VwGH vom 17.11.2022, Ra 2020/15/0025

VwGH vom 17.11.2022, Ra 2020/15/0025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der J Ggesellschaft mbH in G, vertreten durch die Eisenberger Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Schloßstraße 25, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2101423/2017, betreffend Festsetzung der Forschungsprämie für das Jahr 2012, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Die Revisionswerberin, eine im Jahr 1986 gegründete GmbH, erbringt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten jeglicher Art sowie damit zusammenhängende Dienstleistungen. Ihre Hauptgesellschafterin ist das Land Steiermark, das im Wirtschaftsjahr 2011/2012 ( bis ) zu 90% an der Revisionswerberin beteiligt war.

2Die Finanzierung der Revisionswerberin erfolgte seit der Gründung bis einschließlich 2008 (und wieder ab dem Jahr 2018) auf Grundlage von Beschlüssen der Landesregierung, ohne Vorliegen einer Finanzierungsvereinbarung. Diesen Beschlüssen entsprechend stellte das Land Steiermark der Revisionswerberin in den Jahren 2006 bis 2008 „zur Durchführung der im Gesellschaftsvertrag festgelegten Zielsetzungen“ einen Beitrag zum laufenden Aufwand in Höhe von jährlich 7,5 Mio. bzw. 8 Mio. Euro zur Verfügung.

3Am genehmigte die Landesregierung den „Strategischen Rahmenplan J“ des Landes Steiermark zur „zukünftigen Ausrichtung und Rolle“ der Revisionswerberin, die eine Finanzierungsstruktur aufweisen solle, die sich an erfolgreichen internationalen Forschungsinstituten bzw. -gesellschaften orientiere. Nach dem Rahmenplan sollte die Gesamtfinanzierung aus einer Grundfinanzierung (Basisförderung) im Ausmaß von 30% durch das Land Steiermark, einer öffentlichen Förderung und öffentlichen Projektaufträgen im Ausmaß von weiteren 30% sowie aus Auftragsforschung für die Wirtschaft im Ausmaß von 40% bestehen. Für die Zeit bis zum solle eine Übergangsfinanzierung gelten, mit dem Ziel einer stufenweisen Steigerung der Wirtschaftsanteile, sodass im Jahr 2013 ein 40%iger Wirtschaftsanteil erreicht werde. Nach dem Rahmenplan war von der Erreichung dieser Steigerung die tatsächliche Höhe der Basisförderung abhängig. Würden die Wirtschaftsanteile des für die Übergangsphase geltenden Zielmodells in zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht erreicht oder in einer Periode deutlich verfehlt, werde die Basisförderung des Folgejahres entsprechend reduziert.

4Ab der zweiten Hälfte des Jahres 2011 erhielt die Revisionswerberin aufgrund des Finanzierungsvertrages vom (Regierungssitzungsbeschluss vom ) vom Land Steiermark jährlich eine Förderung zur anteiligen Bedeckung des laufenden Aufwandes im Betrag von 7,5 Mio. Euro als „bedingt rückzahlbaren Zuschuss“ (Basisförderung).

5Im Jahr 2015 fand bei der Revisionswerberin eine Außenprüfung u.a. betreffend die Forschungsprämie 2012 bis 2014 statt. Die Prüfer gelangten zur Ansicht, dass die vom Land Steiermark erhaltenen „Zuwendungen“ aus öffentlichen Mitteln von den als Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie herangezogenen Forschungsaufwendungen in Abzug zu bringen seien.

6In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom wurde dazu begründend ausgeführt, die Ausgestaltung des Finanzierungsvertrages und die darin gewählten Formulierungen würden „keinen Spielraum für eine andere Auslegung“ als das Vorliegen einer Subvention zulassen. Darüber hinaus sprächen die Verbuchung und Bilanzierung bei der Revisionswerberin, wonach eine Subventionsforderung an das Land Steiermark eingestellt worden sei, für das Vorliegen einer Förderung. Ein Gesellschafterzuschuss hätte hingegen auf die Kapitalrücklage verbucht werden müssen. Auch aus der Verbuchung des Zuschusses beim Land Steiermark bzw. in den Landesrechnungsabschlüssen ergebe sich nicht das Vorliegen eines Gesellschafterzuschusses. Es sei auch kein Gesellschafterbeschluss über den Zuschuss von 7,5 Mio. Euro p.a. vorgelegt worden. Der Finanzierungsvertrag gründe sich nicht auf gesellschaftsrechtliche, sondern auf betriebliche bzw. gesellschaftspolitische Erwägungen, insbesondere den Nutzen für den Wirtschaftsstandort Steiermark, der Gesellschaftszweck sei.

7Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Forschungsprämie für das Jahr 2012 (betreffend das Wirtschaftsjahr 2011/2012) in Höhe von 1,577.293,39 Euro fest (§ 201 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 BAO), wobei es - soweit für das Revisionsverfahren relevant - die Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie den Prüfungsfeststellungen entsprechend um die als Basisförderung gewährte „Zuwendung“ des Landes Steiermark verminderte. Daraus ergab sich eine Abgabennachforderung gegenüber der Revisionswerberin in Höhe von 807.768,59 Euro. Begründend vertrat die belangte Behörde - entgegen der Revisionswerberin, die vom Vorliegen eines Gesellschafterzuschusses ausging - die Ansicht, es würde sich bei der Basisförderung um Förderungen aus öffentlichen Mitteln des Landes Steiermark handeln, um die die Forschungsaufwendungen zu kürzen seien.

8Über die dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde, erließ das Finanzamt eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, woraufhin die Revisionswerberin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

9Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - teilweise Folge und setzte die Forschungsprämie mit dem (für den Fall des Obsiegens des Finanzamts zwischen den Parteien der Höhe nach außer Streit gestellten) Betrag von 1,743.330,30 Euro fest.

10Strittig sei, ob die vom Land Steiermark im Wirtschaftsjahr 2011/2012 gewährten Zuschüsse als Förderungen aus öffentlichen Mitteln in Form der in Rede stehenden Basisförderung die Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie kürzten bzw. ob sie als Gesellschafterzuschüsse zu qualifizieren seien.

11Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens schloss sich das Bundesfinanzgericht mit näherer Begründung, insbesondere gestützt auf die äußere Form der Vertragsgestaltung und die verwendeten Formulierungen, der Rechtsansicht des Finanzamtes an, dass es sich bei den als Basisförderung gewährten Zuschüssen um öffentliche Mittel im Sinne einer Subvention gehandelt habe. Die Basisförderung sei zur anteiligen Bedeckung des laufenden Aufwands der Revisionswerberin gewährt worden. Wie auch das Finanzamt erachtete das Bundesfinanzgericht die buchhalterische Behandlung der Zuschüsse bei der Revisionswerberin als Indiz für die Qualifikation des Zuschusses als Förderung. Die budgetäre Behandlung des Zuschusses beim Land Steiermark sei nicht aussagekräftig, um daraus auf einen Gesellschafterzuschuss zu schließen. Aus der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Judikatur zur Unzulässigkeit einer nicht ausreichenden Eigenkapitalausstattung lasse sich nicht ableiten, dass die laufende teilweise Finanzierung der Revisionswerberin aus öffentlichen Mitteln nicht möglich wäre, zumal gerade diese Zuschüsse (auch wenn sie öffentliche Mittel seien) die Gläubigerbefriedigung gewährleisten würden. Das Vorbringen, es liege mangels Bindungswillens seitens des Landes Steiermark ein „Nicht-Vertrag“ vor, sei nicht zielführend, weil tatsächlich eine Auszahlung erfolgt sei. Den als Basisförderung gewährten Zuschüssen zum laufenden Aufwand der Revisionswerberin liege die Absicht des Landes zugrunde, den „Betriebsabgang“ der Revisionswerberin zu decken (Seite 74 des angefochtenen Erkenntnisses).

12Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht mit der Begründung nicht zu, es handle sich um eine einzelfallbezogene auf Ebene der Beweiswürdigung zu lösende Streitfrage.

13Die Revisionswerberin erhob gegen dieses Erkenntnis auch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E-677/2020-17 abgelehnt hat.

14Die gleichzeitig erhobene, vorliegende außerordentliche Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

15Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16Die außerordentliche Revision ist zulässig. Das Vorbringen zu ihrer Zulässigkeit stützt sich u.a. darauf, dass das Bundesfinanzgericht bei Beurteilung der Anwendungsvoraussetzungen des Abzugsverbots nach § 20 Abs. 2 EStG 1988 bzw. § 12 Abs. 2 KStG 1988 zur Festlegung der Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Die Revision ist im Ergebnis in diesem Punkt auch begründet.

17§ 108c Abs. 1 und 2 EStG 1988 lauten in der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 (vgl. § 124b Z 180 EStG 1988):

„(1) Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind, und Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, können Prämien geltend machen für:

– Eigenbetriebliche Forschung und Auftragsforschung im Sinne des Abs. 2 von jeweils 10% der Aufwendungen (Ausgaben) und für

– Bildung in Höhe von 6% der Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 8, die nicht Grundlage eines Bildungsfreibetrages sind.

(2) Prämienbegünstigt sind:

1. Eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung, die systematisch und unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden durchgeführt wird. Zielsetzung muss sein, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Die Forschung muss in einem inländischen Betrieb oder einer inländischen Betriebsstätte erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Kriterien zur Festlegung der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) mittels Verordnung festzulegen. [...]“

18Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Kriterien zur Festlegung förderbarer Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (-ausgaben) gemäß § 4 Abs. 4 Z 4a bzw. § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988, BGBl. II Nr. 506/2002, ist letztmalig auf Forschungsprämien anzuwenden, die - wie im vorliegenden Fall - Wirtschaftsjahre betreffen, die vor dem beginnen (§ 14 der VO BGBl. II Nr. 515/2012).

19Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung, BGBl. II Nr. 506/2002, sind der Geltendmachung einer Forschungsprämie Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne der Abs. 2 und 3 im Bereich von Forschung und experimenteller Entwicklung (Anhang I) zu Grunde zu legen. Die Bestimmungen der § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988 sind anzuwenden.

20Dürfen Aufwendungen bzw. Ausgaben in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Subventionen aus öffentlichen Mitteln bei der Ermittlung der Einkünfte nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, sind diese Forschungsaufwendungen in Folge auch nicht in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie als zusätzliche Betriebsausgabe einzubeziehen (vgl. zum Forschungsfreibetrag Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 4 Tz 44.5; zur Berechnung der Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie im Anwendungsbereich der Forschungsprämienverordnung, BGBl. II Nr. 515/2012, siehe im Übrigen deren Anhang II).

21Der Begriff der öffentlichen Mittel war bis zum AbgÄG 2010 gesetzlich nicht ausdrücklich definiert und daher durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geprägt. In Reaktion auf diese Judikatur wurde mit dem AbgÄG 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, § 3 Abs. 4 EStG 1988 eingefügt, mit dem festgelegt wurde, was unter „öffentliche[n] Mitteln im Sinne dieses Bundesgesetzes“ zu verstehen ist (662 der Beilagen XXIV. GP 9).

22§ 3 Abs. 4 EStG 1988 lautet auszugsweise:

„(4) Öffentliche Mittel im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:

1.Mittel, die von inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts oder diesen entsprechenden ausländischen Körperschaften eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes stammen.“

23Das Bundesfinanzgericht ist davon ausgegangen, dass die vom Land Steiermark der Revisionswerberin im Wirtschaftsjahr 2011/2012 ( bis ) gewährten Zuschüsse als (betrieblich veranlasste) Förderungen aus öffentlichen Mitteln iSd § 3 Abs. 4 EStG 1988 zu qualifizieren sind, und hat in Anwendung des § 12 Abs. 2 KStG 1988 ausgeführt, durch den Bezug von „steuerfreien“ Subventionen aus öffentlichen Mitteln komme es zu einer Kürzung der Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie.

24§ 3 Abs. 4 EStG 1988 enthält aber nur eine Legaldefinition des Begriffs der öffentlichen Mittel, trifft jedoch keine Aussage über deren Steuerbefreiung. Das angefochtene Erkenntnis benennt keine konkrete Steuerbefreiungsbestimmung, durch welche der im gegenständlichen Fall strittige Betrag an öffentlichen Mitteln nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts erfasst ist. Die - zu einer Reduktion der Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie führende - Steuerfreiheit der Zuwendung aus öffentlichen Mitteln muss sich aus einem konkreten Steuerbefreiungstatbestand ergeben (vgl. z.B. § 3 Abs. 1 Z 3 sowie Z 6 EStG 1988). Insoweit nicht die Voraussetzungen eines konkreten Steuerbefreiungstatbestandes erfüllt sind, wäre die Subvention als Betriebseinnahme zu erfassen (vgl. ; , 90/14/0034; , 93/13/0178; , 2000/13/0090), würde aber nichts an den Betriebsausgaben ändern.

25Mit dem Vorliegen eines bestimmten Steuerbefreiungstatbestandes hat sich das Bundesfinanzgericht in Verkennung der Rechtslage nicht auseinandergesetzt und somit sein Erkenntnis mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

26Schon deshalb war die Revision im Ergebnis berechtigt, sodass dahingestellt bleiben kann, ob die Zuwendung der Basisförderung als betrieblich oder gesellschaftsrechtlich veranlasst zu erachten ist.

27Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

28Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150025.L00

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