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VwGH vom 14.06.2023, Ra 2023/09/0064

VwGH vom 14.06.2023, Ra 2023/09/0064

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Landeck in 6500 Landeck, Innstraße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2022/16/0899-1, betreffend Vergütung für Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (mitbeteiligte Partei: A in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck (der revisionswerbenden Partei) vom wurde dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für eine namentlich genannte, als Heimhilfe beschäftigte Dienstnehmerin für den Zeitraum vom 14. März bis in Höhe von Euro 2.378,91 vollinhaltlich stattgegeben.

2In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom brachte die mitbeteiligte Partei im Wesentlichen vor, ihr sei beim Antrag ein Fehler unterlaufen, indem das monatliche Bruttogehalt falsch ausgefüllt worden sei, jedoch seien mit dem Antrag die richtigen Gehaltszettel der Dienstnehmerin übermittelt worden; der Beschwerde wurde ein neu befüllter Antrag mit der Modifikation des Verdienstentganges auf (nunmehr) Euro 3.154,24 angeschlossen.

3Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Landesverwaltungsgericht Tirol „aus Anlass der Beschwerde den angefochtenen Bescheid insofern ab, als der Beschwerdeführerin [Anm. des VwGH: der nunmehrigen mitbeteiligten Partei] das dort geltend gemachte Mehrbegehren im Ausmaß von Euro 775,33 zuerkannt wird.“ Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zusammengefasst zugrunde, dass die genannte Dienstnehmerin vom 13. März bis gemäß §§ 24, 32 Abs. 1 Z 7 und Abs. 3 EpiG in Verbindung mit näher angeführten Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Landeck verkehrsbeschränkenden Maßnahmen unterworfen gewesen sei, welche ursächlich für ihre Dienstverhinderung gewesen seien. Das in der Beschwerde geltend gemachte Mehrbegehren finde Deckung in den tatsächlich für den Zeitraum der Verkehrsbeschränkung angefallenen Ansprüchen jener Dienstnehmerin.

5Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass zwar bis zum Inkrafttreten der Novelle zum EpiG, BGBl. I Nr. 21/2022, in den §§ 33 und 49 Abs. 1 EpiG für die Geltendmachung des Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentgangs gemäß § 32 EpiG jeweils eine materiellrechtliche Fallfrist für die Geltendmachung eines aus behördlichen Maßnahmen resultierenden Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentganges festgelegt worden sei und bei einem befristeten Leistungsanspruch eine Antragsausdehnung um einen insoweit bereits erloschenen Anspruch nach Ablauf der Frist nicht mehr in Betracht komme. Mit der am in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 21/02022 habe der Gesetzgeber § 49 EpiG einen Absatz 5 angefügt, der ausdrücklich festlege, dass fristgerecht eingebrachte Anträge auf Vergütung des Verdienstentgangs gemäß § 32 EpiG während eines anhängigen Verfahrens auch nach Ablauf der Frist gemäß § 49 Abs. 1 und 2 EpiG zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Grundlage einer nach § 32 Abs. 6 EpiG erlassenen Verordnung der Höhe nach ausgedehnt werden dürfen. Das Verwaltungsgericht habe grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung anzuwenden, sodass auch die erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte Änderung der Rechtslage bei der Erlassung der nunmehr angefochtenen Entscheidung zu berücksichtigen sei. Da die nunmehr begehrte Vergütungssumme in der von der buchhalterischen Sachverständigen ermittelten Vergütung Deckung finde, habe der Beschwerde vollinhaltlich stattgegeben und das in der Beschwerde beantragte Mehrbegehren zuerkannt werden können.

6Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem klaren Wortlaut der (neuen) gesetzlichen Regelung in § 49 Abs. 5 EpiG und der dadurch geänderten Rechtslage bzw. bedingten Unanwendbarkeit der dazu zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Verneinung einer Antragsausdehnung nach Ablauf der Frist zur Erhebung eines Leistungsanspruches.

7In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten außerordentlichen Revision machte die revisionswerbende Partei zu deren Zulässigkeit zusammengefasst geltend, das Verwaltungsgericht sei von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Beschwerdezulässigkeit bei vollinhaltlicher Stattgebung im Bescheidverfahren bzw. der Zulässigkeit von Ausdehnungen im Rahmen des Beschwerdeverfahrens abgewichen. Die mitbeteiligte Partei erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8Die Revision ist entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG aus den im Zulässigkeitsvorbringen aufgezeigten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet.

9Gemäß § 32 EpiG ist natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind (Z 1), oder ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist (Z 2), ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist (Z 3), sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind (Z 4), sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist (Z 5), sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist (Z 6) oder sie in einem Epidemiegebiet, über das Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind, aufhältig sind oder Beschränkungen hinsichtlich des Betretens unterworfen sind (Z 7) und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

10Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach Absatz 3 dieser Bestimmung nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes zu bemessen. Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung gemäß § 32 Abs. 4 leg. cit. nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen. Nach Absatz 6 dieser Bestimmung kann der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs erlassen.

11Auf Grundlage von § 32 Abs. 6 EpiG wurde mit BGBl. II Nr. 329/2020 die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Vergütung des Verdienstentgangs für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen nach dem Epidemiegesetz 1950 (EpiG-BerechnungsV 2020) erlassen.

12Gemäß § 33 EpiG ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges nach § 32 leg. cit. binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt.

13Mit der vom Verwaltungsgericht als maßgeblich erachteten, mit in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 21/2022, wurde § 49 EpiG ein Absatz 5 angefügt und lautet demnach wie folgt:

„Sonderbestimmung für die Dauer der Pandemie mit SARS-CoV-2

§ 49.

(1) Abweichend von § 33 ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen.

(1a) Abweichend von § 33 ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Abs. 1a binnen drei Monaten vom Tag, an dem eine Maßnahme gemäß § 7 oder § 17 aufgehoben worden wäre oder eine Verkehrsbeschränkung gemäß § 7b geendet hat, bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel sich der Wohnsitz (Sitz) des Antragstellers befindet, geltend zu machen.

(2) Bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmung laufende und abgelaufene Fristen beginnen mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 neu zu laufen.

(3) Die Bezirksverwaltungsbehörde ist verpflichtet, über Anträge auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32, die auf Grund einer wegen des Auftretens von SARS -CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme eingebracht werden, ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber zwölf Monate nach deren Einlangen zu entscheiden.

(4) Ein bei der örtlich unzuständigen Behörde fristgerecht eingebrachter Antrag auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32, der aus einem in der Sphäre der Behörde liegenden Umstand nicht innerhalb der Frist gemäß Abs. 1 und 2 bei der örtlich zuständigen Behörde eingelangt ist (§ 6 Abs. 1 AVG), gilt als rechtzeitig eingebracht.

(5) Fristgerecht eingebrachte Anträge auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 dürfen während eines anhängigen Verfahrens auch nach Ablauf der Frist gemäß Abs. 1 und 2 zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Grundlage einer nach § 32 Abs. 6 erlassenen Verordnung der Höhe nach ausgedehnt werden.

(6) Der Anspruch auf Vergütung von Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug) gemäß § 32 Abs. 3, der sich auf bis aufgehobene behördliche Maßnahmen bezieht, kann unbeschadet bereits eingetretener Rechtskraft bis geltend gemacht werden.“

14Wie die Revision in ihrer Begründung zutreffend aufzeigt, wird mit § 49 Abs. 5 EpiG lediglich für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Grundlage einer nach § 32 Abs. 6 erlassenen Verordnung eine Ausdehnung während eines anhängigen Verfahrens auch nach Ablauf der Frist gemäß Abs. 1 und 2 normiert. Dies betrifft nur Vergütungsansprüche im Falle des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG, welcher die EpiG-Berechnungsverordnung als Grundlage zur Berechnung heranzieht.

15Für den vorliegenden Fall der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen für eine unselbständige Dienstnehmerin, wozu - wie zuvor erwähnt - § 32 Abs. 3 EpiG konkret eine Bemessung nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes vorsieht, kommt die EpiG-Berechnungsverordnung und damit auch § 49 Abs. 5 EpiG nicht zur Anwendung (vgl. auch ), womit die Anspruchsausweitung jedenfalls verfristet war.

16Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber hinaus bereits im Erkenntnis vom , Ra 2021/03/0309, ausgeführt, dass es sich bei der zeitlichen Begrenzung des Anspruchs auf Ersatz des Verdienstentgangs durch die §§ 33 und 49 EpiG 1950 der Sache nach um eine Verjährungsbestimmung handelt: Das Recht auf Ersatz des Verdienstentgangs wird zeitlich begrenzt und erlischt durch nicht rechtzeitige Geltendmachung. Wenn sich die Bestimmungen über die Verjährung auch nicht ohne Weiteres auf das öffentliche Recht übertragen lassen, kann dann, wenn in Vorschriften des öffentlichen Rechts Verjährungsbestimmungen ausdrücklich enthalten sind, unter Bedachtnahme auf § 7 ABGB doch ergänzend auf die Verjährungsvorschriften des ABGB zurückgegriffen werden (vgl. nur etwa , mwN.). Die Regelungen über Hemmung bzw. Unterbrechung der Verjährung (§§ 1497 ff ABGB) gehören zu den allgemeinen Grundsätzen des zivilrechtlichen Verjährungsrechts (vgl. ). Nach § 1497 ABGB wird die Verjährung u.a. dadurch unterbrochen, dass derjenige, der sich auf dieselbe berufen will, vor dem Ablauf der Verjährungsfrist „von dem Berechtigten belangt, und die Klage gehörig fortgesetzt wird“. Einer gerichtlichen Geltendmachung kommt also Unterbrechungswirkung zu, von der aber nur der eingeklagte Betrag erfasst wird: Die Verjährung eines Anspruches wird nur so weit unterbrochen, als der Anspruch eingeklagt wird. Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann eine Ausdehnung des Klagebegehrens auf einen höheren Betrag hingegen nicht mehr mit Erfolg vorgenommen werden (RIS-Justiz RS0019184). Die Regelungen der §§ 33, 49 EpiG 1950 stehen also in Einklang mit den zivilrechtlichen Grundsätzen des Verjährungsrechts.

17Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrenseinleitende Antrag zwar in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach aber nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden. Ist ein Leistungsanspruch - wie hier - befristet, kommt eine Antragsausdehnung nach Ablauf der Frist um einen insoweit bereits erloschenen Anspruch nicht mehr in Betracht (vgl. , und , Ra 2021/03/0309).

18Im vorliegenden Fall wurde dem Antrag der mitbeteiligten Partei im Bescheidverfahren vollinhaltlich stattgegeben und der begehrte Betrag von Euro 2.378,91 zur Gänze zugesprochen, womit diese in einem subjektiven Recht nicht verletzt sein konnte. Der eingebrachten Beschwerde mangelte es daher an der Verletzung eines subjektiven Rechts und wäre diese als unzulässig zurückzuweisen gewesen (vgl. dazu u.a. , , Ra 2015/02/0246, und , 93/02/0283).

19Indem das Verwaltungsgericht dies übersah, hat es sein angefochtenes Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodass dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

20Der Kostenantrag der revisionswerbenden Partei war abzuweisen, weil nach § 47 Abs. 4 VwGG der Revisionswerber bzw. der Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG in den Fällen des Art. 133 Abs. 8 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz hat.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023090064.L00

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