Finanzstraftäterhaftung (§ 11 BAO): Keine Prüfung des Verschuldens als Haftungsvoraussetzung oder bei der behördlichen Ermessensübung im Haftungsverfahren
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2100007/2019-RS1 | Ein Vorbringen zur Verschuldensfrage ist unbeachtlich, weil mit der rechtskräftigen Bestrafung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens die (einzige) Voraussetzung für die Haftung nach § 11 BAO erfüllt ist, weshalb (anders als bei der Haftung nach § 9 BAO) keine eigenständige Prüfung des Verschuldens stattzufinden hat; es ist aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung als gegeben anzunehmen. |
RV/2100007/2019-RS2 | Zweck des Haftungsausspruches ist die Einhebung von Abgaben. Der Haftungsausspruch ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn eine (gänzliche oder teilweise) Abgabeneinhebung beim Haftungspflichtigen entweder sofort möglich oder zu einem späteren Zeitpunkt nicht völlig ausgeschlossen ist. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass Vermögenslosigkeit bzw. Arbeitslosigkeit des Haftenden an sich in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht, zumal es eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (für viele: ). |
RV/2100007/2019-RS3 | Auch die mögliche Teilnahme des Abgabengläubigers an einem Verfahren nach der Insolvenzordnung (hier: die
Beschwerdeführerin droht in der Beschwerde die "Privatinsolvenz" an) macht die Haftungsinanspruchnahme zweckmäßig, zumal nur die volle Haftungsinanspruchnahme eine die Unerheblichkeitsgrenze überschreitende Quote erhoffen lässt. |
RV/2100007/2019-RS4 | Im Haftungsverfahren nach § 11 BAO hat auch die Ermessensregelung nicht den Zweck, das aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung als gegeben anzunehmende Verschulden einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen. |
RV/2100007/2019-RS5 | Will der zur Haftung Herangezogene mit dem Vorbringen zu seinen persönlichen Verhältnissen eine persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der Abgaben aufzeigen, ist darauf zu verweisen, dass ein solcher Umstand im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ist (; zur Unmaßgeblichkeit persönlicher Umstände des zur Haftung Herangezogenen im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung vgl. auch , und ). |
RV/2100007/2019-RS6 | Eine Ermahnung anstelle eines Haftungsausspruches (hier: nach § 11 BAO) ist gesetzlich nicht vorgesehen, weil die Ermahnung eine Maßnahme des Strafrechts, der Haftungsausspruch hingegen eine Maßnahme der Abgabeneinhebung (und keine strafrechtliche Maßnahme) ist. Daher ist es im Haftungsverfahren auch nicht von Belang, ob der Haftungsausspruch spezial- oder generalpräventiv wirkt. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Einzelrichter über die Beschwerde der X, vertreten durch die Steßl und Kasper Rechtsanwälte GmbH, Sporgasse 11, 8010 Graz, vom gegen den Bescheid deS Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Haftung gemäß § 11 BAO nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin war von bis die (einzige) Geschäftsführerin (und auch eine/r der Gesellschafter/innen) der Gesellschaft (im Firmenbuch eingetragener Geschäftszweig: Gastgewerbebetrieb). Mit Beschluss des Gerichtes vom wurde der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft infolge dessen aufgelöst.
Im Zuge von nach Konkurseröffnung durchgeführten Außenprüfung stellte der Lohnsteuerprüfer auf Basis vorhandener Auszahlungslisten in den Jahren 2014 und 2015 erfolgte "Schwarzzahlungen" an Arbeitnehmer fest. In der nachfolgenden, die Umsatzsteuer betreffenden Außenprüfung nahm der Prüfer mangels "Erlösaufzeichnungen" eine Umsatzschätzung für 2014 und 2015 vor. Aufgrund dessen setzte die belangte Behörde mit an den Masseverwalter gerichteten Bescheiden vom bzw. ua. die Umsatzsteuer 2014, Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag 2014 und 2015 fest und sprach die Haftung für Lohnsteuer für 2014 und 2015 aus.
Mit Beschluss des Gerichtes vom wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben. Am wurde die Firma gelöscht.
Mit Schreiben vom gab die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ihr Vorhaben bekannt, diese gemäß § 9 BAO zur Haftung für die bei der Gesellschaft uneinbringlich gewesenen Abgaben heranzuziehen, wobei sie ihr gleichzeitig auch den Umsatzsteuerbescheid 2014, die Lohnsteuerhaftungsbescheide 2014 und 2015 sowie die Abgabenbescheide betreffend Dienstgeberbeitrag 2014 und 2015 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2014 und 2015 (alle an den Masseverwalter gerichtet) samt den beiden berichten über das Ergebnis der Außenprüfung als Beilagen zur Kenntnis brachte.
In dem dazu eingerachten Schreiben vom wies die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsanwaltlichen Vertreter das Verschulden am Abgabenausfall im Wesentlichen damit zurück, dass sie nur die "formelle Geschäftsführertätigkeit" übernommen habe und - vorher als Sekretärin beschäftigt - für diese Tätigkeit auch nicht ausgebildet und auch mit den Abgabenangelegenheiten nicht betraut gewesen sei.
Mit Erkenntnis des Spruchsenates der belangten Behörde als Finanzstrafbehörde vom wurde die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der Gesellschaft der Abgabenhinterziehung (§ 33 FinStrG) für hinsichtlich folgender Abgaben rechtskräftig für schuldig gesprochen:
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Umsatzsteuer | 2014 | 25.612,33 € |
Lohnsteuer | 2014 | 5.212,66 € |
Lohnsteuer | 2015 | 5.212,66 € |
Dienstgeberbeiträge | 2014 | 2.474,47 € |
Dienstgeberbeiträge | 2015 | 2.444,04 € |
Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag | 2014 | 214,45 € |
Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag | 2015 | 211,81 € |
In dem genannten Erkenntnis wurde auch die Gesellschafterin Frau-Y "als Mitarbeiterin" der Abgabenhinterziehung (und zwar gemäß § 33 Abs. 2 lit b FinStrG hinsichtlich Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträgen und Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag für 2014) schuldig gesprochen.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom sprach die belangte Behörde gemäß § 11 BAO die Haftung der Beschwerdeführerin für folgende uneinbringleich gebliebenen Abgaben der Gesellschaft aus:
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Umsatzsteuer | 2014 | 25.048,03 € |
Lohnsteuer | 2014 | 5.097,81 € |
Lohnsteuer | 07/2015 | 385,20 € |
Lohnsteuer | 08/2015 | 1.983,32 € |
Lohnsteuer | 09/2015 | 621,01 € |
Dienstgeberbeitrag | 2014 | 2.419,95 € |
Dienstgeberbeitrag | 08/2015 | 228,56 € |
Dienstgeberbeitrag | 09/2015 | 412,71 € |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2014 | 209,73 € |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 08/2015 | 36,46 € |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 09/2015 | 35,76 € |
Als Begründung ist dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen:
"Aufgrund des vom Spruchsenat I beim Finanzamt Graz-Stadt als Organ des Finanzamtes Graz-Stadt als Finanzstrafbehörde am getroffenen Erkenntnis gem. § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit.b Finanzstrafgesetz (Strafnummer 2015/00785-001) werden Sie für die obigen Abgaben zur Haftung herangezogen.
Die Abgabenbescheide werden im Zuge dieses Haftungsbescheides zur Kenntnis gebracht. Die Gesamtvorschreibung der Lohnsteuer, des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2015 wurde aufgrund des beiliegenden Prüfungsberichtes auf die einzelnen Monate, wie von der GPLA-Prüfung festgestellt, aufgeteilt.
In weiterer Folge wurde bei den haftungsgegenständlichen Abgaben die Insolvenzquote von 2,20324% bereits in Abzug gebracht.
Die Geltendmachung der persönlichen Haftung ist eine Ermessensentscheidung. Gem. § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei vorsätzlich hinterzogenen Abgaben allfällige Einzelinteressen verdrängt, sah sich das Finanzamt Graz-Stadt veranlasst, die gesetzliche Haftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen."
Als Beilagen zum angefochtenen Bescheid übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin nochmals den Umsatzsteuerbescheid 2014, die Lohnsteuerhaftungsbescheide 2014 und 2015 sowie die Abgabenbescheide betreffend Dienstgeberbeitrag 2014 und 2015 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2014 und 2015 (alle an den Masseverwalter gerichtet) samt den beiden berichten über das Ergebnis der Außenprüfung zur Kenntnisnahme.
Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsanwaltlichen Vertreter die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und beantragte dessen Aufhebung. Als Begründung ist dem Schreiben zu entnehmen:
"[Seite 3 des Beschwerdeschreibens] b. Richtig ist, dass die Beschwerdeführerin im Finanzstrafverfahren, neben der ebenso verurteilten Frau-Y, gem. 5 33 Abs 1 und Abs 2 Iit b FinStrG, zu einer Geldstrafe von EUR 6.000,00 verurteilt wurde.
(…)
Demnach haftet Frau Frau-Y, aufgrund der gerichtlichen Verurteilung, für einen Betrag von EUR 7.946,13 wie folgt.
[Tabelle]
Nur am Rande sei hierbei auch erwähnt, dass Frau Frau-Y bereits in ihrer Einvernahme vor dem Spruchsenat im Finanzstrafverfahren mitgeteilt hat, dass sie über ein beträchtliches Vermögen verfügt, womit die gegenständlichen Beträge, hinsichtlich derer Frau Frau-Y verurteilt wurde, leicht bei dieser einbringlich gemacht werden können. Demnach ist dieser Betrag jedenfalls der Frau-Y zuzurechnen und von der im Haftungsbescheid genannten Summe von EUR 36.478,54 in Abzug zu bringen.
c. Unklar ist, wie sich die nunmehr im Haftungsbescheid geltend gemachten Beträge überhaupt errechnen, zumal einerseits in der Vorkorrespondenz bezüglich der selben Zeiträume und auf Basis der gleichen Dokumente (Basis: Bericht Außenprüfung vom ) EUR 46.392,03 gefordert wurden, im Finanzstrafverfahren (wieder aufgrund gleicher Sachlage [Seite 4 des Beschwerdeschreibens] und Dokumentation; Bericht Außenprüfung vom ), ein Betrag iHv EUR 41.382,42 zugrunde gelegt wurde und nunmehr erneut ein anderer Verkürzungsbetrag nämlich EUR 36.478,54 (Basis: Bericht Außenprüfung vom ) geltend gemacht wird.
Damit bleibt gänzlich unklar, wie die belangte Behörde die vermeintlichen Abgabenrückstände überhaupt erst ermittelt hat. Im ordentlichen Verfahren hat die Behörde der Beschwerdeführerin jedenfalls insbesondere die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat deutlich zu bezeichnen. Die Umschreibung der Tat (naturgemäß auch der Höhe nach) muss so deutlich sein, dass der Beschuldigte in der Lage ist, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten.
Die Beschwerdeführerin hat rechtlich das subjektive Recht, dass ihr die als erwiesen angenommene Tat richtig und vollständig vorgehalten wird. Dabei hat die Umschreibung dieser Tat so präzise zu sein, dass die Beschwerdeführerin einerseits ihre Verteidigungsrechte wahren kann und auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anbieten und eben diesen Tatvorwurf widerlegen kann und sie andererseits nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (siehe z.B. VwSlg 11.894 A/1985; ; , Ra 2016/03/0036; , Ra 2016/04/0053; , Ra 2014/02/0034; , Ra 2016/03/0048; , Ra 2016/05/0075; , Ra 2016/02/0189). Darunter fällt jedenfalls auch die Höhe einer Abgabenforderung. Dies ist gegenständlich schlichtweg nicht der Fall und hat die belangte Behörde die materielle Wahrheit unrichtig bzw. unvollständig ermittelt und zudem einen Verfahrensmangel zu vertreten.
d. Gemäß § 11 BAO haften 'bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden haften rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.'
Zudem folgt aus § 20 BAO, dass 'Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen'.
Dementsprechend hätte die belangte Behörde alle in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen gehabt und danach entsprechendes Ermessen ausüben müssen. Bereits in ihrer Stellungnahme vom hat die Beschwerdeführerin insbesondere festgehalten wie folgt:
1.1. Die Einschreiterin war als Sekretärin am [***] beschäftigt bevor sie direkt über den Gesellschafter Herr-Y in die Geschäftsführung der [GmbH] bestellt wurde. Die Einschreitenn wurde zwar formell als Geschäftsführerin bestellt, tatsächlich wurden Geschäftsführertätigkeiten und zwar intern von Frau Frau-Y ausgeübt.
1.2. Die Einschreitenn wurde als 'Gesicht' der [GmbH] vorgestellt und übernahm eine formelle Geschäftsführertätigkeit, für die sie schlichtweg nicht ausgebildet war. Zur Beratung griff sie auf die 'Gastroprofis' Y (Cafe ****) zurück, welche ihr außerdem mit ihrem Wissen und Know-how zur Verfügung standen. Leider stellte sich im Nachhinein heraus, dass es sich bei der Familie Y um 'Amtsbekannte' Gastroprofis handelte, die bereits mehrfach mit abgabenbezoaenen behördlichen Verfahren konfrontiert waren, dies war der Einschreiterin davor nicht bekannt.
[Seite 5 des Beschwerdeschreibens] Die Einschreiterin war jedoch ausschließlich als formelle Geschäftsführerin im Unternehmen tätig und wurden sämtliche finanziellen Angelegenheiten über die Ehegatten Y (Frau-Y und Herr-Y) abgewickelt.
......
1.3. …
1.4. Der Einschreiterin ist bewusst, dass sie rein aus Naivität nicht realisiert hatte, dass die Abfuhr der entsprechenden Abgaben und Beiträge auch durch sie selbst als Geschäftsführerin kontrolliert und abgeführt hätten werden müssen, dass Meldungen zu leisten gewesen wären und dass sie sich generell mit diesen Materien befassen hätte müssen. Hierbei ist jedoch abermals festzuhalten, dass die Einschreiterin intern, in der [GmbH], für diese Aufgaben schlichtweg nicht zuständig war. Sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Steuern, Abgaben, Gebühren, Beiträgen (insbesondere Abgabenbeiträge), Meldungen etc. fielen nicht in den Aufgabenbereich der Einschreiterin, da diese mit den entsprechenden Vorgängen, wie diese innerhalb der Gesellschaft gelebt wurden, weder betraut war, noch über das notwendige Wissen hierfür hatte.
Diese Tätigkeiten wurden ausschließlich von der Familie Y wahrgenommen, welche für die Nichtabfuhr der voraeschriebenen Abgabenbeträge. sowie für sonstige Meldeverstöße, ausschließlich verantwortlich ist (insbesondere im Zeitraum 2014 - 09/2015) und zur Verantwortung gezogen werden muss.
1.5. Die Einschreiterin hat nach ihrem besten Wissen und Gewissen dafür Sorge getragen, dass sämtliche Arbeitnehmer, für ihre Tätigkeit entlohnt werden und so rasch wie möglich das ihnen zustehende Gehalt ausbezahlt erhalten. Die Beschwerdeführerin war nach ihren Fähigkeiten stets bestrebt alles ordnungsgemäß und korrekt abzuwickeln und hat sich auf die Angaben und Informationen der Inhaber und faktischen Geschäftsführer der [GmbH] (Frau-Y und Herr-Y) verlassen.
1.6. Die Einschreiterin hätte, wenn diese gewusst hätte, dass Abgaben nicht bezahlt wurden und Meldungen nicht getätigt wurden, die entsprechenden Maßnahmen umgehend gesetzt und veranlasst. Es handelt sich hier um eine Nichtabfuhr von Abgaben, welche nicht zum Aufgabenbereich der Einschreiterin gehört haben. Diese wurde, als LKH-Sekretänn, in einem bereits seit Jahren bestehenden Betrieb, geführt durch die Familie Gert wortwörtlich hineingestoßen und wurde sie lediglich auf dem Papier (Firmenbuch) als Geschäftsführerin genannt. Tatsächlich wurden sämtliche Entscheidungen seitens der Familie Y getroffen und hatte die Einschreiterin keine Entscheidungsbefugnisse und auch keine Zugänge zu allfälligen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Abwicklung betreffend Finanzen allgemein und Abgabenbeiträgen etc. Viel mehr war die Einschreiterin den Anordnungen und Entscheidungen der Familie Y untergeordnet und verpflichtet, da es auch die Familie Y war die sämtlichen relevanten Entscheidungen traf.
1.7. Fakt ist, dass die Einschreiterin nicht als Geschäftsführerin tätig war, lediglich seitens der Familie Y als solche bestellt wurde und nunmehr als 'Sündenbock' die Verantwortung tragen soll. Zudem ist auszuführen, dass sich die Einschreiterin, wenn überhaupt nur anrechnen lassen muss, dass sie sich nicht selbst entsprechend informiert hat. Das System selbst wurde seitens der Familie Y auferlegt. Dementsprechend ist der Einschreitenn im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten nicht einmal fahrlässiges Verhalten vorwerfbar.
1.8. Zu Berücksichtigung sind zudem die finanziellen Verhältnisse der Einschreiterin, da diese über kein wesentliches Einkommen verfügt, sie war geringfügig beschäftigt und bezieht gegenwärtig AMS-Gelder und hat drei sorgepflichtige Kinder. Die tatsächliche Einhebung würde dazu führen, dass nicht nur die Einschreiterin, sondern auch deren Kinder massiv armutsgefährdet wären, zumal die Einschreiterin allenfalls gezwungen sein könnte, Privatinsolvenz anzumelden.
[Seite 6 des Beschwerdeschreibens] Die Behörde hätte sich jedenfalls mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme amtswegig auseinanderzusetzen gehabt, zumal die Beschwerdeführerin bereits in der Stellungnahme potentielle Umstände konkret aufgezeigt hat, die bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen gewesen wären. Dementsprechend hat es die Behörde hier verabsäumt, die ihrer Entscheidung zugrunde zu legende materielle Wahrheit zu ermitteln.
Zudem wird nochmals festgehalten, dass die finanzielle Lage der Beschwerdeführerin prekär ist. Als dreifache Mutter ist sie für alle 3 minderjährigen Kinder sorgepflichtig und verfügt lediglich über ein Einkommen (Teilzeit) iHv EUR 1.026,65 (brutto).
Im Strafverfahren wurde sie zu einer Geldstrafe iHv EUR 6.000,00, welche sie fremdfinanziert erlegen konnte, damit die Kinder nicht mit einer Mutter im Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe konfrontiert werden müssen. Und all dies nur lediglich deswegen, weil die Beschwerdeführerin von den 'Gastroprofis' Y als Sündenbock missbraucht wurde.
Beweis: Dienstvertrag (Beilage ,/A); Geburtsurkunden Kinder (Beilage ,/B);
Zudem befindet sich die Beschwerdeführerin seit nunmehr 3 Jahren in psychologischer Behandlung und ist, aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes eine Tätigkeit die über eine Teilzeitanstellung hinausgeht, nicht möglich.
Beweis: vorzulegende ärztliche Bestätigung;
Bereits im Rahmen der mündlichen Urteilsverkündung im Finanzstrafverfahren hat der zuständige Richter (Mag. ***) festgehalten, dass es erstmalig in derartigen Angelegenheiten, aufgrund der besonderen Konstellation des Sachverhaltes, die Mindeststrafe betreffend der nunmehrigen Beschwerdeführerin massiv unterschritten hat. Dies alles deshalb, da es für ihn nachvollziehbar war, dass die Beschwerdeführerin hier als Sündenbock herhalten musste, jedoch aufgrund der faktischen Eintragung der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin im Firmenbuch ein Freispruch nicht erfolgen konnte. Wörtlich hat der zuständige Richter festgehalten, dass es ihm gänzlich nachvollziehbar ist, dass eine Quereinsteigerin im Gastrobereich, die zuvor als angestellte Sekretärin im LKH Graz tätig war, kein System der Abgabenverkürzung selbst etabliert, sondern sicherlich massiv von 'Gastroprofis' beeinflusst wird.
Demnach hat die belangte Behörde das ihr zustehende Ermessen unrichtig ausgeübt und wäre bei rechtskonformer Ermessensausübung das Verfahren einzustellen oder zumindest der aushaftende Betrag entsprechend herabzusetzen gewesen und die persönlichen und finanziellen Verhältnisse miteinzubeziehen.
e. Tatsache ist jedenfalls, die Beschwerdeführerin wurde als einfache Sekretärin am LKH Graz beschäftigt, bevor sie direkt über den Gesellschafter Herr-Y in die Geschäftsführung der [GmbH], einen laufenden Betrieb, bestellt wurde. Fakt ist, dass die Beschwerdeführerin zwar formell als Geschäftsführerin bestellt, tatsächlich jedoch Geschäftsführertätigkeiten, insbesondere Personalverrechnungen und Steuern, intern von Frau Frau-Y ausgeübt wurden. Die Beschwerdeführerin war stets bemüht, nach besten Wissen und Gewissen sämtliche Abläufe zu erlernen und erkundigte sich stets bei den 'Gastroprofis' [Seite 7 des Beschwerdeschreibens] Frau-Y und Herr-Y. Nachdem diese bereits seit Jahren in diesem Bereich tätig waren, wurden sämtliche Abläufe von diesen vorgegeben.
Die Beschwerdeführerin war ausschließlich als formelle Geschäftsführerin im Unternehmen tätig und wurden sämtliche finanzielle Angelegenheiten, insbesondere Auszahlungen über die Ehegatten Y (Frau-Y und Herr-Y) abgewickelt. Zwischen der Beschwerdeführerin und der Familie Y hat eine Kompetenzaufteilung im Bereich der Geschäftsführung (gewerberechtlich und faktische Geschäftsführung) Vorgelegen und wurden sämtliche finanzielle Angelegenheiten, insbesondere steuerliche, sowie sonstige Abgaben und Überweisungen (Besorgung der Abgabenangelegenheiten) seitens Frau Frau-Y vorgenommen. Die Beschwerdeführerin war mit den Abgabenangelegenheiten nicht betraut.
Die Beschwerdeführerin ist jedoch ihrer Erkundungspflicht, wie diverse Abwicklungen bei Behörden abzufolgen haben, stets nachgekommen, musste sich jedoch trotz permanenter Erkundungen faktisch zu 100% auf das Know-How der Ehegatten Y verlassen. Dies, da diese seit Jahren die [GmbH] führten, sodass die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt Bedenken oder Zweifel an der Abwicklung von Meldepflichten gegenüber diversen Behörden durch die Ehegatten Y hatte. Darüber hinaus war die Beschwerdeführerin für Meldungen gar nicht zuständig und hatte auch keinen Zugriff zu diesen Konten der [GmbH]. Der Beschwerdeführerin wäre es faktisch gar nicht möglich gewesen, entsprechende Meldevorgänge zu überprüfen, sodass dieser nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Abgesehen davon, wusste die Beschwerdeführerin gar nicht, dass es sich (wie noch unter Punkt 1.2 der sonstigen Ausführungen näher erörtert) um vollversicherungspflichtige Dienstnehmer handelt.
Auch der VwGH führt in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 99/08/0075) aus, dass es Sache des Verantwortlichen ist, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen. Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast nicht überspannt oder so aufgefasst werden, dass die Behörde - bzw. hier das Verwaltungsgericht - von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das Erkenntnis vom , 93/08/0232).
Tatsächlich ist die Beschwerdeführerin ihrer Erkundungspflicht nachgekommen, hat auf die Auskünfte sowie das Fachwissen des Herrn Y und Frau Y sowie von Steuerberatern vertraut, sodass damit auch die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Haftung für die Meldeverstöße betreffend die Beschwerdeführerin entfallen. Die Beschwerdeführerin hat sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Mittel herangezogen und sich stets informiert, um sämtliche ihr zufallenden Aufgabengebiete jeweils ordnungsgemäß abzuwickeln. Sobald für die Beschwerdeführerin klar war, dass die Ehegatten Y ein eigenes System geführt hatten, hat diese unmittelbar ihren Rücktritt als Geschäftsführerin erklärt.
Beweis: PV, ZV Zeugin-A; ZV Zeugin-B
f. In der (offensichtlich bewusst kurz gehaltenen) Begründung des gegenständlichen Haftungsbescheides führt die belangte Behörde aus, dass sie sich veranlasst sah, die [Seite 8 des Beschwerdeschreibens] gesetzliche Haftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen. Die volle Geltendmachung der aushaftenden Beträge ist jedoch weder zweckmäßig, noch aus irgendwelchen Gründen (insbesondere weder Spezial noch generalpräventiv oÄ.) geboten.
Dementsprechend wäre gegenständlich die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens mit Bescheid allenfalls zu ermahnen gewesen, zumal grundsätzlich hier auch ein geringes Verschulden vorliegt und insbesondere durch die volle Geltendmachung unter Berücksichtigung des Sachverhaltes und der persönlichen und finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin ein entsprechendes Ermessen dahingehend auszuüben gewesen wäre, dass der Beschwerdeführerin selbst auch die Möglichkeit eines finanziellen Überlebens für sich selbst und ihre Kinder gewährleistet wird. Sollte der Betrag tatsächlich von der Beschwerdeführerin zur Gänze bezahlt werden müssen, so ist davon auszugehen, dass eine Privatinsolvenz unumgänglich ist und damit auch das Finanzamt lediglich eine geringfügige Quote erhalten wird. Dies kann insbesondere im Hinblick auf den gegenständlichen Sachverhalt und auch § 20 BAO nicht zweckmäßig sein.
Zusammengefasst verfügt die Beschwerdeführerin über:
- Schulden/Verbindlichkeiten iHv EUR 120.000,00
- Einkommen iHv EUR 1.026,65 (brutto)
- Monatlichen Ausgaben und Fixkosten iHv EUR 1.000,00
- Sonstiges Vermögen KEINES
- Sorgepflichten für drei minderjährige Kinder
Zur besseren Übersicht wird ein Vermögensverzeichnis beigelegt, welches jedoch noch nicht eingebracht wurde.
Beweis: Vermögensverzeichnis analog IO (Beilage ,/C);"
Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Als Begründung ist dem Bescheid zu entnehmen:
"[Seite 1 der Beschwerdevorentscheidung] Auf die Begründung des Haftungsbescheides vom wird verwiesen bzw. wird diese wie folgt ergänzt:
In der Beschwerde wird angeführt, dass die Mitarbeiterin Frau Frau-Y ebenfalls für dieLohnabgaben 2014 idHv. insg. € 7.946,13 gern. § 33 Abs. 5 FinStrG verurteilt wurde und somit dieser Betrag bei Ihrer Haftungsinanspruchnahme in Abzug zu bringen ist.
Gern. § 7 Abs. 1 BAO werden Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 224 Abs. 1 BAO) zu Gesamtschuldnern. Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, sind Gesamtschuldner (Mitschuldner zu ungeteilter Hand, § 891 ABGB). Wesen der Gesamtschuld ist somit, dass der Gläubiger die Mitschuldner nicht nur anteilsmäßig in Anspruch nehmen darf, sondern dass er auch die gesamte Schuld nur einem einzigen der Gesamtschuldner gegenüber geltend machen darf (Ritz, BAO, 5.Auflage (2014) § 6 Rz 2).
Da Sie ebenfalls gern. § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit.b FinStrG für die o.a. Lohnabgaben verurteilt wurden, erfolgte die Haftungsinanspruchnahme für die Lohnabgaben 2014 zu Recht.
Im Zuge der Beschwerde wird darauf hingewiesen, dass im Vorhalt betreffend der [Seite 2 der Beschwerdevorentscheidung] Heranziehung zur Haftung ein Betrag von € 46.392,03, im Finanzstraferkenntnis ein Verkürzungsbetrag von € 41.382,42 sowie im angefochtenen Haftungsbescheid eine Summe von € 36.478,54 angeführt sind und es Ihnen unklar ist, wie die Abgabenrückstände ermittelt wurden.
Am schienen am Abgabenkonto der Gesellschaft - nach Abzug der erzielten Insolvenzquote - Abgabenschuldigkeiten idHv. € 46.392,03 aus und daher wurde ein Vorhalt betreffend der Heranziehung zur Haftung gern. § 9 iVm. §§ 80ff BAO für diese Abgabenrückstände gefertigt.
Am wurden Sie vom Spruchsenat I beim Finanzamt Graz-Stadt als Organ des Finanzamtes Graz-Stadt als Finanzstrafbehörde für die Lohnabgaben 2014 und 2015 sowie für die Umsatzsteuer 2014 idHv. insg. € 41.382,42 gern. FinStrG verurteilt.
In diesem Finanzstrafverfahren fand die Insolvenzquote keine Berücksichtigung. Nach Rechtskraft dieses Erkenntnisses hat die Abgabenbehörde einen Haftungsbescheid gern. § 11 BAO idHv. € 36.478,54 ausgestellt.
Die Haftungssumme gern. § 11 BAO ist nicht gleich hoch wie die Abgabenschuldigkeiten, die im Finanzstrafverfahren von Bedeutung waren, da bei allen haftungsgegenständlichen Abgaben, die im Insolvenzverfahren erzielte Insolvenzquote von 2,20324% (wie im Haftungsbescheid vermerkt) in Abzug gebracht wurde (z.B.: Umsatzsteuer 2014 € 25.612,33 abzügl. 2,20324% = 25.048,03). In weiterer Folge scheinen bei den Lohnabgaben 2015 nur mehr die in Haftung gezogenen Beträge als offen am Abgabenkonto aus, sodass die Haftungsinanspruchnahme auch nur in dieser Höhe erfolgte.
Außerdem ist festzuhalten, dass im Haftungsvorhalt vom die Umsatzsteuer 08/2015 sowie die von der GmbH gemeldeten Lohnabgaben 09/2015 enthalten waren, aber für diese Abgabenschuldigkeiten erfolgte per dato noch keine Haftungsinanspruchnahme.
Sie verweisen in Ihrer Beschwerde auf die am eingebrachte Stellungnahme.
Die Haftung ist eine unbeschränkte Primärhaftung und keine Ausfallshaftung und knüpft an die bescheidmäßige oder urteilsmäßige Bestrafung an. Bei der Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO kommt es aber nicht darauf an, dass Sie für die kaufmännischen Angelegenheiten nicht zuständig waren bzw. dass Sie die Geschäfte der GmbH nicht geführt und sich auf die faktischen Geschäftsführer verlassen haben.
Eine Haftung nach § 11 BAO setzt eine Entscheidung im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren voraus, mit der der Verurteilte eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig schuldig gesprochen wurde. Der Täter oder andere an der Tat Beteiligte muss somit schon vor Heranziehung zur Haftung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig verurteilt worden sein (; , 1999/16/0141, , 2009/16/0210). Sie trägt den Charakter einer Schadenersatzhaftung (Ritz, BAO3, § 11 Tzl, mit Hinweis auf Kopecky) und ist ein Instrument zur Sicherung der verkürzten Abgaben, die beim Primärschuldner nicht eingebracht werden können.
Zu Ihrem Hinweis, dass Ihre finanzielle Lage prekär ist, wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, der darin anführt, dass die Abgabenbehörde die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden bei Ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigen kann und persönliche Umstände wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder eine Vermögenslosigkeit des Haftenden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung stehen ( und 2006/15/0089; , 2004/13/0142; , 2006/13/0197).
Außerdem schließt eine derzeitige Uneinbringlichkeit auch nicht aus, dass künftig neu [Seite 3 der Beschwerdevorentscheidung] hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten ().
Die Haftungsinanspruchnahme gern. § 11 BAO ist die letzte Möglichkeit offene Abgabenschuldigkeiten einzubringen, da die GmbH am gern. § 40 FGB infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde.
Aus o.a. Gründen konnte Ihrem Beschwerdebegehren nicht entsprochen werden und die Heranziehung bislang nicht entrichteter Abgaben erfolgte daher zu Recht."
Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsanwaltlichen Vertreter ohne weiteres Vorbringen die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zur Entscheidung.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am samt Verwaltungsakt elektronisch vor. Der Stellungnahme im Vorlagebericht ist zu entnehmen:
"Bei der Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO kommt es (lediglich) auf eine rechtskräftige Verurteilung des Täters an. Die Formulierung 'Täter und andere an der Tat Beteiligte' nimmt auf § 11 FinStrG Bedacht, wonach nicht nur der unmittelbare Täter das Finanzvergehen begeht, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, es auszuführen, oder sonst zu seiner Ausführung beiträgt. Der Haftungstatbestand ist durch jede Art der Beteiligung am Finanzvergehen erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, welche Bedeutung dem Tatbeitrag für die Verwirklichung der Tat beizumessen ist.
Die Haftungspflichtige wurde am eines vorsätzlichen Finanzvergehens für schuldig erkannt, weshalb das Tatbestandsmerkmal des § 11 BAO erfüllt ist."
Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerde erwogen:
Bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden haften rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden (§ 11 BAO).
Haftungsvoraussetzung:
Die Haftung nach § 11 BAO setzt eine Entscheidung im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren voraus, mit der der Verurteilte eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig schuldig gesprochen wurde. Der Täter oder andere an der Tat Beteiligte muss somit schon vor seiner Heranziehung zur Haftung nach § 11 BAO wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig verurteilt worden sein ().
Soweit die Beschwerdeführerin im Beschwerdeschreiben umfangreiches Vorbringen zur Verschuldensfrage erstattet, ist festzuhalten, dass mit ihrer rechtkräftige Bestrafung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens die (einzige) Voraussetzung für die Haftung nach § 11 BAO erfüllt ist, weshalb (anders als bei der Haftung nach § 9 BAO) keine eigenständige Prüfung des Verschuldens stattzufinden hat; es ist aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung als gegeben anzunehmen.
Die (in den strafbestimmenden Bemessungsgrundlagen der hinterzogenen Abgaben Deckung findenden) haftungsgegenständlichen Abgaben hat die belangte Behörde in der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich ihrer betragsmäßigen Höhe nachvollziehbar erläutert (z. B. Kürzung um die Insolvenzquote), und wurden von Seiten der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag dagegen auch kein Vorbringen mehr erstattet.
Ermessen:
Die Inanspruchnahme als Haftender nach § 11 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde ().
Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO; vgl. auch ).
Zweck des Haftungsausspruches ist die Einhebung von Abgaben. Der Haftungssausspruch ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn eine (gänzliche oder teilweise) Abgabeneinhebung beim Haftungspflichtigen entweder sofort möglich oder zu einem späteren Zeitpunkt nicht völlig ausgeschlossen ist. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass Vermögenslosigkeit bzw. Arbeitslosigkeit des Haftenden an sich in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht, zumal es eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (für viele: ).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund war es im Hinblick auf das Lebensalter der Beschwerdeführerin jedenfalls zweckmäßig, sie zur Haftung für die hinterzogenen Abgaben heranzuziehen. Auch die mögliche Teilnahme des Abgabengläubigers an einem Verfahren nach der Insolvenzordnung (hier: die Beschwerdeführerin droht in der Beschwerde die "Privatinsolvenz" an; siehe Seite 8 zweiter Absatz des Beschwerdeschreibens) macht die Haftungsinanspruchnahme zweckmäßig, zumal nur die volle Haftungsinanspruchnahme eine die Unerheblichkeitsgrenze überschreitende Quote erhoffen lässt.
Was das umfangreiche Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Verschuldensfrage betrifft, so ist sie darauf hinzuweisen, dass im Haftungsverfahren nach § 11 BAO auch die Ermessensregelung nicht den Zweck hat, das aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung als gegeben anzunehmende Verschulden (siehe oben) einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen.
Soweit die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen zu ihren persönlichen Verhältnissen eine persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der Abgaben aufzeigen will, ist darauf zu verweisen, dass ein solcher Umstand im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ist (; zur Unmaßgeblichkeit persönlicher Umstände des zur Haftung Herangezogenen im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung vgl. auch , und ).
Von der beantragten Einvernahme der Beschwerdeführerin und zweier Zeuginnen (siehe Seite 7 des Beschwerdeschreibens) war abzusehen, weil die unter Beweis zu stellenden (die Verschuldensfrage betreffenden) Tatsachen sowohl für die Beurteilung des Vorliegens der Haftungsvoraussetzung als auch für die Ermessensentscheidung unerheblich waren (siehe oben).
Eine Ermahnung anstelle eines Haftungsausspruches (siehe Seite 8 zweiter Absatz des Beschwerdeschreibens) ist gesetzlich nicht vorgesehen, weil die Ermahnung eine Maßnahme des Strafrechts, der Haftungsausspruch hingegen eine Maßnahme der Abgabeneinhebung (und keine strafrechtliche Maßnahme) ist. Daher war es auch nicht von Belang, ob der beschwerdegegenständliche Haftungsausspruch spezial- oder generalpräventiv wirkt (siehe Seite 8 erster Absatz des Beschwerdeschreibens).
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. da diese Voraussetzung im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100007.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at