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OGH 24.06.2025, 6Ob31/08i

OGH 24.06.2025, 6Ob31/08i

Rechtssätze


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Normen
RS0027787
Was dem Geschädigten im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs. Es kommt daher wesentlich auf die Umstände des Einzelfalles an.
Normen
RS0022681
Das Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB setzt kein Verschulden im technischen Sinne voraus. Auch Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern, worunter auch die Gesundheit fällt.
Normen
RS0023573
Es stellt einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht dar, wenn der Geschädigte Handlungen unterlassen hat, die geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern, die - objektiv beurteilt - von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären, um eine nachteilige Veränderung des eigenen Vermögens hintanzuhalten, beziehungsweise wenn er Handlungen gesetzt hat, die geeignet waren, den Schaden zu vergrößern und von einem verständigen Durchschnittsmenschen nicht gesetzt worden wären, und dies der Geschädigte bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen und dieser Einsicht nach hätte handeln können.
Norm
RS0027043
Aus dieser Gesetzesstelle ergibt sich die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten.
Normen
RS0108074
Der Anlageberater ist zur Aufklärung seiner Kunden über die Risikoträchtigkeit der in Aussicht genommenen Anlage verpflichtet; welche Verhaltenspflichten ihn dabei im einzelnen treffen, kann zwar nur aufgrund der konkreten Umstände beurteilt werden, doch treffen ihn jedenfalls dem Anlageinteressenten gegenüber Schutzpflichten und Sorgfaltspflichten. Stellt er etwa ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hin und veranlasst er dadurch den Anleger zur Zeichnung einer solchen Beteiligung, dann haftet er für die fehlerhafte Beratung selbst dann, wenn auch er von der Seriosität des Anlagegeschäfts überzeugt gewesen sein sollte, weil er ein solches Geschäft nicht ohne weiteres als sichere Anlageform anpreisen darf.
Normen
RS0018766
Ist die Rechtslage nicht unproblematisch, ist es nicht als Verletzung der Schadensminderungspflicht anzusehen, wenn der Gewährleistungspflichtige einen Streitfall mit dem Besteller nicht gerichtlich austrägt, sondern vergleichsweise bereinigt und die verglichene Preisminderung vom schuldtragenden Lieferanten als Mängelfolgeschaden begehrt.
Normen
ABGB §1304
AHG §2 Abs2
RS0108035
Während im Anwendungsbereich des § 2 Abs 2 AHG bei Verschulden des Geschädigten keine Verschuldensteilung im Sinn des § 1304 ABGB eintritt, sondern der Anspruch gegen den Rechtsträger insoweit erlischt, als das Rechtsmittel hätte Abhilfe schaffen können (SZ 58/156 mwN), führt das Nichtergreifen eines Rechtsmittels außerhalb dieses Bereiches nicht in jedem Fall dazu, dass der Geschädigte den nicht verhinderten Schaden allein zu tragen hat. Ergreift der Geschädigte kein Rechtsmittel, obwohl es geeignet gewesen wäre, den Schaden ganz oder teilweise abzuwenden, so handelt er sorglos in eigenen Angelegenheiten und verletzt die ihm obliegende Rettungspflicht. Trifft ihn ein Verschulden, so ist der Schaden nach § 1304 ABGB zu teilen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.-Prof. DI Dr. Manfred S*****, vertreten durch Dr. Hans Estermann, Rechtsanwalt in Mattighofen, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Gruber & Partner Rechtsanwalts KEG in Wien, wegen 55.916,63 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 170/07w-40, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 11 Cg 38/06k-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die den Anlageberater treffenden Verhaltenspflichten sind ebenso wie die Frage, welche konkreten Maßnahmen der Geschädigte aufgrund der ihn treffenden Schadensminderungspflicht setzen muss, regelmäßig nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und stellen daher, soweit keine auffallende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0108074 [T3]; RS0084353, RS0022681 [T4], RS0027787, RS0027143 [T7]).

2.1. In der Auffassung des Berufungsgerichts, darin, dass der Kläger eine Berufungsvorentscheidung des Finanzamts, in welcher seine mit dem von der beklagten Partei angebotenen „fremdfinanzierten Rentenversicherungsmodell" verbundenen Aufwendungen nicht als Werbungskosten absetzbar sind, nicht weiter bekämpft habe, liege kein Mitverschulden, ist im Hinblick auf den Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom , GZ 06 1802/1-IV/6/02, über fremdfinanzierte Rentenversicherungsmodelle eine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erblicken. Nach diesem Erlass sind fremdfinanzierte Rentenversicherungsverträge laut Modellbeschreibung im Einkommensteuerprotokoll 2001, bei denen der Abschluss des Rentenversicherungsvertrags nach dem erfolgt, im Sinne der Rz 165 EStR 2000 - losgelöst von den Verhältnissen des Einzelfalls - stets als Beteiligungen im Sinn des § 2 Abs 2a EStG 1988 anzusehen, bei denen die Erzielung steuerlicher Vorteile im Vordergrund steht; Verluste aus derartigen Verträgen sind daher nur mit späteren Überschüssen ausgleichsfähig.

2.2. Entgegen der Rechtsansicht der beklagten Partei ist im vorliegenden Verfahren nicht die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen zu prüfen. Es geht vielmehr ausschließlich darum, ob zivilrechtlich die Unterlassung eines Antrags auf Vorlage an den UFS und gegebenenfalls die Unterlassung der Erhebung weiterer Rechtsmittel im Abgabenverfahren einen Verstoß gegen die den Kläger nach § 1304 ABGB treffende Schadensminderungspflicht begründen. Nach völlig herrschender Auffassung ist der Geschädigte aber nicht zu Verfahrensschritten verpflichtet, die mit einem bedeutenden Kostenrisiko verbunden sind (9 ObA 303/92; SZ 70/108 = EvBl 1997/186; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1304 Rz 43) oder geringe Aussicht auf Erfolg haben (SZ 39/170; SZ 45/5; JBl 1985, 677; SZ 62/185 = JBl 1990, 587; SZ 70/108 = EvBl 1997/186; Reischauer aaO).

2.3. Ist die Rechtslage nicht unproblematisch, so ist es keine Verletzung der Schadensminderungspflicht, wenn der Rechtsweg nicht beschritten wird (SZ 62/185 = ecolex 1990, 143). Im Übrigen kommt dem Obersten Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung keine Leitfunktion in Fragen des Steuerrechts zu (5 Ob 166/00y; 5 Ob 99/00w; 1 Ob 75/03s; 1 Ob 153/03m).

Damit bringt die Revisionswerberin aber keine Rechtsfragen der im § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2008:0060OB00031.08I.0313.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-75405