Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 29.03.2016, RV/7103063/2014

Zählen Abbrucharbeiten bereits zum Beginn der Errichtung im Sinne des § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994?

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Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zl. Ro 2016/13/0016. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Verfügung vom erledigt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7103063/2014-RS1
Vor dem durchgeführte Abbrucharbeiten zählen nicht zum Beginn der Errichtung eines Gebäudes im Sinne des § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994, weshalb im Hinblick darauf, dass die tatsächliche Bauausführung erst nach dem begonnen hat, auf die ebenfalls erst nach dem begonnene Vermietung an eine Versicherung, welche die gemieteten Räumlichkeiten unstrittig für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet, bereits § 6 Abs. 2 letzter Unterabsatz UStG 1994 in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, anzuwenden ist, sodass der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser Vermietungsumsätze nicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 verzichten kann und somit auch nicht zum Abzug der auf die Errichtung entfallenden Vorsteuern berechtigt ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden und die weiteren Senatsmitglieder im Beisein der Schriftführerin in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Steuerberater, gegen die Bescheide des Finanzamtes, vertreten durch Finanzamtsvertreterin, betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für Februar und März 2014 in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
    Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-
    Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, wurde, begleitet von einer Übergangsvorschrift in § 28 Abs. 38 Z 1 UStG, die Möglichkeit, auf die Steuerbefreiung für Vermietungsumsätze gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG zu verzichten, insoweit eingeschränkt, als der Verzicht nur mehr zulässig ist, soweit der Leistungsempfänger das Mietobjekt nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Beschwerdeführer (Bf) im Sinne der Übergangsvorschrift mit der Errichtung eines von ihm in weiterer Folge zum Teil an eine Versicherung vermieteten Gebäudes bereits vor dem begonnen hat.

Der Bf erwarb die in Rede stehende Liegenschaft, einen Stilaltbau bestehend aus Kellergeschoß, Souterrain, Erdgeschoß und drei Obergeschossen in  D-Stadt , E-Straße , mit Stiftungszuwendung vom . Das Objekt stand seit mehreren Jahren leer und war ohne Generalsanierung nicht nutzbar.

Der Magistrat der Stadt Wien bewilligte mit Bescheiden vom und vom die Vornahme  folgender Bauführung auf der Liegenschaft:
Abtragung des Dachstuhls und Errichtung eines fünften Hauptgeschosses sowie eines Dachgeschosses, beinhaltend insgesamt vier Wohneinheiten; Schaffung der erforderlichen Einlagerungsräume im Kellergeschoss für die Beheizung mittels Fernwärme; Herstellung eines Schachts für einen Feuerwehraufzug; Änderung der Raumeinteilung- und widmung in sämtlichen Geschossen; in den Lichthöfen die Herstellung von Installationsschächten und auf dem Dach eines Rückkühlers für die künftige Klimaanlage; hofseitig im 4. Obergeschoss auf der bestehenden Pawlatsche einen Zubau in Glaskonstruktion.

Mit Schreiben vom legte die Fa. X & Co GmbH ein Angebot betreffend "Abbruchvorhaben: E-Straße". Laut diesem Schreiben waren im Angebot nur die Abbrucharbeiten enthalten. Das Leistungsverzeichnis nennt folgende Arbeiten:

Baustelleneinrichtung
Abbruch Wände und Fundamente, Ziegel- und Hohlblockmauerwerk abbrechen
15cm Zwischenwand abbrechen
Verputz abschlagen, Verkleidungen abbrechen, Innenwandverkleidung Holz abbrechen
Innenwandbelag abschlagen, Wand- und Bodenfliesen
Fussboden einschließlich Unterboden abbrechen, Klebeparkett abbrechen
Polsterhölzer und Blindboden abbrechen
Beschüttung abräumen, Ziegelpflaster, Terrazzaboden, Schwimmzementestrich, Holztürstock, Zargen, Tür-, Torblätter, Garnischen abbrechen
Demontage von Steckdosen, Schaltern und Steckern
Abbruch Spannplatten, der Betonstiege, des Aufzugs
Schutzbeplankung des Hauptstiegenhauses
Schutz der Geländer und Handläufe.

An Vorkehrungen für die Abbrucharbeiten waren laut Angebot die Abtrennung von Gas-. Strom- und Wasserleistungen sowie allenfalls eine Beweissicherung erforderlich.

Die Fa. X zeigte der Baupolizei mit Schreiben vom  den als Datum des Baubeginns an und führte die Arbeiten i m Zeitraum Juli/ August 2012 aus.  Mit Schlussrechnung vom  stellt die Fa. X für diese Arbeiten rd. 101T Euro netto in Rechnung.

Am 17., schloss der Bf mit der D BaugesmbH einen Generalunternehmervertrag betreffend "Generalsanierung und Dachausbau D-Stadt, E-Straße" mit einer pauschalen Aufragssumme von 6.981.500,00 € exkl. MwSt ab. Die D BaugesmbH führte ab Baumeisterarbeiten (Arbeiten im Keller und im Bereich des Aufzugsschachts, Rahmeneinbau, Mauer- und Versetzarbeiten, Haustechnikerarbeiten, etc.) durch.

Die Fertigstellung erfolgte im Jänner 2014, mit der Vermietung des Objekts wurde im Februar 2014 begonnen. Bereits am hatte der Bf über das 2. und 3. Obergeschoss einen Mietvertrag mit der Y Versicherung AG abgeschlossen; diese nutzt die beiden Stockwerke für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze. Auf Grund seiner Rechtsansicht, dass mit der Errichtung des Gebäudes vor dem begonnen worden sei, optierte der Bf ab der UVA für Februar 2014 auf steuerpflichtige Vermietung an die Versicherung und machte (auch) aus den auf das 2. und 3. Obergeschoss entfallenden Errichtungskosten in den UVA's für Februar und März 2014 den Vorsteuerabzug (584.903,00 € und 1.344,87 €) geltend.

Die belangte Behörde versagte mit den angefochtenen Bescheiden über die Festsetzung von Umsatzsteuer für Februar und März 2014 dem Bf die Möglichkeit der Option zur Umsatzsteuerpflicht hinsichtlich der Vermietung des 2. und 3. Obergeschosses an die Versicherung, behandelte die diesbezüglichen Mieteinnahmen als steuerfrei und ließ die geltend gemachten Vorsteuern nicht zum Abzug zu. Zur Begründung verwies die belangte Behörde auf eine dem Bf am erteilte Auskunft. Darin vertritt die belangte Behörde den Standpunkt, dass die vor dem durchgeführten Arbeiten mit dem Abriss eines Altgebäudes zu vergleichen seien; diese Maßnahmen stellten jedoch keinen Baubeginn im Sinne des § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994 dar (Hinweis auf Scheiner/ Kolacny/ Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 6 Abs. 2, Anm. 111, sowie UStR 2000, Rz 899c, wonach Abbrucharbeiten noch nicht zur Errichtung des Gebäudes zählen). Die vor dem durchgeführten baulichen Maßnahmen seien daher dem Gebäudeabbruch zuzurechnen und führten nicht zu einer Errichtung vor dem .

In seinen dagegen erhobenen Beschwerden führt der Bf aus, dass die Übergangsvorschrift des § 28 Abs. 38 Z 1 UStG den Begriff der Errichtung nicht definiere. Nach Rz 899c UStR stellten Sanierungsmaßnahmen insoweit eine (Neu)errichtung eines Gebäudes dar, als diese nach ertragsteuerlichen Kriterien Herstellungsaufwand seien, wobei als Beispiel die Entkernung des Gebäudes unter Erhalt der Fassade oder der Außenwände angeführt werde. Konkret liege eindeutig aktivierungspflichtiger Herstellungsaufwand vor: einerseits sei ein nicht mehr nutzbares Gebäude durch Generalsanierung wieder voll vermietungsfähig, andererseits sei das Dachgeschoss ausgebaut worden. Der Bf sei daher als Errichter zu qualifizieren. Die Übergangsvorschrift definiere den Beginn der Errichtung mit dem Zeitpunkt, in dem - bei vorliegender Baubewilligung - tatsächliche handwerkliche Baumaßnahmen erfolgen. Die Baubewilligung für die Generalsanierung sei am erteilt worden, die X habe die Arbeiten im Juli und August 2012 am Objekt selbst vorgenommen und diese in der üblichen Zeit fortgesetzt bzw. abgeschlossen. Da die Arbeiten Herstellungsaufwand seien, habe die "Errichtung des Gebäudes" vor dem begonnen. Die Arbeiten der X & Co seien nicht mit dem Abbruch eines Gebäudes im klassischen Sinn zu vergleichen, bei welchem eine bestehendes Gebäude durch ein neu zu errichtendes ersetzt werde; sie seien am Gebäude selbst vorgenommen worden und daher nicht vorgelagert. Die X & Co habe diverse Zwischenwände ( 1. bis 3. Obergeschoss und Souterrain) abgebrochen, was nicht aus baubehördlicher Sicht oder statischen Gründen erforderlich gewesen, sondern zwecks Umsetzung des architektonischen Konzepts erfolgt sei: durch den Abbruch seien die im Umbauplan vorgesehenen größeren Räume geschaffen worden. Weiters sei eine Vielzahl von Holztürstöcken ausgelöst worden; diese seien im Keller zwischengelagert, tischlermäßig aufbereitet und wieder in das Raumkonzept integriert worden. Vor dem sei auch die gesamte Bodenschüttung in den einzelnen Geschossen abgesaugt worden (die Bodenschüttung bestehe aus Bauschutt, der bei Errichtung des Gebäudes etwa 1871 zwischen den Tramdecken und dem Unterboden aufgetragen wurde), was mit dem Aushub einer Baugrube - nach Meinung der Finanzverwaltung könne dies bei vorliegender Baubewilligung bereits als Errichtungsbeginn angesehen werden - vergleichbar sei: wie die Baugrube der Errichtung eines Fundaments, diene die Abtragung der Beschüttung der Errichtung eines neuen Bodenestrichs. Weiters sei dadurch auch die Schaffung zusätzlicher Kanäle für Elektro- und Lüftungsinstallationen ermöglicht worden.
Da die der Errichtung eines neuen Gebäudes gleichgestellte Generalsanierung der E-Straße mit den Arbeiten der Fa. X am begonnen habe, könne der Bf hinsichtlich der Vermietung des 2. und 3. Obergeschosses an die Y Versicherung auf steuerpflichtige Vermietung optieren und den Vorsteuerabzug aus den darauf entfallenden Errichtungskosten geltend machen.

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung verwiesen die Vertreter des Bf darauf, dass sich der Begriff "Bauausführung" auch in der Wiener Bauordnung finde. Nach deren § 124 Abs. 2 habe der Bauführer den Beginn der Bauführung anzuzeigen und dann auch tatsächlich zu beginnen, weil ansonsten die Baubeginnsanzeige als nicht erstattet gelte. Es habe konkret nur eine Baubeginnsanzeige gegeben, nämlich jene der Fa. X & Co GmbH. Weiters sei für reine Abbrucharbeiten keine Baubewilligung erforderlich. Die Arbeiten der Fa. X seien Teil des Gesamtkonzepts gewesen, das Gebäude sei entkernt, dann seien neue Wände aufgeführt worden. Schließlich habe die Fa. X auch Schlitze angebracht (ersichtlich aus vorgelegten Fotos), um Stahlrahmen anbringen zu können. Die Stahlrahmen seien aus statischen Gründen erforderlich gewesen, um im Hinblick auf die Vergrößerung der Räume und den Ausbau des Dachgeschosses die Tragfähigkeit des Hauses zu ertüchtigen. Diese Schlitze habe die Fa. X nicht nur dort angebracht, wo die Wände abgerissen wurden, sondern auch an weiteren im Bauplan vorgesehenen Stellen.

Die Vertreterin des Finanzamtes wies darauf hin, dass ein Bruch bestanden habe zwischen den Arbeiten der Fa. X und dem Beginn der Generalunternehmerleistung. Die Fa. X habe ihre Leistung am abgerechnet, der Generalunternehmervertrag sei danach abgeschlossen worden, begonnen habe der Generalunternehmer am . Ferner werde im Generalunternehmervertrag auf einen Grobterminplan vom verwiesen, woraus zu schließen sei, dass bereits der Oktober als Baubeginn vorgesehen gewesen sei.

Dem hielten die Vertreter des Bf entgegen, dass es aus bautechnischen Gründen durchaus üblich sei, zwei verschiedene Bauaufträge zu vergeben bzw. Verträge abzuschließen, weil die Fa. X über die Berechtigungen des Generalunternehmers nicht verfügt habe. Letzterer hätte die Abbrucharbeiten ebenfalls übernehmen und in Sub vergeben können, was dem Bf aber zu teuer gewesen wäre. Zwischen der Beendigung der Arbeiten der Fa. X und dem Beginn der Arbeiten des Generalunternehmers seien auch nur ein paar Wochen gelegen, was im Bauwesen durchaus gängig sei, wenn man an die Lieferzeit von z.B. von Zwischenwänden denke. Es habe sich um ein bewilligungspflichtiges Gesamtprojekt gehandelt, die Bewilligung sei vorgelegen, wann die Verträge ausverhandelt und abgeschlossen wurden, sei nicht entscheidend. Die Bauausführung sei streng durchgeführt worden, eine Unterbrechung habe nicht stattgefunden.

Über die  Beschwerden wurde erwogen:

§ 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 befreit die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken grundsätzlich (unecht) von der Umsatzsteuer; § 6 Abs. 2 UStG 1994 räumt dem Unternehmer die Möglichkeit ein, auf diese Steuerbefreiung zu verzichten.

Durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, wurde dem § 6 Abs. 2 UStG 1994 folgender Unterabsatz angefügt:

"Der Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 und Z 17 ist nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat diese Voraussetzung nachzuweisen."

Gemäß § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994 ist § 6 Abs. 2 letzter Unterabsatz in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 hinsichtlich § 6 Abs. 1 Z 16 auf Miet- und Pachtverhältnisse anzuwenden, die nach dem beginnen, sofern mit der Errichtung des Gebäudes durch den Unternehmer nicht bereits vor dem begonnen wurde. Als Beginn der Errichtung ist der Zeitpunkt zu verstehen, in dem bei vorliegender Baubewilligung mit der Bauausführung tatsächlich begonnen wird, also tatsächliche handwerkliche Baumaßnahmen erfolgen.

Was unter dem Begriff der "Errichtung eines Gebäudes" zu verstehen ist, definiert das Gesetz nicht. Zweifellos stellt die Schaffung eines bisher nicht vorhandenen Gebäudes eine Errichtung in diesem Sinne dar. Nach Literaturmeinungen fällt aber etwa auch die Vornahme einer Generalüberholung an einem bestehenden Gebäude, wenn dadurch das unbrauchbar gewordene Gebäude wieder voll verwendungsfähig wird, sodass nach dem Gesamtbild von einer Neuerrichtung auszugehen ist, unter den Begriff der Errichtung eines Gebäudes (vgl. Melhardt/ Reinbacher, ÖStZ 2012, 181, Pkt. 1.3.3.; Mayr/Ungericht, UStG Kurzkommentar, § 6 Anm 80d).

Dass im vorliegenden Fall - der Bf hatte das Gebäude im Jänner 2012 erworben - nicht nur in Bezug auf die Aufstockung bzw. den Ausbau des Dachgeschosses, sondern auch in Bezug auf die Generalsanierung bzw. die Umbauarbeiten im bestehenden (Alt)Gebäude mit den beiden von der Vermietung an die Versicherung betroffenen Geschossen, die u.a. zu einer Änderung der Raumeinteilung und -widmung führten, die Errichtung eines Gebäudes im Sinne der Übergangsvorschrift stattgefunden hat, ist zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens jedenfalls unstrittig. Strittig ist hingegen die Frage, wann mit dieser Errichtung begonnen wurde bzw. ob bereits die von der Fa. X im Juli/August 2012 durchgeführten Arbeiten als Errichtungsbeginn anzusehen sind.

Verwaltungspraxis und Literaturmeinungen zählen vorgelagerte Abbrucharbeiten nicht zur Errichtung des Gebäudes (Rz 899c UStR; Melhardt/ Reinbacher, ÖStZ 2012, 181, Pkt. 1.3.2.); Abrissarbeiten (Entkernung des Gebäudes) werden noch nicht als Bautätigkeit, sondern als Bauvorbereitung angesehen (Mayr in Scheiner/ Kolacny/ Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer- UStG 1994, 6 Abs. 2, Tz 112/2). Die in der Übergangsvorschrift verwendeten Begriffe "Bauausführung" und "handwerkliche Baumaßnahmen" deuten ebenfalls darauf hin, dass die vor dem gesetzten Schritte solche sein müssen, mit denen die Schaffung von etwas Neuem - eben ein "Bau" - in Angriff genommen wird. Abbrucharbeiten schaffen demgegenüber nichts Neues, sie dienen wie etwa die Planung der Vorbereitung der Errichtung.

Die Qualifikation als Abbrucharbeiten kann auch nicht davon abhängig sein, ob die Arbeiten zum gänzlichen oder nur zum teilweisen Abriss des Altgebäudes führen. Geht man davon aus, dass die Generalsanierung eines vorhandenen Gebäudes ebenso eine Errichtung im Sinne der Übergangsvorschrift darstellen kann wie, nach gänzlichem Abbruch des Altgebäudes, die Schaffung eines bisher nicht vorhandenen Gebäudes, müssen auch in beiden Konstellationen die vorgenommenen Abbrucharbeiten gleich behandelt werden. Allein der Umstand, dass die Fa. X das gegenständliche Gebäude nicht zur Gänze abgerissen hat, nimmt daher den von dieser ausgeführten Arbeiten nicht den Charakter von Abbrucharbeiten.

Die Fa. X hat, wie dem Angebot bzw. Leistungsverzeichnis unmissverständlich zu entnehmen ist, reine Abbrucharbeiten vorgenommen (Angebot vom : "Im Angebot sind nur die Abbrucharbeiten enthalten ..."). Auch die Absaugung der Bodenschüttung stellte eine Abbruchmaßnahme dar und kann mit dem Aushub einer Baugrube nicht verglichen werden. Die von der Fa. X in Wänden und Decken angebrachten Schlitze, in die im Zuge der späteren Bauausführung Stahlrahmen eingefügt wurden, gehen ebenfalls über eine bloße Abbruchmaßnahme nicht hinaus (zumal die Fa. X in ihrem Angebot ja ausdrücklich nur "Abbrucharbeiten" anspricht). Es kann keinen Unterschied machen, wie weitreichend eine Abbruchmaßnahme ist, ob sie sich auf das Herausreißen bzw. Herausfräsen eines breiteren oder schmäleren Schlitzes aus einer Zwischendecke/Wand beschränkt oder ob sie sich auf das Abreißen der gesamten Zwischendecke/Wand erstreckt. Auch der Umstand, dass in die Schlitze später Stahlrahmen eingefügt wurden, führt nicht dazu, im Anbringen der Schlitze bereits den Beginn der Bauausführung zu sehen; an die Stelle jeglicher abgerissener Gebäude bzw. Gebäudeteile tritt letztlich durch nachfolgende Baumaßnahmen etwas Neues.

Dass die Abbrucharbeiten Teil eines Gesamtkonzepts waren, ist verständlich und wird wohl auf jede Abbruchmaßnahme, der eine Errichtung folgt, zutreffen, daran, dass diese Arbeiten bloß der Errichtung vorgelagert sind, ändert dies aber nichts. Der Beginn der Bauausführung wurde in der Übergangsvorschrift abschließend mit dem Zeitpunkt definiert, in dem "tatsächliche handwerkliche Baumaßnahmen" erfolgen (Begründung zum Abänderungsantrag in der 2. Lesung des Nationalrats, AB 1707 BlgNR 24. GP), weshalb es nicht geboten ist, auf den in der Wiener Bauordnung enthaltenen Begriff der Bauführung zurückzugreifen, und weshalb dem Umstand, dass die Fa. X die in § 124 Abs. 2 der Wiener Bauordnung vorgesehene Baubeginnsanzeige erstattet hat bzw. dass die Baubeginnsanzeige vor dem erstattet wurde und bei Unterlassung des Baubeginns als nicht erstattet gegolten hätte, keine Bedeutung für die vorliegende Frage zukommt.

Die Arbeiten der Fa. X & Co GmbH waren nicht darauf gerichtet, Neues zu schaffen. Sie wurden auch abgeschlossen und abgerechnet, bevor der Bf die Fa. D BaugesmbH am 17., als Generalunternehmer mit Generalsanierung und Dachausbau beauftragte und die Fa. D am ihre Baumeisterarbeiten aufnahm, waren also sachlich und zeitlich von der tatsächlichen Bauausführung klar getrennt. Tatsächliche handwerkliche Baumaßnahmen im Sinne der Schaffung von etwas Neuem, Maßnahmen, mit denen die Generalsanierung und Dachausbau umfassende Errichtung tatsächlich begonnen wurde, sind damit erst nach dem erfolgt.

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage dient die Übergangsvorschrift zur Vermeidung von Härten. Bereits in Errichtung befindliche Gebäude sollten von der Neuregelung ausgenommen werden, weil in diesen Fällen die Dispositionsmöglichkeit des Errichters eingeschränkt war (Mayr in Scheiner/ Kolacny/ Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer- UStG 1994, § 6 Abs. 2 Tz 112). Das Vorliegen einer Baubewilligung allein schließt nach der Übergangsvorschrift die Anwendung der Neuregelung nicht aus. Die Übergangsvorschrift mutet somit demjenigen, der vor dem bereits Pläne erstellt und eine Baubewilligung eingeholt (aber mit der Errichtung noch nicht begonnen) hat, zu, neu zu disponieren bzw. umzuplanen. Nichts anderes kann für den vorliegenden Fall gelten: Da der Bf mit der Ausführung von Generalsanierung und Dachausbau noch nicht vor dem  begonnen hatte, war er im Sinne der Übergangsvorschrift ebenfalls in seiner Dispositionsmöglichkeit nicht eingeschränkt bzw. hatte er - ungeachtet der bereits vorgenommenen Abbrucharbeiten - die Möglichkeit, in Ansehung der neuen Rechtslage bezüglich der Neugestaltung der Räumlichkeiten im 2. und 3. Oberschoss so umzudisponieren bzw. umzuplanen, dass er nicht auf eine Vermietung an einen unecht befreiten Leistungsempfänger angewiesen ist. Der Zweck der Übergangsvorschrift zwingt daher nicht dazu, den Beginn der Errichtung bereits mit dem Beginn der Abbrucharbeiten anzunehmen.

Aus den dargelegten Gründen schließt sich das erkennende Gericht der in der Verwaltungspraxis vorherrschenden Meinung an, dass Abbrucharbeiten und so auch die konkret von der Fa. X & Co GmbH durchgeführten Abbrucharbeiten noch nicht den Beginn der Bauausführung darstellen. Da die tatsächlichen handwerklichen Baumaßnahmen zur Durchführung der bewilligten Bauführung (Generalsanierung und Dachausbau), mit denen die Fa. D BaugesmbH beauftragt war, erst nach dem begonnen haben, ist auf die ebenfalls erst nach dem begonnene Vermietung des 2. und 3. Obergeschosses an die Y Versicherung AG, welche die gemieteten Räumlichkeiten unstrittig für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet, bereits § 6 Abs. 2 letzter Unterabsatz UStG 1994 in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 anzuwenden, weshalb der Bf hinsichtlich dieser Vermietungsumsätze nicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 verzichten kann und somit auch nicht zum Abzug der auf die Errichtung dieser beiden Geschosse entfallenden Vorsteuern berechtigt ist.

Die Beschwerden waren daher spruchgemäß abzuweisen.

Zur Frage der Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegenständlich war nicht bloß die Tatsachenfrage, ob die Arbeiten der Fa. X als Abbrucharbeiten einzustufen sind, zu beurteilen. Die Frage, ob Abbrucharbeiten am Altbestand unter den Begriff "Beginn der Errichtung" im Sinne des § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994 subsumiert werden können, stellt eine Rechtsfrage dar; zu dieser gibt es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. In seinem zu § 10a Abs. 1 EStG 1988 (Sonderregelung zum IFB für die Jahre 1993 und 1994, wo es in ähnlicher Weise um den Beginn der tatsächlichen Bauausführung ging) ergangenen Erkenntnis vom ließ es der Verwaltungsgerichtshof dahingestellt, ob reine Abbrucharbeiten am Altbestand bereits zur tatsächlichen Bauausführung hinsichtlich der Bauarbeiten gehören (). Die Revision war daher spruchgemäß zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Rauner in
Fuhrmann/Lang in taxlex 2016, 233
Schefzig in
Zorn in RdW 2017/386
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7103063.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at