StPO § 180., BGBl. Nr. 605/1987, gültig von 01.03.1988 bis 31.12.1993

2. Teil Das Ermittlungsverfahren

9. Hauptstück Fahndung, Festnahme und Untersuchungshaft

3. Abschnitt Untersuchungshaft

§ 180.

(1) Die Untersuchungshaft darf nur verhängt werden, wenn der Beschuldigte dringend verdächtig ist, ein bestimmtes Verbrechen oder Vergehen begangen zu haben, einer der in den Abs. 2 oder 7 angeführten Haftgründe vorliegt und der Beschuldigte durch den Untersuchungsrichter bereits zur Sache und zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft vernommen worden ist.

(2) Die Verhängung der Untersuchungshaft setzt abgesehen von den Fällen des Abs. 7 voraus, daß auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuße

1. wegen der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten (Fluchtgefahr).

2. Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versuchen (Verdunkelungsgefahr) oder

3. ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens

a) eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung mit schweren Folgen;

b) eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen strafbaren Handlung bereits verurteilt worden ist oder wenn ihm nunmehr wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden;

c) eine strafbare Handlung begehen, die ebenso wie die ihm angelastete strafbare Handlung gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die strafbaren Handlungen, derentwegen er bereits zweimal verurteilt worden ist;

d) die ihm angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Z 5 StGB) ausführen.

(3) Fluchtgefahr ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn der Beschuldigte einer strafbaren Handlung verdächtig ist, die nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, er sich in geordneten Lebensverhältnissen befindet und einen festen Wohnsitz im Inland hat, es sei denn, daß er bereits Anstalten zur Flucht getroffen hat. Bei Beurteilung des Haftgrundes nach Abs. 2 Z 3 ist zu berücksichtigen, inwieweit eine Minderung der dort bezeichneten Gefahr dadurch eingetreten ist, daß sich die Verhältnisse, unter denen die dem Beschuldigten angelastete Tat begangen worden ist, geändert haben.

(4) Die Untersuchungshaft darf nicht verhängt oder aufrechterhalten werden, wenn die Haftzwecke auch durch eine gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art erreicht werden können, eine Untersuchungshaft aus den Gründen des Abs. 2 auch dann nicht, wenn die Haftzwecke durch Anwendung eines oder mehrerer gelinderer Mittel (Abs. 5) erreicht werden können. Wird von der Verhängung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft wegen einer gleichzeitigen Strafhaft Abstand genommen, so hat der Untersuchungsrichter die Abweichungen vom Vollzug der Strafhaft zu verfügen, die für die Zwecke der Untersuchung unentbehrlich sind.

(5) Als gelindere Mittel sind anwendbar:

1. das Gelöbnis, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens weder zu flüchten noch sich verborgen zu halten noch sich ohne Genehmigung des Untersuchungsrichters von seinem Aufenthaltsort zu entfernen;

2. das Gelöbnis, keinen Versuch zu unternehmen, die Untersuchung zu vereiteln;

3. die Weisung, an einem bestimmten Ort, bei einer bestimmten Familie zu wohnen, eine bestimmte Wohnung, bestimmte Orte oder einen bestimmten Umgang zu meiden, sich alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel zu enthalten oder einer geregelten Arbeit nachzugehen;

4. die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen oder sich in bestimmten Zeitabständen bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden;

5. die vorübergehende Abnahme der Reisepapiere;

6. die vorübergehende Abnahme der zur Führung eines Fahrzeuges nötigen Papiere;

7. die Leistung einer Sicherheit nach den §§ 190 bis 192;

8. die vorläufige Bestellung eines Bewährungshelfers nach § 197a.

(6) Können die Haftzwecke durch die gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art oder die Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden, oder würde die Untersuchung durch die Aufrechterhaltung der Strafhaft oder der Haft anderer Art wesentlich erschwert, so ist vom Untersuchungsrichter die Untersuchungshaft zu verhängen. Damit tritt im Falle der Strafhaft eine Unterbrechung des Strafvollzuges ein.

(7) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muß die Untersuchungshaft verhängt werden, es sei denn, daß auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 2 angeführten Haftgründe sei auszuschließen.

(8) Der Beschluß des Untersuchungsrichters auf Verhängung der Untersuchungshaft ist samt Begründung dem Beschuldigten sofort zu eröffnen; die Eröffnung ist im Protokoll zu vermerken. Der begründete Beschluß ist dem Beschuldigten binnen 24 Stunden auch schriftlich zuzustellen; ein Verzicht auf die Zustellung ist ohne Wirkung. In der Begründung sind insbesondere auch die bestimmten Tatsachen anzugeben, auf Grund derer das Gericht das Vorliegen eines oder mehrerer der im Abs. 2 angeführten Haftgründe angenommen hat. Eine weitere Abschrift des Beschlusses auf Verhängung der Untersuchungshaft ist unverzüglich dem Gefangenenhaus zu übermitteln.

Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.atGesamte Rechtsvorschrift (RIS)

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