Zuständige Abgabenbehörde für die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer bei einer verdeckten Gewinnausschüttung.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter M in der Beschwerdesache P Roland, Adresse, vertreten durch Stb gegen den Bescheid des Finanzamtes S vom , betreffend Kapitalertragsteuer die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 zu Recht erkannt:
Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 279 Abs. 1 BAO idF BGL I 2013/14 ersatzlos aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
1) Verfahren Abgabenbehörde erster Instanz
Dem Berufungswerber (Beschwerdeführer) wurden für die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 als Empfänger der Kapitalerträge, die auf die festgestellten verdeckten Gewinnaussausschüttungen vom Finanzamt S. als Wohnsitzfinanzamt des Berufungswerbers (Beschwerdeführers) in Anwendung der Bestimmung des § 95 Abs. 5 EStG 1988 direkt vorgeschrieben. In diesem Zusammenhang wird auf die Anlage I (Vorschreibung Kapitalertragsteuer) verwiesen.
In der Begründung dieser Bescheide wurde unter anderem ausgeführt, dass verdeckte Gewinnausschüttungen unter den Begriff der „sonstigen Bezüge“ im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 fielen und die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben werde (Kapitalertragsteuer). Bezüglich der gegenständlichen verdeckten Gewinnausschüttungen sei der gesetzlichen Abzugs- und Abfuhrverpflichtung (§§ 95 und 96 EStG) nicht entsprochen worden. Die Kapitalertragsteuer sei daher gemäß § 95 Abs. 5 EStG dem Berufungswerber vorzuschreiben. Hinsichtlich des Vorliegens und der Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung werde auf die betreffenden Ausführungen in den bereits zugegangenen bzw. beiliegenden Außenprüfungsberichten, die in der Anlage zu diesem Bescheid aufgelistet seien, verwiesen, die insoweit einen integrierenden Bestandteil der einzelnen Bescheide bilde.
Gegen diese Bescheide wurde berufen (Beschwerde erhoben) und nach Gewährung einer Fristverlängerung unter anderem ausgeführt, dass die Bescheide auf einer Vielzahl von Prüfungshandlungen der Finanzverwaltung basieren würden, die in Summe bereits über mehrere Jahre stattfänden. Dazu werde auf die bereits bisher von den steuerlichen Vertretern eingebrachten Berufungsschriften bzw. Vorlageanträge zum UFS (Unabhängiger Finanzsenat) zu den Grundlagenbescheiden der ABNr. 102003/05, 101202/04, 102001/05, 121034/05.102004/05. 121028/05 sowie 121021/05 verwiesen.
Im Wesentlichen sehe die Finanzverwaltung es als gegeben an, dass die formellen und materiellen Mängel die sachliche Richtigkeit des Rechnungswesens der jeweiligen Betriebe nicht gegeben sei und die Buchführung keinerlei Beweiskraft der tatsächlichen Ergebnisse entfalte. Die Finanzbehörde sehe darin die Voraussetzungen für eine Schätzung als gegeben an. Die Zuschätzung der Finanzverwaltung basiere im Wesentlichen auf produktgruppenspezifischen Verkürzungen. Dies werde bereits in den Berufungen zu den Grundlagenbescheiden sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten, sodaß von verdeckten Gewinnausschüttungen keine Rede sein könne. Eine verdeckte Gewinnausschüttung setze eine nachweisliche Vorteilsgewährung durch eine Willensentscheidung seitens einer Körperschaft voraus. Ein derartiger - im Rahmen der Beweiswürdigung gezogener Schluß - sei jedoch nur dann zulässig, wenn der Sachverhalt, aus dem dieser Schluß gezogen werde, ausreichend erforscht sei.
In den konkreten Fällen zu den o.a. ABNr. stütze sich die Finanzverwaltung auf keine durch plausible Kalkulation belegte Zuschätzung, sondern auf pauschale Verkürzungen bestimmter Produktgruppen. Somit sei der Sachverhalt, wie oben angeführt, nicht ausreichend erforscht und ein Schluß, hier lägen verdeckte Gewinnausschüttungen vor, nicht zulässig. Auch könne Herr P durch die der Finanzbehörde vorgelegte Vermögensdeckungsrechnung den Beweis erbringen, dass seine private Lebensführung und damit verbundene Investitionen durch keine verdeckten Ausschüttungen zu finanzieren gewesen sei. Herr P habe von den prüfungsgegenständlichen Betrieben keine Gewinnausschüttungen gem. § 93 Abs. 2 Z.1 lit. a EStG je erhalten, somit seien Kapitalertragssteuern logischerweise auch nicht angefallen und daher obsolet. Im Rahmen der Rechtsmittel zu den Grundlagenbescheiden werde zudem seitens der Berufungswerber der Beweis erbracht werden, dass die formelle und materielle Ordnungsmäßigkeit des Rechnungswesens gegeben sei und die Zuschätzungen, welche Basis der o.a. Kapitalertragssteuerbescheide 1999 - 2005 seien, jeglicher Grundlage entbehren würden. Es sei zudem den Einkommenssteuerbescheiden 1999 - 2005 von Herrn P zu entnehmen. dass dieser über maßgebliche Einkünfte verfügt habe und schon aus diesem Grunde Gewinnausschüttungen für seine Lebenshaltung nicht notwendig seien.
Aus den genannten Gründen werde daher beantragt, der Berufung (Beschwerde) stattzugeben.
Die Berufung (Beschwerde) wurde der Rechtsmittelbehörde (Unabhängiger Finanzsenat) – seit das Bundesfinanzgericht - vorgelegt und der Berufungswerber (Beschwerdeführer) von der Vorlage verständigt.
2) Verfahren vor der Rechtsmittelbehörde bzw. dem Bundesfinanzgericht
Im Zuge der Bearbeitung der gegenständlichen Berufungen richtete der Referent des Unabhängigen Finanzsenates (Richter des Bundesfinanzgerichtes) einen Vorhalt an die Vertreterin der Abgabenbehörde erster Instanz und führte unter anderem Folgendes aus:
„1) Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer
1.1 Abfuhrpflichtiger und Schuldner der Kapitalerträge
Nach ständiger Judikatur des VwGH (siehe etwa vom , 2007/14/0013) zählen verdeckte Ausschüttungen zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträgen iSd § 93 Abs. 2 Z 1 lit a EStG 1988. Gemäß § 95 Abs. 2 iVm Abs. 3 EStG 1988 ist die Kapitalertragsteuer durch Abzug einzubehalten. Bei der Kapitalertragsteuer ist – ebenso wie bei der Lohnsteuer – zwischen dem Steuerschuldner und dem Abzugsverpflichteten, der für die Abfuhr haftet, zu unterscheiden:
· Steuerschuldner ist nach § 95 Abs. 2 EStG 1988 der Empfänger (Gläubiger) der Kapitalerträge. Gemäß § 95 Abs. 5 EStG 1988 ist dem Steuerschuldner nur ausnahmsweise die Kapitalertragsteuer vorzuschreiben.
· Der zum Abzug Verpflichtete (§ 95 Abs. 3 EStG 1988) ist bei inländischen Kapitalerträgen iSd § 93 Abs. 2 EStG 1998 zur Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer verpflichtet. Die Geltendmachung der Kapitalertragsteuer gegenüber dem zum Abzug Verpflichteten erfolgt im Wege eines Haftungsbescheides nach § 224 BAO.
Als Abfuhrverpflichtete sind im gegenständlichen Verfahren die in der Aufgliederung der Bemessungsgrundlagen zur Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer angeführten Gesellschaften mit beschränkter Haftung anzusehen. Steuerschuldner der Kapitalerträge ist der Berufungswerber.
1.2 Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer an den Steuerschuldner
Abweichend vom Regelfall der Haftung des Abzugsverpflichteten – im gegenständlichen Verfahren sind dies in der der Aufgliederung der Bemessungsgrundlagen angeführten Kapitalgesellschaften – sieht § 95 Abs. 5 EStG 1988 die Inanspruchnahme des Empfängers der Kapitalerträge und daher des Berufungswerbers als Steuerschuldner (§ 95 Abs 2 erster Satz EStG 1988) nach Ermessen der Abgabenbehörde erster Instanz neben oder an Stelle des Abzugsverpflichteten nur bei Vorliegen folgender Tatbestände vor
· wenn der Haftungsschuldner die geschuldeten Beträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hatte (Tatbestand 1) oder
· wenn der Steuerschuldner wusste, dass der zu Abzug Verpflichtete die einbehaltenen Steuerbeträge nicht vorschriftsmäßig abgeführt und dies der Abgabenbehörde nicht unverzüglich mitgeteilt hatte (Tatbestand 2).
Somit darf der eigentliche Steuerschuldner nur dann unmittelbar (mit Abgabenbescheid) – und auch nur „ausnahmsweise“ im Sinne des Ermessens – in Anspruch genommen werden. (siehe Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 95, Rz 3, Jakom/Marscher, EStG 2009, § 95, Rz 36, Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch EStG 1988, § 95, Rz 11). Liegen die Voraussetzungen für eine direkte Inanspruchnahme – Tatbestand 1 oder Tatbestand 2 – vor, steht es im Ermessen der Abgabenbehörde erster Instanz die Kapitalertragsteuer dem Empfänger oder der zum Abzug verpflichteten Stelle vorzuschreiben (siehe Doralt/Kirchmayr, EStG8, Rz 44). Die Bestimmung des § 95 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 (Tatbestand 1) stellt auf objektive Momente ab:
Der zum Abzug Verpflichtete hat die Kapitalertragsteuer nicht abgezogen und der Empfänger der Kapitalerträge (Steuerschuldner) hat die entsprechenden Kapitalerträge ungekürzt bzw. nicht vorschriftsmäßig gekürzt erhalten. In diesem Fall kann – nach der in der Literatur vertretenen Ansicht – der Empfänger der Kapitalerträge ohne weitere Voraussetzungen für die Kapitalertragsteuer in Anspruch genommen werden.
Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung kann automatisch unterstellt werden, dass es sich um nicht vorschriftsmäßig gekürzte Kapitalerträge handelt (siehe Doralt/Kirchmayr, EStG8, Rz 45 und 46 unter Hinweis auf Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch EStG 1988, § 95, Rz 11)
In der Begründung der Direktvorschreibung wurde unter anderem ausgeführt, dass die Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer auf Grund von verdeckten Gewinnausschüttungen erfolgte und der gesetzlichen Abfuhrverpflichtung (§§ 95 und 96 EStG 1988) nicht entsprochen worden sei.
1.3 Erhebung der Abzugssteuern die nicht unter § 57 BAO fallen
Für die Erhebung der nicht durch § 57 geregelten Fälle der Abzugssteuern ist das Finanzamt örtlich zuständig, dem die Erhebung der Abgaben vom Einkommen des Abfuhrpflichtigen obliegt (siehe § 59 BAO). Von § 59 BAO umfasste Abzugssteuern sind unter anderem die Kapitalertragsteuer (§§ 93 ff EStG 1988; Ritz BAO3, § 59, Rz 1).
Die Erhebung der Abgaben vom Einkommen der in der Anlage der Bescheide betreffend Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer für die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 angeführten Kapitalgesellschaften obliegt daher – nach Ansicht des Referenten des Unabhängigen Finanzsenates – der Abgabenbehörde erster Instanz (Betriebsfinanzamt) in dessen örtlichen Wirkungsbereich diese Kapitalgesellschaften ihren Sitz haben oder sich der Ort der Geschäftleitung befindet (§ 58 BAO; siehe auch ).
Die Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer und damit auch die Erhebung der dem Berufungswerber (direkt) vorgeschriebenen Kapitalertragsteuer für die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 wäre daher – nach Ansicht des Referenten des Unabhängigen Finanzsenates – von der Abgabenbehörde erster Instanz vorzunehmen gewesen, in deren örtlichen Wirkungsbereich die in der Aufgliederung der Bemessungsgrundlagen angeführten Kapitalgesellschaften ihren Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung haben bzw. hatten. Das Finanzamt S. als Bescheiderlassende Abgabenbehörde erster Instanz war – nach Ansicht des Referenten des Unabhängigen Finanzsenates – im Hinblick auf die Bestimmung des § 59 für keine der in der Aufgliederung der Bemessungsgrundlagen angeführten Kapitalgesellschaften örtlich zuständig, da diese ihren Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung in den Finanzämtern Baden Mödling (FA 16), Linz (FA 46), Kirchdorf Perg Steyr (FA 51), Innsbruck (FA 81) und Salzburg-Land (FA 93) haben bzw. hatten.
Damit wurden – nach Ansicht des Referenten des Unabhängigen Finanzsenates – die angefochtenen Abgabenbescheide betreffend Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer für die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 von einer unzuständigen Abgabenbehörde erster Instanz erlassen.
Die Abgabenbehörden haben gemäß § 50 Abs. 1 BAO ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. In jedem Stadium des Verfahrens ist sowohl die sachliche als auch die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Behörde von Amts wegen wahrzunehmen, daher auch von der Rechtsmittelbehörde in Ansehung der Abgabenbehörde erster Instanz. Greift die im Berufungswege angerufene Abgabenbehörde zweiter Instanz die sich daraus ergebende Rechtswidrigkeit nicht auf, begründet dies eine inhaltlich Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, auch wenn dieser Umstand in der Berufung nicht geltend gemacht wurde. (vgl. Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urtz, BAO, § 50 E 9 und 10 und die darin angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs). Eine allfällige Unzuständigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (siehe Ritz BAO3, § 50 Rz 3 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des VwGH).
1.4 Rechtliche Würdigung
Die Berufung gegen die Abgabenbescheide betreffend Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer für die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005, ist daher nach Ansicht des Referenten des Unabhängigen Finanzsenates als unzulässig zurückzuweisen und die angefochtenen Bescheide sind aufzuheben.
Sie werden daher gebeten, gegebenenfalls innerhalb von vier Wochen, ab Zustellung dieses Vorhalts eine Stellungnahme abzugeben.“
2) Stellungnahme der Abgabenbehörde erster Instanz
In Beantwortung des Vorhaltes wurde ausgeführt, dass für die Erhebung der Abzugsteuer (z.B.: KESt) gemäß § 59 BAO das Finanzamt örtlich zuständig sei, dem die Erhebung der Abgaben vom Einkommen des Abfuhrpflichtigen oder, wenn dieser eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit sei, dem die Feststellung der Einkünfte obliege. Der Ansicht des UFS, dass die Abfuhr und die Einhebung einer Abzugssteuer dem Finanzamt obliege, in dem der Abfuhrpflichtige zuständig sei, werde vom Finanzamt zugestimmt.
Im konkreten Fall sei jedoch zu beachten, dass es sich hier eben nicht um eine Abzugsteuer handle. Nach der Aktenlage sei nämlich die Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 5 EStG dem Empfänger der Kapitalerträge direkt vorgeschrieben worden. Die Kapitalertragsteuer werde zwar im Fall der Direktvorschreibung ebenfalls mittels Fixsteuersatz von 25% vorgeschrieben, sei aber dennoch eine Erhebungsform der Einkommensteuer. Die Vorschreibung erfolge durch Festsetzung beim Empfänger.
Daher vertrete das Finanzamt die Rechtsansicht, dass jenes Finanzamt zuständig sei, das für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen und Vermögen natürlicher Personen zuständig sei. Dies sei bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland gemäß § 55 BAO das so genannte Wohnsitzfinanzamt.
3) Aussetzung des Berufungsverfahrens (Beschwerdeverfahrens)
Das Berufungsverfahren (Beschwerdeverfahren) wurde in Anwendung der Bestimmung des § 281 BAO in der im Zeitpunkt der Aussetzung des Verfahrens geltenden Fassung, ausgesetzt, weil eine die gleiche Rechtsfrage betreffende Beschwerde (GZ 2010/15/0087), ob im Zusammenhang mit der Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer an den Gesellschafter das „Betriebsstätten Finanzamt“, wie der Unabhängiger Finanzsenat diese Ansicht vertritt, oder das „Wohnsitz Finanzamt“, wie dies auch in diesem Verfahren von den Abgabenbehörde vorgenommen wurde, zuständig ist, beim Verwaltungsgerichtshof anhängig war.
Der Gerichtshof hat mit die Rechtsfrage entschieden und die gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates eingebrachte Beschwerde der Abgabenbehörde abgewiesen.
Darin führte der Verwaltungsgerichthof unter anderem Folgendes aus:
„Für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen und Vermögen natürlicher Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (unbeschränkt Steuerpflichtige), war gemäß § 55 Abs. 1 BAO in der vor der Aufhebung durch BGBI. I Nr. 9/2010 geltenden Fassung das Wohnsitzfinanzamt (Abs. 2) örtlich zuständig, soweit nicht nach Abs. 3,4, 5 oder 6 ein anderes Finanzamt zuständig war.
Für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen und Vermögen juristischer Personen sowie der nach den Abgabenvorschriften selbständig abgabepflichtigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben (unbeschränkt Steuerpflichtige), war gemäß § 55 Abs. 1 BAO in der vor der Aufhebung durch BGBI. I Nr. 9/2010 geltenden Fassung das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der Ort der Geschäftsleitung befand.
Für die Erhebung der nicht durch § 57 geregelten Fälle der Abzugsteuer war gemäß § 59 BAO in der vor der Aufhebung durch BGBI. I NI'. 9/2010 geltenden Fassung das Finanzamt örtlich zuständig, dem die Erhebung der Abgaben vom Einkommen des Abfuhrpflichtigen oder, wenn dieser eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit war, dem die Feststellung der Einkünfte oblag.
Strittig ist, ob die in Rede stehenden - die Erhebung von Kapitalertragsteuer betreffenden - Bescheide vom Wohnsitzfinanzamt des Mitbeteiligten oder vom - für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen der jeweils abfuhrpflichtigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung zuständigen - (Betriebs-)Finanzamt zu erlassen waren.
Gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung Einkünfte aus Kapitalvermögen, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 leg. cit. gehören.
Gemäß § 93 Abs. 1 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung wird die Einkommensteuer bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs. 3) durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).
§ 93 Abs. 2 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"Inländische Kapitalerträge liegen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat und es sich um folgende Kapitalerträge handelt:
1. a) Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung."
Zu den "sonstigen Bezügen" im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 zählen insbesondere die verdeckten Ausschüttungen; verdeckte Ausschüttungen gehören somit zu den Kapitalerträgen im Sinne des § 93 Abs.2 Z 1 Iit. a EStG 1988 (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2008/15/0153, und vom ,2008/15/0167) und unterliegen als solche der Kapitalertragsteuer.
Aus § 93 Abs. 1 EStG 1988 ergibt sich, dass der Gesetzgeber die für Kapitalerträge erhobene Steuer als Kapitalertragsteuer und als "durch Steuerabzug erhobene" Einkommensteuer bezeichnet. Dies ist unabhängig davon, ob die Steuer im Einzelfall tatsächlich vom Kapitalertrag in Abzug gebracht wird, was insbesondere bei verdeckten Ausschüttungen oder bei Depotentnahmen iSd § 95 Abs. 3 Z 3 EStG 1988 nicht der Fall ist.
Die Kapitalertragsteuer gilt somit, ungeachtet dessen, ob sie vom gemäß § 96 EStG 1988 zum Abzug Verpflichteten abgeführt oder gemäß § 95 EStG 1988 dem Empfänger der Kapitalerträge vorgeschrieben wird, als durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben. Sie stellt eine Abzugsteuer iSd des § 59 BAO in der vor der Aufhebung durch das BGBI. I Nr. 9/2010 geltenden Fassung dar (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 685; ebenso Ritz, BA03, § 59 Tz 1). Folglich war sie von jenem Finanzamt zu erheben, dem die Erhebung der Abgaben vom Einkommen des Abfuhrpflichtigen oblag. Das waren jene Finanzämter, in deren Bereich sich der Ort der Geschäftsleitung jener Gesellschaften mit beschränkter Haftung befand, bei denen die verdeckten Ausschüttungen an den Mitbeteiligten festgestellt wurden.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.“
Übergangsbestimmung infolge Auflösung des Unabhängigen Finanzsenates:
Mit wurde der Unabhängige Finanzsenat (UFS) aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezembers 2013 bei dieser Behörde anhängigen Verfahren geht gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das Bundesfinanzgericht (BFG) über. Dementsprechend normiert § 323 Abs. 38 BAO, dass die am beim UFS als Abgabebehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom BFG als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen sind.
Der Beschwerdeführer und die Abgabenbehörde wurden vom Richter des Bundesfinanzgerichtes über die Fortsetzung des Verfahrens in Kenntnis gesetzt.
A) Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem festgestellten und im gegenständlichen Fall unbestrittenen Sachverhalt aus:
Dem Beschwerdeführer wurden für die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 in Anwendung der Bestimmung des § 95 Abs. 5 EStG 1988 die Kapitalertragsteuer für die verdeckten Gewinnausschüttungen dieser Jahre vom Finanzamt S. als Wohnsitzfinanzamt (§ 55 BAO in der vor der Aufhebung durch BGBL. I Nr.: 9/2010 geltenden Fassung) des Beschwerdeführers vorgeschrieben. In der Aufgliederung der Bemessungsgrundlagen wurden die einzelnen Kapitalgesellschaften (Gesellschaften mit beschränkter Haftung) angeführt, deren Sitz bzw. Ort der Geschäftsleitung im örtlichen Wirkungsbereich der Finanzämter Baden Mödling (FA 16), Linz (FA 46), Kirchdorf Perg Steyr (FA 51), Innsbruck (FA 81) und Salzburg-Land (FA 93) gelegen sind und damit nicht im örtlichen Wirkungsbereich des Finanzamtes S., welches die angefochtenen Bescheide erlassen hat.
B) Rechtliche Würdigung
1) Kapitalerträge (verdeckte Gewinnausschüttung)
Inländische Kapitalerträge liegen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat oder Zweigstelle im Inland eines Kreditinstituts ist und es sich dabei um Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung handelt (§ 93 Abs. 1 lit a EStG 1988).
Nach ständiger Judikatur des VwGH (siehe etwa vom , 2007/14/0013) zählen verdeckte Ausschüttungen zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträgen iSd § 93 Abs. 2 Z 1 lit a EStG 1988.
2) Schuldner der Kapitalerträge – Abfuhr der Kapitalertragsteuer
Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete (Abs. 3) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer (§ 95 Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG 1988 ).
Zum Abzug der Kapitalertragsteuer ist verpflichtet ist bei inländischen Kapitalerträgen (§ 93 Abs. 2 EStG 1988 der Schuldner der Kapitalerträge (§ 93 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 idF BGBl I Nr. 65/2008)
Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder
2. der Empfänger weiß, daß der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt (§ 95 Abs. 5 EStG 1988).
Die Kapitalertragsteuer ist an das Finanzamt des zum Abzug Verpflichteten (§ 59 der Bundesabgabenordnung) abzuführen. Ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zum Abzug verpflichtet, obliegt die Erhebung dem Finanzamt Wien 1/23 für in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland gelegene Zahlstellen sowie den Finanzämtern Linz, S, Graz Stadt, Klagenfurt, Innsbruck und Feldkirch für in den jeweiligen Bundesländern gelegene Zahlstellen (§ 96 Abs. 2 EStG 1988, idF BGBl I 100/2006).
Das Finanzamt hat die Abfuhr der Steuerabzugsbeträge in geeigneter Form zu überwachen (§ 96 Abs. 5 EStG 1988)
3) Zuständigkeit für die Erhebung der Abzugssteuer
Die Kapitalertragsteuer gilt somit, ungeachtet dessen, ob sie vom gemäß § 96 EStG 1988 zum Abzug Verpflichteten abgeführt oder gemäß § 95 EStG 1988 dem Empfänger der Kapitalerträge vorgeschrieben wird, als durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben. Sie stellt eine Abzugsteuer iSd des § 59 BAO in der vor der Aufhebung durch das BGBI. I Nr. 9/2010 geltenden Fassung dar (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 685; ebenso Ritz, BA03, § 59 Tz 1). Folglich ist die von der Abgabenbehörde zu erheben, denen die Erhebung der Abgaben vom Einkommen des Abfuhrpflichtigen oblag. Dies waren jene Finanzämter, in deren Bereich sich der Ort der Geschäftsleitung jener Gesellschaften mit beschränkter Haftung befand, bei denen die verdeckten Ausschüttungen an den Mitbeteiligten festgestellt wurden ().
Das Finanzamt S. als „Wohnsitzfinanzamt“ des Beschwerdeführers, war für keine der in der Anlage I unter im festgestellten Sachverhalt angeführten Gesellschaften als „Betriebsfinanzamt“ zuständig und daher auch nicht für die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer berechtigt.
Die angefochtenen Bescheide betreffend Kapitalertragsteuer für die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 wurden somit von einer unzuständigen Abgabenbehörde erlassen und daher gemäß § 279 Abs. 1 BAO idF BGL I 2013/14 ersatzlos aufzuheben.
C) Zulässigkeit einer Revision
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG i. V. m. § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig. Die Rechtsfrage wurde vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Geschäftszahl 2010/15/0087 geklärt.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 96 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 93 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 93 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Zitiert/besprochen in | Raab/Renner in BFGjournal 2014, 323 Marschner/Renner in |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RV.6100661.2009 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at