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VwGH vom 17.01.2023, Ra 2022/08/0058

VwGH vom 17.01.2023, Ra 2022/08/0058

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revisionen 1. des Amts für Betrugsbekämpfung (zu Ra 2022/08/0058 und Ra 2022/08/0061) sowie 2. des Magistrats der Stadt Wien in 1150 Wien, Gasgasse 8-10 (zu Ra 2022/08/0059 und Ra 2022/08/0060), gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts Wien jeweils vom , 1. VGW-041/025/2994/2021-5, VGW-041/V/025/3334/2021 (zu Ra 2022/08/0058 und Ra 2022/08/0060), sowie 2. VGW-041/025/2991/2021-4, VGW-041/V/025/3331/2021 (zu Ra 2022/08/0059 und Ra 2022/08/0061), jeweils betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 15. Bezirk; mitbeteiligte Parteien: 1. S C und 2. C GmbH, beide in W, beide vertreten durch Mag. Dr. Anton-Alexander Havlik, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3/5), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der zweitrevisionswerbenden Partei auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom , MBA/190000064398/2019, wurde der Erstmitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der zweitmitbeteiligten Partei zu verantworten, dass es diese als Dienstgeberin unterlassen habe, drei von ihr in jeweils näher genannten Zeiträumen beschäftigte Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Der Erstmitbeteiligte habe dadurch in drei Fällen § 111 Abs. 1 Z 1 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 111 Abs. 2 ASVG drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 910,- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 20 Stunden) verhängt wurden und die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen ausgesprochen wurde. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die zweitmitbeteiligte Partei für die über den Erstmitbeteiligten verhängten Geldstrafen, die Verfahrenskosten und sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen zur ungeteilten Hand hafte.

2Der von den Mitbeteiligten gegen dieses Straferkenntnis erhobenen, in der mündlichen Verhandlung auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkten Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien mit dem erstangefochtenen Erkenntnis (vom , VGW-041/025/2994/2021-5, VGW-041/V/025/3334/2021) insoweit Folge, als es die drei Geldstrafen in Höhe von jeweils € 910 in eine „Gesamtstrafe in Höhe von 1000,- Euro“ sowie die jeweils verhängten Ersatzfreiheitsstrafen in eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden umwandelte und den Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde auf € 100 herabsetzte. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

3Gegen dieses Erkenntnis richten sich die beim Verwaltungsgerichtshof zu Ra 2022/08/0058 protokollierte Revision des Amts für Betrugsbekämpfung (erstrevisionswerbende Partei) und die zu Ra 2022/08/0060 protokollierte Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde (zweitrevisionswerbende Partei).

4Mit einem weiteren Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom , MBA/190000053996/2019, wurde der Erstmitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der zweitmitbeteiligten Partei zu verantworten, dass es diese als Dienstgeberin unterlassen habe, vier weitere von ihr in jeweils näher genannten Zeiträumen beschäftigte Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Der Erstmitbeteiligte habe dadurch in vier Fällen § 111 Abs. 1 Z 1 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 111 Abs. 2 ASVG vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 1.190 (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 1 Tag und 4 Stunden) verhängt wurden und die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen ausgesprochen wurde. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die zweitmitbeteiligte Partei für die über den Erstmitbeteiligten verhängten Geldstrafen, die Verfahrenskosten und sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen zur ungeteilten Hand hafte.

5Der von den Mitbeteiligten gegen dieses Straferkenntnis erhobenen, in der mündlichen Verhandlung auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkten Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis (vom , VGW-041/025/2991/2021-4, VGW-041/V/025/3331/2021) insoweit Folge, als es die vier Geldstrafen in Höhe von jeweils € 1.190 in eine „Gesamtstrafe in Höhe von 1000,- Euro“ sowie die jeweils verhängten Ersatzfreiheitsstrafen in eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden umwandelte und den Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde auf € 100 herabsetzte. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

6Gegen dieses Erkenntnis richten sich die beim Verwaltungsgerichtshof zu Ra 2022/08/0061 protokollierte Revision der erstrevisionswerbenden Partei und die zu Ra 2022/08/0059 protokollierte Revision der zweitrevisionswerbenden Partei.

7Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revisionsverfahren angesichts ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs und ihrer rechtlichen Gleichartigkeit zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und über diese nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die mitbeteiligten Parteien jeweils Revisionsbeantwortungen erstattet haben, erwogen:

8Die Revisionen sind vor dem Hintergrund der darin geltend gemachten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG zulässig und berechtigt.

9In seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/08/0006 (in einem Fall betreffend die Verhängung zweier Geldstrafen von je € 1.000,- und von vier Geldstrafen zu je € 730,-), auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof - entgegen der den vorliegend angefochtenen Erkenntnissen zugrunde liegenden Auffassung, mit der das Verwaltungsgericht Wien die Umwandlung mehrerer Strafaussprüche wegen Übertretungen des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG jeweils in einheitlich verhängte „Gesamtstrafen“ begründet hat - festgehalten, dass auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhängung kumulierter Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen hinsichtlich solcher Straftatbestimmungen, die eine zulässige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV darstellen (vgl. , MT, insbesondere Rn. 46, 53; , C-64/18, Maksimovic u.a., insbesondere Rn. 41; ), bzw. der daraus zu Tage tretenden Wertungen die für Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG iVm. § 33 Abs. 1 (bzw. § 33 Abs. 1 und 2) ASVG in § 111 Abs. 2 ASVG (iVm. § 9 VStG) vorgesehenen Sanktionen nicht bzw. jedenfalls nicht generell unverhältnismäßig sind.

10Es hat daher auch in den vorliegenden Revisionsfällen (die keinen Anhaltspunkt für eine Unverhältnismäßigkeit der kumulierten Strafen erkennen lassen) dabei zu bleiben, dass die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers eine - gesondert zu verfolgende - Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG iVm. § 33 Abs. 1 und 2 ASVG darstellt und jeweils eine Verwaltungsstrafe nach dem ersten Strafsatz des § 111 Abs. 2 ASVG zu verhängen gewesen wäre.

11Da das Verwaltungsgericht Wien insoweit die Rechtslage verkannt hat, waren die angefochtenen Erkenntnisse gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

12Die Abweisung des Antrags der zweitrevisionswerbenden Partei auf Aufwandersatz für die Amtsrevision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG beruht auf § 47 Abs. 4 VwGG.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022080058.L00

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