VwGH vom 23.11.2022, Ro 2022/15/0026

VwGH vom 23.11.2022, Ro 2022/15/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Judenburg Liezen in 8750 Judenburg, Herrengasse 30, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100118/2022, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung (mitbeteiligte Partei: Sozialhilfeverband F in F), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufgehoben.

Begründung

1Das Verlassenschaftsgericht hat in der Verlassenschaftssache nach AE einen Beschluss gemäß § 153 Abs. 2 AußStrG erlassen, der auszugsweise wie folgt lautete: „Über Antrag wird dem [Sozialhilfeverband F] die Ermächtigung erteilt, für den Verstorbenen die Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2019 und 2020 beim Finanzamt durchzuführen und das sich daraus ergebende Guthaben in Empfang zu nehmen. Der [Sozialhilfeverband F] ist verpflichtet von sich aus 20% der sich aus der Arbeitnehmerveranlagung ergebenden Guthaben an den Sohn des Verstorbenen zur Auszahlung zu bringen.“ In der Folge brachte der Sozialhilfeverband einen Antrag zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung des AE für das Jahr 2020 ein.

2Das Finanzamt wies diesen Antrag zurück. Diese Erledigung des Finanzamtes vom ist an die Verlassenschaft nach AE zu Handen des Solzialhilfeverbandes F gerichtet. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der ermächtigende Gerichtsbeschluss gemäß § 116 Abs. 2 BAO für das Finanzamt nicht bindend sei. Die Frage der abgabenrechtlichen Antragslegitimation sei im finanzbehördlichen Verfahren zu klären. Der Sozialhilfeverband sei durch die Ermächtigung nur Einzelrechtsnachfolger des Verstorbenen geworden und einem Einzelrechtsnachfolger komme infolge des § 19 Abs. 1 BAO keine Antragslegitimation zu. Die Verlassenschaft bleibe als juristische Person bestehen und diese könne nur durch einen bestellten Verlassenschaftskurator handeln, nur dieser könne Anträge einbringen und Bescheide entgegennehmen.

3Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Der Sozialhilfeverband stellte einen Vorlageantrag.

4Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge indem es aussprach: „Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.“ Nach § 41 Abs. 2 EStG 1988 setze eine Arbeitnehmerveranlagung einen Antrag des Steuerpflichtigen voraus. § 153 Abs. 2 AußStrG bestimme, dass im Fall der Anwendbarkeit von österreichischem Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Gericht auf Antrag denjenigen, deren Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt sei, die Ermächtigung zu erteilen habe, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen. Ein Sozialhilfeverband habe nach der Judikatur des OGH Anspruch auf 80% einer Gutschrift aus einer Arbeitnehmerveranlagung, die auf Rentenzahlungen aus Pflegezeiträumen stammten, und könne vom Verlassenschaftsgericht ermächtigt werden, diesen Anspruch auch vor den Abgabenbehörden als Vertreter des ruhenden Nachlasses geltend zu machen. Der Sozialhilfeverband sei damit ein Vertreter nach § 80 BAO, der ruhende Nachlass der Gesamtrechtsnachfolger nach § 19 BAO. Der Vertreter einer juristischen Person habe nach § 80 BAO alle Pflichten der vertretenen Person zu erfüllen und alle dieser Person zustehenden Rechte wahrzunehmen.

5Die Antragstellung nach § 41 Abs. 2 EStG 1988 auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung obliege nur dem Abgabepflichtigen bzw. dessen Gesamtrechtsnachfolger. Unstrittig sei der ruhende Nachlass Gesamtrechtsnachfolger des antragsberechtigten Abgabepflichtigen. Durch die gerichtliche Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG sei der Sozialhilfeverband im vereinfachten Verfahren ermächtigt worden, als Vertreter des ruhenden Nachlasses die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zu beantragen. Das Verlassenschaftsgericht sei nach der Judikatur des OGH alleine zuständig, für die ordentliche Vertretung des ruhenden Nachlasses Sorge zu tragen. Der Sozialhilfeverband werde als Vertreter des Gesamtrechtsnachfolgers Verlassenschaft nach AE in dieser von der Ermächtigung umfassten Sache tätig. Die Arbeitnehmerveranlagung 2020 für AE sei daher durchzuführen und der Zurückweisungsbescheid ersatzlos aufzuheben. Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht zu.

6Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Finanzamtes, die vorbringt, es gebe zu der Frage, welche Rechtswirkungen eine Ermächtigung gemäß § 153 Abs. 2 AußStrG auf die Befugnis zur Antragstellung für eine Arbeitnehmerveranlagung habe, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Für die wirksame Einbringung eines Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung sei eine ausreichende Bevollmächtigung notwendige Voraussetzung. Die BAO definiere in § 80, wer Vertreter eines Abgabepflichtigen sei. Die Ermächtigung gemäß § 153 Abs. 2 AußStrG führe nicht zu einer umfassenden Vertretung der Verlassenschaft.

7Der Sozialhilfeverband hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

8Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9§ 97 Abs 1 BAO lautet:

„(1) Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

1.a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;

2.b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.“

§ 82 BAO lautet:

„(1) Soll gegen eine nicht voll handlungsfähige Person, die eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, [...] eine Amtshandlung vorgenommen werden, so kann die Abgabenbehörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, auf Kosten des zu Vertretenden die Betrauung eines gesetzlichen Vertreters (§ 1034 ABGB) beim zuständigen Gericht (§ 109 Jurisdiktionsnorm) beantragen.

(2) Ist zweifelhaft, wer zur Vertretung einer Verlassenschaft befugt ist, oder wer beim Wegfall einer juristischen Person oder eines dieser ähnlichen Gebildes oder eines sonst verbleibenden Vermögens vertretungsbefugt ist, gilt Abs. 1 sinngemäß.“

10Gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 hat eine Arbeitnehmerveranlagung zu erfolgen, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren einen diesbezüglichen Antrag stellt. Einen solchen Antrag kann somit nur der Steuerpflichtige selbst, ein in der BAO vorgesehener Vertreter oder der Gesamtrechtsnachfolger stellen.

11Gemäß § 153 Abs. 1 AußStrG unterbleibt die Abhandlung, wenn -wie im Revisionsfall - Aktiven der Verlassenschaft nicht vorhanden sind oder den Wert von 5 000 Euro nicht übersteigen, sofern kein Antrag auf Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens gestellt wird. Das Verlassenschaftsgericht kann nach Abs. 2 leg cit. auf Antrag denjenigen, deren Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt ist, die Ermächtigung erteilen, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen.

12Kommt es nicht zur Einantwortung eines Erben liegt keine Gesamtrechtsnachfolge des Erben, sondern nur Einzelrechtsnachfolge vor (vgl. , zu einer Vorgängerbestimmung). Auch die Ermächtigung gemäß § 153 Abs. 2 AußerStrG führt zu keiner Gesamtrechtnachfolge (vgl. Winkler in Schneider/Verwejen, AußStrG, § 153 Rn 13; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußerStreitG I2, § 153 Rn 9). Nach herrschender Lehre und Judikatur bleibt in Fällen des § 153 AußStrG der ruhende Nachlass bestehen, auch wenn eine Ermächtigung im Sinne des Abs. 2 leg. cit. erteilt wurde (vgl. ; , 6 Ob 716/85 zur Vorgängerbestimmung; Schneider/Verwejen, AußStrG, § 153 Rn 9; Obermaier, ÖJZ 2008, 127; jeweils mwN).

13Die Verlassenschaft setzt vor der Einantwortung des Erben die Rechte und Pflichten des verstorbenen Steuerpflichtigen fort (§ 531 ABGB). Der ruhende Nachlass bzw. die Verlassenschaft ist eine juristische Person (vgl. ).

14Der Sozialhilfeverband ist nicht gesetzlicher Vertreter des ruhenden Nachlasses. Er verfügt auch nicht über eine Zustellbevollmächtigung für den ruhenden Nachlass. Auch die Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG bewirkt nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertretung des Nachlasses und berechtigt daher nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 ESt 1988.

15Eine als Bescheid intendierte Erledigung wird erst wirksam, wenn sie der Partei, an die sie ergehen soll (§ 93 Abs 2 BAO), bekannt gegeben wird (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 97 Tz 1).

16Im gegenständlichen Fall ist die Erledigung des Finanzamtes vom an die Verlassenschaft nach AE als Partei gerichtet. Die Zustellung wurde an die Partei zu Handen des Sozialhilfeverbandes F verfügt. Die Zustellung ist an den Sozialhilfeverband F (als Empfänger der Sendung) erfolgt.

17Das Finanzamt hat somit die Zustellung an eine Einrichtung (Sozialhilfeverband F) verfügt, der keine Vertretungsbefugnis zukommt. Daher konnte die Erledigung des Finanzamtes vom nicht wirksam werden (vgl. auch Ritz, BAO7, § 13 ZustellG Tz 11; vgl. ).

18Die Beschwerde richtet sich gegen diese Erledigung vom und somit gegen eine Enunziation, die rechtlich nicht existent geworden ist, also gegen einen „Nichtbescheid“. Daher hätte das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unzulässig zurückweisen müssen (vgl. ).

19Zu einer meritorischen Erledigung der Beschwerde nach § 279 BAO war das Bundesfinanzgericht nicht zuständig.

20Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022150026.J00

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