesem Zeitpunkt bereits festgelegt. Im Vertrag mit J. AG wurde auch geregelt, dass die Lieferung mit Abgabe der Ware aus dem Füllstutzen als ausgeführt gilt und in diesem Zeitpunkt der Eigentumsübergang erfolgt, aber auch Risiken des Verlustes oder des zufälligen Untergangs übergehen. Mit Abholung der Produkte bzw. bei Beladung der LKWs geht somit vertraglich die Verfügungsmacht von J. AG auf Bf. über. Da im Zuge dieser Lieferung kein Transport stattfindet, befindet sich der Leistungsort in Österreich (§ 3 Abs. 7 UStG). Die Lieferungen von J. AG sind folglich in Österreich steuerbar und steuerpflichtig.
Selbst wenn man der Ansicht der belangten Behörde folgt, dass ein Reihengeschäft J. AG - Bf. - EU-Kunde vorliegt, ist u.E. die Lieferung J. AG - Bf. aus nachstehenden Gründen als ruhende Lieferung gemäß § 3 Abs. 7 UStG, bei der der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet wird, zu betrachten.
Nach Maßgabe der Rechtsprechung des EuGH (, C-245/04, EMAG Handel Eder) sind die Lieferungen beim Reihengeschäft hinsichtlich Ort und Zeitpunkt getrennt zu beurteilen und finden gedanklich hintereinander statt. Hierbei kann nur für einen Umsatz die Leistungsortbestimrnung des § 3 Abs. 8 UStG (Beginn der Beförderung/ Versendung, sog. "bewegte Lieferung") herangezogen werden, für die übrigen Umsätze gilt § 3 Abs 7 UStG (Verschaffung der Verfügungsmacht, sog. "ruhende Lieferung").
Die Frage nach der Zuordnung der Warenbewegung zur ersten oder zur zweiten Lieferung im Reihengeschäft kann allerdings nicht einheitlich, sondern nur einzelfallbezogen beantwortet werden. Dabei sind die vom EuGH in den Rs C-245/04 EMAG, C-430/09 Euro Tyre Holding, C-587/10 VSTR, C-386/16 Toridas UAB, C-628/16 Kreuzmayr und C-580/16 Hans Bühler KG aufgestellten Grundsätze sowie die Rechtsprechung des VwGH (, 2006/14/0107) zu beachten. Wie vom EuGH zutreffend in diesen Rechtssachen ausgeführt, bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls.
Gerade bei dem gegenständlichen Sachverhalt führen die nachfolgend aufgezeigten besonderen Umstände des Einzelfalls zu einer Zuordnung der Warenbewegung zur zweiten Lieferung, nämlich der Lieferung Bf. - EU-Kunde.
- Verwendung der UID-Nummer
Bf. ist stets gegenüber J. AG und ihren EU-Kunden mit ihrer österreichischen UID-Nummer aufgetreten. Die verwendete UID- Nummer ist nach Ansicht des EuGH einer der Umstände, die bei der Zuordnung der Warenbewegung wesentlich sind (vgl. C-430/09 Euro Tyre Holding, Rz. 45).
- Mitteilung an Erstlieferant
J. AG war über den Verkauf an die EU-Kunden und den anschließenden Transport in einen anderen EU-Mitgliedstaat informiert. Dabei handelt es sich wiederum um einen Umstand, der laut EuGH zu berücksichtigen ist (vgl. C-386/16, Toridas, Rz. 44).

- Parteienwille, Bestätigung der EU-Kunden über Erhalt der Verfügungsmacht
Zwischen Bf. und ihren EU-Kunden bestand stets die Absicht, dass die EU-Kunden die Kontrolle über den Transportvorgang haben und insoweit den Zeitpunkt des Transportbeginns bestimmen, den Transport anhalten oder um routen, sowie den Bestimmungsort jederzeit ändern können. Diese Parteienabsicht, nämlich dass die EU Kunden vor Beginn des Transports bereits über die Waren derart verfügen können, haben die EU-Kunden im Rahmen der Betriebsprüfung auch noch einmal in den hierfür explizit an Bf. ausgestellten "Letter of confirmation for VAT purposes" bestätigt. Die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht von Bf. auf die EU-Kunden wurde daher vor Beginn des Transports übertragen und war dies auch der erklärte Parteiwille.
- Keine Steuerumgehung, Missbrauch oder Betrug
In den vorliegenden Fällen ist es weder in Österreich noch in den Bestimmungsländern zu einer Steuerverkürzung oder einem Steuerausfall gekommen.
Ganz im Gegenteil wurde von J. AG österreichische Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und ordnungsgemäß erklärt und abgeführt. Ebenso wurde von Bf. die Erklärung der innergemeinschaftlichen Lieferungen an ihre EU-Kunden in der Zusammenfassenden Meldung stets korrekt vorgenommen und ist dadurch die Besteuerung im EU- Bestimmungsmitgliedstaat durch die EU-Kunden sichergestellt worden. Wie oben im Sachverhalt ausgeführt, wurde die Besteuerung von den EU-Kunden im Bestimmungsland auch durchgeführt und steht außer Streit.
- Gefahr des zufälligen Untergangs während des Transportvorganges
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist beim Reihengeschäft zudem wesentlich zu bestimmen, wann die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Endempfänger übertragen worden ist (vgl. C-587/10 VSTR, Rz. 32, C-430/09 Euro Tyre Holding, Rz. 31 bis 35).
Die Betriebsprüfung schließt dabei aus der Lieferkondition "DDP", dass jedenfalls die zivilrechtliche Lieferung (zwischen Bf. und dem EU-Kunden) erst am Bestimmungsort laut Vereinbarung stattfindet. Der Kunde kann demnach wirtschaftlich erst dann über die Ware verfügen, wenn ihm diese vom Lieferanten übergeben wurde. Daraus wurde geschlossen, dass die Lieferung Bf. an den EU-Kunden und somit die Verschaffung der Verfügungsmacht erst im Bestimmungsland erfolgt ist und somit die bewegte Lieferung der Lieferung J. AG Bf. zuzurechnen ist.
Wie jedoch die Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rs. AREX (Schlussanträge GA Kokott , C-414/17 AREX) ausführt, spielt es keine Rolle, wer während des Transports der Eigentümer der Sache im Sinne des nationalen Rechts ist oder wer die tatsächliche Sachherrschaft über den Gegenstand ausübt. Entscheidend für die Bestimmung der bewegten Lieferung ist nicht die zivilrechtliche Lieferung. Entscheidend ist, wer während des Transports die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache trägt. Denn wer bereits "wie ein Eigentümer" über den Gegenstand verfügt, wird regelmäßig auch die Gefahr für dessen zufälligen Untergang tragen. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass derjenige, der das Risiko des zufälligen Untergangs tragen muss, auch die Befähigung innehat, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen.
Trägt somit der Erstverkäufer die Gefahr für den zufälligen Untergang während des innergemeinschaftlichen Transports, kann er mithin davon ausgehen, dass seine Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung steuerbefreit ist. Trägt hingegen der Vertragspartner des Erstverkäufers (d.h. gegenständlich Bf. als erster Zwischenhändler) die Gefahr für den zufälligen Untergang während des Transports, kommt es für das Vorliegen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung darauf an, ob ein Reihengeschäft vorliegt.
Liegt ein Reihengeschäft vor und ist der Erstverkäufer darüber informiert, dass ein Reihengeschäft vorliegt, was erfordert, dass sein Vertragspartner (Zwischenhändler) ihn darüber informiert, dass dieser den Gegenstand bereits weiterverkauft hat, dann ist die Lieferung des Vertragspartners (Zwischenhändler) die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung. Dh ist der Erstverkäufer informiert, dass es ich um ein Reihengeschäft handelt, kann er aus dem Umstand, dass ein anderer die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache trägt, darauf schließen, dass dieser als Leistender den Gegenstand grenzüberschreitend und somit steuerfrei liefert und die Lieferung des Erstverkäufers ist steuerpflichtig.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass bei sämtlichen Reihengeschäften (und zwar unabhängig von der Anzahl der involvierten Parteien) im Grundsatz immer jener Lieferung die innergemeinschaftliche Warenbeförderung zuzurechnen und diese damit als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung anzusehen ist, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
I. Der (Zwischen-) Lieferant trägt die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache und
II. informiert seinen Vorlieferanten über das Vorliegen eines Reihengeschäftes bzw. war dem Vorlieferanten das Reihengeschäft bekannt. Dies setzt idR voraus, dass der Zwischenlieferant seinen Vorlieferanten den Weiterverkauf der Ware mitgeteilt hat.
Wie oben bereits ausgeführt, war J. AG über den Verkauf der Ware stets informiert. Wie auch die Betriebsprüfung zutreffend festgestellt hat, trägt Bf. während des innergemeinschaftlichen Transports die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache.
Folglich ist die Verfügungsmacht über die Ware bei der Lieferung J. AG - Bf. bereits in Österreich auf Bf. übergegangen. Die Verfügungsmacht zwischen Bf. und dem EU-Kunden ist ebenfalls nach Maßgabe des Parteiwillens in Österreich übergegangen. Selbst wenn man den Parteiwillen außer Acht lässt oder sich die Parteien in Bezug auf den Übergang der umsatzsteuerlichen Verfügungsmacht geirrt haben, kommt man nach Maßgabe der Ausführungen der Generalanwältin zum Ergebnis, dass die bewegte Lieferung der Lieferung Bf. - EU-Kunde zuzurechnen ist, weil Bf. die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache während des innergemeinschaftlichen Transports trägt.
Nach Maßgabe der Ausführungen der Generalanwältin ist somit klargestellt, dass das Reihengeschäft J. AG - Bf. - EU-Kunde auch bei Incoterm DDP korrekt abgewickelt wurde, weil unter den konkreten Umständen der (innergemeinschaftliche) Transport der zweiten Lieferung von Bf. an den EU-Kunden zuzurechnen ist. D.h. die Inrechnungstellung von österreichischer Umsatzsteuer durch J. AG ist zu Recht erfolgt, weil es sich bei dieser Lieferung mangels Transportzuordnung nicht um die grenzüberschreitende innergemeinschaftliche Lieferung handelt.
Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Zuordnung des grenzüberschreitenden Transports zur zweiten Lieferung, nämlich der von Bf. an den EU-Kunden, zu erfolgen hat. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des EuGH nicht wer den Transport äußerlich (wie ein Spediteur) durchführt, sondern wer während des Transports die Verfügungsmacht hat, d.h. wer während des Transports die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache trägt (vgl. Schlussanträge GA Kokott , C-414/17 AREX, Rz. 60 und 62).
Die Lieferung von J. AG an Bf. ist folglich als ruhende Lieferung zu beurteilen, die gem. § 3 Abs. 7 UStG in Österreich steuerbar und steuerpflichtig ist.


2.2 Kein Vorliegen eines (fiktiven) innergemeinschaftlichen Erwerbes

Wie unter Punkt 2.1. bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Lieferung J. AG - Bf. um eine ruhende Lieferung in Österreich. Da im Zuge dieser Lieferung keine inngemeinschaftliche Beförderung oder Versendung in einen anderen EU Mitgliedstaat erfolgte, bewirkt Bf. auch keinen tatsächlichen innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsland gem. Art. 3 Abs. 8 UStG erster Satz. Art 3 Abs. 8 UStG sieht nämlich vor, dass der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt wird, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer- Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist (sog. "fiktiver innergemeinschaftlicher Erwerb").
Die Verwirklichung eines fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbes setzt somit einen tatsächlich stattgefundenen innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne von Art. 3 Abs. 8 erster Satz UStG im Bestimmungsmitgliedstaat voraus.
Die ruhende Lieferung im Reihengeschäft kann allerdings (vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG, 5. Auflage, § 3 Tz 56) nie als innergemeinschaftliche Lieferung bzw. innergemeinschaftlicher Erwerb qualifiziert werden, sodass die Annahme eines fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbs durch Bf. im Zuge des gegenständlichen Ankaufs der Waren von J. AG durch Verwendung der österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von vornherein nicht denkbar ist. So wurde auch vom UFS/BFG mehrfach festgehalten, dass bei Vorliegen einer (ruhenden) Inlandslieferung die Besteuerung eines fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbs ausscheidet (-G/13; SO auch ; ; vgl. siehe auch Melhardt/Tumpel, UStG, Art. 3 Tz. 76; Ruppe/Achatz, UStG, 5. Auflage, Art. 3 Tz. 35/1, BFH , XI R 40/08).
Angesichts des Zwecks die Besteuerung des tatsächlichen innergemeinschaftlichen Erwerbes wenigstens in einem Mitgliedstaat sicherzustellen, ist daher eine Anwendung der genannten Vorschrift ausgeschlossen, wenn es an einem innergemeinschaftlichen Erwerb dem Grunde nach fehlt, weil die Ware im Zuge der Lieferung an den (Erst-) Erwerber nicht in einen anderen Mitgliedstaat gelangt ist. Eine Doppelqualifikation einerseits als Steuerpflichtigen Umsatz des (Erst-) Lieferanten an den (Erst-)Erwerber und andererseits als innergemeinschaftlicher Erwerb des (Erst-)Erwerbers im gleichen Staat ist unzulässig. Die zusätzliche Erwerbsbesteuerung nach Art 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG im Abgangsland Österreich ist daher rechtswidrig, widerspricht dem Regelungszweck und führt zu einer irreparablen Doppelbesteuerung (siehe jüngst sowie die oben bereits erwähnte Judikatur).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es Sinn und Zweck des fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbs gem. Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG ist sicherzustellen, dass der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland beim Enderwerber der Mehrwertsteuer unterliegt und gleichzeitig verhindert wird, dass dieser Umsatz doppelt besteuert wird (vgl. EuGH Rs C-580/16 Hans Bühler, Rz. 50 mit Verweis auf EuGH Rs C-536/08 und C-539/08 X und Facet). D.h.nur dann, wenn kein Erwerb im Bestimmungsland, in das die Ware physisch transportiert wurde, besteuert wird, soll der fiktive innergemeinschaftliche Erwerb im Land dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet wurde, besteuert werden. Wenn aber, wie gegenständlich der Fall, unstrittig der Erwerb im Bestimmungsland von den EU-Kunden korrekt besteuert wurde, besteht schon alleine aus diesem Grund kein Anwendungsbereich mehr für einen fiktiven Erwerb. Die Vorschreibung eines zusätzlichen fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbs (zusätzlich zu dem bereits tatsächlich erklärten innergemeinschaftlichen Erwerb durch die EU-Kunden im Bestimmungsland) wäre somit bereits aus diesem Grund überschießend und nicht mit dem Sinn und Zweck der Regelung vereinbar und würde zu Doppelbesteuerung und zur Verletzung des Neutralitätsprinzips führen (vgl in diesem Sinn ).

Im ersten Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht vom schrieb die belangte Behörde Folgendes:
"Die Beschwerdeführerin handelt mit Glukose. Diese Glukose bezieht sie vom österreichischen Lieferanten und veräußert sie weiter an verschiedene Kunden (Unternehmer) in der EU. Für die Jahre 2015 und 2016 fand eine Umsatzsteueraußenprüfung statt.
Die Außenprüfung stellte fest, dass die Beschwerdeführerin unabhängig von der Transportbeauftragung die Liefervorgänge als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt und Zusammenfassende Meldungen eingereicht hat.
Dies wurde jedoch in den Geschäftsfällen, wo die Beschwerdeführerin die Transportaufträge erteilt hat (Lieferkondition DDP), von der Außenprüfung anders beurteilt und eine bewegte Lieferung zw. dem österreichischen Lieferanten und der Beschwerdeführerin angenommen. Die Beschwerdeführerin bewirkt daher einen innergemeinschaftlichen Erwerb in den einzelnen MS der letzten Abnehmer.
Da die Beschwerdeführerin die österreichische UID-Nummer verwendet hat, gilt der Erwerb auch in Österreich als bewirkt. Aufgrund dieser Feststellungen erfolgte für die Umsatzsteuer der Jahre 2015 und 2016 eine Erstveranlagung.
Mit Beschwerde vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Unterbleiben der Beschwerdevorentscheidung.
Stellungnahme:
Die ausführlichen Ausführungen im Prüfbericht werden weiterhin vollinhaltlich aufrechterhalten und darauf verwiesen. Es wird beantragt die Beschwerde abzuweisen."

Aus nicht näher erklärbaren Gründen hat die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am ein zweites Mal vorgelegt und Folgendes ausgeführt:

"Sachverhalt:
Die Bf. mit Sitz in A., Belgien, ohne Betriebsstätte in Österreich, handelt mit Glukose (S.). Sie verfügt über eine belgische (BE0405xxxxxx) und eine österreichische (ATU619xxxxx) UID-Nummer. Ansonsten ist sie in keinem weiteren EU-Land steuerlich registriert.
Im Prüfungszeitraum 2015 bis 2016 kauft das geprüfte Unternehmen die Glukose aufgrund eines mehrjährigen Rahmenvertrages bei der J. AG (J.) in W. ein und beliefert verschiedene EU-Abnehmer (J. Konzerngesellschaften, Lebensmittelhersteller und chemisch -pharmazeutische Unternehmen). Die Ware gelangt direkt vom Werk von J. in P. (Bundesland Niederösterreich) an die jeweiligen Endabnehmer. In den überwiegenden Fällen wird die Glukose über Transportbeauftragung der Bf. an die Endabnehmer versendet (Lieferkondition DDP). Daneben gibt es Geschäftsfälle, wo die Glukose von den jeweiligen Endabnehmern im Werk in P. abgeholt wird (Lieferkondition FCA).
Eine (betragliche) Differenzierung der Geschäftsfälle mit Lieferkondition DDP und FCA ist anlässlich der Außenprüfung (AP) erfolgt. Die zu den Geschäftsfällen mit Lieferkondition DDP angeforderten Belegstichproben dokumentieren stets die Warenübernahme (FCA) in P. und deren Weiterbeförderung (DDP) durch Bf. (siehe Case 4 der vom geprüften Unternehmen vorgelegten Tabelle). Die von der steuerlichen Vertretung ursprünglich angenommene Verschiedenartigkeit jeder einzelnen Lieferung ist somit widerlegt.
In beiden Fällen (Lieferkondition DDP bzw. FCA in den Rechnungen von Bf.) legt J. AG Rechnungen mit 10% österreichischer Umsatzsteuer, die von Bf. als Vorsteuer in Abzug gebracht wird. In den Rechnungen sind jeweils die österreichische UID-Nummer des geprüften Unternehmens und die Lieferkondition FCA angeführt. Bf. fakturiert an ihre Kunden stets ohne österreichische Umsatzsteuer. In den Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Umsatzsteuerjahreserklärungen werden vom geprüften Unternehmen alle Geschäftsfälle - unabhängig von der Transportbeauftragung - als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt und Zusammenfassende Meldungen eingereicht. Es kann daher auch davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Warenempfänger (Letzte in der Lieferkette) die jeweiligen Erwerbe in den Bestimmungsländern erklärt und versteuert haben.
Beweismittel:
Der Beschwerdeführer bezweifelt den dargestellten Sachverhalt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers liegt kein Reihengeschäft vor. Es ist laut Beschwerdeführer auch zu keiner Steuerumgehung, keinem Missbrauch oder Betrug gekommen.
Stellungnahme:
Nach Ansicht der AP handelt es sich bei den beschriebenen Geschäftsfällen um Reihengeschäfte. Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand ein Geschäft (Kaufvertrag) abschließen und diese dadurch erfüllt werden, dass der Erste dem Letzten unmittelbar die Verfügungsmacht verschafft. Dabei ist zu beachten, dass der Ort jedes einzelnen Umsatzes gesondert ermittelt werden muss, wobei nur für einen Umsatz in der Reihe die Lieferung gem. § 3 Abs. 8 UStG bestimmt wird (Beginn der Beförderung oder Versendung). Nur diese bewegte Lieferung gem. § 3 Abs. 8 UStG kann (gedanklich) über die Grenze gehen und ist somit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gem. Art. 7 UStG steuerfrei. Alle übrigen Lieferungen sind steuerbar und steuerpflichtig am Ort der vorangegangenen oder nachfolgenden Übergabe (ruhende Lieferung).
Hinsichtlich der von den Kunden der Bf. in P. abgeholten Glukose (Lieferkondition FCA) ist nach Ansicht der AP die bewegte Lieferung gem. § 3 Abs. 8 UStG zwischen Bf. und den abholenden Kunden anzunehmen (steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung der Bf.). Die ruhende Lieferung besteht zwischen J. AG und Bf. (steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz von J. AG).

Anders sind jedoch nach Ansicht der AP die Geschäftsfälle zu beurteilen, wo das geprüfte Unternehmen die Transportaufträge erteilt hat (Lieferkondition DDP). In diesen Fällen ist von einer bewegten Lieferung gem. § 3 Abs. 8 UStG zwischen J. AG und Bf. auszugehen. J. AG tätigt daher in Österreich steuerbare und bei Vorliegen der Voraussetzungen gem. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.
Nach der Bestimmung des Art. 3 Abs. 8 UStG wird ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Versendung befindet (Art. 28b Teil A Abs. 1 der Sechsten RL und Art. 40 der MwStSystRL). Das geprüfte Unternehmen hat daher in den einzelnen Mitgliedstaaten der letzten Abnehmer (Bestimmungsland) einen innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt.
Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferanten eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte UID-Nummer, so gilt gem. Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG der Erwerb solange in dem Gebiet des Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist (Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten RL und Art. 41 der MwStSystRL).
Da Bf. gegenüber dem Lieferer die österreichische UID-Nummer verwendet hat, gilt der Erwerb auch in Österreich als bewirkt.
Gem. Art. 12 Abs. 1 Z 1 UStG kann der Unternehmer die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen als Vorsteuer abziehen. Ein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht nur für den echten (originären) innergemeinschaftlichen Erwerb, d.h. den Erwerb, der im Bestimmungsland bewirkt wird.
Aufgrund des , ist der Vorsteuerabzug für die zusätzliche Erwerbsteuer (Verwendung der österreichischen UID-Nummer) nicht möglich. Daher ist dem geprüften Unternehmen die Erwerbsteuer in Österreich vorzuschreiben, ein entsprechender Vorsteuerabzug besteht nicht. Die Erwerbe fallen erst wieder weg (ex nunc), wenn die Erwerbsbesteuerung der gelieferten Waren in den jeweiligen Bestimmungsländern nachgewiesen wird.
Bei den Lieferungen von Bf. an die jeweiligen Endkunden im EU-Gebiet handelt es sich um die ruhenden Lieferungen (§ 3 Abs. 7 UStG). Die Lieferorte befinden sich gem. § 3 Abs. 7 UStG in den einzelnen Bestimmungsländern. Daher sind die vom geprüften Unternehmen in Österreich erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen entsprechend zu berichtigen."

Mit Vorhalt vom wurde die Bf. aufgefordert, unter Hinweis auf die Judikatur des Stellung zu nehmen. Zur Beantwortung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, sei insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (vgl. , Toridas, Rn. 36; , Arex, Rn. 70). Es komme insoweit also auf den Zeitpunkt an, zu dem die Voraussetzungen in Bezug auf die innergemeinschaftliche Beförderung einerseits und die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, jeweils erfüllt sind (vgl. EuGH Arex, Rn. 74). Die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, liege vor, wenn die Partei ermächtigt ist, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis verlange weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (vgl. neuerlich EuGH Arex, Rn. 75). In der weiteren Folge komme der VwGH zum Schluss, dass ausreichende Feststellungen getroffen werden müssten, die die rechtliche Beurteilung ermöglichen, welchen der beiden Lieferungen die Warenbewegung zuzuordnen sei (Tz. 28). Des Weiteren verweise er auf seine Vorjudikatur () aus der sinngemäß hervorgehe, dass im gegenständlichen Fall keine besonderen Umstände aufgezeigt worden seien, dass die bewegte Lieferung (abweichend vom Regelfall) dem zweiten Umsatz zuzuordnen sei.
Aus all dem schließe das Bundesfinanzgericht, dass es nunmehr an der Bf. liege, diese Umstände ausdrücklich und unmissverständlich nachzuweisen und nicht bloß nicht erweisbare Prozessbehauptungen aufzustellen. Insbesondere sei nachzuweisen, zu welchem Zeitpunkt die zweite Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden habe. Die im bisherigen Verfahren von der Bf. vorgelegten Unterlagen lassen dies nicht erkennen. Abgesehen davon habe der VwGH die reklamierten Gefahrtragungsregelungen und die von der bisherigen Verwaltungspraxis als maßgeblich erachteten Transportverantwortlichkeit einschließlich Handelsklauseln nicht weiter erörtert, sondern sich lediglich auf die Rz. 70, 74 und 75 der Rs. Arex, gestützt. Daher geht das Bundesfinanzgericht vorläufig (in typisierender Betrachtungsweise) von der Auffassung aus, dass die erste Lieferung die innergemeinschaftliche und damit die bewegte sei.
Für die in der Beschwerde aufgestellte nicht näher substantiierte Prozessbehauptung des Bezweifelns des Vorliegens von sogenannten Reihengeschäften werde nicht geteilt. Was unter dem Begriff des zeitlich weit vorgelagerten Kaufes bei der J.-AG zu verstehen sei, gehe aus dem Beschwerdevorbringen nicht klar hervor. Abgesehen davon wurde von der belangten Behörde eine Eingangsrechnung der J.-AG vom über 24.620 kg S. (G.) beigebracht. Als "delivery Adress" scheine die in der Ausgangsrechnung aufscheinende Wein- und Sektkellerei GmbH auf. Mit Ausgangsrechnung vom wurde die gleiche Menge an diese weiterverkauft. Damit liege die Annahme einer unmittelbaren Weiterlieferung ein- und derselbe Ware im Rahmen eines Reihengeschäftes nahe.
Abgesehen davon sei die im Beschwerdeverfahren gegenständlich strittige Frage, nämlich das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs kraft verwendeter UID-Nr. gemäß Art. 3 Abs. 8 UStG-BMR und der daraus folgenden Vorschreibung der nicht als Vorsteuer abzugsfähigen Erwerbsteuer, die bisher vom Bundesfinanzgericht verneint wurde, vom VwGH nicht weiter beantwortet worden.

In ihrer Vorhaltsbeantwortung vom führte die Bf. Folgendes aus:
"…
2. Vorbemerkung zur Verschaffung der Verfügungsmacht
Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist - wie oben bereits ausgeführt - wesentlich, wo und wann die Verfügungsmacht zwischen den Parteien übertragen wurde und damit eine Lieferung als ausgeführt gilt.
Unter einer Lieferung iS. des Umsatzsteuerrechts versteht man die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen (Art. 14 Abs 1 der RL 2006/112). In zahlreichen Urteilen des EuGH wurde bereits klargestellt, dass der Begriff der "Lieferung" sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen bezieht, sondern dass sie jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei umfasst, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. ua , Shipping and Forward Enterprise Safe). Die Übertragung des rechtlichen Eigentums wird somit nicht gefordert.
Vielmehr ist erforderlich, dass dem Leistungsempfänger tatsächlich Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstandes zugewendet werden. Dies verlangt, dass die wirtschaftliche Substanz des Gegenstandes vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht und dies von den Beteiligten endgültig gewollt ist (). So hat der VwGH auch iZm. der Frage des wirtschaftlichen Eigentums festgehalten, dass insbesondere von Bedeutung ist, wer die Chance von Wertsteigerungen oder das Risiko von Wertminderungen trägt (vgl. ).
Die umsatzsteuerliche Lieferung ist somit nicht mit einer Eigentumsübertragung gleichzusetzen. Die Gefahr des zufälligen Untergangs bzw. die Incoterms sind offenbar für die Übertragung der Verfügungsmacht ebenfalls nicht alleine entscheidend. So hat der EuGH in der Rs. Herst, wie schon in der Rs. AREX mit keinem Wort diesen Aspekt aufgegriffen. Offenbar wurde dieser Ansatz vom EuGH nicht gewählt, da das Abstellen auf die Gefahr des zufälligen Untergangs notwendigerweise einen Rückgriff auf zivilrechtliche Vereinbarungen bedarf, die sich wiederum nach dem Zivilrecht der jeweiligen Mitgliedstaaten richten. Ein Ansatz, den aber der EuGH stets ablehnt.
Allerdings scheint allein für das Vorliegen einer Lieferung iSd. Art. 14 Abs. 1 der RL 2006/112 der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht auszureichen, solange nicht auch mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass das formale Eigentum früher oder später ebenfalls auf den Leistungsempfänger übertragen wird. Sofern dies jedoch klargestellt ist, ist von einer Lieferung auszugehen. So hat auch der VwGH diesbezüglich ausgeführt, dass es ausreichend ist, dass der Unternehmer den Gegenstand zur Disposition des Abnehmers bereithält. Entscheidend ist, dass der leistende Unternehmer alles getan hat, was von seiner Seite zur Ausführung der Leistung nötig Ist. Eine Ausübung der Verfügungsmacht des Abnehmers ist nicht erforderlich. Das Vorliegen einer Lieferung setzt somit nicht voraus, dass der Abnehmer von der ihm übertragenen Verfügungsbefähigung in einer bestimmten Weise, z.B. durch tatsächliche Verwendung des Gegenstandes, Gebrauch macht.
So hat der EuGH klargestellt, dass die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, weder verlangt, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird. Andererseits hat er dann - auf den ersten Blick widersprüchlich anmutend - in der gleichen Rechtssache AREX ausgesprochen, dass aufgrund der Inbesitznahme und des Übergangs des zivilrechtlichen Eigentums die Verfügungsmacht übergegangen Ist. Gemeint ist dies wohl so, dass der zivilrechtliche Eigentumserwerb und die physische Übergabe nicht als zwingende Mindestanforderung für den Übergang der Verfügungsmacht erfüllt werden müssen, sondern dies auch schon vorher erfolgen kann.
Wenn aber umgekehrt Inbesitznahme erfolgt ist und gleichzeitig Disposition über die rechtliche Situation möglich ist (z.B. weil auch das zivilrechtliche Eigentum übertragen wurde), liegt bereits ein Übergang der Verfügungsmacht vor.
In Hinblick auf die Übertragung der Verfügungsmacht auf den Zweiterwerber im Rahmen eines Reihengeschäfts hat der EuGH folglich präzisiert (zuletzt in der Rs. Herst), dass die Verfügungsmacht bereits dann übertragen wird, wenn die Partei die Möglichkeit hat, Entscheidungen zu treffen, die sich auf die rechtliche Situation des betreffenden Gegenstands auswirken, etwa die Entscheidung, den Gegenstand zu verkaufen.
Wie oben bereits ausgeführt, ist dabei nicht die (zwingende) Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums gemeint, sondern allein entscheidend ist die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, die sich auf die rechtliche Situation des betreffenden Gegenstands auswirken. Dies ist der Fall, wenn dieser betreffende Gegenstand sowohl vor als auch während der Beförderung von verschiedenen wie Eigentümer handelnden Wirtschaftsteilnehmer gekauft und dann weiterverkauft wird. Entscheidend ist dabei, dass der Zwischenerwerber die Möglichkeit hat, den transportierten Gegenstand zu verkaufen oder Entscheidungen über dessen rechtliche Situation zu treffen.


3. Ort und Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht im gegenständlichen Fall

3.1 Lieferung von JBL an die Bf.

Wie bereits In unseren Ausführungen in der Beschwerde vom angemerkt, möchten wir darauf hinweisen, dass aufgrund des gegenständlichen Sachverhalts bereits dem Grunde nach bezweifelt werden kann, dass ein Reihengeschäft vorliegt. Dies vor allem deshalb, weil die Verfügungsmacht nicht unmittelbar von JBL den EU-Kunden aufgrund des Warentransports übertragen wird, sondern die Verfügungsmacht ist mit erheblichen Zeitdifferenzen von JBL zuerst an die Bf. und erst zeitlich nachgelagert, aufgrund des Transports von der Bf. den EU-Kunden verschafft worden.
Dies vor dem Hintergrund, dass die Bf. insbesondere mit dem Lieferanten JBL Lieferverträge über längere Zeiträume abgeschlossen hat.
So wurde im Vertrag zwischen JBL und der Bf. die jährliche Abnahmemenge des vereinbarten Produktes vereinbart, wobei das Produkt exklusiv für die Bf. produziert wurde. Im streitgegenständlichen Zeitraum wurde daher vertraglich sichergestellt, dass das von JBL produzierte Produkt an keinen anderen Unternehmer außer der Bf. veräußert werden durfte (Punkt 4.2.2. des Liefervertrages zwischen JBL und der Bf.). Ein Verkauf wäre nur nach vorheriger Zustimmung von der Bf. möglich gewesen bzw. lediglich bei einem möglichen Überschuss nach Abruf der vereinbarten Liefermenge.
Die vertraglich festgelegten Mindestliefermengen mussten dabei in den Jahren 2015 und 2016 verpflichtend abgenommen werden. JBL war demgegenüber durch den Vertrag verpflichtet, die vereinbarte Menge der Bf. unverzüglich zur Verfügung zu stellen (und hätte theoretisch die Bf. die gesamte Ware sofort in voller Höhe abrufen können). Die Möglichkeit die Auslieferung zu verweigern, wurde vertraglich von vornherein ausgeschlossen (Art. 5 des Liefervertrages zwischen JBL und der Bf.). Wären die vereinbarten Liefermengen nicht abgenommen worden, wären vertraglich Zahlungen für die Fehlmengen zu leisten gewesen (Punkt 15.3.1 des Liefervertrages zwischen JBL und der Bf.). Ein Verkauf der produzierten, aber nicht abgenommenen Produkte an einen anderen Unternehmer wäre in diesem Fall nur nach ausdrücklicher Zustimmung seitens der Bf. zulässig gewesen, wobei nur in diesem Fall bei erfolgtem Verkauf an Dritte keine Zahlung für die "Fehlmengen" zu leisten gewesen wäre (Punkt 15.3.2 des Liefervertrages zwischen JBL und der Bf.).
Sofern JBL im Übrigen nicht die georderten Mengen produziert hatte, wäre JBL verpflichtet gewesen, bei höheren Preisen der zu beschaffenden Ersatzprodukte am Weltmarkt diesen Preis aufzufüllen. D.h. die Bf. hätte in diesem Fall stets nur den vereinbarten Preis zu zahlen gehabt und JBL hätte den Fehlbetrag zuschießen müssen (Punkt 15.4.2 des Vertrages).
Auf Basis von Forecasts musste die Bf. JBL die monatlich erforderlichen Mengen und zudem wöchentliche Updates hinsichtlich jener Mengen, welche in der nächsten Woche tatsächlich benötigt werden, bekannt geben (siehe Appendix C, Part A, Punkt 1). JBL war verpflichtet, diese Mengen auch entsprechend zur Verfügung zu stellen und konnte die Bf. über diese vereinbarten Mengen frei verfügen. D.h. mit Abschluss der Produktion, spätestens mit Abruf der Ware war die Bf. über die Ware verfügungsberechtigt.
Anders als bei einem klassischen Reihengeschäft hat somit die Bf. an Ihre EU-Kunden Ware verkauft, die sie selber zeitlich aber weit vorgelagert zuvor bei JBL gekauft bzw. produzieren lassen hatte. So hat die Bf., wie oben bereits ausgeführt, einen Liefervertrag über den Kauf von Produkten in bestimmten Mengen für die streitgegenständlichen Jahre mit JBL abgeschlossen. Spezifikation, Preis, Menge - abgesehen von geringfügigen Toleranzen - etc. waren zu diesem Zeitpunkt bereits festgelegt. JBL hat sich dabei der Bf. gegenüber zur Lieferung verpflichtet. Ein Weiterverkauf der Ware durch die Bf. war Jederzeit möglich und wurde diese Möglichkeit von der Bf. auch entsprechend genutzt. Zudem ist diesbezüglich anzumerken, dass die Chancen und Risiken von Wertänderungen stets bei der Bf. lagen, da der Preis der Ware zwischen JBL und der Bf. für einen bestimmten Zeitraum fixiert wurde.
Hätte bspw. JBL die Ware nicht zeitgerecht produzieren können, wäre JBL zur Zuzahlung bei höheren Preisen der zu beschaffenden Ersatzprodukte am Weltmarkt verpflichtet gewesen.
Der Ort der Verschaffung der Verfügungsmacht zwischen JBL und der Bf. ist somit in Österreich gelegen und erfolgte die Verschaffung der Verfügungsmacht mit Abschluss der Produktion, spätestens mit Abruf der Ware. Nicht wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass vereinbart war, dass die Rechnung erst nach der physischen Abnahme ausgestellt wurde. Wesentlich ist, dass die Verschaffung der (wirtschaftlichen) Verfügungsmacht vor Beginn des physischen Transports erfolgt ist. Da im Zuge der Lieferung/ Verschaffung der Verfügungsmacht zwischen JBL und der Bf. die Ware nicht befördert/versendet wird, befindet sich der Leistungsort in Österreich und wurde daher die Rechnung von JBL zu Recht mit österreichischer Umsatzsteuer ausgestellt.
3.2 Lieferung von der Bf. an EU- Kunden
Wie oben bereits ausgeführt, wurden zwischen der Bf. und Ihren EU-Kunden ebenfalls Verträge, die eine bestimmte Zeitspanne umfassen (idR mehrere Monate bis zu einem Jahr), abgeschlossen. Diese Verträge wurden aber völlig unabhängig und auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten und für unterschiedliche Zeiträume wie jene Verträge zwischen Bf. und JBL als Produzent abgeschlossen.
In diesen Verträgen werden ebenfalls Spezifikation, Preis und Menge endgültig geregelt. Die EU-Kunden können die von Ihnen gekauften Waren nach Belieben ebenfalls unter Einhaltung eines bestimmten Prozedere abrufen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kunden von Bf. ihrerseits die Waren z.T. wieder weiterveräußert haben, bevor der Transport erfolgte. Den Nachweis für die Weiterveräußerung finden Sie in Anlage 1, 2 und 3 (samt exemplarischer CMR, die bestätigen, dass die Ware zu den Kunden der jeweiligen EU-Kunden gelangt sind).
Hinsichtlich der verwendeten Incoterms sowie Fakturierung zwischen den beteiligten Parteien möchten wir auf unsere Ausführungen in der Beschwerde vom verweisen.
Wir möchten in diesem Zusammenhang nochmals betonen, dass die Bf. gegenüber JBL stets mit ihrer österreichischen UID-nummer aufgetreten ist und den beteiligten Parteien der Weiterverkauf bekannt war.
Die Kunden von der Bf. haben zudem iHa. die innergemeinschaftliche Lieferung von der Bf. die Besteuerung des korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerbs in den Bestimmungsländern vorgenommen und dies steht auch seitens der Betriebsprüfung außer Streit.
Der Kunde von der Bf. hat im Übrigen stets, vgl. bereits Ausführungen in der Beschwerde vom , die Möglichkeit auf den Transport des Gegenstandes Einfluss zu nehmen und den Bestimmungsort zu ändern. Wie oben ausgeführt, ist gerade dies ein Zeichen der Verfügungsmacht über die Ware. Insofern hat der EU-Kunde während des Transportes die Möglichkeit Entscheidungen über die rechtliche Situation der Waren zu treffen. Um dies zu beweisen, hat die Bf. im Zuge des Verfahrens ihre EU-Kunden explizit angefragt zu bestätigen, dass diese während des Transportes die Verfügungsmacht hatten (siehe dazu die nunmehr zwei beglaubigten Übersetzungen der englischsprachigen Bestätigungen in der Beilage; siehe Anlage 4).
Da die Verfügungsmacht von der Bf. an die EU-Kunden bereits vor Transportbeginn übertragen wurde und im Zuge dieser Lieferung die Ware von Österreich In einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangt, liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung vor und ist die innergemeinschaftliche Warenbeförderung der Lieferung von der Bf. an ihre Kunden zuzuordnen. Da als Ort der Lieferung der Ort gilt, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befindet (vgl. Art 32 der RL 2006/112), befindet sich der Lieferort in Österreich.
Im Ergebnis wird daher sowohl bei der Lieferung von JBL an die Bf. als auch bei der Lieferung von der Bf. an ihre EU- Kunden die Verfügungsmacht in Österreich übertragen. Aufgrund der zeitlichen Differenz zwischen der Übertragung der Verfügungsmacht von JBL an die Bf. und weiter von der Bf. an die EU-Kunden kann dem Grunde nach bezweifelt werden, dass ein klassisches Reihengeschäft vorliegt.
Dies deshalb, weil Verträge völlig unabhängig und zu unterschiedlichen Zeiten abgeschlossen wurden und die Verfügungsmacht nicht unmittelbar durch die Warenbewegung, sondern bereits zuvor, übertragen wurde.
Selbst wenn man von einem Reihengeschäft ausgehen würde, ist zu beachten, dass die Verfügungsmacht von der Bf. an die EU-Kunden übertragen wurde, bevor der innergemeinschaftliche Transport stattgefunden hat bzw. der EU-Kunde bereits während des Transportes die Verfügungsmacht innehatte, indem er Entscheidungen über die rechtliche Situation der Waren treffen konnte, auch wenn ihm physisch die Waren noch nicht übergeben wurden.
So wurde bspw. von den EU-Kunden (wie B., N.) explizit nochmals bestätigt, dass die Ware bereits an Kunden weiterverkauft wurde, bevor der Transport erfolgt ist und die Ware ım Zuge des von der Bf. beauftragten innergemeinschaftlichen Transports unmittelbar zu den Abnehmern der EU-Kunden transportiert wurde (Anlage 1, 2 und 3 samt CMR). D.h. selbst wenn man von einem Reihengeschäft ausgehen würde, ergeben sich auf Basis der Rechtsprechung des EuGH (vgl. zuletzt Rs. Herst, Rn. 41) dieselben umsatzsteuerlichen Konsequenzen für die Bf. (dh Bezug einer ruhenden Lieferung von JBL und Bewirken einer innergemeinschaftlichen Lieferung an die EU-Kunden), weil die EU-Kunden die Waren vor Transportbeginn ihrerseits weiterverkauft haben oder zur Lohnfertigung unmittelbar an ihre Auftragnehmer versenden ließen (vgl. Anlage 5).
Der Vollständigkeit halber möchten wir iZm. der umsatzsteuerlichen Behandlung von Reihengeschäften noch auf Folgendes hinweisen: In ständiger Rechtsprechung hat der EuGH (vgl. ua C-430/09 Euro Tyre, C-386/16 Toridas, C-414/17 Arex) darauf hingewiesen, dass bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von Reihengeschäften eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hat. D.h. für eine typisierende Betrachtungsweise bei der Beurteilung von Reihengeschäften ist kein Raum.
So führen insbesondere, wie in unserer Beschwerde vom bereits ausgeführt, bei dem gegenständlichen Sachverhalt folgende Umstände in einer Gesamtbetrachtung zu einer Zuordnung der Warenbewegung zur zweiten Lieferung, nämlich der Lieferung der Bf. an EU-Kunde.
- Verwendung der UID-Nummer
Die Bf. ist stets gegenüber JBL und Ihren EU-Kunden mit ihrer österreichischen UID-Nummer aufgetreten.
- Mitteilung an Erstlieferant
JBL war über den Verkauf an die EU-Kunden und den anschließenden Transport in einen anderen EU-Mitgliedstaat informiert.
- Parteienwille, Bestätigung der EU-Kunden über Erhalt der Verfügungsmacht
Die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht von der Bf. auf die EU-Kunden wurde vor Beginn des Transports übertragen und war dies auch der erklärte Parteiwille.
Dass die EU-Kunden die Verfügungsmacht noch vor dem Transportbeginn erhalten haben, haben Sie explizit für dieses Verfahren schriftlich bestätigt bzw. haben die EU-Kunden explizit bestätigt, dass sie Entscheidungen auf die rechtliche Situation getroffen haben, in denen sie die Ware weiterverkauft oder vor Transportbeginn bereits zur Weiterbearbeitung disponiert haben.
- Keine Steuerumgehung, Missbrauch oder Betrug
In den vorliegenden Fällen ist es weder in Österreich noch in den Bestimmungsländern zu einer Steuerverkürzung oder einem Steuerausfall gekommen.


3.3 Kein Vorliegen eines (fiktiven) innergemeinschaftlichen Erwerbes

Im hier vorliegenden Fall wurde seitens des Finanzamts ein fiktiver innergemeinschaftlicher Erwerb ohne Vorsteuerabzugsrecht vorgeschrieben, dem hiermit im Rechtsmittelverfahren entgegengetreten wird. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass bei dem vorliegenden Sachverhalt bereits dem Grunde nach gar kein fiktiver innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegen kann.
Wenn der VwGH in dem vom BFG zitierten Fall keine weiteren Ausführungen mehr zur Frage des Vorliegens eines fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbs macht, sondern über die Frage des Vorsteuerabzugs abspricht, könnte dies dadurch begründet sein, dass
(I) auch nach Ansicht des VwGH schon dem Grund nach gar kein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegt (zu den Argumenten siehe auch unserer Beschwerde sowie zitierte Judikatur) bzw.
(II) die Finanzverwaltung Im Laufe des Verfahrens vordergründig den Vorsteuerabzug anzweifelt.
Die Festsetzung eines fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbes bei gleichzeitiger Versagung eines Vorsteuerabzugs würde unzweifelhaft eine nicht zulässige Doppelbesteuerung und fundamentale Verletzung des Neutralitätsprinzips darstellen, für die keinerlei Rechtsgrundlage bestünde.
Da im konkreten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Lieferung von JBL an die Bf. eine ruhende Lieferung darstellt, der keine innergemeinschaftliche Warenbeförderung zugeordnet werden kann, liegen auch dem Grund nach die Voraussetzungen für die Festsetzung eines fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbes gem. Art 3 Abs. 8 UStG nicht vor und ist auch der Vorsteuerabzug u.E. zulässig (und auch nicht bestritten).

Der Vorhaltsbeantwortung waren fünf Anlagen angeschlossen:
Anlage 1:
1/1: Letter of confirmation vom
1/2: Bestätigungsschreiben (beglaubigte Übersetzung aus dem Englischen vom ) vom
1/3: Letter of confirmation vom
1/4: CMR 80722597 an ZL vom
Anlage 2:
2/1: Letter of confirmation vom
2/2: CMR 80265439 an F.B. vom
2/3: CMR 80828354 an F.B. vom
2/4: CMR 80914347 an R.U. vom
2/5: CMR 80914350 an R.U. vom
Anlage 3:
3/1: This Document has been issud on the request of vom
3/2: Dieses Dokument wird ausgestellt auf Ansuchen vom (Übersetzung vom )
3/3: This Document has been issud on the request of vom
3/4: Invoice der Bf. an N. vom
3/5: Invoice der Bf. an N. vom
3/6: CMR an CL vom
3/7: Purchase Order vom (N. an CL)
3/8: Purchase Order vom (N. an CL)
3/9: CMR JBL an CL vom
3/10: CMR 80409868 an K. (Polska) vom
3/11: CMR 80423569 an K. (Polska) vom
3/12: CMR 80236735 an Ko. (N.L.) vom
3/13: CMR 80392557 an Ko. (Polska) vom
3/14: CMR 80388656 an M. (Polska) vom
3/15: CMR 80320800 an M. (Polska) vom
3/16: CMR 80257940 an S. (Polska) vom
3/17: CMR 80323928 an S. (Polska) vom
3/18: CMR 80265443 an S. (Polska) vom
3/19: CMR 80423566 an S. (Polska) vom
3/20: CMR 80673863 an Ko. (Polska) vom
3/21: CMR 80723344 an Ko. (Polska) vom
Anlage 4:
4/1: Letter of confirmation for VAT purposes Sektkellerei vom (in englischer Sprache)
4/2: Letter of confirmation for VAT purposes Fro. vom (in englischer Sprache)
4/3: Übersetzung des Schreibens Sektkellerei vom (v. )
4/4: Letter of confirmation for VAT purposes Sektkellerei vom (in englischer Sprache)
4/5: Übersetzung des Schreiben Fro. vom (v. )
4/6: Letter of confirmation for VAT purposes Fro. vom
Anlage 5:
5/1: Letter of confirmation for VAT purposes C. Supply Company AG vom
5/2: Übersetzung des Bestätigungsschreibens für Mehrwertsteuerzwecke vom (v. )
5/3: Letter of confirmation for VAT purposes C. Supply Company AG vom
5/4: CMR 80477538 an S. (Estland) vom

Mit hg. Mail vom wurden die übersandten Anlagen mit der Maßgabe beanstandet, dass das von der Bf. gewünschte Beweisergebnis nicht hergestellt werden könne. Die griffweise Übersendung unkommentierter Belege reiche dazu nicht aus. Es müsste ein Geschäftsfall vollständig mit Rechnung, Lieferschein, CMR etc. dokumentiert werden und nicht irgendwelche Unterlagen aus irgendwelchen Geschäftsfällen.

In der weiteren Folge wurden mit E-Mails vom folgende Unterlagen dem Bundesfinanzgericht übermittelt:

1. Übersetzung der in der Vorhaltsbeantwortung vom angeführten Textpassagen des Rahmenliefervertrages mit JBL
2. Englischer Originaltext des Final 10/12/2014
3. Aufstellung der Fallgruppe 4 für 2015 mit drei ausgewählten Beispielen
3/1: GF 59/2015:
- ER JBL vom
- Order change C. (Denmark) vom
- Invoice R. AS (Denmark) vom
- CMR 80265439 an F. (Denmark) vom
3/2: GF 63/2015:
- ER JBL vom
- Order change S. (Poland) vom
- Invoice an N. (Poland) vom
- CMR 80265443 an S. (Polska) vom
3/3 GF 504/2015:
- ER JBL vom
- Order change an C. vom
- Invoice an C. vom
- CMR 80477538 an S. (Estland) vom
4. Aufstellung der Fallgruppe 4 für 2016 mit zwei ausgewählten Beispielen
4/1: GF 277/2016:
- ER JBL vom
- Order Change an N. (Poland) vom
- Invoice an N. (Poland) vom
- CMR 80673863 an Ko. (Polska) vom
4/2: GF 365/2016:
- ER JBL vom
- Order change an B. (Slovakia) vom
- Invoice an B. (Slovakia) vom
- CMR 80722597 vom
Mit E-Mail vom wurde der GF 59/2015 mit der Maßgabe ergänzt, dass eine zweite Eingangsrechnung der JBL und ein zweites CMR 80265440 vom nachgereicht wurde. Weiters wurde mitgeteilt, dass sich die Rx-Group den C-Konzern (s. Order change) übernommen habe. Da lediglich eine Namensänderung vorlag, sei die dänische UID-Nummer gleichgeblieben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Eine österreichische Gesellschaft J. AG (A) verkaufte an die Bf.(B), die als belgisches Unternehmen sowohl über eine belgische als auch über eine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügte, Waren, die diese als mittleres Unternehmen (B) an EU-Gesellschaften (C) weiterveräußerte. In den hier strittigen Fällen war sie für den Transport verantwortlich. Die Waren gelangten direkt vom ersten Lieferer (A) an den Endabnehmer der Waren (C). Da die Bf. (B) von ihrer Lieferantin (A) die Waren ab Werk bezog, gingen die zwei Beteiligten (A und B) davon aus, der erste Umsatz (A an B) sei in Österreich steuerbar und steuerpflichtig ("ruhender Umsatz") und der zweite Umsatz (B an C) der steuerbefreite innergemeinschaftliche Umsatz ("bewegter Umsatz") sei. Die Bf. (B) trat gegenüber ihrer Lieferantin (A) mit ihrer österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf. Die belangte Behörde sah dies genau umgekehrt und nahm einen innergemeinschaftlichen Erwerb im EU-Bestimmungsstaat und gleichzeitig kraft Verwendung der inländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer einen weiteren innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich an, dessen Erwerbsteuer eine nichtabzugsfähige Vorsteuer darstelle. Der geltend gemachte Vorsteuerabzug aus den nach Ansicht der Bf. "ruhenden" Inlandslieferungen wurde von der belangten Behörde nicht weiter releviert.

Entgegen der Darstellung der Bf. in ihrer Beschwerde werden ihre undeutlich geäußerten Bedenken, dass gegenständlich gar keine klassischen Reihengeschäfte vorliegen, weil angeblich in einem Vertrag über den Kauf von Produkten in bestimmten Mengen und Spezifikation für die streitgegenständlichen Jahre mit der J.-AG (Rahmenvereinbarung) abgeschlossen wurden, nicht geteilt. Mit diesem Vorbringen möchte die Bf. möglicherweise die Behauptung aufstellen, sie sei bereits im Inland über die Ware verfügungsberechtigt gewesen.

Demgegenüber weisen jedoch die von der belangten Behörde erhobenen Eingangsrechnungen beispielsweise exakt die Gegenstände auf, die die Bf. in der Folge an ihre Kunden (EU-Endabnehmer) weiterverkauft hat. Wäre dem nicht so gewesen, hätte die J.-AG (A.) wohl die gesamte in der Rahmenvereinbarung bestellte Warenmenge in einem fakturiert und die gesamte Leistungsumsatzsteuer abgeführt.
Demgegenüber liegt ein ausdrücklicher Bestell- und Verkaufsvorgang vor, aus dem unbedenklich sowohl in zeitlicher als mengenmäßiger Hinsicht auf eine Durchfakturierung ein- und derselben Ware geschlossen werden kann:

1. Bestellung vom an J.AG über 24.620 kg Sirodex 431 á 223,16 € = 5.494,20 €
2. Eingangsrechnung vom J. AG an Bf. über 24.620 kg á 223,16 € = 5.494,20 € (netto) zuzügl. 549,42 € Output Tax; Terms of delivery: FCA P. (Österreich)
3. CMR-Frachtbrief vom über 24,620 to Sirodex 431, erhalten vom Warenempfänger in Deutschland am
4. Ausgangsrechnung der Bf. vom an den Warenempfänger (DE) über 24,620 to á 252 = 6.204,24 €, Lieferbedingungen: DDP T. (Deutschland)

Was die Referenzierung der Bf. auf die "Letters of confirmation" anlangt, ist festzustellen, dass diese rd. drei Jahre nach Abschluss des Liefergeschäftes (z.B. für Lieferungen 2015 und 2016) mehr oder weniger in allgemeiner Form für Mehrwertsteuerzwecke ("for VAT purposes") bestätigen, dass sie bereits vor dem körperlichen Transport über die Waren verfügen konnten (Behauptung der steuerlichen Verfügungsmacht vor Beginn der Beförderung). Diese Bestätigungen stehen diametral den in den Rechnungen vereinbarten Handelsklauseln "DDP" gegenüber und ihnen kommt als nachträglich unter dem Eindruck des Außenprüfungsverfahrens (-) hergestellten Bescheinigungsurkunden wohl ein geminderter Beweiswert als den als früheren Urkunden (Rechnungen) zu. In analoger Anwendung der Judikatur des VwGH hat ein früheres Beweismittel nach Art einer Erstaussage die Vermutung für sich, dass sie der Wahrheit am nächsten kommt ().
Abgesehen davon, scheint es nicht den Gewohnheiten des handelsüblichen Verkehrs zu entsprechen, wenn eine deutsche Sektkellerei Zuckermelasse bei einem belgischen Großhändler ordert, um dann auch noch die Transportgefahr von Österreich nach Deutschland tragen zu müssen. Aus diesem Grund ist wohl unzweifelhaft vereinbart worden, dass die Bf. die Ware an den Empfängerort in Deutschland zu bringen und zu übergeben hat (DDP-Klausel), was sich dem CMR-Frachtbrief entnehmen lässt. Die von der Bf. behaupteten Vorgangsweise der Übernahme des Eigentümerrisikos der Warenempfängerin im Inland, in dem sie als Endkundin an einem Ort in Österreich über die Ware verfügungsberechtigt gewesen sei, der weit außerhalb von ihren unternehmerischen Interessen gelegen wäre, kommt wenig Glaubwürdigkeit zu. Ein derartiges Vorbringen muss wohl als eine im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Zweckbehauptung betrachtet werden. Abgesehen davon entkräften derartige Bestätigungen nicht die im erstinstanzlichen Außenprüfungsverfahren in freier Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen.
Ebenso konnte aus den Ausführungen, wonach in einigen Fällen die Waren der Abnehmer der Bf., die als "Zweiterwerber" anzusehen waren, an einen dritten Erwerber weiterveräußert wurden, bei dem die Waren letztlich ankamen nichts anderes abgeleitet werden. Die Waren gelangten von der Erstlieferantin direkt an den Letztkunden. Die Tatsache, dass in einigen Fällen ein zwei- oder mehrgliedriges Reihengeschäft vorlag, ändert daran nichts, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Bf. als Ersterwerberin bereits vor Beginn der Beförderung die faktische Verfügungsmacht über die Waren erlangte.
Zum Rahmenvertrag vom zwischen der J. AG und der Bf. ist auszuführen, während der Laufzeit des Vertrages sind im "Rahmen der festgelegten Mengen" diese durch den Auftraggeber (Bf.) dem Auftragnehmer (J. AG) Bestellungen über SAP, E-Mail oder Fax zwei Werktage vor dem geplanten Liefertermin zu übermitteln. Dieser prüft diese Bestellung und bestätigt die Annahme oder Ablehnung des Auftrags bis 12 Uhr des Geschäftstages vor dem Liefertermin. Damit kann keineswegs schon davon ausgegangen werden, die Bf. sei bereits durch den Abschluss des Rahmenvertrages oder durch den Abruf der Ware bereits über diese verfügungsberechtigt gewesen.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass die einzelnen Lieferungen erst nach Abruf bzw. Ausführung der Bestellung beim Hersteller erfolgt sind. Gerade diese Vorgangsweise spricht dafür, dass der Hersteller der Bf. die Verfügung über die Ware erst nach Abruf ermöglicht. Im Übrigen wird in Punkt 15.3. ausdrücklich von einer Jahresmenge gesprochen, woraus zu schließen ist, dass die Herstellerin (J. AG) nicht verpflichtet ist, jederzeit die gesamte Jahresmenge für die Bf. auf Lager zu halten, um die abgerufenen Bestellmengen liefern zu können. Eine pauschale Entschädigung ist erst zu leisten, wenn die Jahresmengen nicht geliefert werden können, da sich die Bf. dann die benötigten Produkte anderweitig am freien Markt beschaffen müsste. Abgesehen davon werden von der J. AG auch nicht die gesamte Jahresmenge in einem, sondern lediglich die bestellten Mengen an die Bf. fakturiert. Somit vermittelt die Bezugnahme der Bf. auf den Rahmenvertrag keine neuen Erkenntnisse über den Übergang der Verfügungsmacht der Ware.

Die Tatsache, dass auf Grund einer Bestellung ein Transportauftrag durch die Bf. erfolgt, lässt noch keine zuverlässigen Schlüsse auf eine Verfügungsmacht über die Ware zu, sondern stellt sich eher als übliche Folge eines Bestellvorgangs dar. Aus der Transportverantwortlichkeit der Bf. zu ihren Kunden kann nichts Entscheidendes abgeleitet werden.
Aus den weitwendigen Ausführungen der Bf. in ihrer Vorhaltsbeantwortung vom und den dargereichten Beweismitteln konnte sie nicht näher darlegen, wann tatsächlich die zweite Übertragung der Befähigung wie Eigentümer über die Ware zu verfügen stattgefunden hat. Nur falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der ersten stattgefunden hat, kann die innergemeinschaftliche Beförderung nicht der Erstlieferung zugeordnet werden.
Nach den von der belangten Behörde erhobenen Lieferkonditionen wurde ausdrücklich vereinbart, dass dem Endabnehmer im Bestimmungsland am angegebenen Erfüllungsort die Ware zu übergeben ist. Daraus ergibt sich eindeutig, dass dies erst nach Beginn der (innergemeinschaftlichen) Beförderung war. Eine andere Betrachtungsweise kann aus dem tatsächlichen Ablauf des Liefergeschäftes der Bf. und der redlichen Absicht der Parteien nicht abgeleitet werden. Im angeführten Beispiel (J.AG - Bf. - Sektkellerei, DE, DDP) bestellt die Sektkellerei Zuckermelasse nicht bei der Bf., um bloß beim Hersteller die Verfügungsmacht über die Ware zu erhalten und dann noch das Transportrisiko zu tragen, sondern besteht auf Ablieferung am Ort ihres Unternehmens, wo die Ware auch später verwendet wird. Etwas anderes scheint eher gegen jegliche wirtschaftliche Vernunft zu sprechen, sonst hätte sie die Ware gleich selbst beim Hersteller abholen können.
Dass die Verschaffung der Verfügungsmacht an den Kunden der Bf. (zweite Lieferung) vor Beginn des Transports erfolgt sei, ist eine von der Bf. nicht näher fundierte Rechtsbehauptung und konnte sachverhaltsmäßig von der Bf. nicht näher festgemacht werden.
Die von der Bf. für ihre Ansicht angeblich sprechende Tatsache, dass die Ware wieder weiterveräußert wurde, bevor der Transport erfolgte, ändert daran wenig, zumal bei allen Reihengeschäften mehrere Verpflichtungsgeschäfte abgeschlossen werden. Aus dem Umstand, dass die Ware weiterverkauft wurde, kann nicht geschlossen werden, dass auch die Beförderung der jeweils nachfolgenden Lieferung zuzuordnen ist (Schlussanträge GA Kokott, C-414/17, Arex, Rn. 59).

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung)

Rechtsquellen:

UStG 1994

§ 3 (1) Lieferungen sind Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann von dem Unternehmer selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden.

(7) Eine Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.
(8) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn der Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter befördert oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgt wird. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter.

Art. 3

Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs
(8) Der innergemeinschaftliche Erwerb wird in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, daß der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist. Im Falle des Nachweises gilt § 16 sinngemäß.

Art. 6

(1) Steuerfrei sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7). Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass die betreffende Lieferung im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht.

Art. 7

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.
(2) ….
(3) Die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat, daß der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist.
(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung dennoch als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. In Abholfällen hat der Unternehmer die Identität des Abholenden festzuhalten.

Art. 12
(1) Der Unternehmer kann neben den in § 12 Abs. 1 Z 1 und 2 genannten Vorsteuerbeträgen folgende Beträge abziehen:
1. Die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen. Das gilt nicht für die sich auf Grund des Abs. 4 ergebende Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb;
2. die gemäß Art. 25 Abs. 5 geschuldeten Beträge für Lieferungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind;

Rechtslage ab

§ 3 UStG 1994
(15)
1. Bei Reihengeschäften wird die Beförderung oder Versendung folgender Lieferung zugeordnet:
a) der Lieferung durch den ersten Lieferer in der Reihe, wenn er die Gegenstände befördert oder versendet;
b) der Lieferung durch den Zwischenhändler, wenn er seinem Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt hat, die ihm vom Mitgliedstaat, aus dem die Gegenstände befördert oder versandt werden, erteilt wurde;
c) der Lieferung an den Zwischenhändler, wenn kein Fall der lit. b vorliegt;
d) der Lieferung an den letzten Abnehmer (Empfänger), wenn er die Gegenstände befördert oder versendet.
2. Bei Anwendung von Abs. 3a wird die Beförderung oder Versendung abweichend von Z. 1 der Lieferung durch den Unternehmer gemäß Abs. 3a Z. 1 bzw. 2 zugeordnet.
3. Lieferungen in der Reihe vor der Lieferung, der die Beförderung oder Versendung zugeordnet wird, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt.
4. Lieferungen in der Reihe nach der Lieferung, der die Beförderung oder Versendung zugeordnet wird, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet.
5. Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn dieselben Gegenstände nacheinander geliefert werden und diese Gegenstände unmittelbar vom ersten Lieferer bis zum letzten Abnehmer (Empfänger) in der Reihe befördert oder versandt werden.
6. Zwischenhändler ist ein Lieferer innerhalb der Reihe (mit Ausnahme des ersten Lieferers), der die Gegenstände befördert oder versendet.

Mehrwertsteuersystemrichtlinie
Artikel 32 Abs. 1
Wird der Gegenstand vom Lieferer, vom Erwerber oder von einer dritten Person versandt oder befördert, gilt als Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befindet.

Artikel 40
Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden.

Artikel 41
Unbeschadet des Artikels 40 gilt der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb im Einklang mit Artikel 40 besteuert worden ist.
Wird der Erwerb gemäß Artikel 40 im Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er gemäß Absatz 1 besteuert wurde, wird die Steuerbemessungsgrundlage in dem Mitgliedstaat, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, entsprechend gemindert.

Artikel 138
(1) Die Mitgliedstaaten befreien die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.

Rechtslage ab

Mehrwertsteuersystemrichtlinie
Artikel 36a
(1) Werden dieselben Gegenstände nacheinander geliefert und werden diese Gegenstände aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat unmittelbar vom ersten Lieferer bis zum letzten Erwerber in der Reihe versandt oder befördert, so wird die Versendung oder Beförderung nur der Lieferung an den Zwischenhändler zugeschrieben.
(2) Abweichend von Absatz 1 wird die Versendung oder Beförderung nur der Lieferung von Gegenständen durch den Zwischenhändler zugeschrieben, wenn der Zwischenhändler seinem Lieferer die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt hat, die ihm vom Mitgliedstaat, aus dem die Gegenstände versandt oder befördert werden, erteilt wurde.
(3) Für die Zwecke dieses Artikels bezeichnet der Ausdruck ,Zwischenhändler' einen Lieferer innerhalb der Reihe (mit Ausnahme des ersten Lieferers in der Reihe), der die Gegenstände selbst oder auf seine Rechnung durch einen Dritten versendet oder befördert;
(4) Dieser Artikel gilt nicht für Fälle nach Artikel 14a.

Vergleich mit deutscher Rechtslage

§ 3 Abs. 6 (d) UStG:
1: Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt.
2: Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands.
3: Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt.
4: Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.
5: Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen.
6: Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.

Zum Thema Reihengeschäft - was die Beurteilung des mittleren Unternehmers anlangt haben sich ca. vier Beurteilungsargumentationen herausgebildet, die hier kurz vorgestellt werden sollen:

1. Rechtsansicht der Finanzverwaltung und eher traditionelle Rechtsansicht der Beurteilung des mittleren Unternehmers:

Bei Umsatzgeschäften, die von mehreren Unternehmern über denselben Gegenstand abgeschlossen werden und bei denen dieser Gegenstand im Rahmen der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangen, ist zu beachten, dass die Umsätze (gedanklich) zeitlich hintereinander stattfinden, der Ort der einzelnen Umsätze jeder für sich bestimmt werden muss und nur für einen Umsatz in der Reihe der Ort der Lieferung gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 bestimmt werden kann (UStR 2000, Rz. 450).
Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte UID, so gilt der Erwerb zusätzlich in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt. In diesem Fall ist der Erwerber nicht zum Abzug der auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ( und Rs C-539/08, X und Facet BV/Facet Trading BV).
Dies gilt in jedem Fall, in dem die UID eines anderen Mitgliedstaates verwendet wird als jene des Mitgliedstaates, in dem die Warenbewegung tatsächlich endet, somit auch dann, wenn der Erwerber dem Lieferer die UID des Ausgangsmitgliedstaates der Warenbewegung bekannt gibt.
Beispiel:
Der österreichische Unternehmer A bestellt beim österreichischen Unternehmer B Waren und weist ihn an, diese an ein Lager in Frankreich zu versenden. Der Unternehmer A gibt dem Unternehmer B seine österreichische UID bekannt. B versendet die Waren auftragsgemäß nach Frankreich.
A bewirkt einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Frankreich, da dort die Warenbewegung an ihn endet und nach Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 einen weiteren innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich, da er die UID dieses Mitgliedstaates verwendet hat. Dieser Erwerb besteht solange, bis A die Besteuerung seines innergemeinschaftlichen Erwerbs in Frankreich nachweist.
Weist der Erwerber die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat nach, kann die zusätzliche Erwerbsteuer berichtigt werden (vgl. Art. 3 Abs. 8 letzter Satz UStG 1994). (UStR 2000, Rz. 3777).
Wird der Gegenstand im Falle eines dreipersonalen Reihengeschäfts vom mittleren Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, dann folgt aus § 3 Abs. 8, dass die Lieferung des ersten Unternehmers in der Reihe dort stattfindet, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung/Versendung befindet; das wird idR der Unternehmensort des ersten Unternehmers sein. Die Lieferung des ersten Unternehmers an den mittleren ist die bewegte Lieferung. Diese Sicht vertritt auch die FinVerw (vgl USt-Protokoll 2011). Die Lieferung des abholenden Unternehmers an den nächsten in der Reihe findet dann dort statt, wo die Beförderung/Versendung endet (Verschaffung der Verfügungsmacht, § 3 Abs. 7). Dies gilt nach der Rsp des EuGH allerdings dann nicht, wenn der mittlere Unternehmer nachweist, dass er im Ursprungsland bereits die Verfügungsmacht an seinen Abnehmer übertragen hat: In einem solchen Fall ist die Lieferung des abholenden an den nächsten Unternehmer die bewegte Lieferung und findet somit dort statt, wo sich der Gegenstand bei Beginn der Beförderung oder Versendung befindet. (Ruppe/Achatz, UStG5, § 3 Rz. 65/3).

2. Rechtsansicht der deutschen Finanzverwaltung

Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom , BStBl I S. 846 - aktuelle Version (Stand ) (UStAE):
Grundsätzlich tendiert auch diese zur Zuordnung der ersten Lieferung an den mittleren Unternehmer als die bewegte Lieferung, indem sie unter Abschnitt 3.14 Abs. 9 ausführt:
"Befördert oder versendet ein mittlerer Unternehmer in der Reihe den Liefergegenstand, ist dieser zugleich Abnehmer der Vorlieferung und Lieferer seiner eigenen Lieferung. In diesem Fall ist die Beförderung oder Versendung nach § 3 Abs. 6 Satz 6 1. Halbsatz UStG grundsätzlich der Lieferung des vorangehenden Unternehmers zuzuordnen (widerlegbare Vermutung). Der befördernde oder versendende Unternehmer kann jedoch anhand von Belegen, z.B. durch eine Auftragsbestätigung, das Doppel der Rechnung oder andere handelsübliche Belege und Aufzeichnungen nachweisen, dass er als Lieferer aufgetreten und die Beförderung oder Versendung dementsprechend seiner eigenen Lieferung zuzuordnen ist (§ 3 Abs. 6 Satz 6 2. Halbsatz UStG)."
Eine Vermutungsregelung ist dem österreichischen Umsatzsteuerrecht allerdings fremd.
Was die Binnenmarktregelung anlangt geht sie ähnlich der österreichischen Rechtsauffassung davon aus, dass im Rahmen eines Reihengeschäfts, bei denen die Warenbewegung im Inland beginnt und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates endet, mit der Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet nur eine innergemeinschaftliche Lieferung bewirkt wird. Die Steuerbefreiung kommt nur bei der "bewegten Lieferung" zur Anwendung (vgl. Abschnitt 3.14 Abs. 13).
Beim angeführten Beispiel sind die Konsequenzen für den mittleren Unternehmer allerdings andere:
Beispiel:
Der Unternehmer B 1 in Belgien bestellt bei dem ebenfalls in Belgien ansässigen Großhändler B 2 eine dort nicht vorrätige Ware. B 2 gibt die Bestellung an den Großhändler D 1 in Frankfurt weiter. D 1 bestellt die Ware beim Hersteller D 2 in Köln. Alle Beteiligten treten unter der USt-IdNr. ihres Landes auf.
Rechnungsweg
D 2 ⇒ D 1 ⇒ B 2 ⇒ B 1
Warenweg: D 2 - B1
Variante a) D 2 befördert die Ware von Köln mit eigenem Lkw unmittelbar nach Belgien und übergibt sie dort B 1.
Es werden nacheinander drei Lieferungen (D 2 an D 1, D 1 an B 2 und B 2 an B 1) ausgeführt. Die erste Lieferung D 2 an D 1 ist die Beförderungslieferung.
Der Ort der Lieferung liegt nach § 3 Abs. 6 Satz 5 in Verbindung mit Satz 1 UStG in Deutschland (Beginn der Beförderung). Die Lieferung ist im Inland steuerbar und steuerpflichtig, da D 1 ebenfalls mit deutscher USt-IdNr. auftritt.
Der Erwerb der Ware unterliegt bei D 1 der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Belgien, weil die Warenbewegung dort endet (§ 3d Satz 1 UStG).
Solange D 1 eine Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Belgien nicht nachweisen kann, hat er einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland zu besteuern (§ 3d Satz 2 UStG).
Die zweite Lieferung D 1 an B 2 und die dritte Lieferung B 2 an B 1 sind ruhende Lieferungen. Für diese Lieferungen liegt der Lieferort nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG jeweils in Belgien (Ende der Beförderung), da sie der Beförderungslieferung folgen.
Beide Lieferungen sind nach belgischem Recht zu beurteilen. D 1 muss sich in Belgien umsatzsteuerlich registrieren lassen.
Würde D 1 mit belgischer USt-IdNr. auftreten, wäre die Lieferung des D 2 an D 1 als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn D 2 die Voraussetzungen hierfür nachweist.

Variante b) D 1 befördert die Ware von Köln mit eigenem Lkw unmittelbar nach Belgien an B 1 und tritt hierbei in seiner Eigenschaft als Abnehmer der Vorlieferung auf.
Da D 1 in seiner Eigenschaft als Abnehmer der Vorlieferung auftritt, ist die Beförderung der ersten Lieferung (D 2 an D 1) zuzuordnen (§ 3 Abs. 6 Satz 6 UStG). Die Beurteilung entspricht daher der von Fall a. (vgl. Abschnitt 3.14 Abs. 13).
Im Unterschied zur Beurteilung der österreichischen Finanzverwaltung leitet sich kraft Verwendung der deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer kein (zusätzlicher) innergemeinschaftlicher Erwerb in Deutschland ab.

Offenbar wird an der im /97 (UR 1997, 231ff) unter Tz. 21, Beispiel 7 Varianten a und b vertretenen Rechtsansicht nicht mehr festgehalten, wo noch ausgeführt wird:
"a) Die erste Lieferung D 2 an D 1 ist die Beförderungslieferung. Der Ort der Lieferung liegt nach § 3 Abs. 6 Satz 5 i.V.m. Satz 1 UStG in Deutschland (Beginn der Beförderung). Die Lieferung ist im Inland steuerbar und steuerpflichtig, da D 1 ebenfalls mit deutscher USt-IdNr. auftritt. Der Erwerb der Ware unterliegt bei D 1 der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Belgien, weil die Warenbewegung dort endet (§ 3a Satz 1 UStG). Solange D 1 eine Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Belgien nicht nachweisen kann, hat er einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland zu besteuern (§ 3d Satz 2 UStG). Die zweite Lieferung D 1 an B 2 und die dritte Lieferung B 2 an B 1 sind ruhende Lieferungen. Für diese Lieferungen liegt der Lieferort nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG jeweils in Belgien (Ende der Beförderung), da sie der Beförderungslieferung folgen. Beide Lieferungen sind nach belgischem Recht zu beurteilen. D 1 und B 2 müssen sich in Belgien umsatzsteuerlich registrieren lassen. Würde D 1 mit belgischer USt-IdNr. auftreten, wäre die Lieferung des D 2 an D 1 als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn D 2 die Voraussetzungen hierfür nachweist.
b) Da D 1 in seiner Eigenschaft als Abnehmer der Vorlieferung auftritt, ist die Beförderung der ersten Lieferung (D 2 an D 1) zuzuordnen (§ 3 Abs. 6 Satz 6 UStG). Die Beurteilung entspricht daher der von Fall a)"

3. EuGH
a) EuGH-Urteil EMAG C-245/04 vom :
Der EuGH hat in der Rs. C-245/04 v. , EMAG, entschieden, dass zwischen einer bewegten und den (anderen) ruhenden Lieferungen zu differenzieren ist. Lieferungen in einem Reihengeschäft seien als eine nach der anderen erfolgt anzusehen, da ein Zwischenerwerber die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, seinem Abnehmer nur dann übertragen könne, wenn er sie zuvor von seinen Lieferanten erhalten hat. Der Tatbestand der ig Lieferung könne hierbei nur von einer einzigen Lieferung, und zwar von jener erfüllt werden, der die Versendung oder Beförderung zuzuordnen ist. Die anderen Lieferungen befänden sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft der Versendung oder Beförderung, je nachdem, ob die jeweilige Lieferung der bewegten Lieferung vor- oder nachgelagert ist. Diese Auslegung des Art. 8 Abs. 1 lit. a der 6.MwSt-RL (nunmehr Art. 32 MwSt-RL) gilt hierbei unabhängig davon, in wessen Verfügungsmacht sich der Gegenstand während der Versendung oder Beförderung befindet.
Der VwGH (, 2006/14/0107 ) entschied nach dem EuGH-Urteil in der Rs "EMAG" im fortgesetzten VwGH-Verfahren für den Fall eines dreipersonalen Reihengeschäftes, in dem der mittlere Unternehmer die Ware abholte, dass die Lieferung des ersten Unternehmers als bewegte (ig.) Lieferung zu qualifizieren sei, relativierte aber dies insoferne, als er ausführte, dass besondere Umstände einer Zuordnung zum Erstverkäufer entgegenstehen können und weder das Unionsrecht noch das UStG diesbezügliche Zuordnungsregeln vorsehen würden. (Ruppe/Achatz, UStG5, § 3 Rz. 56, 58).

b) EuGH-Urteil Euro Tyre C-430/90 vom

Zu beurteilen war ein Reihengeschäft zwischen einer in den Niederlanden ansässigen Firma (Euro Tyre Holding -ETH) als "(erster) Lieferant" und zwei in Belgien ansässigen Gesellschaften (Miroco bzw. VBS und Decof) als "mittlere Unternehmer" und "Warenempfänger". Vereinbarungsgemäß sollte ETH die Waren an ihr niederländisches Lager in Venlo liefern, von wo aus die Beförderung für Rechnung und Gefahr der Miroco bzw. VBS nach Belgien durchgeführt werden sollte. Bevor die Waren zur Erfüllung des Kaufvertrags abgeliefert worden waren, hatten Miroco bzw. VBS die Waren an die Decof ("Warenempfänger") weiterverkauft. Die Waren wurden von einem Vertreter der Miroco bzw. VBS im Lager der ETH in den Niederlanden abgeholt und mit einem von Decof diesen Gesellschaften entgeltlich zur Verfügung gestellten LKW samt Fahrer unmittelbar nach Belgien transportiert. ETH erhielt vom Fahrer stets eine unterzeichnete Erklärung, dass die Waren nach Belgien und nicht an die Adresse der Miroco bzw. VBS befördert werden. Die von Miroco bzw. VBS verwendeten belgischen USt-IdNr. erhielt ETH bestätigt.
Im Streit war die von der ETH begehrte Steuerfreistellung ihrer Lieferungen an Miroco bzw. VBS als innergemeinschaftliche Lieferungen. Voraussetzung hierfür war die Zuordnung der Warenbewegung durch Miroco bzw. VBS zu der Lieferung der ETH an diese beiden Firmen.
Ohne den Begriff des Reihengeschäfts zu verwenden, bestätigt der EuGH seine Ausführungen in der Rechtssache EMAG. Danach ist die zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen verknüpfende einheitliche Warenbewegung im Sinne einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der beiden Lieferungen zuzuordnen. Bevor die Waren zur Erfüllung des Kaufvertrages abgeliefert worden waren, hatten die Käufer sie an die Decof, eine in Belgien ansässige Gesellschaft, unter der Lieferbedingung weiterverkauft, dass die Beförderung der Waren zur Niederlassung der Decof für Rechnung und Gefahr von Miroco bzw. von VBS erfolgen sollte (Rz. 14).
Die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung eines Gegenstands ist nur anwendbar, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, wenn der Lieferant nachweist, dass dieser Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist und wenn dieser Gegenstand infolge dieser Versendung oder Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (Rn. 29). Was zunächst die Übertragung des Rechts betrifft, im Rahmen der aufeinanderfolgenden Lieferungen wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Rn. 38 des Urteils EMAG entschieden hat, dass der Zwischenerwerber die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Zweiterwerber nur übertragen kann, wenn er sie zuvor vom Erstverkäufer erhalten hat (Rn. 31). Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahren ist daher davon auszugehen, dass die Abholung der Waren am Lager der ETH durch den Vertreter des Ersterwerbers als Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer zu verfügen, auf diesen anzusehen und der ersten Lieferung zuzurechnen ist (Rn. 32).
Dieser Umstand allein genügt jedoch nicht, um daraus abzuleiten, dass die erste Lieferung eine innergemeinschaftliche darstellt. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die zweite Übertragung der Befähigung wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, ebenfalls im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erfolgt, und zwar bevor die innergemeinschaftliche Lieferung erfolgt. In einem solchen Fall könnte die innergemeinschaftliche Lieferung nicht mehr dieser Lieferung zugerechnet werden. In dem Fall, in dem der Erwerber die Befähigung, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Liefermitgliedstaat erlangt und sich verpflichtet, den Gegenstand in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern, wie es bei Lieferungen unter der Bedingung geschieht, dass die Waren am Lager des Lieferanten abgeholt werden, sind so wie möglich die Absichten zu berücksichtigen, die der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs hatte, sofern sie durch objektive Gesichtspunkte gestützt werden. (Rn. 33, 34).
Haben die Käufer als Ersterwerber ihre Absicht bekundet, die Waren in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat zu befördern, und sind sie mit ihrer von diesem anderen Mitgliedstaat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aufgetreten, konnte ETH davon ausgehen, dass die von ihr getätigten Umsätze innergemeinschaftliche Lieferungen darstellten (Rn. 35).
Nach der Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber könnte jedoch der die erste Lieferung durchführende Lieferant für denjenigen gehalten werden, der die Mehrwertsteuer auf diesen Umsatz schuldete, wenn ihm dieser Erwerber mitgeteilt hatte, dass der Gegenstand bevor er den Liefermitgliedstaat verlassen habe, an einen anderen Steuerpflichtigen weiterverkauft werde, und der Lieferant es im Anschluss an diese Mitteilung unterlassen hat, dem Erwerber eine berichtigte Rechnung unter Einschluss der Mehrwertsteuer auszustellen (Rn. 36).
Was schließlich die Bedingung der Versendung oder Beförderung des Gegenstands an Orte außerhalb des Liefermitgliedstaats betrifft, ist klarzustellen, dass es zwar nicht auf die Frage ankommt, wer während der innergemeinschaftlichen Beförderung die Befähigung besitzt, über die Gegenstände zu verfügen, dass aber der Umstand, dass diese Beförderung vom Eigentümer des Gegenstands oder für seine Rechnung durchgeführt wird, gleichwohl eine Rolle spielen könnte bei der Entscheidung, ob diese Beförderung der ersten oder der zweiten Lieferung zugerechnet wird. In den Fällen jedoch, in denen die Beförderung durch die Person, die an beiden Fälle beteiligt ist, oder für deren Rechnung durchgeführt wird, ist dieser Umstand nicht ausschlaggebend. Daher ist die Tatsache, dass der Zweiterwerber an der Beförderung beteiligt war, kein Anhaltspunkt, der den Schluss zulässt, dass diese Beförderung der zweiten Lieferung zuzurechnen ist (Rn. 41). Tendenziell kommt der EuGH zum Schluss, dass in Fällen der Transportverantwortlichkeit des mittleren Unternehmers, die innergemeinschaftliche Lieferung der ersten Lieferung zuzurechnen sein wird (Rn. 41).
Wenn also der Ersterwerber, der das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erlangt hat, seine Absicht bekundet, diesen Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern, und mit seiner von dem letztgenannten Staat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftritt, müsste die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten Lieferung zugerechnet werden, sofern das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung übertragen wurde (Rn. 45).
Nieskens bemerkt hierzu (Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, § 3 Rz. 1979), aus der EuGH-Entscheidung sei ableitbar, dass die anderen EU-Mitgliedstaaten offenkundig keine der deutschen Rechtslage in § 3 Abs. 6 Satz 6 (s.o.) vergleichbare Regelung kennen. Im deutschen Recht gilt dagegen die Vermutung, wonach bei einer Transportverantwortlichkeit durch den mittleren Unternehmer die Warenbewegung der Lieferung an ihn zuzuordnen ist. Ausnahmsweise könne aber die Warenbewegung der zweiten Lieferung in der Reihe zugeordnet werden, wenn der Zwischenerwerber seine Absicht des Weiterverkaufs an einen Dritten - seinen Abnehmer - vor Transportbeginn dem Erstlieferer mitteilt. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Judikaturdivergenz der beiden Senate des BFH. Während der V. Senat maßgeblich auf die Absichtserklärung des mittleren Unternehmers in der Reihe für die Zuordnung der Warenbewegung abstellt (BFH , V R 3/10), will der XI. Senat (BFH , XI R 11/09, XI R 15/14 und XI R 30/13) dem Verschaffen der Verfügungsmacht zugunsten des letzten Abnehmers vor oder nach Grenzübertritt das entscheidende Gewicht beimessen und damit die deutsche Regelung mit ihren beiden Alternativen - Vermutungsregelung und andere Nachweismöglichkeit im Rahmen einer richtlinienkonformer Auslegung interpretieren.

c) EuGH-Urteil VSTR C-587/10 vom :

Ausgangssachverhalt: Von der VSTR (liefernder Unternehmer) wurden zwei Steinzerkleinerungsmaschinen an die Atlantic (mittlerer Unternehmer) - eine amerikanische Gesellschaft mit einer Niederlassung in Portugal ohne Mehrwertsteuerregistrierung - gekauft. Die Atlantic gab anlässlich der Aufforderung der VSTR nach Bekanntgabe ihrer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer an, die Maschinen an ein in Finnland ansässiges Unternehmen (Warenempfänger) veräußert zu haben und teilte deren finnische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mit. Die Gegenstände wurden sodann von einer von Atlantic beauftragten Spedition bei der VSTR-Tochter abgeholt, um auf dem Landweg nach Lübeck verbracht und nach Finnland verschifft zu werden. Strittig war die von der VSTR in Anspruch genommenen Steuerbefreiung für die ihres Erachtens getätigte Lieferung (Rn. 14ff). Das Finanzamt verweigerte diese, weil die Atlantic selbst über keine finnische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügte.
Im EuGH-Vorabentscheidungsverfahren wurde angefragt, ob die eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nur dann anzunehmen sei, wenn der Steuerpflichtige die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers buchmäßig nachweist und weiters, ob es von Bedeutung sei, ob es sich beim Erwerber um einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer handelt, der zwar den Gegenstand im Rahmen eines Reihengeschäfts von einem Mitgliedstaat in einen anderen versendet hat, aber in keinem Mitgliedstaat registriert ist und ob der Steuerpflichtige die Abgabe eines Steuererklärung über den innergemeinschaftlichen Erwerb durch den Erwerber nachgewiesen hat.
Da in diesem Verfahren zwei aufeinander folgende Lieferungen, aber nur eine innergemeinschaftliche Beförderung durchgeführt wurden, hängt die Einstufung der ersten Lieferung zwischen der VSTR-Tochter und Atlantic als (steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferung davon ab, ob die innergemeinschaftliche Beförderung tatsächlich der ersten Lieferung zugerechnet werden könne. Die Beantwortung dieser Frage hängt insbesondere von der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Endempfänger übertragen worden ist. Falls nämlich die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, bevor die innergemeinschaftliche Beförderung erfolgt, stattgefunden hat, könnte die innergemeinschaftliche Beförderung nicht mehr der Lieferung an den Ersterwerber zugerechnet werden (Rn. 32). Falls die zweite Übertragung des Eigentums an den Gegenständen von Atlantic an das finnische Unternehmen stattgefunden haben sollte, bevor die innergemeinschaftliche Beförderung nach Finnland erfolgt sei, wäre die erste Lieferung (VSTR an Atlantic) keine befreite innergemeinschaftliche Lieferung (Rn. 33).
Hinsichtlich der Umstände, die bei der Würdigung berücksichtigt werden können verweist der EuGH darauf, dass, wenn der Ersterwerber das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erlangt hat, seine Absicht bekundet, diesen in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern und mit seiner von dem letztgenannten Staat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftritt, die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten Lieferung zugerechnet werden müsse, sofern das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung auf den Zweiterwerber übertragen wurde (Rn. 34).
Weiters verweist er darauf, dass dies nicht der Fall sei, wenn nach der Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber dieser dem die erste Lieferung durchführenden Lieferer mitgeteilt hat, dass der Gegenstand, bevor er den Mitgliedstaat verlassen habe, an einen anderen Steuerpflichtigen weiterverkauft werde (Rn. 35). Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens könnte der letztgenannten Fallgestaltung entsprechen. Einschränkend hält der EuGH noch fest, dass diese Umstände für sich allein nicht als Nachweis dafür dienen, dass die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden hätte; es sei Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen, ob dies der Fall war.
Umstritten ist, ob die Aussagen des EuGH in der Rs. VSTR im Sinne einer Revision der vom EuGH in der Rs. Euro Tyre aufgestellten Ableitung hinsichtlich der Mitteilung oder des Verschweigens des Weiterverkaufs der Ware an einen weiteren Abnehmer gegenüber dem ersten Lieferer verstanden werden müssen, um die Warenbewegung entweder der Lieferbeziehung des ersten an den zweiten Unternehmer oder des zweiten Unternehmers an den letzten Abnehmer zuzuordnen. Bereits ein Vergleich der verschiedenen Aussagen zeige, dass der EuGH mit seinen Aussagen in der Rs. VSTR schlicht - vor der Subsumption im konkreten Fall - die Zuordnung der Warenbewegung zur Lieferung des mittleren Unternehmers an den letzten Abnehmer ohne Ausnahme dann annehmen will, wenn nach der Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber dieser dem die erste Lieferung durchführenden Lieferer mitgeteilt hat, dass der Gegenstand, bevor er den Mitgliedstaat verlassen habe, an einen anderen Steuerpflichtigen weiterverkauft werde (Nieskens: in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 3 Rz. 1984.2).
In diesem Zusammenhang soll die Interpretation dieses Urteils durch den BFH XI R 15/14 vom nicht verschwiegen werden, indem er in Rz. 47 ausführt, wenn dem zweiten Erwerber im Ursprungsmitgliedstaat noch keine Verfügungsmacht verschafft worden ist, seien die objektiven Voraussetzungen der Steuerbefreiung trotz Mitteilung des Weiterverkaufs gegeben und der Umsatz des ersten Lieferers sei im Ursprungsmitgliedstaat steuerfrei zu belassen. Damit gehe im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftliche Erwerb des ersten Erwerbers und die anschließende Lieferung an den zweiten Erwerber einher. Das Recht, einen in seinem Hoheitsgebiet erfolgten innergemeinschaftlichen Erwerb des ersten Erwerbers und die anschließende Lieferung an den zweiten Erwerber zu besteuern, könne dem Bestimmungsmitgliedstaat nicht durch eine (bloße) Absichtsbekundung des ersten Erwerbers entzogen werden. Er verlangt für die Zuordnung der Warenbewegung zur Lieferung durch den für den Transport Verantwortlichen (mittleren Unternehmer) ausschließlich, dass allein das Verschaffen der Verfügungsmacht vor Grenzübertritt Voraussetzung für die Zuordnung der Warenbewegung zu einer Lieferbeziehung sein könne. Bloße subjektive Willensäußerungen seien nicht ausreichend. M.a.W. dürfte der BFH das EuGH -Urteil dahingehend verstanden wissen, dass die bloße Erklärung den Liefergegenstand verkauft zu haben noch keine Verschaffung der Verfügungsmacht im Liefermitgliedstaat vor der Beförderung sei (Rz. 52). Diese Rechtsausführungen dürften bedingt durch das spätere - Toridas allerdings kritisch zu hinterfragen sein.

d) EuGH-Urteil Toridas C-386/16 vom

Toridas ist eine litauische Gesellschaft. Sie importierte Tiefkühlfisch aus Kasachstan nach Litauen. Die strittigen Waren wurden von der Toridas als Erstlieferantin an die in Estland erfasste Megalain OÜ verkauft. Megalain (Ersterwerber) verpflichtete sich die Waren innerhalb von 30 Tage aus dem litauischen Hoheitsgebiet ausführen und Toridas (Erstlieferantin) schriftliche Belege für die tatsächlich erfolgte Ausfuhr vorzulegen. Toridas verpflichtete sich die Verantwortung für die Waren einschließlich der Lagerung und die bis zu ihrer tatsächlichen Ausfuhr aus Litauen anfallenden Kosten zu übernehmen (Rn. 12). Die Waren wurden von Megalan (Ersterwerber) in der Regel am Tag des Erwerbs oder am Folgetag an Kunden in anderen Mitgliedstaat der EU (Dänemark, Deutschland, Niederlande und Polen) weiterverkauft. Ein Teil der Waren wurde nach dem Weiterverkauf umgehend aus Litauen in die vorgenannten Staaten versandt, ohne Estland zu passieren. Ein anderer Teil wurde zwecks Sortierung, Glasierung und Verpackung in die Räumlichkeiten der in Litauen ansässigen Gesellschaft Plunges saltis befördert, bevor sie direkt zu den Kunden in die EU-Bestimmungsstaaten befördert wurden. Megalain übernahm die Sortierung, Glasierung und Verpackung (Rn 14).
Bei den Erstlieferungen beanspruchte Toridas die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen und gab als Lieferort den Ort der auf litauischem Hoheitsgebiet befindlichen Lager an. Von Megalain wurden die Rechnungen an ihre Abnehmer ebenfalls ohne Mehrwertsteuer ausgestellt und eine Lieferanschrift im Staat des jeweiligen Erwerbers angegeben.
Die Steuerbehörde vertrat die Ansicht, dass die Lieferungen der Toridas an Megalain (Erstlieferungen) steuerpflichtige innerstaatliche Lieferungen seien. Das vorgelegende Gericht hatte Zweifel an der mehrwertsteuerlichen Einstufung der Erstlieferungen und führte aus, dass die Endabnehmer innergemeinschaftliche Erwerbe in ihren jeweiligen Mitgiedstaaten angegeben hätten. Toridas habe alle wesentlichen die Zweitlieferungen betreffenden Umstände gekannt. Die Anwendung der Steuerbefreiung der Erstlieferungen sei zweifelhaft. Weiters brachte das vorlegende Gericht das Vorliegen von "Dreiecksgeschäften" ins Spiel.
Der EuGH verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Steuerbefreiung der Lieferung eines Gegenstandes im Sinne dieses Artikels erst dann anwendbar ist, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen wurde, wenn der Lieferant nachweist, dass dieser Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert wurde und wenn der Gegenstand infolge dieser Versendung oder Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Euro Tyre Holding, C-430/09, EU:C:2010:786, Rn. 29) (Rn. 30).
In Bezug auf Umsätze, die eine Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen bilden, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum einen, dass die innergemeinschaftliche Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden kann, die folglich als Einzige nach Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Steuer befreit ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , EMAG Handel Eder, C-245/04, EU:C:2006:232, Rn. 45, Rn. 34).
Im Rahmen dieser Würdigung ist insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls nämlich die zweite Übertragung dieser Befähigung, d. h. die Zweitlieferung, vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , VSTR, C-587/10, EU:C:2012:592, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung) (Rn. 36).
Im Fall zweier aufeinanderfolgender Lieferungen, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, ist zur Klärung der Frage, welcher der beiden Lieferungen diese Beförderung zuzuordnen ist, zu ermitteln, ob die Beförderung nach der Zweitlieferung stattfand. Dann wäre nur die Zweitlieferung als innergemeinschaftliche Lieferung einzustufen und gegebenenfalls nach Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Steuer befreit (Rn. 37).
Vorliegend geht aus den Angaben in der Vorlageentscheidung hervor, dass die von Megalain zugunsten der Endabnehmer durchgeführte Lieferung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand (Rn. 38).
Die Erstlieferung ist nicht befreit, wenn der in einem zweiten Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasste Erwerber vor Bewirkung dieses Lieferumsatzes den Lieferanten darüber informiert, dass die Waren unmittelbar an einen in einem dritten Mitgliedstaat niedergelassenen Steuerpflichtigen weiterverkauft werden, bevor sie aus dem ersten Mitgliedstaat ausgeführt und zum dritten Steuerpflichtigen befördert werden, sofern die Zweitlieferung tatsächlich erfolgt ist und die Waren sodann vom ersten Mitgliedstaat in den Mitgliedstaat des dritten Steuerpflichtigen befördert wurden. Die mehrwertsteuerliche Erfassung des ersten Erwerbers in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Ort der Erstlieferung oder des Enderwerbs befindet, ist weder ein Kriterium für die Einstufung als innergemeinschaftlicher Umsatz noch für sich genommen ein hinreichender Beweis für den innergemeinschaftlichen Charakter eines Umsatzes (Rn. 44).
Nieskens merkt hierzu in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, § 3 Rz. 1984.3 u.a. an, nur für den Fall, dass der Ersterwerber vorliegend Megalain- seinen EU-Abnehmern vor Grenzübertritt der transportierten Ware die Verfügungsmacht übertragen habe, könne die Warenbewegung der zweiten Lieferung - vorliegend Megalain an die EU-Abnehmer - zugeordnet werden. Ansonsten bleibe es bei der ersten Lieferung. Der EuGH gehe aber von der Zuordnung der Warenbewegung zur zweiten Lieferung (Megalain an ihre EU-Abnehmer) aus, da der Ersterwerber - Megalain - vor Bewirkung der Erstlieferung (Toridas an Megalain) Megalain gegenüber die Absicht geäußert habe, die Ware unmittelbar vor der Beförderung aus dem ersten Mitgliedstaat (Litauen) an einen dritten Mitgliedstaat (EU-Ausland) weiterverkaufen zu wollen. Der EuGH stelle also maßgeblich auf die Absicht des Ersterwerbers als Nachweis dafür ab, ob vor Grenzübertritt der Ersterwerber seinem Abnehmer an der Ware Verfügungsmacht verschafft habe. Anders als BFH, XI. Senat (XI R 15/14 v. ) stelle der EuGH augenscheinlich in folgerichtiger Fortsetzung seiner Aussagen in der Rechtssache Euro Tyre und zwar in der vom BFH, V. Senat (V R 3/10 v. ) praktizierten Auslegung - maßgeblich auf die subjektive Willensentscheidung des Ersterwerbers ab, mit der er die Zuordnung der Warenbewegung vornehmen kann.
Bei Anwendung der nach dem BFH- Urteil vom , XI R 15/14 vertretenen Auslegung, wäre der EuGH zu der genau entgegengesetzten Beurteilung gekommen. Dieses führt in Rz. 47 u.a. aus, wenn im Ursprungsmitgliedstaat dem zweiten Erwerber noch keine Verfügungsmacht verschafft worden sei, wäre der Umsatz des ersten Lieferers steuerfrei zu belassen. Springender Punkt bei dieser Auslegungsmethode ist wohl der, dass der XI. Senat und der EuGH offenbar einen anderen Zugang zum Übergang der Verfügungsmacht über die Ware haben. Der BFH leitet offenbar aus VSTR ab, dass die bloße Erklärung des Ersterwerbers vor der Beförderung die Ware verkauft zu haben, noch keine Verschaffung der Verfügungsmacht vor der innergemeinschaftlichen Beförderung sei. Im Unterschied dazu judiziert der EuGH in der Rs. Toridas, Rn. 44, dass die Information die Ware bereits vor Bewirkung dieses Umsatzes (des ersten) und die tatsächliche Beförderung vom ersten Lieferer an den Warenempfänger ausreiche, um die bewegte Lieferung und damit die innergemeinschaftliche Lieferung dem zweiten Umsatz zuzuordnen. Damit scheint sich der EuGH den Begriff des "Grundsatzes der Verschaffung der Verschaffungsmacht" nicht im Sinne klassischen-deutschen Umsatzsteuerverständnisses anzuschließen. Nach traditioneller Auslegung des Umsatzsteuerrechts wäre die bewegte Lieferung regelmäßig dem ersten Umsatz zuzurechnen. Abgesehen davon, wäre nach dieser Vorstellung es eher weltfremd anzunehmen, dass der mittlere Unternehmer dem letzten Abnehmer bereits vor Grenzübertritt die faktische Verfügungsmacht verschafft habe, wenn die Waren vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gesandt werden. Da sich der EuGH dem nicht angeschlossen hat, lässt er bereits die Mitteilung des mittleren Unternehmers, die Ware vor Ausführung der ersten Lieferung an ihn, verkauft zu haben, als Übertragung der Verfügungsmacht über die Ware gelten, womit dieser vor Grenzübertritt über die Ware verfügt und damit die innergemeinschaftliche Lieferung selbst ausführt.

e) Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott Rs. C-414/17, AREX CZ a.s. vom

Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind mehrere Verkäufe von Kraftstoff, der ursprünglich aus Raffinerien der S. Austria GmbH in Österreich stammt. Dieser wurde von der österreichischen D. Mineralöle GmbH an vier verschiedene Gesellschaften s.r.o. mit Sitz in der tschechischen Republik verkauft. Die tschechischen Erstkäufer hatten einen Vertrag mit der Garanttrans s.r.o. geschlossen, die für sie als registrierter Empfänger im Sinne der Verbrauchsteuerrichtlinie auftrat, um eine Beförderung im Verfahren der Steueraussetzung zu ermöglichen.
Die tschechischen Erstkäufer verkauften den Kraftstoff an ein weiteres in der tschechischen Republik ansässiges Glied in der Kette. Dieses war in einigen Fällen TM Truck s.r.o., in anderen Fällen die Cllarus Gall s.r.o. Diese wiederum verkauften den Kraftstoff an Kont Fuel Distribution s.r.o. bzw. in anderen Fällen an Benaft s.r.o., die unmittelbaren Vertragpartner von Arex. Diese wiesen beim Verkauf an Arex die tschechische Mehrwertsteuer aus, die von Arex gezahlt und von Kont Fuel bzw. Benaft abgeführt wurde. Arex machte den Vorsteuerabzug in Hinblick auf die an diese Firmen gezahlte Mehrwertsteuer geltend. Der Kraftstoff wurde unter Nutzung der firmeneigenen Fahrzeuge und auf Kosten von Arex im Verfahren der Steueraussetzung von Österreich in die tschechische Republik transportiert. Üblicherweise muss die verbrauchsteuerpflichtige Ware dabei zunächst an einen von einem registrierten Empfänger im Sinne der Verbrauchsteuerrichtlinie bestimmten Ort hinter der Grenze transportiert werden, wo sie in den freien Verkehr überführt wird. Erst danach kann der Transport zum endgültigen Bestimmungsort stattfinden. Garantrans führte die Verbrauchsteuer im Namen der tschechischen Erstkäufer ab.
Die tschechische Steuerverwaltung vertrat die Ansicht, dass Arex als Empfänger einer innergemeinschaftlichen Lieferung einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern habe. Dementsprechend nahm sie eine Neubemessung der zu zahlenden Mehrwertsteuer unter gleichzeitigem Vorsteuerabzug vor, versagte allerdings den Vorsteuerabzug im Hinblick auf die an Kont Fuel bzw. Benaft gezahlte Mehrwertsteuer.
Soweit gegenständlich von Bedeutung möchte das vorlegende Gericht klären (Rn. 54), ob die Beförderung im Verfahren der Steueraussetzung dafür spricht, dass der grenzüberschreitende Transport der Lieferung von D. GmbH (Ö.) an die tschechischen Erstkäufer zugeordnet werden muss, obwohl er unter Nutzung der Fahrzeuge und auf Kosten von Arex durchgeführt wurde.
Die Zuordnung des grenzüberschreitenden Transports zu einer Lieferung in einer Verkaufskette ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unter umfassender Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls zu treffen (Rn. 58). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass es keine Rolle spielt, wer während des Transports der Eigentümer der Sache im Sinne des nationalen Rechts oder wer die tatsächliche Sachherrschaft über den Gegenstand ausübt. Insofern ist die Tatsache des bloßen Weiterverkaufs für die Zuordnung der Warenbewegung zu einer der Lieferungen irrelevant (Rn. 59).
Nach der Rechtsprechung ist jedoch zu berücksichtigen, durch wen oder auf wessen Rechnung der Transport durchgeführt wird. Genauer gesagt muss es darauf ankommen, wer während des Transports die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache trägt (Rn. 60).
Dementsprechend hat der Gerichtshof in einer Reihe von Fällen betreffend eine zweigliedrige Verkaufskette (Erstverkäufer - Zwischenhändler - Endabnehmer) entschieden, dass die Beförderung nicht mehr der "ersten" Lieferung zugerechnet werden kann, wenn die Befähigung wie ein Eigentümer über die Sache zu verfügen, bereits vor der Beförderung an den Endabnehmer, also an den Empfänger der "zweiten" Lieferung übertragen war. (Rn. 61).
Folglich muss davon ausgegangen werden, dass derjenige der das Risiko des zufälligen Untergangs tragen muss, auch die Befähigung innehat, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen (Rn. 62).
Aus diesem Grund wäre die Beförderung in den bisher entschiedenen Fällen der Lieferung zuzurechnen gewesen, an welcher der Empfänger, der die Gefahr für den zufälligen Untergang während des Transports trug (soweit dies denn durch das nationale Gericht festgestellt wurde), beteiligt war (Rn. 64).
Dies gilt unbeschadet der Frage, wer den Transport in diesen Fällen äußerlich durchführt (dies war in den entschiedenen Fällen, meist der Zwischenhändler) und unabhängig davon, wie die Beziehung desjenigen, der die Verfügungsmacht innehat, rechtlich zu qualifizieren ist (d.h. ob er bereits Eigentümer ist oder lediglich einen Anspruch auf Eigentumsübertragung hat.
Für das Ausgangsverfahren bedeutet dies, dass es entscheidend darauf ankommt, ob AREX während des grenzüberschreitenden Transports des Kraftstoffs bereits die Verfügungsbefugnis über den Kraftstoff in der Weise erlangt hatte, dass sie die Gefahr für seinen zufälligen Untergang trug. Von der Gefahrtragung lässt sich nämlich auf die Rolle der Beteiligten in einer Lieferkette schließen. Denn es spricht die tatsächliche Vermutung dafür, dass derjenige, der einen Gegenstand an einen anderen liefert und die Gefahr für den zufälligen Untergang dieses Gegenstandes während der Lieferung trägt, auch als Lieferant agiert. Seine Lieferung muss damit die innergemeinschaftlich befreite Lieferung sein (Rn. 73).
Natürlich kann es auch im zweiseitigen Verhältnis als auch im Reihengeschäft - Fälle geben, in denen der Empfänger des Gegenstandes die Gefahr während des Transports trägt. In einem Reihengeschäft wird ein solcher Empfänger jedoch notwendigerweise immer am Ende der Kette stehen (andernfalls agiert er als Leistender). Steht der Empfänger aber am Ende der Lieferkette, besteht kein Zweifel, welchem Rechtsverhältnis (nämlich dem letzten) die Beförderung zuzuordnen ist (Rn. 74).
Trägt somit der Erstverkäufer die Gefahr für den zufälligen Untergang während des Transports, kann er mithin davon ausgehen, dass seine Lieferung steuerbefreit ist. In dem Fall hingegen, in dem sein Vertragspartner die Gefahr trägt, kommt es für das Vorliegen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung darauf an, ob ein Reihengeschäft vorliegt (Rn. 75). Dafür muss der Erstverkäufer, darüber informiert sein, dass sein Vertragspartner den Gegenstand bereits verkauft hat. Andernfalls darf er auch dann, wenn er selbst nicht die Transportgefahr trägt, davon ausgehen, dass der Umsatz für ihn steuerfrei ist, da im zweiseitigen Verhältnis auch der Empfänger die Gefahr tragen kann, ohne dass eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung entfällt. Ist er jedoch informiert, dass es sich um ein Reihengeschäft handelt, kann er aus dem Umstand, dass ein anderer die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache trägt, darauf schließen, dass dieser als Leistender den Gegenstand grenzüberschreitend und somit steuerfrei liefert. Damit ist seine Lieferung steuerpflichtig. Sollte das vorlegende Gericht hingegen zum Schluss kommen, dass die tschechischen Erstkäufer die Gefahr für den zufälligen Untergang während des Transports unter Steueraussetzung getragen haben, so müsste die zweite Lieferung (von den tschechischen Erstkäufern an die nächsten Glieder der Kette) als die befreite angesehen werden. Wird die Verfügungsbefugnis dem Endabnehmer nämlich erst im Bestimmungsland übertragen, liegen davor eine ganze Reihe anderer Lieferungen, zwischen denen weiterhin eine Entscheidung über die Zuordnung getroffen werden muss. Aus diesem Umstand allein (die Übertragung der Verfügungsbefugnis auf den Endabnehmer im Bestimmungsland) lassen sich keine Schlüsse ziehen, welcher der davon liegenden Leistungen die Warenbewegung zuzurechnen ist. Es muss vielmehr in jedem Fall bestimmt werden, wer die Gefahr für den zufälligen Untergang des Gegenstandes während der Beförderung trägt. (Rn. 81).

f) Urteil des EuGH, Rs. C-414/17, AREX CZ a.s. vom

Im Rahmen der Würdigung aller besonderen Umstände sei zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat.
Falls nämlich die zweite Übertragung dieser Befähigung, d.h. die Zweitlieferung, vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattgefunden hat, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (Rn. 70 letzter Satz unter Hinweis auf Toridas, C-386/16 Rn. 34-36). Maßgeblich ist die Bestimmung, zu welchem Zeitpunkt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten von AREX stattgefunden hat. Falls die Übertragung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattgefunden hat, ist diesem dem Erwerb durch AREX zuzuordnen und dieser Erwerb daher als der innergemeinschaftliche Erwerb einzustufen. Die Übertragung eines körperlichen Gegenstands sei nicht auf die Übertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen beschränkt, sondern es sei jede Übertragung durch die Partei erfasst, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Sie verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (Rn. 75).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass AREX nach dem Erwerb der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kraftstoffe bei ihren tschechischen Vertragspartnern (Anm. Zwischenhändler) diese in Besitz genommen hat, indem sie in Österreich in ihre Tanks geladen hat, bevor sie sie mit ihren eigenen Fahrzeugen von Österreich in die tschechische Republik beförderte. Daraus ergibt sich - vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorlegende Gericht - aus den Akten, dass die einzige innergemeinschaftliche Beförderung erst nach der Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten von AREX erfolgte, so dass die von AREX vorgenommenen Erwerbe als innergemeinschaftliche Erwerbe einzustufen sind (Rn. 78).

g) Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott Rs. C-401/18 Herst s.r.o.
Herst s.r.o. war in vielen Fällen der Endabnehmer des Kraftstoffs. Diesen kaufte sie von Lieferanten, die in der Tschechischen Republik für die Zwecke der Mehrwertsteuer registriert waren. Insofern befand sich Herst am Ende der Lieferkette. In anderen Fällen verkaufte sie den Kraftstoff an eigene Abnehmer weiter. In diesen Fällen befand sie sich in der Mitte einer Lieferkette. Üblicherweise bestellte Herst bei tschechischen Lieferanten, die den Kraftstoff von einer Raffinerie in einem anderen Mitgliedstaat erworben hatten oder noch erwarben. Herst übernahm den Kraftstoff direkt an den Raffinerieterminals in den anderen Mitgliedstaaten. Bei der Übergabe der Waren war keine der im Rahmen der Lieferkette beteiligten Vertragspartner anwesend. Danach beförderte Herst den Kraftstoff in die Tschechische Republik. (Rn. 14, 16)
Herst beanspruchte für die Treibstofflieferungen den Vorsteuerabzug, da sie die Auffassung vertrat, es habe sich um tschechische Inlandslieferungen gehandelt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sei es nicht zur Lieferung der Waren in der Tschechischen Republik gekommen, sondern in den anderen Mitgliedstaaten, in denen sich der Kraftstoff zum Zeitpunkt des Beginns seiner Versendung oder Beförderung befunden habe. Folglich handle es sich um eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung an Herst, bei der für Herst kein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe (Rn. 17).
Rechtliche Beurteilung durch die Generalanwältin:
Die Generalanwältin führt hierzu vorerst allgemein aus, wenn sich eine Lieferung nach Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie danach definiert, dass dem Empfänger die Verfügungsmacht durch den Leistenden verschafft wurde, dann muss auch das mittlere Unternehmen (jedenfalls für eine logische Sekunde) die Verfügungsmacht erlangt haben. Andernfalls lägen nicht zwei Lieferungen, sondern allenfalls eine Lieferung und eine Dienstleistung vor. Damit reicht es aus, dass das mittlere Unternehmen (B) seinem Kunden (Herst) "lediglich" den Zugang zu den zu beschaffenden Waren ermöglicht, die es zuvor selbst erworben (aber noch nicht abgeholt) hat, um einen Übergang der Verfügungsmacht von A auf B und dann von B auf Herst anzunehmen (Rn. 33).
Hinsichtlich der konkreten Zuordnung der grenzüberschreitenden Beförderung in einer Lieferkette führte sie weiters aus, dass bei Reihengeschäften insbesondere zu berücksichtigen ist, durch wen oder auf wessen Rechnung der Transport durchgeführt wird. Ihres Erachtens muss es darauf ankommen, wer während des Transports die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache trägt (Rn. 41). Insofern könne davon ausgegangen werden, dass derjenige, der das Risiko des zufälligen Untergangs tragen muss, auch die Befähigung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie innehat, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen (Rn. 44). Von der Gefahrtragung hingegen lasse sich am einfachsten auf die Rolle des betreffenden Beteiligten in einer Lieferkette schließen. Denn es spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass derjenige, der einen Gegenstand an einen anderen liefert und die Gefahr für den zufälligen Untergang dieses Gegenstandes während der Lieferung trägt, auch rechtlich als Lieferer (und nicht nur als Spediteur für einen anderen) agiere. Ist er aber der Lieferer der grenzüberschreitenden Lieferung, dann muss auch seine Lieferung die innergemeinschaftlich befreite Lieferung sein (Rn. 46).
Sollte hingegen die Ware vor dem Transport weiterverkauft worden sein und damit eine dreigliedrige Lieferkette vorliegen (A - B - Herst - D), ändert sich das Ergebnis leicht. Dann würde nicht das letzte, sondern ein mittleres Unternehmen in der Lieferkette transportieren. In diesem Fall wäre - wenn Herst die Gefahr des zufälligen Untergangs während der Beförderung trägt - seine Lieferung (d. h. die dritte Lieferung Herst - D) die grenzüberschreitende und damit die befreite Lieferung. Auch in diesem Fall könnte Herst in der Tschechischen Republik keinen Vorsteuerabzug aus der Vorlieferung geltend machen, sondern nur in dem Land des Beginns der Beförderung (Rn. 50).
Ob die Lieferung von B an Herst dann in der tschechischen Republik erfolgt wäre, hängt davon ab, ob die Beförderung der ersten Lieferung (A an B) zuzurechnen ist, was voraussetzt, dass das erste Unternehmen (A) die Verlustgefahr bei der grenzüberschreitenden Lieferung getragen hat. Letzteres wäre ungewöhnlich, da A dem B erlaubt hat, die Ware auch durch einen dritten (hier Herst) abzuholen, den A nicht kennt. Warum in einer solchen Konstellation A die Gefahr des zufälligen Untergangs auch über den Zeitpunkt der Abholung hinaus tragen sollte, leuchtet prima facie nicht ein (Rn. 54). Abschließend verweist sie jedoch darauf, wer während des grenzüberschreitenden Transports die Verlustgefahr getragen hat, kann der Gerichtshof nicht vornehmen, weil dies vielmehr dem vorlegenden Gericht überliege (Rn. 54)

h) Herst s.r.o.

Zur vierten Vorlagefrage führte der EuGH Folgendes aus:
Erstens ist daran zu erinnern, dass die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht auf die Übertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen beschränkt ist, sondern jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei erfasst, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (in diesem Sinne Urteile vom , De Fruytier, C-237/09, EU:C:2010:316, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , AREX CZ, C-414/17, EU:C:2018:1027, Rn. 75) (Rn. 36).
Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, weder verlangt, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (Beschluss vom , Itales, C-123/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:511, Rn. 36, und Urteil vom , AREX CZ, C-414/17, EU:C:2018:1027, Rn. 75) (Rn. 38).
Im Rahmen dieser umfassenden Würdigung ist u. a. zu bestimmen, zu welchem Zeitpunkt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über die in Rede stehenden Gegenstände zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Im vorliegenden Fall ist diese Übertragung, falls sie vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattgefunden hat, nämlich als ein Umstand anzusehen, der dazu führen kann, dass der so erfolgte Erwerb als innergemeinschaftlicher Erwerb einzustufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , AREX CZ, C-414/17, EU:C:2018:1027, Rn. 70 und 72).
Diese Rechtsprechung beruht nämlich auf einem zeitlichen Kriterium, anhand dessen zu beurteilen ist, ob eine Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, vor dessen Beförderung erfolgte, um zu bestimmen, welchem der Erwerbe in der betreffenden Kette die einzige innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist und welcher somit als Einziger als innergemeinschaftlicher Erwerb einzustufen ist. Im vorliegenden Fall könnte die Anwendung dieses zeitlichen Kriteriums dem vorlegenden Gericht die Feststellung ermöglichen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Beförderung von Kraftstoffen dem Erwerb zuzuordnen ist, den der erste Wirtschaftsteilnehmer in der Kette von An- und Weiterverkäufen getätigt hat, bevor die einzige innergemeinschaftliche Beförderung der Kraftstoffe stattfand. Dagegen ist dieses Kriterium unanwendbar, wenn im Ausgangsverfahren diese Befähigung während der Beförderung mehrfach aufeinanderfolgend übertragen wurde.

4. VwGH-Judikatur:
a) (EMAG-Folgeentscheidung):
Zusammengefasst geht es um ein Liefergeschäft von den Niederlanden (Erstverkäufer) an die österreichische Zwischenhändlerin (K GmbH), die die Waren letztlich an die österreichische Abnehmerin (Bf.) verkaufte. Strittig war, ob die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten (wie es die Bf. vertritt) oder der zweiten Lieferung zuzurechnen war. Der VwGH kommt unter Hinweis auf Ruppe, UStG³, Art. 1 Tz. 29) zum Schluss, dass der Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs vom "mittleren Unternehmen" (vom Zwischenerwerber) erfüllt werde, wenn er die Liefergegenstände beim ersten Unternehmer (dem Erstverkäufer) abholt und in Ausführung des Liefergeschäftes an den letzten Abnehmer befördert oder versendet. Dieser Ansicht sei beizupflichten, weil keine besonderen Umstände vorliegen, die einer Zuordnung der innergemeinschaftlichen Warenbewegung zur Lieferung des Erstverkäufers entgegenstehen. Bei der daran anschließenden Lieferung (K. GmbH an Bf.) habe sich der Ort in das Inland verlagert.

b)
Dabei sei insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (EuGH Toridas, Rn. 36, , Arex, Rn. 70). Es kommt insoweit auf den Zeitpunkt an, zu dem die Voraussetzungen in Bezug auf die innergemeinschaftliche Beförderung einerseits und die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, jeweils erfüllt sind (EuGH, Arex, Rn. 74). Die Übertragung der Befugnis verlange weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen werde (vgl. Arex, Rn. 75).

c)
Das Vorbringen des rw. Finanzamtes sei zulässig und begründet, weil das Bundesfinanzgericht unzureichend begründet habe, dass die bewegte Lieferung (abweichend vom Regelfall) dem zweiten Umsatz zuzuordnen sei und verwies dabei auf das VwGH-Erkenntnis vom . 2006/14/0107). Zur Beantwortung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, ist insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (vgl. , Toridas, Rn. 36; , Arex, Rn. 70).
Es kommt insoweit also auf den Zeitpunkt an, zu dem die Voraussetzungen in Bezug auf die innergemeinschaftliche Beförderung einerseits und die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, jeweils erfüllt sind (vgl. EuGH Arex, Rn. 74).
Die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, liegt vor, wenn die Partei ermächtigt ist, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (EuGH Arex, Rn. 75).
Wie sich aus dem schon eingangs erwähnten Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2018/15/0011, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ergibt, erweist sich der Begründungsmangel auch als relevant für den Verfahrensausgang (Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M GmbH).

Wird der Gegenstand im Falle eines dreipersonalen Reihengeschäfts vom mittleren Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, dann folgt aus § 3 Abs. 8, dass die Lieferung des ersten Unternehmers in der Reihe dort stattfindet, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung/Versendung befindet; das wird idR der Unternehmensort des ersten Unternehmers sein. Die Lieferung des ersten Unternehmers an den mittleren ist die bewegte Lieferung. Diese Sicht vertritt auch die FinVerw (vgl USt-Protokoll 2011). Die Lieferung des abholenden Unternehmers an den nächsten in der Reihe findet dann dort statt, wo die Beförderung/Versendung endet (Verschaffung der Verfügungsmacht, § 3 Abs. 7). Dies gilt nach der Rsp des EuGH allerdings dann nicht, wenn der mittlere Unternehmer nachweist, dass er im Ursprungsland bereits die Verfügungsmacht an seinen Abnehmer übertragen hat: In einem solchen Fall ist die Lieferung des abholenden an den nächsten Unternehmer die bewegte Lieferung und findet somit dort statt, wo sich der Gegenstand bei Beginn der Beförderung oder Versendung befindet. Sinngemäß ist bei vier- oder mehrpersonalen Reihengeschäften vorzugehen (vgl Tz 59 und Tz 60) (Ruppe/Achatz, UStG5, § 3 Rz. 65/3).
In der praktischen Umsetzung dürften damit die ustl Konsequenzen durch den mittleren Unternehmer bestimmt werden: Räumt er seinem Abnehmer bereits vor Beginn des Transports Verfügungsmacht ein, ist die erste Lieferung als ruhend zu betrachten (der mittlere kann nur dann an seinen Abnehmer die Verfügungsmacht übertragen, wenn er sie zuvor von seinem Lieferanten erhalten hat). Abzustellen ist somit nicht auf die Transportveranlassung, mag diese auch idR zu richtigen Ergebnissen in der Zuordnung der bewegten Lieferung führen. Maßgebend ist die ustl Verfügungsmacht zu Beginn des Transports (Kettisch, SWK 2014, 1036). Hierbei ist offensichtlich nicht auf die Lieferortfiktion des Art 32 MwSt-RL (§ 3 Abs. 8 UStG), sondern auf den Ort, an dem die Verschaffung der Verfügungsmacht tatsächlich erfolgt, abzustellen. S a Art 3 Tz 17. In der Praxis sind in diesem Zusammenhang die Incoterms zu beachten, soweit aus diesen der reale Lieferort iSd Verschaffung von Substanz, Wert und Ertrag des Gegenstandes abgeleitet werden kann (Kettisch, taxlex 2015, 42; Schefzig, ÖStZ 2014,626 ff; vgl a USt-Protokoll 2014). (Ruppe/Achatz, UStG5, § 3 Rz. 59/1).

5. Lösung durch die hier noch nicht anwendbare und neu geschaffene Rechtslage ab :

Der EuGH hat bisher keine kohärente Auslegung der MwStSyst-RL begründet. Es ist daher nicht überraschend, dass die Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten zur Besteuerung von Reihengeschäften nicht einheitlich ist. Die Kommission hat diese Rechtsunsicherheit zum Anlass genommen, eine Sonderregelung für Reihengeschäfte zu erarbeiten, dessen Ziel es ist, die Erhöhung der Rechtssicherheit für Wirtschaftsbeteiligte und Doppel- und Nichtbesteuerung zu vermeiden. Im RL-Vorschlag wurde die Zuordnung der bewegten Lieferung - in stärkerer Anlehnung an das Urteil Euro Tyre Holding - an zwei Kriterien geknüpft:
die Mitteilung des Bestimmungslands durch den Zwischenhändler und die umsatzsteuerliche Registrierung des Zwischenhändlers in einem vom Ursprungsland verschiedenen Mitgliedstaat.
Der beschlossene Art. 36a MwStSyst-RL stellt demgegenüber allein auf die verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Zwischenhändlers ab und führt damit zu einem faktischen Wahlrecht der Zuordnung der bewegten Lieferung für den Zwischenhändler.
Entsprechend der Grundregel wird die Warenbewegung und damit die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung als "gesetzliche Regelvermutung" der Erstlieferung zugeordnet, was der österreichischen Verwaltungspraxis zu Beförderungen/Versendungen durch den mittleren Unternehmer entspricht.
Vorbild für das Regelungskonzept in Art. 36a MwStSyst-RL dürfte die deutsche Praxis sein. Die Einführung eines Wahlrechts zugunsten des Zwischenhändlers entspricht den Bedürfnissen der Praxis und den Neutralitätserwägungen: Die Umsatzsteuer bildet beim Zwischenhändler in aller Regel systembedingt eingangs- und ausgangsseitig nur einen Durchlaufposten und führt zu keinem effektiven Steueraufkommen. Die von der Warenbewegung betroffenen Mitgliedstaaten haben daher mit keinen Mehrwertsteuerausfällen zu rechnen, egal in welchem Staat die Lieferung des Zwischenhändlers umsatzsteuerlich als bewirkt gilt. Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Spies, Der neue "Quick Fix" für Reihengeschäfte, SWI 2019, 277). Diese Regelung wurde mit Wirksamkeit ab (mit Steuerreformgesetz 2020; BGBl. I 103/2019) durch Einführung des Abs. 15 in § 3 UStG (s.o.) in Österreich umgesetzt.
Auch wenn die zuletzt beschriebene Rechtslage den Intentionen der Bf. am ehesten entspräche, kann diese für vergangene Zeiträume noch nicht angewendet werden. Sowohl die neuere EuGH-Judikatur als auch der VwGH haben sich mit den Umständen der Transportveranlassung und Gefahrtragungsregeln nicht weiter auseinandergesetzt, sondern lediglich darauf abgestellt, ob die Übertragung der Verfügungsmacht wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, vor oder nach der innergemeinschaftlichen Beförderung erfolgt ist.
Entsprechend dieser Judikatur ist grundsätzlich ("Regelfall") davon auszugehen, dass der erste Umsatz (A an B) der "bewegte" und der zweite Umsatz (B an C) der "ruhende" Umsatz sei. Maßgeblich ist dabei immer, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung (B an C) der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers (C) stattgefunden hat. Nur falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden. Derartiges konnte von der Bf. entgegen ihren Darlegungen nicht ausgemacht werden, zumal sie selbst sich zur Übertragung der Verfügungsmacht am Bestimmungsort (EU) kraft angewandter Handelsklausel (DDP) verpflichtete. Daher konnte der Endabnehmer im Inland noch nicht über die Ware verfügen und es ist in der weiteren Folge von einem innergemeinschaftlichen Erwerb durch die Bf. im Bestimmungsstaat gemäß Art. 3 Abs. 8 erster Satz UStG 1994 und einem anschließenden EU-Inlandsumsatz auszugehen.

Gemäß Art. 3 Abs. 8 Satz 2 UStG 1994 liegt auch ein (fiktiver) innergemeinschaftlicher Erwerb in Österreich kraft Verwendung der österreichischen UID-Nummer vor. Die daraus resultierende inländische (zusätzliche) Erwerbsbesteuerung soll sicherstellen, dass der EU-Erwerb in den anderen Mitgliedstaaten versteuert wird. Diese Besteuerung ist solange aufrecht zu erhalten, bis der Erwerber (B, Bf.) nachweist, dass der Erwerb im tatsächlichen "Erwerbstaat" besteuert worden ist. Eine solche wurde nicht einmal ansatzweise nachgewiesen, zumal die Bf. lediglich auf ihre abgegebenen ZM für innergemeinschaftliche Lieferungen (B-C) verweist. Entsprechend der Judikatur des , X und Facet BV, ist der Abzug der (bloß) im Staat der Registrierung geschuldeten Erwerbsteuer als Vorsteuer nicht zulässig, da keine (entsprechenden) Umsätze vorliegen, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht. Der Warenempfänger (C) hat möglicherweise einen vermeintlichen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuert, den er gar nicht getätigt hat, weil er in Wahrheit eine EU-Inlandslieferung erhalten hat. Der von der Bf. aus den Rechnungen der J. AG (A) vorgenommene Vorsteuerabzug war abzuerkennen, weil er nicht aus steuerbaren und steuerpflichtigen (ruhenden) Inlandslieferungen an die Bf., sondern aus steuerbaren, aber steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferungen resultierte (). An die in UStR 2000, Rz. 1825 dargestellte Rechtsansicht, wonach eine gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 geschuldete Steuer vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden kann, wenn die Steuer in einer vom Leistenden erstellten Rechnung im Sinne des § 11 Abs. 1 UStG 1994 ausgewiesen ist, ist das Bundesfinanzgericht nicht gebunden, zumal es sich um eine nicht als Verordnung kundgemachte Erlassansicht handelt. Abgesehen davon würde dies dem zuletzt genannten, auf eine Amtsrevision ergangenen VwGH-Erkenntnis widersprechen, wonach auch der im do. Verfahren nicht weiter strittige Vorsteuerabzug von der Amtspartei ausdrücklich releviert und vom VwGH für den Verfahrensausgang als maßgeblich erachtet wurde.
Auf die Frage, ob aus der Verwendung einer anderen UID als der des Bestimmungsstaates der Ware ein zusätzlicher Erwerb anzunehmen sei, ist der VwGH in seiner bisherigen Judikatur nicht eingegangen, wird aber von der h.L. auch nicht ausdrücklich negiert (Ruppe/Achatz, UStG5, Art. 3 BMR, Rz. 35 und 35/1 kritisch). Auf Grund der Verwendung der österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und der bisherigen Beurteilung des Erwerbsvorgangs der Bf. als Inlandsumsatz, wird das Mehrwertsteueraustauschsystem durch Abgabe einer entsprechenden Zusammenfassenden Meldung durch den Lieferanten nicht ausgelöst, sodass der tatsächliche Erwerbstaat vom Erwerb der Bf. im Bestimmungsstaat keine Kenntnis erlangen konnte.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Frage, ob die Vorlage der UID des Abgangsortes bei einem Reihengeschäft den Tatbestand des Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 erfüllt, hat grundsätzliche Bedeutung. Es liegt zu dieser Frage auch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die Revision ist daher zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
EuGH, C-414/17
EuGH, C-536/08






ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100149.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at