VwGH 14.03.1980, 2045/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang darf nicht in einzelne Komponenten zerlegt werden. Es ist eine einheitliche Beurteilung entweder als Lieferung oder als sonstige Leistung geboten, und zwar je nachdem, ob die Merkmale der Lieferung oder der sonstigen Leistung überwiegen (Literaturhinweis: Plückebaum-Maltzky, UStG 10te Auflage, RZ 846/7 zu § 1 - § 3). |
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RS 2 | Die in Tiergärten gehaltenen Tiere sind nicht herrenlos. Sie stehen in der Verfügungsmacht des Tiergartenbesitzers und dieser kann die Verfügungsmacht auch anderen (Jagdgästen) verschaffen. Die bei der Jagd in freier Wildbahn mögliche Überlegung, es handle sich in vergleichbaren Fällen um den Verzicht auf das Aneignungsrecht (sonstige Leistungen), scheidet hier aus (Hinweis E , 2033/64). |
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RS 3 | Die mögliche Verschaffung der Verfügungsmacht führt noch nicht zwingend zur Annahme einer Lieferung. Trotz trophäenabhängiger Entgeltberechnung könnte die Leistung des Tiergartenbesitzers gegenüber dem Jagdgast im Einräumen der Möglichkeit bestehen, eine Trophäe auf bestimmte Art, nämlich durch eigenen Abschuß des Wildes, zu erwerben. Dies wäre dann der Fall, wenn nur der geringere Teil des Entgeltes der Trophäe zugerechnet werden könnte, die Höhe des Entgeltes mit dem Erwerb der Trophäe also noch keinesfalls erklärbar wäre und die Trophäe lediglich einen Anknüpfungspunkt bei der Berechnung des Entgeltes für die Jagdmöglichkeit bildete. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr.Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde des Dipl.Ing. JH in S, vertreten durch Dr. Dietrich Roessler, Rechtsanwalt in Wien I, Schwedenplatz 3-4, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 255-2/78, betreffend Umsatzsteuervorauszahlung für November 1977, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom teilte der Beschwerdeführer dem zuständigen Finanzamt mit, er habe in der Umsatzsteuervoranmeldung für November 1977 das Entgelt für einen Wildabschuß durch einen inländischen Abnehmer mit dem ermäßigten Steuersatz von 8 % versteuert, weil es sich bei der Lieferung um einen Gegenstand handle, der unter Z. 50 der Anlage zu § 10 Abs. 2 UStG 1972 (Sammlungsstück) falle. Ferner seien in der Umsatzsteuervoranmeldung (zwei) Wildabschüsse durch ausländische Abnehmer enthalten, die gemäß § 7 leg. cit. umsatzsteuerfrei wären. Zur Stützung seiner Auffassung, daß die Voraussetzungen für die beiden genannten Steuerbegünstigungen gegeben seien, legte der Beschwerdeführer ein Gutachten des Univ. Prof. DDr. HG vor.
Diesem Gutachten liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Das Forstrevier X verfüge über ein sogenanntes Gatterrevier, ein eingezäuntes Revier in der Größe von ca. 120 ha, in dem verschiedene Wildarten gehalten werden. Das Revier sei durch den Zaun gegen den Wechsel des Wildes von und nach allen anderen benachbarten Grundstücken vollkommen abgeschlossen. Es gelte als Tiergarten im Sinne des § 5 des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1954, LGBl. Nr. 58. Die Anlage stehe einerseits gegen Eintrittsgeld Besuchern offen, die das Wild in natürlicher Umgebung beobachten wollen, darüber hinaus werde aber auch - und zwar in zunehmendem Maße - Wild gegen Entgelt zum Abschuß freigegeben. Hiebei würden die Jagdinteressenten in der Regel vom Eigentümer des Reviers untergebracht und verpflegt; es werde ihnen ferner ein Jäger zur Begleitung zur Verfügung gestellt. Komme es zum Abschuß, so nehme der Jagdgast in der Regel nur die für ihn wesentlichen Teile des Tieres wie Geweih bzw. Gehörn, Haupt und Träger, Kiefer und Decke (Trophäen) mit.
Im Gutachtensfall werde zwischen Jagdherrn und Jagdgast in der Regel der Abschuß eines bestimmten Tieres bzw. eines Tieres bestimmter Gattung vereinbart und hiefür ein Entgelt fixiert. Nun komme es vielfach vor, daß es trotz wiederholter Versuche zu einem Abschuß überhaupt nicht komme oder ein anderes Tier derselben Gattung bzw. ein Tier anderer Gattung erlegt werde. In diesem Fall orientiere sich nun das zu entrichtende Entgelt weder an der Zahl der vergeblichen Pirschgänge noch an dem ursprünglich beabsichtigten Abschuß, sondern ausschließlich am letztlich erzielten Erfolg. Komme es daher - aus welchen Gründen auch immer -
nicht zu einem Abschuß, so sei ein Entgelt nicht zu entrichten; werde hingegen ein anderes Tier als ursprünglich beabsichtigt erlegt, so richte sich das Entgelt ausschließlich nach Art und Qualität des nunmehr erlegten Tieres. Maßgebend für die Entgeltshöhe sei somit nicht die abstrakt eingeräumte Abschußmöglichkeit, sondern der tatsächlich eingetretene Erfolg, wobei die Höhe des Entgelts ausschließlich durch die Art des erlegten Tieres und die Qualität der maßgebenden Trophäen, die zu diesem Zweck nach international gültigen Regeln (Punktesystem) zu bewerten seien, bestimmt werde. Bei Fehlschüssen sei ein Entgelt überhaupt nicht zu entrichten. In den Fällen, in denen der Jagdgast das Tier angeschossen habe und es ein Jäger des Jagdherrn erst später erlege, werde die Trophäe ebenfalls dem Jagdgast überlassen, wofür von diesem das volle Entgelt zu entrichten sei, obwohl er selbst das Tier gar nicht erlegt habe. Gelinge es hingegen nicht, das verwundete Tier zu finden - was freilich im Gatterrevier außerordentlich selten vorkomme - und könnten deshalb dem Jagdgast die Trophäen nicht überlassen werden, so sei von diesem ein Entgelt überhaupt nicht zu entrichten.
Ob das Entgelt ausschließlich für die Trophäen gezahlt werde oder das gesamte Tier (einschließlich Wildbret) umfasse, könne nicht einheitlich beantwortet werden, da das Wildbret in den meisten Fällen zurückgelassen werde. Äußere der Jagdgast ausnahmsweise den Wunsch, auch das Wildbret mitzunehmen, so werde regelmäßig folgendermaßen differenziert:
Sei das Abschußentgelt im Verhältnis zum reinen Wildbretwert vergleichsweise hoch, so werde die Mitnahme des Fleisches ohne weitere Zahlung zugestanden. Sei das Abschußentgelt im Verhältnis zum Wildbretwert gering (etwa Schwarzwild), so sei für das Wildbret gesondert ein Entgelt zu entrichten. Unterbringung und Verpflegung würden prinzipiell gesondert verrechnet, lediglich in Fällen besonders aufwendiger Abschüsse werde regelmäßig darauf verzichtet.
Eine Trophäe, die im Handel erworben wurde, besitze nach weidmännischen Gepflogenheiten keinen weidmännischen Wert; dieser komme lediglich Trophäen von Tieren zu, die der Jäger selbst erlegt habe. Besondere Wertvorstellungen einer bestimmten, durch Konventionen verbundenen Personengruppe führten somit dazu, daß eine durch eigenen Abschuß gewonnene Trophäe ganz anders eingeschätzt werde als eine im Handel erworbene.
Nach eingehender rechtlicher Würdigung des dem Gutachten zugrunde liegenden Sachverhaltes kam der Gutachter zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß die entgeltliche Vergabe von Wildabschüssen im Gatterrevier X umsatzsteuerlich als Lieferung anzusehen wäre. Sie sei, sofern die Voraussetzungen des § 7 UStG 1972 vorlägen, als steuerfreier Umsatz (Ausfuhrlieferung) anzusehen, in den übrigen Fällen komme in aller Regel der ermäßigte Steuersatz gemäß
Z. 50 der Anlage zum Umsatzsteuergesetz 1972 zum Zug. Für dieses Ergebnis seien folgende Überlegungen entscheidend:
1) Beim fraglichen Revier handle es sich um ein Gatterrevier (Tiergarten im Sinne des § 5 Steiermärkisches Jagdgesetz 1954). Das im Tiergarten befindliche Wild sei nicht herrenlos, der Jagdherr besitze umsatzsteuerlich die Verfügungsmacht über das Wild und sei daher auch in der Lage, die Verfügungsmacht über einzelne Tiere einem anderen (Abnehmer) zu verschaffen.
2) In der Leistungsbeziehung würden Elemente einer Lieferung (nämlich die Überlassung der Trophäen des erlegten Tieres) und einer sonstigen Leistung (die Einräumung der Abschußmöglichkeit) aufeinanderstoßen. Eine Teilbarkeit der Leistungsbeziehung könne ausgeschlossen werden, es handle sich um einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang, der umsatzsteuerlich nicht aufgespalten werden könne, sondern nach dem objektiven wirtschaftlichen Gehalt entweder zur Gänze als Lieferung oder zur Gänze als sonstige Leistung einzustufen sei. Das entscheidende Kriterium sei hiebei der Wille der Parteien, der seinen deutlichen Ausdruck in der Entgeltsvereinbarung finde.
3) Die Entgeltsvereinbarung sei im Gutachtensfall ausschließlich erfolgs- und objektbezogen. Der Jagdgast habe nur dann zu zahlen, wenn ein Tier erlegt werde, und immer nur jenen Betrag, der sich nach der Art des Tieres und der Qualität seiner - nach internationalen Regeln zu bewertenden - Trophäen ergebe. Das Entgelt richte sich somit ausschließlich nach der Güte des letztlich gelieferten Gegenstandes (der Trophäen), nicht hingegen nach dem Umfang der sonstigen Leistung des Jagdherrn, der Intensität des Jagderlebnisses und dgl. Der Gutachtensfall liege somit völlig anders als etwa ein Jagdpachtvertrag, bei dem das Entgelt unabhängig vom tatsächlichen Erfolg fixiert werde und zu entrichten sei.
4) Die Dominanz des Lieferungselements gegenüber der sonstigen Leistung ergebe sich ferner aus der Überlegung, daß der Jagdgast aller Voraussicht nach nicht bereit wäre, ein Entgelt zu entrichten, wenn ihm die Mitnahme der Trophäen des erlegten Tieres verwehrt wäre. Es sei vielmehr so, daß allein die Möglichkeit, die Trophäen des erlegten Tieres mit sich zu nehmen, die Bereitschaft des Jagdgastes zur Entrichtung der im Gutachtensfall geforderten Entgelte erkläre.
5) Der Einwand, daß der Jagdgast gleichartige Trophäen auch im Handel zu einem wesentlich geringeren Preis erwerben könnte und demgemäß offenbar doch nicht (allein) für eine Lieferung, sondern primär für eine sonstige Leistung (Einräumung der persönlichen Abschußmöglichkeit) zahle, könne folgendermaßen entkräftet werden:
Die Einräumung der Abschußmöglichkeit (Rechtseinräumung) vermöge die Entgeltshöhe nicht zu erklären, weil in diesem Fall der Jagdgast bereit sein müßte, für einen Abschuß ohne Mitnahme der Trophäen einen Betrag zu bezahlen, der etwa der Differenz zwischen dem bloßen Marktwert der Trophäen und den derzeit tatsächlich verlangten Abschußentgelten entspricht. Eine solche Bereitschaft könne aber im Normalfall mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
Die besondere Entgeltshöhe habe somit offenbar einen anderen Grund, der in der Sphäre des Jagdgastes und nicht in der des Jagdherrn liege. Nach weidmännischen Gepflogenheiten und Konventionen würden Trophäen von Tieren, die der Besitzer selbst erlegt habe, eine ungleich höhere Wertschätzung genießen als im Handel erworbene Trophäen. Nach dieser Konvention sei der Jagdinteressent daher auch bereit, für eine bestimmte (beschwerlichere) Erwerbsart der Trophäen mehr zu zahlen als für eine andere Erwerbsart. An parallel liegenden Beispielsfällen lasse sich aber zeigen, daß durch eine besondere Erwerbsart der umsatzsteuerliche Gehalt des Vorganges nicht verändert wird: der Jagdinteressent zahle zwar ein höheres Entgelt für die Möglichkeit, das Tier selbst zu erlegen, das Lieferungselement dominiere aber dessen ungeachtet. Wäre dem Jagdgast nämlich die Mitnahme der Trophäen verwehrt, so wäre er aller Voraussicht nach nicht bereit, überhaupt ein Entgelt zu entrichten.
6) Die gegenständlichen Trophäen seien Sammlungsstücke im Sinne der zitierten einschlägigen Vorschrift, weil sie in der Regel mit anderen Gegenständen gleicher Art nach einem systematischen Zusammenhang aufbewahrt und gepflegt werden.
Dem eingangs genannten Schriftsatz an das Finanzamt hatte der Beschwerdeführer auch Fotokopien der Rechnungen über seine in Frage stehenden Umsätze beigeschlossen, in denen drei im Wildgatter getätigte Wildabschüsse fakturiert wurden.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers unterwarf das Finanzamt die drei strittigen Wildabschüsse mit Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für November 1977 dem Normalsteuersatz. Zur Bescheidbegründung berief sich das Finanzamt auf ein an den Beschwerdeführer gerichtetes Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom . In diesem Schreiben vertrat das Bundesministerium die Auffassung, daß der wirtschaftlich wesentliche Teil der Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht in der Lieferung von Wild gesehen werden könne.
Der Beschwerdeführer erhob gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für November 1977 Berufung, in deren Begründung er sich neuerlich auf das Gutachten von Univ.Prof. DDr. R bezog.
Eine das Berufungsbegehren abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes verlor auf Grund eines rechtzeitigen Antrages des Beschwerdeführers auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz ihre Wirksamkeit.
Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid aus nachstehenden Erwägungen gleichfalls keine Folge:
Das zur Berufungsbegründung vorgelegte Gutachten gehe von dem im Umsatzsteuerrecht geltenden Grundsatz der Unteilbarkeit der Leistung aus. Zur Frage der Vergabe von Wildabschüssen vertrete die Berufung den Standpunkt, daß hier die Elemente einer Lieferung (der Trophäe) im Vordergrund stehen. Dies zeige sich darin, daß sich das Entgelt ausschließlich nach der Güte des gelieferten Gegenstandes (der Trophäe) richtet und nicht nach dem Umfang der sonstigen Leistung des Jagdherrn oder der Intensität des Jagderlebnisses. Erst die Möglichkeit der Mitnahme der Trophäen erkläre die Bereitschaft des Jagdgastes zur Entrichtung des geforderten Entgeltes. Die bloße Einräumung der Abschußmöglichkeit könne die Entgeltshöhe nicht erklären, weil kein Jagdgast bereit sei, für einen Abschuß ohne Mitnahme der Trophäen einen Betrag zu bezahlen, welcher der Differenz zwischen dem bloßen Marktwert der Trophäen und dem tatsächlich verlangten Abschußentgelt entspreche. Die besondere Entgeltshöhe liege in der Sphäre des Jagdgastes und nicht in jener des Jagdherrn. Trophäen von selbst erlegten Tieren genössen eine ungleich höhere Wertschätzung als im Handel erworbene Trophäen. Deshalb sei der Jagdgast bereit, für eine bestimmte Erwerbsart der Trophäen mehr zu zahlen als für eine andere Erwerbsart.
Gerade dieser letztgenannte Umstand zeige aber, wie die belangte Behörde nun folgert, deutlich, daß hier nicht die Verschaffung der Verfügungsmacht (eine Lieferung) an einer Trophäe wesentlicher Inhalt der mit dem Jagdgast getroffenen Vereinbarung ist, sondern die diesem eingeräumte Möglichkeit, eine Trophäe auf eine bestimmte Art, nämlich durch eigenen Abschuß des Wildes, zu erwerben. Auch das Gutachten erwähne die allgemein bekannte Tatsache, daß für den Jäger nur Trophäen jener Tiere einen entsprechend höheren Wert haben, welche er selbst erlegt hat. Dies entspreche der Verkehrsauffassung und der Auffassung der an der Jagd beteiligten Kreise. So zeige auch die Bezeichnung "Abschußtaxen" und "Vergabe von Abschüssen", daß der wirtschaftlich wesentliche Teil nicht in der Lieferung von Trophäen bzw. Wild liege. Nach der Verkehrsauffassung werde dem Jagdgast mit der Vergabe eines Abschusses die Möglichkeit eingeräumt, bestimmte Tiere selbst zu erlegen und die Trophäen des erlegten Tieres an sich zu nehmen. In diesem als Einheit aufzufassenden Vorgang sei die eingeräumte Abschußmöglichkeit eines Trophäenträgers von ausschlaggebender wirtschaftlicher Bedeutung und nicht der wirtschaftliche Wert der Trophäen selbst. Umsatzsteuerrechtlich liege den als "Abschußgelder" bezeichneten Erlösen sohin keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung zugrunde. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 7 UStG 1972 lägen damit nicht vor. Aus demselben Grund sei auch eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausgeschlossen.
In der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde werden sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, daß im November 1977 bei der Berechnung der Umsatzsteuer die fraglichen Erlöse dem Normalsteuersatz unterworfen worden seien und § 7 UStG 1972 nicht zum Zug gekommen wäre. Des weiteren sei der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt worden, daß auf einen Teil der Erlöse der ermäßigte Steuersatz gemäß Z. 50 der Anlage zu § 10 Abs. 2 UStG 1972 anzuwenden war. Dieser Steuersatz wäre im Eventualfall auch anwendbar, wenn § 7 UStG 1972 nicht zum Zug kommen könne.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem ersten Satz des § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.
Lieferungen sind gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann von dem Unternehmer selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden.
Sonstige Leistungen sind zufolge § 3 Abs. 9 UStG 1972 Leistungen, die nicht in einer Lieferung bestehen. Eine sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen.
Im Beschwerdefall geht es darum, ob der Beschwerdeführer Lieferungen oder sonstige Leistungen erbrachte; nur Lieferungen würden den von ihm angestrebten Steuerbegünstigungen gemäß § 6 Z. 1 im Zusammenhalt mit § 7 (Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen) sowie gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 UStG 1972 (ermäßigter Steuersatz) zuteil.
Bei Lösung dieser Frage ist zunächst zu beachten, daß weder das Finanzamt noch die belangte Behörde in ihren Bescheiden Feststellungen darüber trafen, welcher Sachverhalt den Leistungen des Beschwerdeführers im einzelnen zugrunde lag. Da aber der angefochtene Bescheid mit seiner rechtlichen Würdigung an das Gutachten von Univ.Prof. DDr. R und die Berufung des Beschwerdeführers, die sich ihrerseits wieder auf das eben genannte Gutachten stützte, anknüpft, ist davon auszugehen, daß der angefochtene Bescheid ebenfalls auf dem oben wiedergegebenen, für das Gutachten maßgeblichen Sachverhalt aufbaut.
Nach diesem Sachverhalt ist in den umstrittenen Leistungen des Beschwerdeführers - wie immer man sie letztlich umsatzsteuerlich qualifiziert - jeweils ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang zu erblicken, wovon zutreffend auch beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgehen. Es ist weiters keine der von diesen Parteien in bezug auf die umsatzsteuerliche Beurteilung der Leistungen des Beschwerdeführers vertretenen Auffassungen (Lieferungen laut Beschwerdeführer, sonstige Leistungen laut belangter Behörde) von vornherein von der Hand zu weisen; vielmehr enthalten diese Leistungen sowohl Merkmale einer Lieferung als auch Merkmale einer sonstigen Leistung, mag man diese in einem Dulden der Jagd oder eines Abschusses oder im Sinne der belangten Behörde im Einräumen (der Möglichkeit) eines Abschusses erblicken. Bilden nun aber die Leistungen des Beschwerdeführers einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang, dann kommt eine Zerlegung in einzelne Komponenten - teils Lieferung, teils sonstige Leistung - nicht in Betracht. Es ist eine einheitliche Beurteilung entweder als Lieferung oder als sonstige Leistung geboten, und zwar je nach dem, ob die Merkmale der Lieferung oder der sonstigen Leistung überwiegen (siehe z.B. Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 10. Auflage, RZ 846/7 zu §§ 1 - 3).
Unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer Lieferung wäre nach der aufgezeigten Rechtslage, daß der Beschwerdeführer an Gegenständen wie Wild oder Teilen desselben die Verfügungsmacht verschaffen und nicht (als sonstige Leistung) bloß Rechte einräumen konnte. Diese Voraussetzung erscheint im Beschwerdefall erfüllt. Die in Rede stehenden Tiere lebten nicht in freier Wildbahn, sondern wurden in einem Tiergarten im Sinne des § 5 Steiermärkisches Jagdgesetz 1954 gehalten. Auf die Erlegung des in solchen Tiergärten gehegten Wildes findet dieses Gesetz nach seinem § 54 keine Anwendung. Die in Tiergärten gehaltenen Tiere sind nicht herrenlos (vgl. Kaan-Sedmak-Schwarz, Steiermärkisches Jagdgesetz, Seite 311, Gschnitzer, Sachenrecht, Seite 73, Ehrenzweig, Privatrecht, 2. Auflage, Band I/2, Sachenrecht, Seite 172, und Klang-Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch,
2. Auflage, Band II, Seite 245), sondern stehen in der Verfügungsmacht des Unternehmers (Tiergartenbesitzers); auch die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnisse vom , Zl. 2274/64, vom , Zl. 1291/65, und vom , Zl. 1991/65) stellte bisher bei Lösung der Frage, ob der Unternehmer über lebendes Wild die Verfügungsmacht besitzt, ausdrücklich darauf ab, ob es sich um Wild in freier Wildbahn handelt (für diesen Fall verneinte der Gerichtshof die Frage). Ist aber davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer als Tiergartenbesitzer die Verfügungsmacht über das dort gehaltene Wild besaß, so konnte er diese auch anderen (den Jagdgästen) verschaffen. Die bei der Jagd in freier Wildbahn mögliche Überlegung, es handle sich in vergleichbaren Fällen um den Verzicht auf das Aneignungsrecht (sonstige Leistung), scheidet hier aus.
Aus der Feststellung, daß der Beschwerdeführer an den gegenständlichen Tieren die Verfügungsmacht verschaffen konnte, folgt allerdings allein noch nicht, daß die Verschaffung der Verfügungsmacht im Sinne einer Lieferung den wesentlichen Inhalt des Leistungsaustausches zwischen dem Beschwerdeführer und den Jagdgästen bildete. Trotz trophäenabhängiger Entgeltsberechnung könnte entsprechend den Überlegungen der belangten Behörde die Leistung des Beschwerdeführers gegenüber dem Jagdgast im Einräumen der Möglichkeit bestehen, eine Trophäe auf bestimmte Art, nämlich durch eigenen Abschuß des Wildes, zu erwerben. Dies wäre dann der Fall, wenn nur der geringere Teil des Entgeltes der Trophäe (allenfalls auch dem Fleisch) zugerechnet werden könnte, die Höhe des Entgeltes mit dem Erwerb der Trophäe also noch keinesfalls erklärbar wäre und die Trophäe lediglich einen Anknüpfungspunkt bei der Berechnung des Entgeltes für die Jagdmöglichkeit bildete.
Die belangte Behörde hat nun zwar im angefochtenen Bescheid ein Überwiegen der Merkmale einer sonstigen Leistung gegenüber denen einer Lieferung behauptet, aber keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen in dieser Richtung getroffen. Es fehlen nach dem Gesagten konkrete Feststellungen, daß nur ein unbedeutender - der geringere - Teil des Entgeltes als für die Trophäe aufgewendet angesehen werden kann. Für letzteres spräche, wenn der objektive Wert der Trophäen und allenfalls mitbezogenen Wildbrets (Marktwert, Handelswert) weniger als die Hälfte des vom Jagdgast aufzuwendenden Entgeltes ausmacht. Dahin gehend blieb der Sachverhalt jedoch ergänzungsbedürftig.
Entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift geäußerten Meinung ist es bedeutungslos, daß der Beschwerdeführer kein Händler mit Trophäen ist; auch der Tierzüchter kann Tiere oder Teile von ihnen liefern. Nicht zielführend ist schließlich der Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 4749/F, weil es in diesem Erkenntnis um den einkommensteuerlichen Entnahmebegriff und nicht um Lieferungen oder sonstige Leistungen im Sinne des Umsatzsteuerrechtes ging.
Der angefochtene Bescheid ist, wie bereits ausgeführt, mit einem Verfahrensmangel belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 absehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 sowie auf Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.
Wien, am
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 5464 F/1980 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1979002045.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-57938