19. Abschreibung von Abgaben (Löschung, Nachsicht §§ 235 und 236 BAO)
19.1. Abschreibung von Abgaben
1600Unter dem Begriff "Abschreibung von Abgaben" iSd BAO sind die Löschung und die Nachsicht zu verstehen. Hinsichtlich anderer Fälle von Abschreibungen siehe Rz 1607.
1601Durch die verfügte Abschreibung erlischt der Abgabenanspruch.
1602Die Abschreibung (Löschung und Nachsicht) erfolgt mit Bescheid ().
19.2. Widerruf einer Löschung oder Nachsicht
1603Gemäß § 294 BAO kann die Löschung oder die Nachsicht einer Abgabe widerrufen werden. Ein Widerruf kommt insbesondere in Betracht, wenn auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht die Uneinbringlichkeit (im Fall der Löschung) oder Unbilligkeit der Einhebung (im Fall der Nachsicht) angenommen wurde oder später Vermögen neu entsteht. Dadurch lebt der Abgabenanspruch mit der ursprünglichen Fälligkeit wieder auf; für die Zahlung, die aufgrund des Widerrufes zu leisten ist, steht aber eine Frist von einem Monat zu (§ 235 Abs. 3 und § 236 Abs. 3 BAO). Während dieser Frist ist eine Hemmung der Einbringung gegeben (§ 230 Abs. 2 BAO).
1604Eine Löschung oder eine Nachsicht ist insoweit zu widerrufen, als der Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid, mit dem die von der Abschreibung betroffene Abgabe festgesetzt worden ist, später aufgehoben (zB durch den VwGH) oder zu Gunsten des Abgabepflichtigen geändert (zB durch eine Maßnahme gemäß § 295 BAO) wurde.
19.3. Erlöschen des Abgabenanspruches
1605Die Löschung oder die Nachsicht hat das Erlöschen des Abgabenanspruches als solchen zur Folge und kommt allen Mitschuldnern zu Gute (; ). Bei Gesamtschuldverhältnissen ist somit vor Verfügung der Abschreibung zu prüfen, ob die jeweiligen Voraussetzungen bei allen Gesamtschuldnern vorliegen, und zwar unabhängig davon, ob diese bereits mit Leistungsgebot herangezogen worden sind. Das gilt auch dann, wenn Haftungspflichtige noch nicht in Anspruch genommen worden sind (). Liegen die maßgeblichen Voraussetzungen für eine Maßnahme gemäß § 235 oder § 236 BAO auch nur bei einem Gesamtschuldner oder Haftenden nicht vor, so ist eine Abschreibung im Hinblick auf das damit verbundene Erlöschen des Anspruches verfehlt (); in Betracht käme jedoch eine Entlassung aus der Gesamtschuld (§ 237 BAO).
1606Da Abschreibungen auf Abgabenkonten zu Gutschriften führen, setzen sie entsprechende Lastschriften (kontomäßige Vorschreibungen) voraus. Es bedarf somit hinsichtlich bescheidmäßig festzusetzender Abgaben eines vorangehenden Abgaben- oder Haftungsbescheides; bei Selbstbemessungsabgaben ist eine entsprechende Vorschreibung (Lastschrift) auf dem Abgabenkonto erforderlich, und zwar entweder aufgrund des Ergebnisses der Selbstbemessung oder aufgrund eines Bescheides (insbesondere gemäß § 201 oder § 202 BAO).
19.4. Fälle von Abschreibungen außerhalb der §§ 235 und 236 BAO sind insbesondere:
Eintritt der Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO, soweit § 238 Abs. 4 und 5 BAO nicht entgegenstehen.
Wegen bedingter Erbserklärung gegen die Erben nicht durchsetzbare, dem Erblasser gegenüber entstandene Abgabenansprüche ( § 802 ABGB iVm § 19 BAO), soweit keine Inanspruchnahme der Erben als Haftende (insbesondere nach § 15 BAO) erfolgt.
Auf Grund des § 156 Abs. 1 IO bei rechtskräftiger Bestätigung eines Sanierungsplans der eine diesem zufolge zu entrichtende Quote übersteigende Betrag, doch wird dieser Schuldnachlass nach Maßgabe des § 156a IO zur Gänze oder teilweise (hinsichtlich eines aliquoten Betrags nach nur teilweise Entrichtung der Quote) hinfällig, wenn der Schuldner mit der Erfüllung des Sanierungsplans in Verzug gerät; die rechtskräftige Bestätigung des Sanierungsplans eines abgabepflichtigen Primärschuldners steht der Geltendmachung einer persönlichen Haftung auch für die diesem Plan zufolge zu entrichtende Quote übersteigende Abgabenschulden nicht entgegen.
Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe bei im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren verhängten Geldstrafen und Wertersätzen ( § 20 Abs. 1 FinStrG, § 179 FinStrG).
Nachsicht von Geldstrafen auf Grund des Gnadenrechtes ( § 187 FinStrG; siehe Rz 1632).
19.5. § 235 BAO
1608Voraussetzung für die Löschung ist die absolute und voraussichtlich dauernde Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld. Nur fällige Abgabenschuldigkeiten können gelöscht werden. Wenn auch bei bescheidmäßig festgesetzten Abgaben die Rechtskraft des Abgabenbescheides nicht Voraussetzung für eine Löschung ist, so erscheint es in der Regel dennoch nicht zweckmäßig, Abgabenschuldigkeiten vor Eintritt der Rechtskraft zu löschen.
1609§ 235 Abs. 1 BAO ist ausschließlich von Zweckmäßigkeitsüberlegungen getragen, bei uneinbringlich gewordenen Abgabenschuldigkeiten erfolglose Einbringungsmaßnahmen aus verwaltungsökonomischen Gründen zu vermeiden ().
1610Die Rechtswirkungen der Abschreibung gemäß § 235 BAO erfassen alle Mitschuldner ().
1611Die Abschreibung von Abgaben durch Löschung ist nur von Amts wegen vorzunehmen und liegt im Ermessen der Behörde. Dem Abgabepflichtigen steht kein Rechtsanspruch auf die Löschung zu (; ).
1612Die Vorschriften über die Löschung finden gemäß § 172 Abs. 1 und § 185 Abs. 5 FinStrG auf die im Finanzstrafverfahren verhängten Geldstrafen und Wertersätze und die sonstigen in diesem Verfahren anfallenden Geldansprüche sinngemäß Anwendung. Bei im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren verhängten Geldstrafen und Wertersätzen ist die Löschung sowohl von der Erfolglosigkeit der Einbringungsmaßnahmen als auch davon abhängig, dass der Vollzug einer etwaigen Ersatzfreiheitsstrafe voraussichtlich auf Dauer unmöglich ist. In diesem Zusammenhang ist die Reihenfolge des § 28 Abs. 7 FinStrG zu beachten.
1613Wurde die Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, so gilt die Strafe als entrichtet; in diesen Fällen erfolgt somit keine Löschung gemäß § 235 BAO, sondern eine Abschreibung eigener Art.
1614Die Löschung einer Abgabenschuldigkeit erfolgt in der Annahme auch künftiger Uneinbringlichkeit, somit nicht in Sanierungsabsicht ().
1615Ausreichende persönliche oder sachliche Haftungen stehen einer Löschung entgegen; die vorübergehende Uneinbringlichkeit bzw. die begründete Vermutung, dass die Einbringung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgreich sein wird, können zu einer Aussetzung der Einbringung gemäß § 231 BAO führen.
1616Die Löschung von Abgabenschuldigkeiten kann niemals zu einem Guthaben führen, weil die Löschung bereits getilgter Abgaben ausgeschlossen ist.
1617Eine Löschung ist nur zulässig, wenn bei den bereits mit einem ein Leistungsgebot beinhaltenden Bescheid in Anspruch Genommenen Vollstreckungsmaßnahmen
erfolglos versucht wurden oder offenkundig aussichtslos sind und
auf Dauer aussichtslos erscheinen.
1618Kommen für eine Abgabenschuldigkeit bisher noch nicht in Anspruch genommene Gesamtschuldner oder Haftende in Betracht, so ist weitere Voraussetzung für eine Löschung, dass diesen gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen auf Dauer aussichtslos erscheinen.
1619Die Nachfrist des § 235 Abs. 3 BAO gilt im Analogieweg auch, wenn Nachsichtsbescheide durch § 299 BAO oder einen anderen Verfahrenstitel aufgehoben werden.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zusatzinformationen | |
---|---|
Gültig ab: | |
Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
Betroffene Normen: | BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 235 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 235 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 235 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 230 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 19 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 179 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 187 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 235 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | RAE, Richtlinien Abgabeneinhebung Rz 1607 RAE, Richtlinien Abgabeneinhebung Rz 1632 § 294 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 237 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 202 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 802 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 § 15 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 172 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 185 Abs. 5 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 28 Abs. 7 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 231 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 AO, Ausgleichsordnung, BGBl. II Nr. 221/1934 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 156 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 156a IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 |
Schlagworte: | Abgabeneinhebung - Erlöschen - Löschungswiderruf - Nachsichtswiderruf - unrichtige Angaben - irreführende Angaben - Wiederaufleben - Bescheidaufhebung - amtswegig - künftige Uneinbringlichkeit - getilgte Abgabe - Abschreibung - Löschung - Nachsicht - Abschreibung von Abgaben - Abgabenanspruch - Abgabenansprüche - Widerruf - widerrufen - Uneinbringlichkeit - Unbilligkeit - Vermögen - Mitschuldner - Gesamtschuldverhältnis - Gesamtschuldner - Haftungspflichtige - Erlöschen des Anspruches - Erlöschen der Ansprüche - Entlassung aus der Gesamtschuld - Gutschrift - Einhebungsverjährung - Ausgleich - Zwangsausgleich - Ersatzfreiheitsstrafe - Finanzstrafverfahren - Geldstrafen - Wertersätze - Wertersatz - Gnadenrecht - dauernde Uneinbringlichkeit - fällige Abgabenschuldigkeit - Rechtskraft - Eintritt der Rechtskraft - Zweckmäßigkeit - Rechtswirkung - von Amts wegen - Abschreibung eigener Art - Haftung - Vollstreckungsmaßnahmen - erfolglos - aussichtslos - Vollstreckung |
Stammfassung: | 05 2202/1-IV/5/03 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
EAAAA-76459