Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.10.2015, RV/7103117/2014

Erfinderbegünstigung Patent nicht erteilt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache Bf., Adresse, vertreten durch WT , gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom , betreffend Einkommensteuer 2008 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird abgewiesen, der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Herr Bf. (Beschwerdeführer, Bf.) reichte am eine Einkommensteuererklärung für 2008 ein und beantragte die Anwendung des Hälftesteuersatzes (Kennzahl 423) für einen Betrag von € 51.513,80. Dieser Betrag resultiere laut dem Schreiben vom aus einer Vergleichszahlung betreffend Abfindungen patentrechtlich geschützter Erfindungen seiner ehemaligen Dienstgeberin DG (DG) iHv € 85.000,00 abzüglich der als Werbungkosten abzuziehenden Kosten der Rechtsvertretung im vorgelagerten Arbeitsgerichtsverfahrens in Höhe von 16.486,20 €.

Zum Nachweis legte der Bf. je eine Kopie der Vergleichsvereinbarung vom , der Honorarnote seines Rechtsvertreters im Arbeitsgerichtsverfahren sowie eine Patentanmeldung Zahl beim Europäischen Patentamt vor. Letztere weist den Bf. ausdrücklich als (Mit-)Erfinder aus.

Mit Einkommensteuerbescheid vom wich das FA von der Erklärung ab und führte begründend aus, dass die Diensterfindungsvergütung iHv € 85.000,00 nach dem Tarif zu versteuern sei, da der Arbeitnehmer (Bf.) zum Zeitpunkt der Auszahlung wegen Pensionierung keine laufenden Bezüge aus dem Dienstverhältnis zur DG mehr bezogen habe.

Der ermäßigte Steuersatz nach § 37 Abs. 1 EStG 1988 könne zwar grundsätzlich für derartige Diensterfindungsvergütungen angewendet werden, da auch die Voraussetzungen des § 38 EStG vorlägen, doch wäre die gleichzeitige Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 37 Abs. 1 EStG (Hälftesteuersatz) und des – bereits im Lohnzettel beantragten und im Einkommensteuerbescheid 2008 geltend gemachten – steuerfreien Fünftels gemäß § 67 Abs. 8 lit. a EStG (€ 17.000,00; Kennzahl 243 im Lohnzettel) nicht möglich.

Das FA vermerkte dazu, dass der ehemalige DG den Lohnzettel entsprechend korrigieren müsste, damit der Bf. (anstelle der Geltendmachung des steuerfreien Fünftels) die Halbsatzbesteuerung für die Einkünfte iHv € 68.513,80 in Anspruch nehmen könnte.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. fristgerecht am Beschwerde und beantragte die erklärungsgemäße Berücksichtigung der für Einkünfte aus der Verwertung von Patentrechten vorgesehenen und deshalb beantragten Halbsatzbesteuerung gemäß § 37 Abs. 1, dritter Teilstrich (Anm. des Gerichts: „vierter“ Teilstrich idF BGBl. I Nr. 134/2006) iVm § 38 EStG 1988 für einen Betrag von € 51.513,80 (85.000,00 minus Werbungskosten iHv 16.486,20 minus steuerfreies Fünftel iHv 17.000,00).

Der Bf. vermerkte, dass „in der entsprechenden Erklärung sämtliche vom ehemaligen Dienstgeber (DG) nach langwierigen Rechtsstreitigkeiten unter Beistand eines Rechtsanwaltes 2008 (Anm. des Gerichts: Vergleichsvereinbarung vom ) ausbezahlten Beträge […] als Halbsatzeinkünfte ausgewiesen wurden“. Es handle sich „bei den dargestellten Einkünften“ um Einkünfte aus der Verwertung von Patentrechten gemäß § 38 EStG.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 38 EStG 1988 verwies der Bf. auf Jakom, EStG 2013, § 38 Rz 14: Sind Vergütungen für Diensterfindungen aber zur Gänze zum vollen Tarif zu versteuern, weil dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Auszahlung keine laufenden Bezüge aus dem früheren Dienstverhältnis mehr zugeflossen sind, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 38 im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung kommen.“

Aufgrund dieser Aussagen und der Formulierung des FA im Einkommensteuerbescheid 2008 („[…] weil sie selbst Erfinder sind […]“) sei § 38 EStG 1988 auf die erklärten Einkünfte anwendbar.

Hinsichtlich der gleichzeitigen Anwendbarkeit von § 67 Abs. 8 (Fünftelregelung) und § 37 Abs. 1 EStG 1988 (Halbsatzeinkünfte) verwies der Bf. ua auf § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988, wonach „die Anwendbarkeit der Fünftelregelung lediglich i[n] Bezug auf mit dem festen Steuersatz zu besteuernde Einkommen eingeschränkt“ sei und vermerkte, dass es sich bei der konkreten Auszahlung um keine Abfertigungszahlung, sondern um die Vergütung für Patentrechte handele, „für die richtigerweise die Fünftelregelung anzuwenden“ sei.

Weiters verwies der Bf. auf die LStR Rz 1100, wonach die Steuerfreiheit von einem Fünftel „[…] als Abschlag für einen Progressionseffekt durch die Zusammenballung von Bezügen“ normiert wurde und „auch bei einer allfälligen Veranlagung erhalten bleibt.“ Dieser Umstand sei im konkreten Fall durch die einmalige Auszahlung des Vergleichsbetrages eingetreten.

Bezüglich des § 37 Abs. 7 EStG 1988 führte der Bf. aus, dass die dort befindlichen Ausnahmebestimmungen auf den konkreten Fall nicht anwendbar wären, insbesondere weil „keinerlei Einkommensteile nach § 67 mit dem festen Steuersatz von 6 %“ besteuert wurden.

Zusätzlich verweist der Bf. auf Jakom 2013, § 38, Rz 14, wonach § 38 EStG 1988 als Tarifbegünstigung nicht auf eine bestimmte Einkunftsart beschränkt sei.

Die besondere Besteuerung für die Verwertung von Patentrechten gelte als „sachliche Begünstigung, welche zur Förderung von Forschung und Entwicklung und damit zusammenhängenden patentrechtlich zu schützenden Erfindungen gewährt“ werde.

Zusammenfassend führte der Bf. aus, dass „eine Ausnahmebestimmung, wonach Vergleichsbeträge, welche unter Anwendung des § 67 Abs. 8 EStG 1988 um ein Fünftel gekürzt wurden, von der Anwendbarkeit des § 37 iVm § 38 leg.cit. ausgeschlossen wäre[n], […] dem Gesetz nicht zu entnehmen“ sei. Die Halbsatzbestimmung für die Verwertung von Patentrechten sei aus Sicht des Bf. „somit als komplementär zur Fünftelregelung zu beurteilen“ und unabhängig davon anzuwenden.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies das FA die Beschwerde als unbegründet ab, und führte aus, dass die gegenständliche Vergütung eine Vergleichssumme im Sinne des § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 darstelle, worauf ein Fünftel steuerfrei belassen werden könnte, jedoch die Anwendung des Hälftesteuersatzes ausgeschlossen sei. Die DG habe die streitgegenständliche Zahlung als Vergleichssumme iSd § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 behandelt und dabei ein Fünftel (€ 17.000,00) steuerfrei belassen, weshalb die Zahlung als Vergleichssumme und nicht als Diensterfindung iSd § 67 Abs. 7 EStG 1988 zu qualifizieren sei. Das FA führte dazu wörtlich aus, dass „mit der Einstufung als gerichtliche oder außergerichtliche Vergleichssumme diese Zahlung den Charakter der Diensterfindung verliert und somit nur im Sinne des § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 als lex specialis behandelt werden kann.“

Hinsichtlich der Behandlung von Patenteinkünften, die aus einem ehemaligen Dienstverhältnis zufließen, verwies das FA auf die UFS-Entscheidung RV/3815-W/10 vom (Anm. des Gerichts: wurde auch dem Akt beigelegt):

„Bezieht der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auszahlung infolge Pensionsantrittes aus dem früheren Dienstverhältnis keinen laufenden Bezug, dann hat der Dienstgeber die Vergütung für die Diensterfindung nach § 67 Abs. 10 EStG 1988 zum Tarif zu versteuern. Die Begünstigung (gemäß § 67 Abs. 7 EStG) ist nicht anwendbar, weil das Jahressechstel ohne laufende[n] Bezug gleich 0,00 € wäre. Da jedoch in diesem Fall die Vergütung nicht einmal zum Teil mit dem festen Steuersatz versteuert wird, kann im Rahmen der Veranlagung unter den Voraussetzungen des § 38 der begünstigte Steuersatz des § 37 Abs. 1 EStG 1988 beantragt werden.“

Das FA teilte die Ansicht des Bf., dass im gegenständlichen Fall die Vergütung nicht einmal „zum Teil“ mit dem festen Steuersatz besteuert wurde. Das FA wies aber erneut darauf hin, dass die Fünftelregelung gemäß § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 auf die Vergleichssumme angewandt wurde.

Nach Auffassung des FA würde das Vorbringen des Bf. (Beschwerde), dass im Einkommensteuergesetz die Anwendbarkeit der Fünftelregelung lediglich in Bezug auf mit dem festen Steuersatz zu besteuernde Einkommen eingeschränkt sei, bedeuten, dass gerichtliche oder außergerichtliche Vergleiche über Vergütungen von Patenten günstiger besteuert würden (Fünftelregelung und Hälftesteuersatz), als Vergütungen von Diensterfindungen, über die kein Vergleich geschlossen werde (fester Steuersatz oder Hälftesteuersatz). Dies wäre nicht sachgerecht und könnte keinesfalls im Sinne des Gesetzes sein.

Mit Schreiben vom beantragte der Bf. fristgerecht die Vorlage seiner Beschwerde mit dem unveränderten Begehren auf Anwendung des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 1, dritter Teilstrich (Anm. des Gerichts: „vierter“ Teilstrich idF BGBl. I Nr. 134/2006) iVm § 38 EStG 1988 auf den Betrag von € 51.513,80.

Der Bf. ergänzte sein bisheriges Beschwerdevorbringen um diverse Vergleichsberechungen und führte aus, dass es sich bei § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 nicht um eine lex specialis-Bestimmung handeln könne, da der – um ein Fünftel gekürzte – restliche Vergleichsbetrag unabhängig von Charakter und Herkunft der Einkunftsart entsprechend der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen („und auch Begünstigungen“) zu versteuern sei. Der Gesetzgeber hätte andernfalls einen Ausschluss von der Anwendbarkeit des Hälftesteuersatzes – entsprechend § 37 Abs. 7 EStG 1988 – für im Wege des § 67 Abs. 8 lit. a leg.cit. um ein Fünftel gekürzte Einkünfte dezidiert anführen müssen.. Die Intention des Gesetzgebers derartiges zu unterlassen sei darin gelegen,, dass „die Kürzung der Einkünfte um ein Fünftel gemäß § 67 Abs. 8 lit. a leg.cit. wohl niemals denselben für den Steuerpflichtigen positiven Effekt erreichen“ könne, „als die für den Steuerpflichtigen wohl wesentlich günstiger gestaltete Bestimmung[,] den Einkommensteil mit einem festen Steuersatz von 6 % zu besteuern“.

Die beiden – beschwerdegegenständlichen – Bestimmungen (§ 67 Abs. 8 lit. a und § 37 Abs. 1 iVm § 38 EStG 1988) würden nach Ansicht des Bf. vom FA zu Unrecht als konkurrierend beurteilt. Die Fünftelregelung sei darin begründet, den Progressionseffekt durch Zusammenballung von Einkünften zu reduzieren,   wohingegen die Begünstigung für Patenteinkünfte „demgegenüber ihren Ursprung in ganz anderen vom Gesetzgeber gewollten Lenkungseffekten („Forschungsförderung“)habe. Es handle „sich somit um eine Komplementär-Bestimmung, die durch die Anwendbarkeit der Fünftelregelung keinesfalls ausgeschlossen werden“ dürfte. Daher seien die Zusammenballung der Einkünfte und die Auszahlung von Patenteinkünften steuerlich getrennt zu berücksichtigen und kummulativ anzuwenden

Die Ausführungen des FA, dass bei kummulativer Anwendung Vergleiche über Vergütungen von Patenten günstiger besteuert würden, als Vergütungen von Diensterfindungen, über die kein Vergleich geschlossen werde, seien zwar zutreffend, stellten aber eine sachgerechte Begünstigung dar.

Der Bf. führte weiters aus, dass „eine ebenfalls komplementär vorzunehmende Behandlung von Steuerbestimmungen […] auch bei anderen einkommensmindernden Sonderbestimmungen statt“ fände und verwies auf die unabhängig voneinander zu berücksichtigenden Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen.

Ergänzend verwies der Bf. auf die „erhebliche steuerliche Benachteiligung“ der „isolierten Anwendung der Fünftelregelung nach § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988gegenüber der „isolierten Anwendung der Halbsatzbegünstigung nach § 37 iVm § 38 EStG […], womit wiederum erklärt wird, dass eine isolierte Anwendung der einen oder anderen Begünstigung vom Gesetzgeber keinesfalls gewollt sein kann“ (hiezu finden sich im Vorlageschriftsatz diverse erklärende Berechnungen).

Für den Fall der Abweisung seines oben dargestellten Begehrens beantragte der Bf. eventualiter (bei Abweisung seines Beschwerdebegehrens) die Anwendung des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 1, dritter Teilstrich (Anm. des Gerichts: „vierter“ Teilstrich idF BGBl. I Nr. 134/2006) iVm § 38 EStG 1988 auf die gesamte Vergleichssumme nach Abzug der Werbungskosten (Kosten des Rechtsstreits) iHv. 16.486,20 ( 85.000,00 € - 16.486,20 = 68.513,80).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wurde der Entscheidung zugrunde gelegt:
Der Bf. bezog im Veranlagungsjahr 2008 neben seinen Einkünften aus Pensionsbezügen, Einkünfte aus der Auszahlung einer Vergleichssumme seiner ehemaligen Dienstgeberin (DG) iHv € 85.000,00.

Der Bf. war, wie aus dem elektronisch Akt ersichtlich, bis als technischer Angestellter nichtselbständig bei der DG beschäftigt. Nach Beendigung seines Dienstverhältnis klagte der Bf. seine ehemalige Dienstgeberin vor dem Arbeits- und Sozialgericht, welches Verfahren mit Vergleich vom endete. Mit diesem Vergleich verpflichtete sich der DG zur Auszahlung einer Vergleichssumme iHv € 85.000,00 an den Bf. womit sämtliche Ansprüche des Bf. zu dem vom Bf. behaupteten, von der DG jedoch bestrittenen, erfindungswesentlichen Beitrag zu jener Erfindung, welche mit Patentanmeldung Zahl vom  beim europäischen Patentamt angemeldet wurde, abgegolten waren.

Aus den dem BFG vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass der Bf. in der genannten Patentanmeldung vom beim europäischen Patentamt durch die Muttergesellschaft der DG Mutterges. ausdrücklich als einer von zwei Miterfindern angeführt wird.

Die Kosten des Rechtsstreites wurden von den Parteien jeweils selbst getragen. Der Bf. konnte aufgrund der Vorlage der Honorarnote des für ihn eingeschrittenen Rechtsanwaltes RA (RA) Kosten der Rechtsvertretung in diesem Rechtsstreit im Betrag von  € 16.486,20 nachweisen, diese Kosten waren vom FA bereits im bekämpften Bescheid als Werbungskosten berücksichtigt worden.

Die DG ordnete die von ihr an den Bf. geleistete Zahlung als Vergleichssumme iSd § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 ein und behandelte demgemäß ein Fünftel (€ 17.000,00) steuerfrei.

Wie sich aus dem europäischen Patentregister ergibt, wurde der anmeldenden Muttergesellschaft Mutterges. am die beabsichtigte Patenterteilung angekündigt, allerdings unterblieb seitens der Anmelderin die fristgerechte Gebührenentrichtung weshalb die Anmeldung als zurückgenommen galt. Eine Patenterteilung unterblieb daher.

Über Nachfrage des BFG ob im Jahr 2008 in Österreich und/oder Deutschland oder einen anderen Land ein aufrechtes Patent bestanden habe, teilte die Mutterges. mit Schreiben vom   mit, dass am zwar eine Patentanmeldung zur Schutzrechtsnummer Nummer; Europa-Patent Nr. Zahl1 erfolgt sei, diese aber am zurückgezogen worden sei.

Von diesem Schreiben wurde die steuerliche Vertretung des Bf. telefonisch und nochmals mit E-Mail vom in Kenntnis gesetzt und aufgefordert mitzuteilen, ob entgegen dem Ermittlungsstand des BFG in irgendeinem Land ein Patent eingetragen worden sei. Ein Patenteintragung in einem anderen Register wurde vom Bf. jedoch nicht behauptet. Das BFG geht daher davon aus, dass das angemeldete Patent zu der vom Bf. miterfundenen Deckelanordnung des Produkt letztlich in keinem Land als Patent eingetragen wurde.

Strittig ist, ob durch die Anwendung des § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 (steuerfreies Fünftel) eine zusätzliche Anwendbarkeit des § 37 Abs. 1 iVm § 38 EStG 1988 (Hälftesteuersatz) auf den – nach Abzug des steuerfreien Fünftels – verbleibenden Restbetrag der erhaltenen Vergleichssumme (€ 51.513,80) ausgeschlossen wird bzw. ob alternativ der Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 38 EStG 1988 auf die um die Kosten des Rechtsstreits verminderte Vergleichszahlung anzuwenden ist.

§ 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 102/2007 lautet:
„Auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhende Vergleichssummen, sind, soweit sie nicht nach Abs. 3, 6 oder dem letzten Satz mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. […]“

Vergleichssummen sind demgemäß Zahlungen aus dem Dienstverhältnis, die auf einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich beruhen. Unter „Vergleich“ versteht man einen Neuerungsvertrag (§ 1380 ABGB), durch welchen streitige oder zweifelhafte (bereits bestehende) Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun, oder zu unterlassen verbindet (; -I/08). Da der Vergleich sich immer auf die Vergangenheit bezieht, ist es nicht erforderlich, dass die Vergleichssumme neben einem laufenden Bezug gezahlt wird (Doralt, EStG14, § 67 Tz 82).

Bei dem von der DG an den Bf. ausgezahlten Betrag iHv € 85.000,00 handelt es sich um eine Zahlung aus dem Dienstverhältnis, die auf der Vergleichsvereinbarung vom beruht und daher vom Dienstgeber zu Recht (tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Begünstigung ist lediglich das Anfallen einer Vergleichssumme, die auf einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich beruht; -F/08) als Vergleichssumme gemäß § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 im Lohnzettel ausgewiesen wurde.

Vergleichssummen, Kündigungsentschädigungen und Nachzahlungen sind - nach Abzug der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge und des steuerfreien Teiles von einem Fünftel - gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 nach dem Lohnsteuertarif zu versteuern. Die Steuerfreiheit des steuerfreien Teiles von einem Fünftel dient als pauschale Berücksichtigung für allfällige steuerfreie Zulagen und Zuschläge oder sonstige Bezüge sowie als Abschlag für einen Progressionseffekt durch die Zusammenballung von Bezügen und bleibt auch bei einer allfälligen Veranlagung erhalten (ErlRV 311 BlgNR XXI. GP; -F/08; ).

Bei der Lohnsteuerberechnung gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 ist ein monatlicher Lohnzahlungszeitraum zu unterstellen. Werden im Kalendermonat der Auszahlung Vergleichssummen, Kündigungsentschädigungen und Nachzahlungen gleichzeitig mit laufenden Bezügen, die zum Tarif zu versteuern sind, ausgezahlt, sind sie den laufenden Bezügen des Kalendermonats zuzurechnen und gemeinsam nach dem Monatstarif (unter Berücksichtigung eines monatlichen Lohnzahlungszeitraumes) zu versteuern. Erfolgt die Zahlung nicht im Kalendermonat der Beendigung des Dienstverhältnisses, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, ist ein gesonderter Lohnzettel für diesen Kalendermonat auszustellen (LStR Rz 1101).

Die dementsprechende Behandlung der als Vergleichssumme qualifizierten Zahlung des DG ist aus dem bekämpften Einkommensteuerbescheid 2008 ersichtlich (€ 85.000,00 minus steuerfreies Fünftel € 17.000,00 minus Werbungskosten € 16.486,20).

Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass die Zahlung des Dienstgebers an den Bf. aufgrund der Vergleichsvereinbarung – sowohl vom Dienstgeber als auch vom FA – bei letzterem unter Berücksichtigung der Anwaltskosten als Werbungskosten - gemäß § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 102/2007 als begünstigt besteuerte Vergleichssumme behandelt wurde.

Gemäß § 37 Abs. 1 EStG 1988 ermäßigt sich der Steuersatz für Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Erfindungen (§ 38) auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittsteuersatzes.

§ 38 EStG 1988 lautet:
(1) Sind im Einkommen Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Erfindungen durch andere Personen enthalten, so ermäßigt sich der Steuersatz auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes. Diese Begünstigung steht nur dem Erfinder selbst zu.

(2) Der patentrechtliche Schutz muß für jenen Zeitraum gegeben sein, für den Lizenzzahlungen erfolgen oder in dem die Erfindung veräußert wird. Die Erfindung muß in jenem Gebiet patentrechtlich geschützt sein, in dem sie im Sinne des Abs. 1 verwertet wird; erfolgt diese Verwertung im Ausland, so genügt es, wenn die Erfindung in Österreich patentrechtlich geschützt ist.

(3) Der ermäßigte Steuersatz steht nur für Veranlagungszeiträume zu, für die der Patentschutz nach Abs. 2 aufrecht ist. Der aufrechte Patentschutz ist auf Verlangen der Abgabenbehörde vom Steuerpflichtigen nachzuweisen.

Die in § 38 Abs. 1 bis 3 EStG 1988 normierten sachlichen Anwendungsvoraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, um die Einkünfte aus der Diensterfindung der begünstigten Besteuerung unterziehen zu können (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2011, § 38 Rz 6 ff).

Der ermäßigte Steuersatz steht nur für Veranlagungszeiträume zu, für die der Patentschutz nach Abs. 2 aufrecht ist (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG 1988).

Patentrechtlich geschützte Erfindungen sind Erfindungen, die durch ein Patent tatsächlich geschützt sind; erst das Patent begründet auch die Steuerbegünstigung (). Die Abgabenbehörde ist an die Feststellung des Patentamts gebunden (Bartosch, FJ 1984, 174).

Zur Frage des aufrechten Patentschutzes führt der VwGH in seiner Judikatur mehrfach aus, dass sind nur solche Einkünfte aus der Verwertung von volkswirtschaftlich wertvollen Erfindungen steuerlich begünstigt, die tatsächlich einen patentrechtlichen Schutz genießen (; , 92/13/0146; , 92/13/0143). Wenn kein Patent erteilt wurde bzw. eine Patentanmeldung zurückgenommen wurde, ist für eine Erfindung kein patentrechtlicher Schutz eingetreten, weshalb die Anwendung des Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs. 1 EStG iVm § 38  EStG nicht gewährt werden kann (). Der Umstand, dass mit dem Tag der Patentanmeldung ein vorläufiger Patentschutz einer Erfindung gegeben ist, vermag im gegenständlichen Fall nichts daran zu ändern, dass letztlich kein Patent erteilt wurde. Der VwGH erkennt in dem zuletzt zitierten Erkenntnis zudem in der Versagung der Patenterteilung einen Wiederaufnahmegrund für den Fall, das die Erfinderbegünstigung nach Anmeldung und vor Zuerkennung eines Patentes gewährt wurde und die Patenterteilung in der Folge unterbleibt. Dabei ist offensichtlich unwesentlich, weshalb eine Patenterteilung unterbleibt. In dem vom VwGH entschiedenen Fall galt die Anmeldung wegen mangelnder Mitwirkung des Antragstellers als zurückgenommen. Gleiches muss daher wohl auch dann gelten, wenn die Patenterteilung in einem späteren Verfahrensstadium wegen Nichtentrichtung von Gebühren unterbleibt und die Anmeldung deswegen als zurückgenommen gilt.  

Wegen des fehlenden Patentschutzes kann daher der Hälftesteuersatz des § 38 EStG mangels Erfüllung der materiellrechtlichen Voraussetzungen nicht angewendet werden. Es erübrigt sich daher die Auseinandersetzung mit der Frage ob der Hälftesteuersatz kummulativ mit der Fünftelbegünstigung nach § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 zur Anwendung gelangen kann.

Das Beschwerdebegehren war daher sowohl hinsichtlich des Hauptantrages als auch des Eventualbegehrens abzuweisen. 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösenden Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet werden.

Zur vorliegenden Rechtsfrage zeigt die Judikatur des VwGH ein einheitliches Bild (; , 92/13/0146; , 92/13/0143; , 93/15/0044) und stellt klar, dass die Nichterteilung eines Patents - aus welchen Gründen auch immer - einen Ausschlussgrund für die Anwendung des begünstigten Steuersatzes nach § 37 Abs. 1 iVm § 38 EStG darstellt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Kampitsch/Reinold in MR 2019, 47
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.7103117.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at