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OGH 16.11.2021, 1Ob209/21y

OGH 16.11.2021, 1Ob209/21y

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach *, verstorben am * 2018, vertreten durch die Gradischnig & Gradischnig Rechtsanwälte GmbH, Villach, gegen die beklagte Partei * Bank *, vertreten durch Dr. Herbert Felsberger und Mag. Stella Aspernig, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 88.500 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 166/21f-44, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 84 Cg 26/20a-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die beklagte Bank zahlte am von einem bei ihr geführten Sparbuch einen der Klagesumme entsprechenden Betrag an eine unbekannte Person, die sich ihr gegenüber als jene (mittlerweile verstorbene) Kundin ausgab, auf die die Sparurkunde („Namenssparbuch“) lautete. Diese wies der Beklagten neben dem Sparbuch einen auf die tatsächliche Kundin lautenden „Stammausweis“ der „Stadtwerke“ (auf dem sich zwar ein Foto aber weder eine Unterschrift noch ein Geburtsdatum befand) sowie deren Staatsbürgerschaftsnachweis vor. Die beklagte Bank verglich vor Auszahlung die Unterschrift der das Sparbuch vorlegenden Person mit jener ihrer Kundin.

[2] Die klagende Verlassenschaft nach der verstorbenen Kundin begehrt von der Beklagten Zahlung des ihrer Ansicht nach nicht mit schuldbefreiender Wirkung an die unbekannte Sparbuchinhaberin geleisteten Betrags.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte die der Klage stattgebende erstinstanzliche Entscheidung, weil die Feststellung der Identität der Sparbuchinhaberin nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe und die Beklagte daher nicht mit schuldbefreiender Wirkung an diese gezahlt habe.

Rechtliche Beurteilung

[4] In ihrer Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[5] Gemäß § 32 Abs 4 Z 2 BWG in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behebung am geltenden Fassung durfte ein Kreditinstitut bei Spareinlagen, deren Guthabensstand – wie hier – mindestens 15.000 EUR beträgt, oder die auf den Namen des gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden lauteten, eine Auszahlung unbeschadet eines Verfügungsvorbehalts gemäß § 31 Abs 3 BWG (Losungswort) sowie unbeschadet des § 40 Abs 1 Z 4 BWG (Identifizierungspflicht bei Ein- und Auszahlungen von mindestens 15.000 EUR oder Euro-Gegenwert) gegen Vorlage der Sparurkunde nur an den gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden vornehmen. Nach dieser Bestimmung in der zum geltenden Fassung musste der Identitätsnachweis durch persönliche Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises erfolgen. Als solcher galten von einer staatlichen Behörde ausgestellte Dokumente, die mit einem nicht austauschbaren erkennbaren Kopfbild der betreffenden Person versehen waren und Namen, Geburtsdatum sowie Unterschrift der Person sowie die ausstellende Behörde enthalten.

[6] Mit der in § 32 Abs 4 BWG in der zum geltenden Fassung normierten Einschränkung der Auszahlungsbefugnis an den gemäß § 40 Abs 1 BWG (nunmehr: gemäß den Bestimmungen des Finanzmarkt-Geldwäschegesetzes) identifizierten Kunden ist grundsätzlich die Auszahlung an den ursprünglichen Sparkunden bzw Kontoinhaber, also den „Eröffner“ des Sparbuchs bzw Sparkontos gemeint. An eine andere Person (ausgenommen Bevollmächtigte oder Rechtsnachfolger) dürfen Sparguthaben nicht ausbezahlt werden (10 Ob 61/07d; 8 Ob 37/09p; Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht Band II² Rz 3/66; Harrich in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG4 [2017] §§ 31, 32 Rz 19). Nach der Rechtsprechung regelt das in § 32 Abs 4 Z 2 BWG normierte Verbot der Zahlung an einen anderen als den „erstidentifizierten“ Sparbuchinhaber die Berechtigung der Bank zur schuldbefreienden Zahlung (10 Ob 61/07d; 8 Ob 37/09p).

[7] Da die Beklagte an eine andere Person als die gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierte Rechtsvorgängerin der Klägerin zahlte, begegnet die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach dieser Zahlung keine schuldbefreiende Wirkung zukam, keinen Bedenken.

[8] Mit ihrer Behauptung, die zu 10 Ob 61/07d und 8 Ob 37/09p ergangenen Entscheidungen seien auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, zeigt die Revisionswerberin schon deshalb keine Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht auf, weil sie nicht darlegt, warum zwar die fehlende Vollmacht (vgl 10 Ob 61/07d) oder die mangelnde Rechtsnachfolge (vgl 8 Ob 37/09p) eines im eigenen Namen auftretenden Sparbuchinhabers eine schuldbefreiende Zahlung an diesen ausschließen sollte, nicht hingegen die mangelnde – und nicht ordnungsgemäß überprüfte – Identität der unter dem Namen der tatsächlich berechtigten Kundin auftretenden Sparbuchinhaberin mit dieser.

[9] Dass der im Rahmen der Anknüpfung der dauernden Geschäftsbeziehung von der Bank identifizierte Kunde nicht nochmals gemäß § 40 Abs 1 BWG zu identifizieren sei, wenn er die Sparurkunde „gemäß § 32 Abs 2 BWG“ (gemeint: zum Zweck einer Behebung) vorlegt, widerspricht dem klaren Wortlaut des § 32 Abs 4 Z 2 BWG. Die Beurteilung dieser Konstellation hat für den vorliegenden Fall auch gar keine Relevanz, steht doch fest, dass die Auszahlung gerade nicht an die bei der Sparbucheröffnung identifizierte Person erfolgte. Auf die Ausführungen der Revisionswerberin zu einer schadenersatzrechtlichen Haftung muss nicht eingegangen werden, weil eine solche nicht zu beurteilen ist.

[10] Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00209.21Y.1116.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-68254