2. Unternehmer, Unternehmen (§ 2 UStG 1994)
2.1. Begriff des Unternehmers
2.1.1. Allgemeines
181Unternehmer kann jede natürliche Person und jedes Wirtschaftsgebilde sein, das nachhaltig, selbstständig gegen Entgelt Leistungen erbringt und nach außen hin in Erscheinung tritt (Maßgeblichkeit des Außenverhältnisses). Nicht erforderlich ist Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr oder Handlungsfähigkeit: Auch Personen, die nur durch einen Vertreter tätig werden, können Unternehmer sein (), zum Gemeinschuldner im Konkurs; , zur Zwangsverwaltung). Unternehmereigenschaft kann auch durch Tätigwerden im Ausland erworben werden (). Personenvereinigungen jeder Art können Unternehmer sein, wenn sie nach außen hin selbstständig auftreten. Zivilrechtliche Rechts- oder Geschäftsfähigkeit ist nicht erforderlich. Anderseits gibt es keine Unternehmereigenschaft kraft Rechtsform: Auch Personengesellschaften und juristische Personen sind nur Unternehmer, wenn sie mit Leistungen an Dritte im Wirtschaftsleben in Erscheinung treten (; ). Unternehmereigenschaft wird auch begründet, wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 2 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994). Nicht unternehmerisch tätig sind aber Vereine, wenn sie nur in Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Gemeinschaftsaufgaben tätig werden, ohne Einzelleistungen an die Mitglieder (oder Dritte) zu erbringen ().
2.1.2. Kostengemeinschaften
182Personenvereinigungen, die im eigenen Namen Waren und Dienstleistungen beziehen und diese ihren Mitgliedern weiterreichen (Kostengemeinschaften), sind Unternehmer. Gewinnerzielungsabsicht ist dabei nicht erforderlich, § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 ist nicht anwendbar (§ 6 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993).
Keine Unternehmereigenschaft haben hingegen Kostengemeinschaften, die nicht nach außen hin auftreten sondern bloß Vorleistungen und deren Kosten intern aufteilen ().
Kostengemeinschaften im Bereich freier Berufe (Regie-, Kanzlei-, Büro-, Ordinationsgemeinschaften), die lediglich dem rationellen Bezug von Vorleistungen dienen, ändern nichts daran, dass die Umsätze aus den freiberuflichen Leistungen dem jeweils nach außen auftretenden Mitglied der Gemeinschaft zuzurechnen sind.
2.1.3. Miteigentumsgemeinschaften (Hausgemeinschaften)
183Hausgemeinschaften werden unternehmerisch tätig, wenn sie als solche durch Vermietungstätigkeit nach außen hin in Erscheinung treten, wobei auch die Vermietung an einzelne Miteigentümer erfolgen kann (). Im Falle der Befriedigung des eigenen Wohnbedürfnisses durch die Miteigentümer ist im Regelfall kein Mietvertrag, sondern eine bloße Vereinbarung über eine Gebrauchsüberlassung anzunehmen (; ).
Bezüglich Errichtung von Gebäuden im Miteigentum siehe Rz 781 bis Rz 784.
2.1.4. Gesellschafter
184Die Gesellschafterstellung allein vermittelt keine Unternehmereigenschaft. Die Umsätze der Gesellschaft werden dieser und nicht den Gesellschaftern zugerechnet ( "Wellcome Trust").
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft ist nicht Unternehmer; seine Leistungen werden in Ausübung einer gesellschaftsrechtlichen Funktion erbracht und bewirken keinen Leistungsaustausch, sondern eine Leistungsvereinigung. Die Rechtsform des Gesellschafter-Geschäftsführers ist hiebei nicht maßgebend (zB , betreffend die Geschäftsführung durch eine Komplementär-GmbH einer GmbH & Co KG).
Der Vorsteuerabzug für Leistungen an eine geschäftsführende Komplementär-GmbH einer GmbH & Co KG ist bei der KG auch dann anzuerkennen, wenn die Rechnung auf die GmbH ausgestellt wurde und die übrigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug bei der GmbH & Co KG vorliegen.
Auch der Obmann des Vorstandes einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft, der Mitglied der Genossenschaft ist, ist in Ausübung seiner körperschaftsrechtlichen Funktion nicht Unternehmer ().
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GesmbH ist als selbständig und somit als Unternehmer anzusehen, wenn aufgrund der Höhe seines Geschäftsanteiles (50% oder mehr) oder aufgrund gesellschaftsrechtlicher Sonderbestimmungen (Sperrminorität) Gesellschafterbeschlüsse gegen seinen Willen nicht zustande kommen können (siehe zB , 2223/79, 2224/79 und ). Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung kann jedoch auch ein Gesellschafter- Geschäftsführer einer GmbH hinsichtlich dieser Tätigkeit wie ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft, somit als Nichtunternehmer, behandelt werden (vgl. "van der Steen").
2.1.5. Weitere Fälle
185Anwaltsgemeinschaft: kann Unternehmer sein (; GesBR).
Aufsichtsräte einer Stiftung: Ein Mitglied des Aufsichtsrats einer Stiftung, das hinsichtlich der Ausübung seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied zwar weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat hierarchisch untergeordnet ist, aber nicht in eigenem Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung, sondern für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und auch nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt, da es eine feste Vergütung erhält, die weder von der Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängt, ist nicht selbständig (nicht unternehmerisch) tätig (vgl. , IO).
Ehegatten sind dann als Unternehmer anzusehen, wenn sie gemeinschaftlich (zB als GesBR) nach außen auftreten (; ; ); die gemeinsame Bewirtschaftung einer Landwirtschaft durch die Ehegatten ist denkmöglich (). Eine Ehegattengemeinschaft, die weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine eigenständige Handlungsbefugnis besitzt, und die neben dem gemeinsamen Erwerb eines Grundstückes und der gemeinschaftlichen Errichtung eines Gebäudes tatsächlich keine weiteren Tätigkeiten ausübt, ist kein Unternehmer. Bei Leistungsbezügen sind die Eheleute, die diese Gemeinschaft bilden, unmittelbar als Leistungsempfänger anzusehen (, "HE").
Erbengemeinschaften können Unternehmer sein, auch wenn sie nicht auf Dauer angelegt sind.
Gesellschaft bürgerlichen Rechts: Unternehmer, wenn sie nach außen hin auftritt ().
Holdinggesellschaft (Beteiligungsholding): Reine Holdinggesellschaften (beschränken sich auf den Erwerb und das Halten von Gesellschaftsanteilen) sind nicht Unternehmer. Greift jedoch eine Holdinggesellschaft in die Verwaltung von Unternehmen, an denen sie Beteiligungen erworben hat, ein, ist die Holdinggesellschaft Unternehmer.
Der Begriff "Eingriff einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft" erfasst alle Umsätze, die eine wirtschaftliche Tätigkeit iSd MwSt-RL 2006/112/EG darstellen (dh. die Leistung muss nachhaltig und entgeltlich erbracht werden und es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen) und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden. Dazu gehört ua. die Erbringung von administrativen, buchhalterischen, finanziellen, kaufmännischen, der Informatik zuzuordnenden und technischen Dienstleistungen, aber etwa auch die Vermietung eines Gebäudes an die Tochtergesellschaft. Dies gilt auch für die Besorgung solcher Leistungen (vgl. , Cibo Participations; , Marle Participations, und ).
Lichtbaugemeinschaften (Personenvereinigungen, die zur leichteren Geschäftsabwicklung zwischen einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen und den Anschlussinteressenten gegründet werden): Unternehmer, wenn sie nach außen hin in Erscheinung treten.
Metagesellschaften (mehrere Personen verbinden sich zu dem Zweck, ein oder mehrere Geschäfte auf gemeinsame Rechnung durchzuführen, wobei aber jeder Metist im eigenen Namen auftritt): Sind nicht Unternehmer (BFH , BStBl III 1956, 58).
Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften im Sinne des § 6b KStG 1988 (vgl. KStR 2013 Rz 291 ff) besitzen Unternehmereigenschaft.
Stille Gesellschaften: Innengesellschaften und nicht Unternehmer ().
Stiftungsvorstände: sind Unternehmer. Nur wenn die Weisungsfreiheit des Vorstandsmitglieds stark eingeschränkt und der Vorstand bei Ausübung seiner Tätigkeit organisatorisch in die Stiftung eingegliedert ist (zB wenn die volle oder überwiegende Arbeitskraft für die Tätigkeit in der Stiftung eingesetzt wird), liegt keine unternehmerische Tätigkeit vor (vgl. LStR 2002 Rz 983).
Syndikate und Kartelle: Unternehmer, wenn sie nach außen durch Leistungen in Erscheinung treten.
Vermietungsgemeinschaft ("Mietenpool"): Überlassen Wohnungseigentümer ihre Eigentumswohnung einer Vermietungsgemeinschaft zwecks Vermietung durch die Vermietungsgemeinschaft im eigenen Namen an Dritte, so liegen zunächst Leistungsbeziehungen zwischen dem Bauträger (hinsichtlich der Veräußerung der Eigentumswohnung) bzw. der Wohnungseigentumsgemeinschaft (hinsichtlich der laufenden Betriebskosten) einerseits und den Wohnungseigentümern andererseits vor. Unternehmereigenschaft des Wohnungseigentümers ist gegeben, wenn die Nutzungsüberlassung der Eigentumswohnung durch den Wohnungseigentümer an die Vermietungsgemeinschaft entgeltlich erfolgt und nicht Liebhaberei im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 3 der Liebhaberei-Verordnung vorliegt. Zur Wahrung des Neutralitätsprinzips der Umsatzsteuer ist von einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung auch dann auszugehen, wenn der Wohnungseigentümer einen Anteil am Überschuss der Vermietungsgemeinschaft erhält. Dieser Anteil stellt das Entgelt für die Leistung (Nutzungsüberlassung) des Wohnungseigentümers dar.
Verpachtungsgemeinschaften: Unternehmer (, betreffend zwei Personen, die gemeinsam ein Geschäft verpachten).
Wohnungseigentumsgemeinschaften: Unternehmer, auch wenn sie nur die anteiligen Kosten einheben (siehe auch LRL 2012 Rz 171).
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Zusatzinformationen | |
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Gültig ab: | |
Materie: | Steuer |
Betroffene Normen: | UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 2 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise: | § 2 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993 UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 781 UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 784 , IO RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 , Cibo Participations , Marle Participations BFH , V 161/55 U, BStBl III 1956, 58 § 6b KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 KStR 2013, Körperschaftsteuerrichtlinien 2013 Rz 291 ff LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 983 § 1 Abs. 2 Z 3 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993 LRL 2012, Liebhabereirichtlinien 2012 Rz 171 |
Schlagworte: | Umsatzsteuer - Unternehmer - Unternehmen - Unternehmerbegriff - Unternehmerfähigkeit - Unternehmereigenschaft - Erbengemeinschaft - natürliche Person - Personenvereinigungen - Personengesellschaften und juristische Personen - Vereine - Kostengemeinschaften - Miteigentumsgemeinschaften - Hausgemeinschaften - Gesellschafter - Gesellschafter-Geschäftsführer - Anwaltsgemeinschaft - Ehegatten - Erbengemeinschaften - Gesellschaft bürgerlichen Rechts - Holdinggesellschaft - Lichtbaugemeinschaft - Metagesellschaften - Stille Gesellschaften - Syndikate und Kartelle - Verpachtungsgemeinschaften - Wohnungseigentumsgemeinschaften |
Stammfassung: | 09 4501/58-IV/9/00 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
VAAAA-76462