VwGH 27.04.1981, 2599/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Mag die Vertretungsmacht des Bürgermeisters zur Erhebung einer VwGH-Beschwerde auch als eingeschränkt zu betrachten sein (arg § 25 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 Bgld GdO), für die in Durchführung (§ 29 Abs 1) des Gemeinderatsbeschlusses, einen RA zu betrauen, erfolgte Bevollmächtigung eines BESTIMMTEN Rechtsanwaltes trifft dies jedoch nicht zu (Hinweis B , 821/66 betr. OÖ GdO 1965). |
Normen | GdO Bgld 1965 §77 Abs6 KanalanschlußgebührenG Bgld §2 Abs2 idF 1967/009 |
RS 2 | Die Feststellung der der Gebühr zugrundezulegenden Gesamtkosten ist ausschließlich Gegenstand der nach § 2 Abs 2 zu erlassenden Verordnung des Gemeinderates und nicht des individuellen Abgabenverfahrens. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 3153/79 E RS 3 |
Normen | |
RS 3 | Die Behörde ist bei Fehlen einer Unterschrift auf Anbringen, die die Schriftform erfordern, zur Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages verpflichtet. Hiedurch wird die Rechtsfolge des Ausschlusses einer Sacherledigung über ein solches Anbringen jedoch nur hinausgeschoben. Eine Sacherledigung ist der Behörde im Interesse einer eindeutigen Zurechnung der Parteierklärung verwehrt (hier: offensichtlich nicht vom Antragsteller stammender Schriftzug seines Namens als Unterschrift). |
Normen | AVG §73 Abs2 LAO Bgld 1963 §232 Abs1 |
RS 4 | Davon, daß die Verzögerung der Erledigung ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist, kann dann nicht gesprochen werden, wenn der Erlassung des Bescheides innerhalb der im § 232 Abs 1 Bgld LAO bezeichneten Frist der Umstand entgegensteht, daß das von der Partei eingebrachte Ansuchen mit einem Formgebrechen behaftet ist (Hinweis E , 91/60, VwSlg 5434 A/1960; E , 1769/69). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde der Gemeinde S, vertreten durch Dr. Walter Hatvagner, Rechtsanwalt in Oberwart, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom , Zl. X-V-6/4-1979, betreffend Vorstellungsverfahren in einer Abgabenabrechnungssache (mitbeteiligte Partei: Verlassenschaft nach LV, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. JV in S), nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der beschwerdeführenden Gemeinde, Bürgermeister JJ, und des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Verlassenschaftskurator Dr. JV, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Gemeinde S Aufwendungen in der Höhe von S 7.202,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Am langte bei der Gemeinde S ein mit datierter Schriftsatz ein, der im Briefkopf die Bezeichnung „LV, S 69“, aufwies. In diesem Schriftsatz wurde ausgeführt, daß der Antragsteller, was den angeblichen Rückstand von S 1.000,-- an Kanalanschlußgebührenvorauszahlung betreffe, derzeit bei der Gemeinde ein Guthaben verzeichne. Zur Getränkesteuer werde bemerkt, daß nach seinen Aufzeichnungen ein Guthaben von S 1.664,-- bestehe, sodaß hieraus allfällige Abgaben aus diesem Titel zu decken seien; es werde um Zusendung von Getränkesteuer-Erklärungen ersucht. Da offenkundig eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Abgabenbehörde und dem Antragsteller in bezug auf geleistete Zahlungen und Fälligkeiten bestehe, ersuche er gemäß § 164 der Burgenländischen Landesabgabenordnung - Bgld LAO, LGBl. Nr. 2/1963, um Erlassung eines Abrechnungsbescheides für die Jahre 1966 bis 1977 hinsichtlich der Grundsteuer A und B, Kanalanschlußgebühr und Getränkesteuer. Der maschingeschriebene Schriftsatz weist am Ende den mit Kugelschreiber geschriebenen Namenszug „LV“ auf. Darunter befindet sich der Vermerk „AV. nicht mit der Unterschrift des Antragstellers ident“.
Mit Schriftsatz vom , der im Briefkopf wiederum LV ausweist, wurde ein Devolutionsantrag gemäß § 232 Bgld LAO gestellt, da der Bürgermeister als Abgabenbehörde erster Instanz über den Antrag vom auf Erlassung eines Bescheides gemäß § 164 Bgld LAO noch nicht entschieden habe. Auch dieser Devolutionsantrag weist den handschriftlichen Namenszug „LV“ auf; darunter befindet sich der Vermerk „AV. nicht mit der Unterschrift des Antragstellers ident“.
Mit Schriftsatz vom teilte Dr. JV mit, daß er mit Beschluß des Bezirksgerichtes Oberwart vom zum Verlassenschaftskurator in der Verlassenschaftssache nach seinem im September 1978 verstorbenen Vater LV bestellt worden sei. Hinsichtlich des Devolutionsantrages vom „räume er der Behörde fairerweise eine Frist von drei Wochen ein“. Nach Ablauf dieser Frist werde er eine Säumnisbeschwerde einbringen. Da der Bürgermeister bezüglich seines Antrages vom einen Bescheid bis zum heutigen Tag nicht erlassen habe, stelle er als Verlassenschaftskurator den „Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht an die Abgabenbehörde zweiter Instanz (Abrechnungsbescheid, § 232 LAO)“.
1.2. Mit Bescheid vom hat der Gemeinderat der Gemeinde S einen Abgabenabrechnungsbescheid erlassen, in welchem für die Jahre 1973 bis 1978 die jeweiligen Vorschreibungen der Grundsteuer A und B sowie der Kanalanschlußgebühren ausgewiesen sind, ferner die Zahlungen sowie die Rückstände am jeweiligen Jahresende. Dieser Auszug erfolge auf Grund des Devolutionsantrages vom . Für die Getränkeabgabe sei mit LV ab 1974 ein Getränkeabgabenpauschale von S 3.000,-- jährlich vereinbart worden. Das vereinbarte Pauschale sei einschließlich des Jahres 1976 bezahlt worden. Da es sich bei der Getränkeabgabe um eine Selbstzahlerabgabe handle, habe der Abgabenschuldner die Berechnung selbst vorzunehmen und den Betrag an die Gemeinde abzuführen, ohne daß es eines Bescheides bedürfe. Es sei daher lediglich der Eingang verbucht worden. Die Kanalanschlußgebühr von S 1.000,-- sei für 1975 als Kanalanschlußgebühren-Vorauszahlung vorgeschrieben worden; der Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Für die Jahre 1977 und 1978 seien die Abgabenbescheide dem Sohn des inzwischen verstorbenen Antragstellers auf dessen Antrag zugestellt worden, weil er nach seiner Mitteilung vom den gesamten Besitz seiner Eltern in der KG. S übernommen habe; die Übernahme sei am erfolgt. Da das Konto des Antragstellers bis einschließlich 1972 ausgeglichen gewesen sei, bestehe kein Anlaß, einen Abrechnungsbescheid ab 1966 zu erlassen, zumal die Belege gemäß § 37 Abs. 2 der Gemeindehaushaltsordnung, LGBl. Nr. 32/1966, nur mindestens fünf Jahre aufzubewahren seien und weiter zurückliegende Belege nicht mehr überprüft werden könnten.
Gegen diesen Bescheid hat die Verlassenschaft nach LV vertreten durch den Verlassenschaftskurator mit Schriftsatz vom Vorstellung erhoben und den Bescheid zur Gänze angefochten. Zur Getränkesteuer werde ausgeführt, daß eine Vereinbarung, derzufolge jährlich ab 1974 S 3.000,-- an Getränkeabgabenpauschale zu entrichten seien, nicht erfolgt sei. Die Voraussetzung des § 3 Abs. 3 bis 4 des Getränkeabgabegesetzes lägen nicht vor. Die Abgabenbehörde habe den entsprechenden Nachweis zu erbringen. Es ergebe sich demnach ein Guthaben von S 9.000,--, um welchen Betrag der „Auszug“ zu berichtigen sei. Was die Grundsteuer anlange, so seien Bescheide hinsichtlich der Jahre 1973 bis 1976 nicht ergangen. Die Behörde habe das Gegenteil nachzuweisen. Hiezu komme, daß das Konto des LV nicht mit der Grundsteuer für die Jahre 1977 und 1978 belastet werden könne, zumal laut eigener Diktion des Bescheides ab der Besitz an Dr. JV übertragen worden sei. Die Belastung für diese Jahre wäre auf jeden Fall zu berichtigen. Daß der Antrag, lautend auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides für das Jahr 1966 teilweise unerledigt geblieben sei, werde besonders hervorgehoben. Ein angeblich ausgeglichenes Konto berechtige die Behörde in keiner Weise, den Bescheid erst ab 1973 zu erlassen, wobei festgestellt werde, daß das Konto absolut nicht ausgeglichen gewesen sei. Der angefochtene Bescheid sei somit inhaltlich rechtswidrig, es liege aber auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, weil das Parteiengehör verletzt worden sei und offenkundig auch Aktenwidrigkeiten vorlägen.
1.3. Mit Bescheid vom hat die Bezirkshauptmannschaft Oberwart dieser Vorstellung Folge gegeben und den gemeindebehördlichen Bescheid behoben. In der Begründung wird die Vorstellung wörtlich wiedergegeben; sodann heißt es, daß daher der Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen gewesen sei.
1.4. Gegen diesen aufhebenden Vorstellungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der die beschwerdeführende Gemeinde Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Was die Getränkeabgabe anlange, so handle es sich um eine Selbstberechnungsabgabe, die eine bescheidmäßige Vorschreibung nicht voraussetze. Wenn die Pauschalierung nur mündlich erfolgt sei und dem § 3 des Getränkeabgabengesetzes nicht voll entsprochen habe, so habe der Abgabenschuldner von 1974 bis 1976 die mündlich vereinbarte Pauschale von S 3.000,-- jährlich anstandslos bezahlt. Grundsteuerbescheide der Jahre 1973 bis 1976 seien sehr wohl zugestellt worden, wenn auch der Nachweis hierüber verlorengegangen sei; im übrigen sei die Grundsteuer, soweit keine Änderungen der Steuergrundlagen eintreten, gemäß § 28 des Grundsteuergesetzes 1955 in der gleichen Höhe jährlich weiter zu entrichten, bis ein neuer Steuerbescheid erlassen werde. Bis einschließlich 1972 sei die Grundsteuer vom Abgabepflichtigen voll entrichtet worden und wäre „bis zur Neubewertung“ als Vorauszahlung zu entrichten gewesen.
Im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens führte die beschwerdeführende Gemeinde unter anderem aus, LV habe bis 1977 keinen Abgabenbescheid der Gemeinde angefochten oder die Nichtübereinstimmung der Vorschreibungen mit der kassenmäßigen Anlastung behauptet. Erst 1977 sei ein Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides gestellt worden, der aber nicht von LV unterschrieben worden sein könne, da seine Unterschrift mit der unter den Antrag gesetzten nicht ident sein könne, wenn man seine echten Unterschriften damit vergleiche. Dieser Umstand sei im Zuge einer Vorstellungsangelegenheit der Aufsichtsbehörde mitgeteilt worden. Dies hätte dazu führen können, die Behandlung des Antrages ab- bzw. zurückzuweisen.
1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. Die beschwerdeführende Gemeinde S hat ihrer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den ihr am zugestellten Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom einen Protokollauszug über die Sitzung des Gemeinderates vom beigeschlossen, in der über die Einbringung dieser Beschwerde Beschluß gefaßt und der Bürgermeister hiezu unter Beiziehung eines Rechtsanwaltes ermächtigt wurde. Die Vollmacht des einschreitenden Rechtsanwaltes ist vom Bürgermeister, einem weiteren Gemeindevorstandsmitglied und zwei weiteren Gemeinderäten unterfertigt.
Die in der Gegenschrift der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht, daß der Gemeinderat auch über die Bevollmächtigung eines bestimmten Rechtsanwaltes Beschluß zu fassen gehabt hätte und sich nicht mit der Ermächtigung zur Betrauung eines Rechtsanwaltes hätte begnügen dürfen, findet in der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965 (im folgenden als Bgld GdO bezeichnet), keine Stütze. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Beschluß vom , Zl. 821/66 (betreffend die in der Beziehung vergleichbare Oö. GdO 1965, LGBl. Nr. 45), dargetan hat, handelt es sich bei der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zum Zwecke der vom Gemeinderat beschlossenen Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde um ein in Durchführung dieses Gemeinderatsbeschlusses dem Bürgermeister obliegendes Geschäft; auch gemäß § 29 Abs. 1 der Bgld GdO hat der Bürgermeister die vom Gemeinderat gesetzmäßig gefaßten Beschlüsse durchzuführen. Mag somit auch die Vertretungsmacht des Bürgermeisters nach § 27 Abs. 1 Bgld GdO für die Einbringung der Beschwerde selbst als eingeschränkt zu betrachten sein (arg. § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Bgld GdO), für die Bevollmächtigung des Beschwerdevertreters trifft dies keinesfalls zu. Die Vollmachtsurkunde - sie „betrifft“ im Sinne des § 49 Abs. 2 Bgld GdO ein Geschäft, zu dessen Eingebung die Zustimmung des Gemeinderates erforderlich ist (siehe auch hiezu den eben zitierten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes) - ist dieser Gesetzesbestimmung entsprechend gefertigt.
2.1.2. Gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG war die beschwerdeführende Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren Partei; sie ist nach dem zweiten Halbsatz dieser Bestimmung berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132 B-VG) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144 B-VG) Beschwerde zu führen. Durch den aufhebenden Bescheid der Vorstellungsbehörde kann die Gemeinde im Hinblick auf die Bindungswirkung seiner Begründung (§ 77 Abs. 6 Bgld GdO in der Fassung LGBl. Nr. 33/1977) in ihren Rechten verletzt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N.F. Nr. 8091/A, und vom , Slg. N. F. Nr. 8494/A); die beschwerdeführende Gemeinde ist beschwerdelegitimiert.
2.1.3. Gemäß § 79 Abs. 3 zweiter Satz und Abs. 4 der Bgld GdO in der Fassung LGBl. Nr. 47/1970 ist die Berufung gegen den angefochtenen Bescheid ausgeschlossen; der Instanzenzug im Sinne des Art. 131 B-VG ist somit erschöpft.
Die Beschwerde ist somit zulässig.
2.2. Die Besonderheit der Bindungswirkung kassatorischer gemeindeaufsichtsbehördlicher Bescheide, die sich im gegebenen Fall aus dem bereits zitierten § 77 Abs. 6 der Bgld GdO in der Fassung LGBl. Nr. 33/1977 ergibt, bringt es mit sich, daß nicht nur der Spruch an sich, sondern auch die maßgebende in der Begründung enthaltene Rechtsansicht - taugliches - Beschwerdeobjekt sein kann, der Verwaltungsgerichtshof somit gehalten ist, auch dann, wenn eines der Begründungselemente die Gesetzmäßigkeit der Kassation trägt, die Stichhaltigkeit der anderen zu überprüfen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 3153, 3154/79). Dies gilt umso mehr für den Fall, daß alle Kassationsgründe verfehlt sind, sich die Aufhebung jedoch aus einem weiteren Grund im Ergebnis als richtig erwiese. Auch in einem solchen Fall wäre der Vorstellungsbescheid infolge seiner verfehlten Begründung als rechtswidrig aufzuheben.
2.3. Gemäß § 164 Bgld LAO hat die Abgabenbehörde, wenn zwischen einem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde Meinungsverschiedenheiten bestehen, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, darüber auf Antrag zu entscheiden (Abrechnungsbescheid).
Als Antragsteller im Sinne dieser Bestimmung ist der Abgabenschuldner legitimiert. Abgabenschuldner im Zeitpunkt der Antragstellung vom auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides war LV. LV ist im September 1978 verstorben.
2.4. Der Gemeinderat der Gemeinde S hat mit Bescheid vom einen Abrechnungsbescheid „Betr.: LV, Abgabenabrechnungsbescheid, Devolutionsantrag“ durch Zustellung an Dr. JV als Verlassenschaftskurator erlassen; der darin enthaltene Abspruch in der Sache erfolgte „auf Grund des Devolutionsantrages vom “.
Der Devolutionsantrag vom ist in Maschinschrift verfaßt; der Kopf lautet auf „LV, S 69,“; der Antrag betrifft den Übergang der Entscheidungspflicht, da der Bürgermeister über den Antrag vom auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides noch nicht entschieden habe. Unter dem mit Kugelschreiber geschriebenen Namenszug „LV“ befindet sich auf diesem Schriftstück der behördliche Vermerk: „AV. nicht mit der Unterschrift des Antragstellers ident“.
2.4.1. Eine meritorische Erledigung dieses „Devolutionsantrages“ durch den Gemeinderat hätte das Vorliegen eines tauglichen Antrages der Partei vorausgesetzt.
Gemäß § 232 Abs. 2 Bgld LAO ist das Verlangen auf Übergang der Entscheidungspflicht schriftlich bei der Abgabenbehörde zu stellen. Wie für jeden Antrag, insbesondere für Rechtsmittelanträge, gelten auch für einen solchen Rechtsbehelf die Bestimmungen der Bgld LAO über Anbringen im allgemeinen. Gemäß § 62 Abs. 1 Bgld LAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorbehalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmung des Absatzes 3 schriftlich, telegraphisch oder durch Fernschreiben einzureichen (Eingaben). Nach § 62 Abs. 2 leg. cit. berechtigen Formgebrechen von Eingaben wie auch das Fehlen einer Unterschrift an sich die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden diese Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
2.4.1.1. Als Formgebrechen im Sinne des § 62 Abs. 2 Bgld LAO sind solche Gestaltungen zu verstehen, die gesetzlich normierten Vorschriften widersprechen, wenn diese Vorschriften die formelle Behandlung eines Anbringens sicherstellen oder die, Erledigung für die Behörde erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen sollen, also Mängel die einer sachlichen Erledigung im Wege stehen, die aber durch nachträgliche Beseitigung ausgeräumt werden können (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch 1980, 199, zu § 85 BAO unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1781/70). Ausdrücklich einem bloßen Formgebrechen gleichgestellt ist das Fehlen einer Unterschrift. Wie sich aus der wiedergegebenen Rechtsvorschrift ergibt, ist die Behörde bei Fehlen einer Unterschrift auf Anbringen, die die Schriftform erfordern, zur Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages verpflichtet (arg. „hat ...... aufzutragen“). Für den Fall des ungenützten Verstreichens der Frist tritt die durch diese Begünstigungsnorm nur hinausgeschobene Rechtsfolge des Ausschlusses einer Sacherledigung ein (Fiktion der Zurücknahme des Antrages). Die Wendung „wie auch das Fehlen einer Unterschrift berechtigen an sich die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung“ im § 62 Abs. 2 Bgld LAO ist wie die entsprechende Stelle in der „Vorbildbestimmung“ (Stoll, a.a.O., 197) des § 13 Abs. 3 AVG 1950 zu lesen, wo das zeitliche Moment deutlicher zum Ausdruck kommt durch die Wendung „.... berechtigen .... noch nicht zur Zurückweisung“. Das Fehlen der Unterschrift auf dem Antrag verwehrt der Behörde somit im Interesse einer eindeutigen Zurechnung der Parteienerklärung und der aus ihr abgeleiteten prozessualen und materiell-rechtlichen Rechtsfolgen eine Sacherledigung.
2.4.1.2. Die Unmöglichkeit, ein Anbringen dem darin Genannten zuzurechnen, wird dann besonders augenfällig, wenn der (maschingeschriebene) Antrag des Antragstellers dessen Namenszug, handschriftlich, jedoch nicht von ihm beigesetzt, aufweist (wobei keinerlei Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis und auch keine Unterschrift eines allfälligen Vertreters vorliegt). In einem solchen Fall wird der Schluß naheliegen, daß der Betreffende nicht bloß die Unterfertigung eines von ihm gewollten Anbringens vergessen, sondern über das Anbringen selbst überhaupt keinen Willen gebildet und erklärt hat.
2.4.2. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der Gemeinderat bei Erlassung des im Devolutionswege ergangenen Abrechnungsbescheides vom zu Unrecht eine Sachentscheidung über den Devolutionsantrag vom getroffen hätte, wenn die Unterschrift nicht von LV stammte und dieser Antrag dem LV als Partei des Abgabenverfahrens nicht zugerechnet werden könnte. Der Gemeinderat hat es jedoch verabsäumt, über diese wesentliche Entscheidungsvoraussetzung die notwendigen Ermittlungen zu führen und die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
Die belangte Vorstellungsbehörde hat nun diesen Verfahrensmangel, bei dessen Vermeidung der Gemeinderat zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können und der sie bei der Überprüfung der Richtigkeit der implizit angenommenen meritorischen Entscheidungszuständigkeit des Gemeinderates hinderte, nicht von Amts wegen aufgegriffen und zum Anlaß ihrer aufsichtsbehördlichen Aufhebung gemacht; sie hat vielmehr ihre Aufhebung auf Gründe gestützt, die - verfehlterweise - eine Entscheidungszuständigkeit des Gemeinderates in der Sache voraussetzen. Mit dieser unrichtigen Begründung hat sie im Hinblick auf die Bindungswirkung dieser Begründung die Gemeinde in ihrem Recht auf eine objektiv richtig begründete Aufhebung ihres Bescheides verletzt; dem Vorstellungsbescheid fällt Rechtswidrigkeit des Inhaltes zur Last.
2.5. Zum selben Ergebnis gelangte man auch dann, wenn man im Bescheid des Gemeinderates vom auch eine Erledigung des in derselben Sache, auf die sich der „Devolutionsantrag“ vom bezog, nunmehr von der Verlassenschaft nach LV gestellten Devolutionsantrages vom erblicken wollte. Auch auf Grund dieses - an sich formgerecht eingebrachten - Antrages hätte keine Sacherledigung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz getroffen werden dürfen, ist doch auch der unerledigt gebliebene Sachantrag auf Erlassung eines Abgabenabrechnungsbescheides vom , der als Antragsteller LV ausweist, in genau derselben Weise mit dem - möglicherweise nicht vom Antragsteller geschriebenen - Namenszug „LV“ versehen wie der „Devolutionsantrag“ vom . Wie sich aus dem vorgehenden Punkt 2.4. ergibt, hätte auch unter dieser Voraussetzung des Vorliegens eines tauglichen Devolutionsantrages eine Sachentscheidung über das dem Devolutionsantrag zugrundeliegende Sachbegehren durch den Gemeinderat nicht getroffen werden dürfen. Auch kann im Devolutionsantrag vom keine Heilung des ursprünglichen Mangels des Sachantrages durch Nachtragung der Unterschrift der Partei erblickt werden, handelt es sich doch um einen anderen Verfahrensgegenstand. Aber selbst wenn Heilung des ursprünglichen Mangels in Erwägung gezogen werden könnte, wären die Voraussetzungen für den Übergang der Entscheidungszuständigkeit nicht gegeben gewesen. Davon, daß die Verzögerung der Erledigung ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist, kann nämlich dann nicht gesprochen werden, wenn der Erlassung des Bescheides innerhalb der im § 232 Abs. 1 Bgld LAO bezeichneten Frist der Umstand entgegensteht, daß das von der Partei eingebrachte Ansuchen mit einem Formgebrechen behaftet ist (vgl. dazu die zu § 73 AVG ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 5434/A, sowie vom , Zl. 1769/69, aus dem nicht in Slg. N. F. Nr. 7760/A veröffentlichten Teil).
2.6. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die belangte Vorstellungsbehörde ihren vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Kassationsbescheid zu Unrecht mit Rechtswidrigkeit materiell-rechtlichen Inhaltes der getroffenen Sachentscheidung des Gemeinderates begründet hat, anstatt deren Aufhebung auf die Ergänzungsbedürftigkeit des gemeindebehördlichen Verfahrens zur Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Sacherledigung gegeben waren, zu stützen.
Der Beschwerde war deshalb stattzugeben und der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. b, c und d VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 und 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Postgebühr war abzuweisen, weil diese bereits im pauschalierten Aufwandersatz enthalten ist, ebenso das Begehren auf Ersatz der Stempelgebühren für die Vollmacht, weil sich die Gebührenbefreiung für Gebietskörperschaften im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises auch auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstreckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 7554/A). Fahrtkosten waren nur im notwendigen Ausmaß zuzusprechen (§ 49 Abs. 3 VwGG 1965).
2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §10 Abs4 AVG §13 Abs3 AVG §73 Abs2 AVG §9 BAO §85 implizit GdO Bgld 1965 §27 Abs1 GdO Bgld 1965 §29 Abs1 GdO Bgld 1965 §49 Abs2 GdO Bgld 1965 §77 Abs6 KanalanschlußgebührenG Bgld §2 Abs2 idF 1967/009 LAO Bgld 1963 §232 Abs1 LAO Bgld 1963 §62 Abs2 VwGG §23 Abs1 |
Schlagworte | Amtsbekannte Funktionäre Gemeinderecht Formgebrechen behebbare Unterschrift Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts Öffentliches Recht Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1981:1979002599.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-58806