VwGH 19.12.1996, 96/06/0165
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | ABGB §1452; ABGB §1498; AVG §68 Abs1; AVG §8; B-VG Art7 Abs1; LStG Tir 1989 §44; LStG Tir 1989 §62 Abs1; LStG Tir 1989 §68 Abs1; LStG Tir 1989 §68 Abs3; LStG Tir 1989 §70; StGG Art5; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; |
RS 1 | Aus dem Umstand, daß die Eigentümer eines von einem Straßenbauvorhaben betroffenen, im Grundbuch als öffentliches Gut ausgewiesenen Grundstückes durch Ersitzung Eigentum erworben haben, kann nicht abgeleitet werden, daß der Straßenbaubewilligungsbescheid den Eigentümern gegenüber nicht rechtskräftig sei: Zum einen erwächst nur der Spruch eines Bescheides in Rechtskraft, dieser lautet auf Erteilung der Straßenbaubewilligung für das gesamte beantragte Projekt nach Maßgabe der einen Bescheidbestandteil bildenden Planbeilagen. Zum anderen waren die Eigentümer in der Verhandlung anläßlich der Erteilung der Baubewilligung nicht daran gehindert, alles vorzubringen, was ihrer Ansicht nach gegen die Erteilung der Straßenbaubewilligung, auch soweit das Grundstück betroffen ist, von dem die Behörde zu Unrecht davon ausgegangen sein soll, daß es öffentliches Gut darstelle, sprach. Darin ist der entscheidende Unterschied zu einem Dritten zu sehen, der erstmals anläßlich des Enteignungsverfahrens der Verhandlung zugezogen wird, und der keine Möglichkeit hatte, im Baubewilligungsverfahren seine grundsätzlichen Einwendungen gegen die Notwendigkeit der Straßenbauführung vorzubringen. Diese rechtliche Beurteilung verstößt daher auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Hinweis E , 94/06/0120). Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Augenschein an Ort und Stelle gem § 68 Abs 3 Tir LStG 1989 ist eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die jedoch nur im Fall ihrer Wesentlichkeit zur Bescheidaufhebung durch den VwGH führt, der Bf hat aufzuzeigen, welche Einwendungen er anläßlich einer mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle erhoben hätte, die eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides zwecks Verfahrensergänzung gebieten würden (Hinweis E , 92/06/0155). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des Alois und der Anna N in A, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. IIb1-L-2173/3-1996, betreffend Enteignung nach dem Tiroler Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde der Gemeinde gemäß § 44 Abs. 3 in Verbindung mit § 75 Abs. 3 lit. a des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, die Straßenbaubewilligung für den Neubau eines Teilstückes des Wiesenweges, Gst. Nr. 3181/2, KG A, erteilt. Diese Baubewilligung bezog sich auf die eingereichten Planunterlagen, die einen Bestandteil des Straßenbaubewilligungsbescheides bildeten.
Die Beschwerdeführer sind bücherliche Eigentümer des Grundbuchskörpers EZ 808, Grundbuch nn A, bestehend aus Gst. Nr. 239 und Gst. Nr. 240. Im Straßenbaubewilligungsverfahren hat die mitbeteiligte Gemeinde das Grundstück Nr. 239 im Eigentum der Beschwerdeführer als durch das Bauvorhaben berührtes Grundstück angeführt, dies im Ausmaß einer Grundbeanspruchung von insgesamt 26 m2. Weiters wurden mit dem in Rechtskraft erwachsenen Straßenbaubewilligungsbescheid unter anderem das Grundstück Nr. 3181/2 (öffentliches Gut - Wege und Plätze) im Ausmaß von 40 m2 beansprucht, sowie 38 m2 aus dem Grundstück Nr. 240 der Beschwerdeführer.
In der Folge hat die Gemeinde mit Eingabe vom unter Hinweis auf die rechtskräftige Straßenbaubwilligung den Antrag gestellt, das Enteignungsverfahren hinsichtlich jener Grundflächen vorzunehmen, die zum Bau der Straße benötigt werden und für die noch kein Übereinkommen über die Vergütung vorliegt.
Über dieses Ansuchen wurde aufgrund der Kundmachung vom am eine mündliche Verhandlung (im Gemeindeamt) durchgeführt. Während dieser Verhandlung brachten die Beschwerdeführer vor, daß im Verfahren 7 Cg 250/89 des Landesgerichtes Innsbruck mit Urteil vom im Rechtsstreit der Gemeinde A gegen die Beschwerdeführer ausgesprochen worden sei, daß die Beschwerdeführer jene 40 m2 ersessen hätten, die im Grundbuch als Gst. Nr. 3181/2, öffentliches Gut (Wege und Plätze), ausgewiesen seien. Weiters wurde in dieser Verhandlung festgestellt, daß die Auspflockung in der Natur nicht erfolgt sei. Die Verhandlung wurde auf den vertagt. Mit Verständigung der belangten Behörde vom wurde die für anberaumte (und vom Verhandlungsleiter versäumte) mündliche Verhandlung auf den vertagt. Die Auspflockung nahm nach dem Beschwerdevorbringen der Sachverständige am vor. In der Verhandlung vom , die ebenfalls im Gemeindeamt durchgeführt wurde, brachten die Beschwerdeführer ihre Einwendungen beteffend die Ersitzung schriftlich vor und wiesen darauf hin, daß sie in bezug auf diese 40 m2 im Straßenbaubewilligungsverfahren als übergangene Partei anzusehen seien, diesbezüglich vermöge der Baubewilligungsbescheid ihnen gegenüber keine Rechtswirkungen zu entfalten. Es bestehe kein öffentliches Verkehrsinteresse am gegenständlichen Vorhaben, die Beschwerdeführer würden durch die Inanspruchnahme wesentlich mehr belastet als jene Grundstückseigentümer, die im Falle einer Verschwenkung der Trasse enteignet werden müßten.
Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde unter I die im Grundeinlösungsplan dargestellten, näher angeführten Grundflächen zugunsten der antragstellenden Gemeinde enteignet. Unter II wurden die Entschädigungen festgesetzt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, bei Vorliegen einer (rechtskräftigen) Straßenbaubewilligung gelte der Bedarf gemäß § 62 Abs. 2 des Straßengesetzes als nachgewiesen. Es könne daher im Enteignungsverfahren nicht mit Erfolg die Abweisung des Enteignungsantrages unter Hinweis auf die mangelnde Verkehrsbedeutung und fehlende Sinnhaftigkeit des Projektes geltend gemacht werden. Die Übereinstimmung des rechtskräftig genehmigten Projektes mit dem Einlöseplan sei überprüft worden, die Voraussetzungen für die Enteignung seien somit gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 1 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, hat die Behörde über jeden Enteignungsantrag, sofern er nicht als unzulässig zurückzuweisen ist, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Sie ist mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbinden. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung hat der Enteigner die von der Enteignung betroffenen Grundflächen spätestens am 3. Tag vor der mündlichen Verhandlung in der Natur in geeigneter Weise zu kennzeichnen. § 70 leg. cit. lautet:
"§ 70
Enteignungsbescheid
(1) Die Behörde hat über einen Enteignungsantrag mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.
(2) Wird dem Enteignungsantrag stattgegeben, so hat der Enteignungsbescheid jedenfalls zu enthalten:
a) eine genaue Beschreibung des Vorhabens, dessen Verwirklichung die Enteignung dient;
b) bei einer Enteignung für Vorhaben, die nicht einer Straßenbaubewilligung bedürfen, eine angemessene Frist für die Ausführung des Vorhabens;
die genaue Bezeichnung des Gegenstandes der Enteignung;
die Festsetzung der den Enteigneten bzw. den Nebenberechtigten zustehenden Vergütung, sofern nicht ein zulässiges Übereinkommen zwischen dem Enteigner und den Enteigneten bzw. den Nebenberechtigten über die Vergütung vorliegt;
e) bei einer Enteignung durch Einräumung des Eigentums an einem Grundstück die Feststellung, welche Rechte nach § 71 Abs. 4 erlöschen.
(3) Die nach Abs. 2 lit. b festzusetzende Frist darf fünf Jahre nicht übersteigen. Sie ist auf Antrag des Straßenverwalters um höchstens drei Jahre zu verlängern, wenn die Ausführung des Vorhabens ohne Verschulden des Straßenverwalters verzögert wurde."
Im gegenständlichen Verfahren wurden zwei mündliche Verhandlungen durchgeführt, eine am und eine am ; wie dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen ist, wurde am die Auspflockung der zu enteignenden Flächen durchgeführt. Damit war der Bestimmung des § 68 Abs. 3 des Straßengesetzes entsprochen. Zutreffend ist allerdings, daß keine der mündlichen Verhandlungen mit einem Augenschein an Ort und Stelle verbunden war. Daraus folgt, daß eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorlag. Allerdings haben die Beschwerdeführer in ihrem Vorbringen die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels nicht aufgezeigt, bei dessen Unterbleiben ein anderes Verfahrensergebnis erzielt worden wäre. Sie haben nicht aufgezeigt, welche Einwendungen sie anläßlich einer mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle erhoben hätten, die eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides zwecks Verfahrensergänzung gebieten würden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/06/0155).
Gemäß § 62 Abs. 1 des Straßengesetzes ist eine Enteignung nur zulässig, wenn für das Vorhaben, dessen Verwirklichung die Enteignung dienen soll, ein Bedarf besteht, dessen Deckung im öffentlichen Verkehrsinteresse gelegen ist (lit. a), der Gegenstand der Enteignung geeignet ist, der zweckmäßigen und wirtschaftlichen Verwirklichung des Vorhabens zu dienen (lit. b), der Gegenstand der Enteignung nicht anders als durch Enteignung beschafft werden kann (lit. c), und durch die Enteignung ihr Zweck unmittelbar verwirklicht werden kann (lit. d). Nach Abs. 2 dieser Bestimmung gilt bei Bauvorhaben, die einer Straßenbaubewilligung bedürfen, der Bedarf im Sinne des Abs. 1 lit. a dieser Bestimmung mit dem Eintritt der Rechtskraft der Straßenbaubewilligung als nachgewiesen.
Der Straßenbaubewilligungsbescheid vom wurde auch den Beschwerdeführern zugestellt, nach dem Spruch dieses Bescheides bezieht sich die erteilte Straßenbaubewilligung auf die eingereichten Planunterlagen, die Bestandteil des Bescheides sind (Planbeilagen 1 bis 8). Wenn in der Begründung dieses Bescheides die Beschwerdeführer hinsichtlich ihres Grundstückes Nr. 239 nur mit 26 m2 der Grundbeanspruchung angeführt sind und hinsichtlich ihres weiteren Grundstückes Nr. 240 mit 38 m2, so kann aus dem Umstand, daß die Beschwerdeführer an einem im Grundbuch als öffentliches Gut ausgewiesenen Grundstück durch Ersitzung Eigentum erworben haben, nicht abgeleitet werden, daß der Straßenbaubewilligungsbescheid den Beschwerdeführern gegenüber nicht rechtskräftig sei: Zum einen erwächst nur der Spruch eines Bescheides in Rechtskraft, dieser lautete auf Erteilung der Straßenbaubewilligung für das gesamte beantragte Projekt nach Maßgabe der einen Bescheidbestandteil bildenden Planbeilagen. Zum anderen waren die Beschwerdeführer in der Verhandlung anläßlich der Erteilung der Baubewilligung nicht daran gehindert, alles vorzubringen, was ihrer Ansicht nach gegen die Erteilung der Straßenbaubewilligung, auch soweit das Grundstück betroffen ist, von dem die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen sein soll, daß es öffentliches Gut darstelle, sprach. Darin ist der entscheidende Unterschied zu einem Dritten zu sehen, der erstmals anläßlich des Enteignungsverfahrens der Verhandlung zugezogen wird, und der keine Möglichkeit hatte, im Baubewilligungsverfahren seine grundsätzlichen Einwendungen gegen die Notwendigkeit der Straßenbauführung vorzubringen. Diese im Ergebnis zutreffende rechtliche Beurteilung der belangten Behörde verstößt daher auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (vgl. das hg. Erkenntis vom , Zl. 94/06/0120). Entgegen den Beschwerdeausführungen sind die Beschwerdeführer daher auch nicht übergangene Parteien; das in der Beschwerde zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/06/0037, bezieht sich nicht auf ein Straßenbaubewilligungsverfahren, der Rechtssatz, die übergangene Partei habe ein Recht auf nachträgliche Durchführung eines zusätzlichen auf sie und die betreffenden Hauptparteien beschränkten Straßenbaubewilligungsverfahrens, findet sich in diesem Erkenntnis nicht.
Daß die mit dem angefochtenen Bescheid enteignete Teilflächen von 26 m2 und 40 m2 zur Durchführung des mit rechtskräftigem Baubewilligungsbescheid vom genehmigten Straßenbauprojektes nicht erforderlich seien, wurde in der Beschwerde nicht einmal behauptet. Ein derartiges Vorbringen fände in den vorgelegten Planunterlagen auch keine Deckung.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
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Normen | ABGB §1452; ABGB §1498; AVG §68 Abs1; AVG §8; B-VG Art7 Abs1; LStG Tir 1989 §44; LStG Tir 1989 §62 Abs1; LStG Tir 1989 §68 Abs1; LStG Tir 1989 §68 Abs3; LStG Tir 1989 §70; StGG Art5; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; |
Schlagworte | Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Diverses |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1996:1996060165.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-65452