Abzugsverbot für Zinsen und Lizenzgebühren im Konzern gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RV/7102685/2022-RS1 | Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 verstößt gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV. |
RV/7102685/2022-RS2 | Die Bestimmung des Art. 54 des liechtensteinischen SteG betreffend den Eigenkapital-Zinsabzug normiert fiktive Betriebsausgaben. Es handelt sich dabei um eine Steuerermäßigung iSd Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich KStG 1988. Das Vorliegen einer Steuerermäßigung iSd Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich KStG 1988 führt zur vollen Nichtabzugsfähigkeit der betroffenen Zinszahlungen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch StB über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Feststellungstellungsbescheid Gruppenträger für die Jahre von 2014 bis 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabeordnung (BAO) Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden wie folgt abgeändert.
Das Einkommen gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG 1988 im Jahr 2014 beträgt 5.925.110,12 Euro.
Das Einkommen gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG 1988 im Jahr 2015 beträgt 829.059,58 Euro.
Das Einkommen gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG 1988 im Jahr 2016 beträgt 21.660.575,07 Euro.
Das Einkommen gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG 1988 im Jahr 2017 beträgt -2.261.567,02 Euro.
Die übrigen Spruchbestandteile (anrechenbare bzw. einbehaltene Steuern) der angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensverlauf
Die beschwerdeführende Gesellschaft (in der Folge abgekürzt Bf bzw Bf1) war ab der Veranlagung des Jahres 2014 Gruppenträgerin einer steuerlichen Unternehmensgruppe iSd Bestimmung des § 9 KStG 1988 mit den beiden inländischen Gruppenmitgliedern GM_1 und GM_2.
Im Zuge einer abgabenbehördichen Prüfung betreffend den Zeitraum von 2014 bis 2017 wurde laut Tz 1 - Nichtabzug von Zinsaufwendungen der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom die nachstehende, streitgegenständliche steuerliche Feststellung getroffen.
"Das geprüfte Unternehmen hat im Prüfungszeitraum 2014 - 2017 einen steuerwirksamen Zinsaufwand iHv insgesamt € 9.072.553,61 geltend gemacht. Dieser Aufwand resultiert aus einem Darlehen, das im Jahr 2007 aufgenommen wurde.
Mit hat die ausl._T1 auf den niederländischen Antillen eineBeteiligungsaufwertung an der ausl._T2 von € 63.890.000,- auf € 260.000.000,- beschlossen. Im selben Jahr wurde vom Management eine Dividendenausschüttung und eine Kapitalrückzahlung im Jahr 2007 vereinbart.
Um diese Ausschüttung und Rückzahlung bedienen zu können, hat die ausl._T1 am einen Kredit bei der M-Gesellschaft in Liechtenstein in Höhe von € 260.000.000,- aufgenommen. € 220.000.000,- davon mit 5% verzinslich und die restlichen € 40.000.000,- unverzinslich. Dieser Zinssatz wurde mit einem Supplemental Agreement vom wirksam mit auf 2% reduziert. Dieses Supplemental Agreement wurde bereits von der ausl._T1 in Luxemburg als Rechtsnachfolgerin der ausl._T1 durchgeführt.
Mit Verschmelzungsvertrag vom wird die ausl._T1 zur Gänze mit der ***Bf1*** verschmolzen. Ebenfalls am wird die ausl._T2 als Ganzes mit der ***Bf1*** verschmolzen. Somit geht auch die Darlehensforderung der M-Gesellschaft auf die ***Bf1*** über.
Mit der Veranlagung 2014 wird der Zinsaufwand erstmals von der ***Bf1*** geltend gemacht. Die Entwicklung im Prüfungszeitraum 2014 - 2017 stellt sich wie folgt dar:
Verbindlichkeit Zinsaufwand Körperschaftsteuer
2014 150.000.000,00 3.456.438,36 864.109,59
2015 111.620.000,00 2.794.706,85 698.676,71
2016 101.620.000,00 1.320.880,94 330.220,24
2017 81.620.000,00 1.500.527,46 375.131,87
9.072.553,61 2.268.138,40
Eine Überprüfung der steuerlichen Ergebnisse der M-Gesellschaft für die Jahre 2014 - 2017 hat ergeben, dass die effektive Steuerbelastung in Liechtenstein in allen Jahren unter 10% liegt. Die niedrige Steuerbelastung ist auf eine Besonderheit des liechtensteinischen Steuergesetzes zurückzuführen. Nach Art. 54 SteG können fiktive Eigenkapitalzinsen in Höhe von 4% des "modifizierten Eigenkapitals" als steuerminderndes Ergebnis angesetzt werden.
Tatsächliche Steuerbelastung der M-Gesellschaft in den Jahren 2014 - 2017:
2014 2015 2016 2017
Erg. vor EK-Zinsabzug12.665.258,002.938.813,00 7.668.390,00 5.757.051,00
modifiziertes Eigenkap.327.591.743,00 238.965.259,00 237.274.208,00 227.487.412,00
davon 4% 13.103.669,72 9.558.610,36 9.490.968,32 9.099.496,48
EK-Zinsen beansprucht 12.665.258,00 2.938.813,00 7.668.390,00 5.757.051,00
Erg. nach EK-Zinsabzug 0,00 0,00 0,00 0,00
tatsächl. Steuerbelastung998,001.104,001.119,001.538,00
§ 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 versagt die Abzugsfähigkeit von Zinsen und Lizenzgebühren, wenn diese an unmittelbar oder mittelbar konzernzugehörige Körperschaften geleistet werden und bei der Empfängerkörperschaft keiner angemessenen Besteuerung unterliegen. Dieses Abzugsverbot wurde mit dem AbgÄG 2014 eingeführt und betrifft sämtliche Zinszahlungen und Lizenzgebühren die ab dem geleistet werden.
Eine "nicht angemessene" Besteuerung kann sich aufgrund folgender Fälle ergeben:
Die Zinsen oder Lizenzgebühren unterliegen bei der empfangenden Körperschaft
aufgrund einer persönlichen oder sachlichen Befreiung keiner Besteuerung oder
einem Steuersatz von weniger als 10% oder
aufgrund einer (auch) dafür vorgesehenen Steuerermäßigung einer tatsächlichen Steuerbelastung von weniger als 10% oder
aufgrund einer Steuerrückerstattung einer Steuerbelastung von weniger als 10% wobei auch eine Steuerrückerstattung an die Anteilsinhaber zu berücksichtigen ist.
Da die Zinszahlungen des geprüften Unternehmens bei der Empfängerkörperschaft in Liechtenstein einer effektiven Besteuerung von unter 10% unterliegen (durch die fiktive Eigenkapitalverzinsung wird das steuerliche Ergebnis auf 0 gesenkt), sind die entsprechenden Aufwendungen nach Ansicht der Außenprüfung gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 3. TS KStG 1988 nicht abzugsfähig.
Auf die Einwände der steuerlichen Vertretung (übersendet am ) wird wie folgt Stellung genommen:
Jahr 2014
§ 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. TS KStG 1988 wurde durch das 1. AbgÄG 2014 eingeführt und trat mit in Kraft. Nach dem Wortlaut der Bestimmung sind Zinsen und Lizenzgebühren bei der zahlenden Gesellschaft dann nicht abzugsfähig, wenn diese "aufgrund einer dafür vorgesehenen Steuerermäßigung einer tatsächlichen Steuerbelastung von wenigerals 10% (unterliegen)".
Da die Gewinne der M-Gesellschaft im Jahr 2014 nur aufgrund der fiktiven Eigenkapitalverzinsung einer effektiven Besteuerung von weniger als 10% unterliegen, sei das Abzugsverbot im vorliegenden Fall im Jahr 2014 nicht anwendbar. Das Gesetz fordere durch den Wortlaut "dafür vorgesehene Steuerermäßigung" einen direkten Zusammenhang zwischen der Steuerentlastung und den Zinsen. Beim fiktiven Eigenkapital-Zinsabzug handle es sich allerdings um keine speziell für Zinsen vorgesehene Steuerermäßigung.
Dem ist entgegenzuhalten, dass mit dem 2. AbgÄG 2014 (Inkrafttreten ) der Wortlaut der Bestimmung geändert wurde. Demnach sind Zinsen und Lizenzgebühren dann nicht abzugsfähig, wenn diese beim Empfänger "aufgrund einer auch dafür vorgesehenen Steuerermäßigung einer tatsächlichen Steuerbelastung von weniger als 10% (unterliegen)". Das Abzugsverbot betraf auch schon nach der Bestimmung des 1. AbgÄG 2014 Zinsen und Lizenzgebühren, die beim Empfänger einer Effektivbesteuerung von weniger als 10% unterlagen, unabhängig davon, ob die Steuerermäßigung ausschließlich auf diese Einkünfte gilt oder das gesamte Einkommen des Empfängers betrifft. Dies ergibt sich nach Ansicht der Außenprüfung im Rahmen der Interpretation auch aus der Zielsetzung der Änderungen des 1. AbgÄG 2014, Steuervorteile im Konzern und Gewinnverlagerungen einzudämmen. Gesetzeszweck ist es, konzerninterne Gewinnverlagerungen mittels Zinsen- und Lizenzzahlungen in Niedrigsteuerländer oder in besondere Steuerregime zu verhindern. Es sollen durch den 3. TS auch idF 1. AbgÄG 2014 jene Fälle erfasst werden, in denen die tatsächliche Steuerbelastung, die auf den Zinsen und Lizenzgebühren lastet, aufgrund von Sonderregimen in der ausländischen Steuerordnung weniger als 10% beträgt. Die Einfügung des Wortes "auch" in § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. TS KStG 1988 hat lediglich klarstellenden Charakter.
Jahr 2015
Der Ap wurde vonseiten der steuerlichen Vertretung die Literaturstelle Lachmayer in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, Die Körperschaftsteuer (KStG 1988), § 12 Abs. 1 Z 10, Rn 122/40, entgegengehalten. Die fiktive Eigenkapitalverzinsung gelte demnach dann nicht als schädlich, wenn sie hinsichtlich des Zinssatzes und der Bemessungsgrundlage angemessen sei, also insbesondere dazu dient, um die Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital auszugleichen. Die angeführte Literaturstelle ist allerdings nicht so zu verstehen, dass eine fiktive Eigenkapitalverzinsung generell unschädlich ist. Vielmehr kommt es auf die Ausgestaltung der Eigenkapital-Verzinsung und der Eigenkapital-Ausstattung (Überproportional hohe Eigenkapitalausstattung und damit fremdunüblicheEigenkapitalverzinsung) beim Empfänger an. Es ist außerdem dazu auszuführen, dass es sich hierbei um eine Meinung der Literatur handelt. Es wird aber von derselben Autorin zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls vertreten, dass fiktive Betriebsausgaben (fiktiver Eigenkapital-Zinsabzug) immer eine schädliche Steuerermäßigung darstellen. Es sprechen zahlreiche weitere Meinungen der Literatur für die Ansicht, dass der fiktive Eigenkapitalabzug generell als schädlich anzusehen ist. Jedenfalls unschädlich sind demnach nur solche Steuerermäßigungen, die sich ausschließlich auf andere Einkünfte als Zinsen und Lizenzgebühren beziehen.
Es wird stets eine Einzelfallbetrachtung anzustellen sein, bei der es auf die Proportionalität des Eigenkapitals ankommt. Ein überproportionales Eigenkapital und damit eine fremdunübliche Eigenkapitalverzinsung führt zur Anwendung des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. TS KStG 1988.
Jahre 2016 und 2017
Zu der Argumentation, dass die fiktive Eigenkapitalverzinsung keine schädliche Steuerermäßigung im Sinne des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3 TS KStG 1988 sei, siehe oben.
Von der steuerlichen Vertretung des geprüften Unternehmens wurde der Feststellung der Apentgegengehalten, dass das Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. TS KStG 1988 nur aliquot auf jene Zeiträume anzuwenden sei, die beim Empfänger tatsächlich von einer schädlichen Steuerbegünstigung profitieren. Demnach sei der liechtensteinische Eigenkapital-Zinsabzug in einen fremdüblichen und einen nicht-fremdüblichen Teil zu spalten und dieses Verhältnis sei auf die aus Österreich empfangenen Zinsen umzulegen.
Abgesehen davon, dass nach Ansicht der Ap der fiktive Eigenkapital-Zinsabzug eine schädliche Steuerermäßigung iSd § 12 KStG darstellt 1988, spricht der Gesetzeswortlaut des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. TS KStG 1988gegen eine Aufteilung der Zinsen anhand einer fremdüblichen/nicht fremdüblichen Eigenkapitalverzinsung.Unterliegen Zinsen beim Empfänger einer effektiven Besteuerung von unter 10% sind diese vom Abzugsverbot des §12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. TS KStG 1988, nach Ansicht der Ap, zur Gänze betroffen. Für eine Aliquotierung fehlt die gesetzliche Grundlage ("insoweit"). Der Gesetzgeber hat keine Gesetzeslücke geschaffen, die der Interpretation bedarf.
Unionsrecht
Weiter wurde der Feststellung der Ap die Unionsrechtswidrigkeit des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 entgegengehalten. Der EuGH hat in seinem Urteil zur Rs Lexel festgestellt, dass das schwedische Abzugsverbot für Zinsen auf Konzerndarlehen gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Das schwedische Abzugsverbot sei ähnlich dem Österreichischen konzipiert und die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH daher nach Ansicht der steuerlichen Vertretung des geprüften Unternehmens analog auf § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 anwendbar, auch wenn die empfangende Körperschaft ihren Sitz in Liechtenstein hat. Der Anwendungsbereich der österreichischen Norm sei in unionsrechtskonformer Auslegung auf missbräuchliche und nicht fremdübliche Transaktionen einzuschränken.
Die in Frage stehende Regelung ist gleichermaßen auf innerstaatliche und zwischenstaatliche Sachverhalte anzuwenden. Aufgrund dieses weiten Anwendungsbereiches (und auch der Entwicklungen im Rahmen von BEPS und den Empfehlungen der EU) steht die Regelung nach Ansicht der Ap im Einklang mit den unionsrechtlichen Bestimmungen. Ein eindeutiges, gegenteiliges höchstgerichtliches Urteil liegt bis dato nicht vor.
Nach den obigen Ausführungen sind die in Frage stehenden Zinszahlungen der geprüften Gesellschaft gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. TS KStG 1988 nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen und werden durch die AP hinzugerechnet."
Das zuständige Finanzamt folgte der Ansicht der Außenprüfung und setzte in den wiederaufgenommenen Verfahren betreffend die Feststellungsbescheide Gruppenträger der Jahre von 2014 bis 2016 bzw im Erstbescheid Feststellungbescheid Gruppenträger 2017, alle vom , das Einkommen der Bf als Gruppenträgerin neu bzw abweichend von den eingereichten Steuererklärungen wie folgt fest:
2014: 9.455.695,52 Euro
2015: 3.548.147,44 Euro
2016: 23.787.974,96 Euro
2017: -280.232,91 Euro
Im Ergebnis wurden in den Feststellungsbescheiden Gruppenträger der Jahre von 2014 bis 2017 die folgenden Beträge wegen der Nichtanerkennung des geltend gemachten Zinsaufwandes den Einkünften aus Gewerbetrieb bzw dem Einkommen der beschwerdeführenden Partei hinzugerechnet.
2014: 3.456.438,36 Euro
2015: 2.794.706,85 Euro
2016: 1.320.880,94 Euro
2017: 1.500.527,46 Euro
Summe: 9.072.553,61 Euro
Mit den unstrittigen und nicht verfahrensgegenständlichen bescheidmäßigen Berichtigungen gemäß § 293b BAO vom wurden die Einkünfte aus Gewerbetrieb bzw das Einkommen des Gruppenträgers im Verfahrenszeitraum wie folgt abgeändert.
2014: 9.381.548,48 Euro
2015: 3.623.766,43 Euro
2016: 23.882.104,93 Euro
2017: -362.865,57 Euro
Mit Eingabe vom erhob die Bf fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide Gruppenträger der Jahre von 2014 bis 2017 vom und beantragte gemäß §§ 262 Abs. 2 lit. a iVm 264 Bundesabgabenordnung (BAO) das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung sowie die Direktvorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
In inhaltlicher Hinsicht beantragte die Bf in der Beschwerde die Aufhebung und Abänderung der Feststellungbescheide Gruppenträger der Jahre von 2014 bis 2017 wegen der gebotenen unionrechtskonformen Einschränkung der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 sowie die Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw des Einkommens des Gruppenträgers in nachstehender Höhe.
2014: 5.925.110,12 Euro
2015: 829.059,58 Euro
2016: 21.660.575,07 Euro
2017: -2.261.567,02 Euro
Für den Fall, dass die geltend gemachte unionsrechtskonforme Einschränkung der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht anzuwenden ist, beantragte die Bf nach einer rein innerstaatlichen Beurteilung die Feststellung der Einkünfte aus Gewerbetrieb bzw des Einkommens des Gruppenträgers für den Streitzeitraum wie folgt.
2014: 5.925.110,12 Euro
2015: 829.059,58 Euro
2016: 22.507.339,85 Euro
2017: -1.863.393,13Euro
Zur Begründung hielt die Bf zusammengefasst und stark gekürzt fest:
"Unionsrechtliche Beurteilung
§ 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 stellt in seiner derzeitigen Fassung eine nicht rechtfertigbare Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar (Jerabek/Neubauer, ; Jerabek/Neubauer, ; Zöchling/Plott, RdW 2014, 220; zur Kapitalverkehrsfreiheit Wimpissinger, f.; Marchgraber/Plansky in Lang/Rust/Schuch/Staringer, KStG² (2016), § 12 Abs.1 Rz 215; Bieber/Lehner, in Bergmann/Bieber, KStG-Update, § 12 Rz. 230).
§ 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 muss daher in unionsrechtlich konformer Weise in seinem Anwendungsbereich auf missbräuchliche Strukturen eingeschränkt werden ("reading down approach"; in diesem Sinne Zorn, Ausländische Portfoliodividenden und § 10 KStG, RdW 2009, 171 f; , 17). Andernfalls würde Österreich selbst bei offensichtlich nicht missbräuchlichen Strukturen den allein aus niedrigeren Steuerbelastungen in anderen Mitgliedstaaten resultierenden Vorteil durch das Abzugsverbot im Inland abziehen, was einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellt.
Die zwischen der M-Gesellschaft und der ***Bf1*** bestehende Darlehensvereinbarung ist weder als Missbrauch iSd § 22 BAO zu qualifizieren (da offensichtlich keine künstliche Struktur geschaffen wurde mit der Zielsetzung österreichische Steuern zu umgehen), noch ist die darin vereinbarte Verzinsung als fremdunüblich zu qualifizieren.
Aus unserer Sicht verstößt die Anwendung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 im vorliegenden Fall gegen die Niederlassungsfreiheit, sodass die an die M-Gesellschaft gezahlten Zinsaufwendungen auf Ebene der ***Bf1*** daher in den Jahren 2014 bis 2017 keinem Abzugsverbot unterliegen.
Innerstaatliche Beurteilung
§ 12 Abs. 1 Z 10 lit. c TS 3 KStG 1988 (idF 1. AbgÄG 2014) sah die Versagung eines Zinsabzugs vor, soweit die Zinsen aus einem Konzerndarlehen in dem Empfängerstaat aufgrund einer dafür vorgesehenen Steuerermäßigung niedrigbesteuert wird. Der Wortlaut impliziert einen notwendigen direkten Zusammenhang zwischen der Steuerermäßigung und der Nichtabzugsfähigkeit der Zinsen. Da das Steuerregime des fiktiven Eigenkapitalzinsabzuges unabhängig von den Zinserträgen des Konzerndarlehens bei der empfangenden Gesellschaft gewährt wird, greift das Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 nicht und der Zinsaufwand ist zur Gänze in Österreich abzugsfähig.
Durch die Änderung des Wortlautes im § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c TS 3 KStG 1988 (Zusatz von "auch" durch das 2. AbgÄG 2014) wird der zuvor notwendige direkte Zusammenhang zwischen der Steuerermäßigung und der Nichtabzugsfähigkeit der Zinsen aufgehoben. Aus diesem Grund ist der fiktive Eigenkapitalzinsabzug ab 2015 grundsätzlich als eine schädliche Steuerermäßigung zu sehen, jedoch nur insoweit als der fiktive Zinsabzug nicht an die tatsächliche Eigenkapitalstruktur anknüpft, d.h. nur insoweit die fiktive Eigenkapitalverzinsung als nicht fremdüblich anzusehen ist. Die Versagung der Abzugsfähigkeit darf weiters nur insoweit eingeschränkt werden, als die Zinsen im Empfängerstaat auch tatsächlich von der Niedrigbesteuerung aufgrund eines besonderen Steuerregimes (schädliche Steuerbegünstigung) profitieren. Im Falle einer Verlustsituation kann von einer vollen Abzugsfähigkeit der Zinsen ausgegangen werden.
Aufgrund dieser Beurteilung ist - selbst im Falle der Einstufung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 als unionsrechtskonform - gemäß innerstaatlicher Beurteilung in 2014 und 2015 eine volle und in 2016 und 2017 eine teilweise Abzugsfähigkeit der Zinsen gegeben."
Das zuständige Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zur Entscheidung vor und beantragte die vollinhaltliche Abweisung des Rechtsmittels. In ihrer Stellungnahme im Vorlagebericht verwies die Behörde erneut auf die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. TS KStG 1988 und der daraus resultierenden Nichtabzugsfähigkeit der Zinszahlungen als Betriebsausgaben.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde mit Notariatsakt vom errichtet und am im Firmenbuch unter der Firmenbuchnummer FN mit dem Firmenwortlaut ***Bf1*** eingetragen. Unternehmensgegenstand der Bf ist insbesondere die Ausübung von Holding-Funktionen.
Die Gesellschaft ist seit der Veranlagung des Jahres 2014 Gruppenträgerin einer steuerlichen Unternehmensgruppe mit den beiden inländischen Gruppenmitgliedern GM_1 und GM_2.
100%-iger Gesellschafter der beschwerdeführenden Gesellschaft ist die M-Gesellschaft, eine ertragsteuerlich intransparente Familienstiftung mit Sitz in Vaduz, Fürstentum Liechtenstein. Die beiden Gesellschaften sind für steuerliche Zwecke als verbundene Unternehmen einzustufen.
Die Bf hat im beschwerdegegenständlichen Zeitraum von 2014 bis 2017 einen steuerwirksamen Zinsaufwand iHv insgesamt 9.072.553,61 Euro geltend gemacht. Dem geltend gemachten Betriebsausgabenabzug liegt der nachstehende Sachverhalt zugrunde.
Mit Darlehensvertrag ("loan agreement") vom gewährte die M-Gesellschaft, Fürstentum Liechtenstein, der ausl._T1 mit Sitz in Curaçao, Niederländische Antillen, einen Kredit iHv 260 Mio. Euro zum Zweck der Finanzierung einer Dividendenausschüttung sowie einer Kapitalrückzahlung im Jahr 2007. Die ausl._T1, Niederländische Antillen, später ausl._T1, Luxemburg, war zum Zeitpunkt der Darlehnsgewährung eine Tochtergesellschaft der liechtensteinischen M-Gesellschaft.
Laut Darlehensvertrag wurde die Gesamtsumme von 260 Mio. Euro auf einen unverzinslichen Anteil iHv 40 Mio. Euro und einen verzinslichen Anteil mit 5% p.a. iHv 220 Mio. Euro aufgeteilt. Dieser Zinssatz wurde mit der ergänzenden Vereinbarung ("supplemental agreement") vom zwischen der ausl._T1 und der M-Gesellschaft ab auf 2% p.a. reduziert.
Mit Verschmelzungsvertrag vom wurde die nunmehr luxemburgische ausl._T1 im Wege einer Importverschmelzung auf die beschwerdeführende Gesellschaft übertragen. Damit ging auch die verbleibende offene Verbindlichkeit gegenüber der M-Gesellschaft auf die Bf über bzw wurde von dieser übernommen.
Die M-Gesellschaft unterliegt in Liechtenstein mit ihren Einkünften einer ordentlichen Besteuerung in Höhe von 12,5% (inkl. der Zinserträge). Aufgrund der Bestimmung des Art. 54 des Liechtensteinischen Steuergesetzes (SteG) können steuerlich aber fiktive Aufwendungen in Höhe von 4% des sogenannten modifizierten Eigenkapitals als Betriebsausgabe abgesetzt werden (Eigenkapital-Zinsabzug bzw fiktive Eigenkapital-Verzinsung). Die fiktiven Eigenkapital-Zinsen reduzierten das steuerliche Ergebnis der M-Gesellschaft in den beschwerdegegenständlichen Jahren von 2014 bis 2017 auf Null Euro, da durch die fiktive Eigenkapital-Verzinsung kein steuerlicher Verlust generiert werden konnte.
Der gesamte Zinsaufwand aus dem Darlehen betrug im Zeitraum von 2014 bis 2017 10.371.376,42 Euro. Die Differenz zum steuerlich geltend gemachten Zinsaufwand iHv insgesamt 9.072.553,61 Euro resultierte aus den Mehr-Weniger-Rechnungen der Jahre 2016 und 2017. In diesen Veranlagungsjahren wurden von der Bf gemäß ihrer innerstaatlichen Rechtsansicht, wonach in diesem Zeitraum (nur) von einer teilweisen Abzugsfähigkeit der Zinsen auszugehen sei, in den jeweiligen Steuererklärungen ein Betrag von 900.648,92 Euro (2016) bzw 398.173,89 Euro (2017) hinzugerechnet.
Die effektive Steuerbelastung der M-Gesellschaft in Liechtenstein lag in allen betroffenen Jahren aufgrund der erwähnten Steuerermäßigung unter 10%. Tatsächlich entrichtet wurde nur die liechtensteinische Mindeststeuer in folgender Höhe:
2014: 998,00 Euro
2015: 1.104,00 Euro
2016: 1.119,00 Euro
2017: 1.538,00 Euro
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und gründet sich auf den Außenprüfungsbericht, das diesbezüglich übereinstimmende Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft sowie die Einsichtnahme des Richters in den elektronischen Arbeitsbogen bzw das Firmenbuch.
Rechtsgrundlagen
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 Körperschaftsteuergesetz (KStG) 1988 idF Abgabenänderungsgesetz (AbgÄG) 2014, BGBl. I Nr. 13/2014, dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:
10. Aufwendungen für Zinsen oder Lizenzgebühren im Sinne des § 99a Abs. 1 zweiter und dritter Satz des Einkommensteuergesetzes 1988 unter folgenden Voraussetzungen:
a) Die Zinsen oder Lizenzgebühren werden an eine Körperschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 oder an eine vergleichbare ausländische Körperschaft geleistet.
b) Die empfangende Körperschaft ist unmittelbar oder mittelbar konzernzugehörig oder steht unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluss desselben Gesellschafters.
c) Die Zinsen oder Lizenzgebühren unterliegen bei der empfangenden Körperschaft
- aufgrund einer persönlichen oder sachlichen Befreiung keiner Besteuerung oder
einem Steuersatz von weniger als 10% oder
aufgrund einer dafür vorgesehenen Steuerermäßigung einer tatsächlichen Steuerbelastung von weniger als 10%.
Ist die empfangende Körperschaft nicht Nutzungsberechtigter, ist auf den Nutzungsberechtigten abzustellen. Die Aufwendungen dürfen abgezogen werden, wenn die empfangende Körperschaft die unionsrechtlichen Vorschriften für Risikokapitalbeihilfen erfüllt.
Das Abzugsverbot ist für konzerninterne Zins- und Lizenzzahlungen anzuwenden, die ab dem anfallen. Betroffen sind auch Zinsen und Lizenzzahlungen, die aufgrund eines bereits vor diesem Zeitpunkt vereinbarten Vertragsverhältnisses geleistet werden.
Durch das 2. AbgÄG 2014, BGBl. I Nr. 105/2014, wurde die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 wie folgt abgeändert:
10. Aufwendungen für Zinsen oder Lizenzgebühren im Sinne des § 99a Abs. 1 zweiter und dritter Satz des Einkommensteuergesetzes 1988 unter folgenden Voraussetzungen:
a) Empfänger der Zinsen oder Lizenzgebühren ist eine Körperschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 oder eine vergleichbare ausländische Körperschaft.
b) Die empfangende Körperschaft ist unmittelbar oder mittelbar konzernzugehörig oder steht unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluss desselben Gesellschafters.
c) Die Zinsen oder Lizenzgebühren unterliegen bei der empfangenden Körperschaft
- aufgrund einer persönlichen oder sachlichen Befreiung keiner Besteuerung oder
einem Steuersatz von weniger als 10% oder
aufgrund einer auch dafür vorgesehenen Steuerermäßigung einer tatsächlichen Steuerbelastung von weniger als 10% oder
aufgrund einer Steuerrückerstattung einer Steuerbelastung von weniger als 10%, wobei auch eine Steuerrückerstattung an die Anteilsinhaber zu berücksichtigen ist.
Kann eine Steuerermäßigung oder -rückerstattung im Sinne des dritten und vierten Teilstriches erst in einem späteren Wirtschaftsjahr in Anspruch genommen werden, ist diese bereits bei der Ermittlung der Steuerbelastung zu berücksichtigen. Erfolgt jedoch innerhalb von fünf Wirtschaftsjahren nach dem Anfallen der Aufwendungen für Zinsen oder Lizenzgebühren tatsächlich keine solche Steuerermäßigung oder -rückerstattung, stellt dies ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung dar.Ist der Empfänger nicht Nutzungsberechtigter, ist auf den Nutzungsberechtigten abzustellen. Die Aufwendungen dürfen abgezogen werden, wenn die empfangende Körperschaft die unionsrechtlichen Vorschriften für Risikokapitalbeihilfen erfüllt.
Die mit dem 2. AbgÄG 2014 vorgenommenen Änderungen sind am in Kraft getreten.
Gemäß Art. 61 des liechtensteinischen Gesetzes vom über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; SteG) beträgt die Ertragssteuer in Liechtenstein 12,5% des steuerpflichtigen Reinertrags.
Art. 62 SteG legt für juristische Personen eine jährliche Mindestertragsteuer iHv 1.800 Schweizer Franken fest.
Die ertragsteuerliche Belastung wird in Liechtenstein durch den Eigenkapitalzinsabzug gemäß Art. 54 SteG reduziert. Die Bestimmung des Art. 54 Abs. 1 SteG lautet wie folgt:
"Als geschäftsmässig begründete Aufwendung gilt auch die angemessene Verzinsung des modifizierten Eigenkapitals in Höhe des Sollertrags nach Massgabe des Art. 5 (Eigenkapital-Zinsabzug). Durch den Eigenkapital-Zinsabzug kann kein laufender Verlust entstehen oder sich erhöhen."
Die Berechnung des modifizierten Eigenkapitals ist in Art. 54 Abs. 2 bis 6 SteG geregelt. Ausgangsbasis ist dabei das einbezahlte Grund-, Stamm- oder Anteilskapital und die eigenes Vermögen darstellenden Reserven. Davon sind abzuziehen
a) eigene Anteile,
b) Beteiligungen an juristischen Personen,
c) nicht betriebsnotwendiges Vermögen,
d) 6 % aller Vermögenswerte unter Ausschluss der Vermögenswerte gemäß lit. a bis c.
Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum betrug der Eigenkapitalzinsabzug, der dem Sollertrag gemäß Art. 5 SteG entspricht und der jährlich im liechtensteinischen Finanzgesetz geregelt wird, durchgehend 4%.
Art. 49 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lautet:
Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.
Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.
Art. 31 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) lautet:
Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt die freie Niederlassung von Staatsangehörigen eines EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten keinen Beschränkungen. Das gilt gleichermaßen für die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ansässig sind.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem Abgabenänderungsgesetz (AbgÄG) 2014 wurde ua ein neues Abzugsverbot für bestimmte Zins- und Lizenzzahlungen im Konzern einführt.
Laut den Materialien zum AbgÄG 2014 (ErläutRV 24 BlgNR 25. GP 13) sollte die neue Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 "Steuervorteile im Konzern eindämmen, die sich gezielt durch die Ausnutzung der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Aufwendungen und damit korrespondierenden Einnahmen ergeben. Sie ist somit gleichermaßen auf innerstaatliche wie auf zwischenstaatliche Sachverhalte ausgerichtet und zielt - im Lichte aktueller internationaler Entwicklungen (BEPS Aktionsplan der OECD, Empfehlungen der Code of Conduct-Gruppe der EU) - auch auf die Vermeidung konzerninterner Gewinnverlagerungen mittels Zins- und Lizenzzahlungen in Niedrigsteuerländer oder in besondere Steuerregime ab. Aufgrund dieses weiten Anwendungsbereiches steht die Regelung im Einklang mit zwischenstaatlichen (Art. 24 der Doppelbesteuerungsabkommen, dem OECD-MA folgend) und unionsrechtlichen Regelungen (Unionsfreiheiten, Richtlinie des Rates vom über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (2003/49/EG); zu letzterer Scheuten Solar Technology GmbH, Rs C-397/09)."
Mit dem 2. AbgÄG 2014 wurde der Gesetzestext um das Wort "auch" ergänzt ("aufgrund einer auch dafür vorgesehenen Steuerermäßigung") und das Abzugsverbot um einen neuen Tatbestand erweitert. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 360 BlgNR 25. GP 14) sollte damit "klargestellt werden, dass auch Steuerermäßigungen, die sich nicht ausschließlich auf Zinsen oder Lizenzgebühren beziehen, in den Anwendungsbereich des Abzugsverbots fallen können".
Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Zinsen, die iZm der Verbindlichkeit der Bf gegenüber der M-Gesellschaft angefallen sind, in den Jahren von 2014 bis 2017 steuerlich abzugsfähig sind oder ob und allenfalls inwieweit das Abzugsverbot iSd der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich KStG 1988 zur Anwendung kommt. Ebenfalls strittig ist die Unionrechtskonformität dieser Bestimmung.
I. Innerstaatliche Beurteilung
Die beschwerdeführende Partei vertrat dazu - wie oben bereits ausgeführt - die Rechtsansicht, dass im Veranlagungsjahr 2014 das Abzugsverbot jedenfalls nicht greife, da der Wortlaut der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich KStG 1988 idF 1. AbgÄG 2014 einen direkten Zusammenhang zwischen der Steuerermäßigung und der Nichtabzugsfähigkeit der Zinsen impliziere.
Für die Folgejahre 2015 bis 2017 sei hingegen davon auszugehen, dass durch den geänderten Wortlaut der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich KStG 1988 idF 2. AbgÄG 2014 - mit der Ergänzung um das Wort "auch" - der fiktive Eigenkapitalzinsabzug grundsätzlich als eine schädliche Steuerermäßigung anzusehen sei. Die fiktive Eigenkapitalverzinsung könne aber dann nicht als eine schädliche Steuerermäßigung iSd Bestimmung angesehen werden, wenn sie hinsichtlich des Zinssatzes und der Bemessungsgrundlage angemessen ist, also insbesondere dazu dient, um die Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital auszugleichen.
Zur Begründung verwies die Bf auf den fehlenden erforderlichen Zusammenhang ("mit einer auch dafür vorgesehenen Steuerermäßigung") zwischen den Zinserträgen aus der Darlehensforderung und den fiktiven Aufwendungen für die Eigenkapitalverzinsung sowie Aussagen in der Literatur (Lachmayer in Lachmayer/Strimitzer/Vock, Die Körperschaftsteuer27, § 12 Abs. 1, Rz 122/40) bzw eine im Rahmen einer (nicht veröffentlichten) Einzelanfrage geäußerten Rechtsansicht des BMF, wonach eine fiktive Eigenkapitalverzinsung dann nicht dem Abzugsverbot gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 unterliegt, wenn der fiktive Zinsabzug an die tatsächliche Eigenkapitalstruktur anknüpft.
Die Außenprüfung vertrat diesbezüglich die - oben ebenfalls bereits angeführte - Rechtsansicht, dass die Zinszahlungen gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich KStG 1988 bereits nach der Bestimmung des 1. AbgÄG 2014 dem Abzugsverbot unterlagen. Dies ergebe sich im Rahmen der Interpretation auch aus der Zielsetzung der Änderungen des 1. AbgÄG 2014, Steuervorteile im Konzern und Gewinnverlagerungen einzudämmen. Gesetzeszweck sei es gewesen, konzerninterne Gewinnverlagerungen mittels Zinsen- und Lizenzzahlungen in Niedrigsteuerländer oder in besondere Steuerregime zu verhindern. Es sollten durch den 3. Teilstrich auch idF des 1. AbgÄG 2014 jene Fälle erfasst werden, in denen die tatsächliche Steuerbelastung, die auf den Zinsen und Lizenzgebühren lastet, aufgrund von Sonderregimen in der ausländischen Steuerordnung weniger als 10% beträgt. Die Einfügung des Wortes "auch" im Rahmen des 2. AbgÄG 2014 habe diesbezüglich lediglich klarstellenden Charakter.
Zur Aufteilung der Zinszahlungen in einen fremdüblichen bzw fremdunüblichen Anteil in den Jahren ab 2015 hielt die Außenprüfung zusammengefasst fest, dass dies dem Gesetzeswortlaut widerspreche. Sofern Zinsen beim Empfänger einer effektiven Besteuerung von unter 10% unterliegen, seien sie vom Abzugsverbot betroffen. Für eine Aliquotierung fehle die gesetzliche Grundlage.
Im gegenständlichen Fall besteht in Liechtenstein die Möglichkeit eines fiktiven Eigenkapitalzinsabzuges. Dabei handelt es sich um den Ansatz einer fiktiven Verzinsung auf das Eigenkapital, die vom steuerbaren Gewinn als Freibetrag in Abzug gebracht werden kann. Mit der Berücksichtigung dieser fiktiven Betriebsausgaben kommt es im Ergebnis zu einer zusätzlichen steuerlichen Entlastung von der einheitlichen liechtensteinischen Ertragsteuer ("flat tax") iHv 12,5%.
Diese Regelung erfüllt bei der M-Gesellschaft den Tatbestand einer tatsächlichen Steuerbelastung von weniger als 10% aufgrund einer Steuerermäßigung (3. Teilstrich). Die Steuerermäßigung nach dem liechtensteinischen Steuerrecht steht dabei in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den (dortigen) Zinseinnahmen.
Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich idF AbgÄG 2014 ("aufgrund einer dafür vorgesehenen Steuerermäßigung einer tatsächlichen Steuerbelastung von weniger als 10%") ist nach Ansicht des Richters entsprechend dem Wortlaut unzweifelhaft so zu verstehen, dass es sich dabei um eine speziell für Zinsen oder Lizenzgebühren vorgesehene Steuerermäßigung handeln muss. Mangels Vorliegens eines speziellen Steuerregimes für Zinsen oder Lizenzgebühren in Liechtenstein war das Abzugsverbot iSd 3. Teilstrichs der damaligen Bestimmung daher nicht anwendbar und die Zinsaufwendungen im Jahr 2014 zur Gänze abzugsfähig.
Den diesbezüglichen Ausführungen der Behörde ist zu entgegnen, dass es der Änderung des Gesetzestextes mit dem 2. AbgÄG 2014 um das Wort "auch" nicht bedurft hätte, wenn sämtliche Steuerermäßigungen, die im allgemeinen Steuerrecht verankert sind, wie im konkreten Fall die fiktive Eigenkapitalverzinsung, bereits vorher mitumfasst gewesen wären.
Für die Veranlagungsjahre ab 2015 wurde mit der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich KStG 1988 idF 2. AbgÄG durch die Einfügung des Wortes "auch" klargestellt, dass damit nicht nur jene Fälle gemeint sind, in denen ausschließlich für Zinsen bzw Lizenzgebühren spezifische Steuerermäßigungen vorgesehen sind, sondern auch jene Fälle, in denen auch für Zinsen und Lizenzgebühren Steuerermäßigungen bestehen.
Zur Frage, ob es sich bei der Bestimmung des Art. 54 SteG (Eigenkapital-Zinsabzug in Liechtenstein) um eine schädliche Steuerermäßigung handelt, war mangels einer gesetzlicher Definition auf die Gesetzesmaterialien zu verweisen, wonach auch fiktive Betriebsausgaben als Steuerermäßigung anzusehen sind (ErläutRV BlgNR 25. GP 13).
Die fiktive Betriebsausgabe in Liechtenstein basierend auf dem Eigenkapital der M-Gesellschaft iSe Verzinsung des Eigenkapitals stellt somit "auch" eine Steuerermäßigung bezüglich Zinsen oder Lizenzgebühren gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich KStG 1988 dar.
Im Ergebnis reduzierte sich die tatsächliche Steuerbelastung in Liechtenstein in allen verfahrensgegenständlichen Jahren durch die fiktive Eigenkapitalverzinsung auf die Mindeststeuer. Bei einem nominellen Steuersatz in Liechtenstein von 12,5% betrug der effektive Steuersatz für die Zinserträge aus dem Darlehen weit unter 1%. Eine Verlustsituation lag bei der empfangenden liechtensteinischen M-Gesellschaft in keinem der betroffenen Jahre vor.
Die Bf brachte betreffend die Jahre von 2015 bis 2017 vor, dass die fiktive Eigenkapitalverzinsung nach Aussagen im Schrifttum bzw laut der Beantwortung einer Einzelanfrage durch das BMF nicht als eine schädliche Steuerermäßigung anzusehen ist, sofern sie hinsichtlich des Zinssatzes und der Bemessungsgrundlage angemessen, dh fremdüblich ist, bzw der fiktive Zinsabzug an die tatsächliche Eigenkapitalstruktur anknüpft. Das BMF hatte in der schriftlichen Anfragebeantwortung vom ausgeführt, dass "eine Regelung über einen fiktiven Eigenkapitalabzug der empfangenden Körperschaft - wie sie etwa im Rahmen einer "notional interest deduction" nach belgischem Steuerrecht derzeit vorgesehen ist - keine Steuermäßigung iSd § 12 Abs. 1 Z 10 TS 3 KStG darstellt, sofern dieser fiktive Zinsabzug an die tatsächlich Eigenkapitalstruktur anknüpft und - im Hinblick auf die Höhe des fiktiven Refinanzierungszinssatzes - lediglich zu einer Gleichstellung von Eigen- und Fremdfinanzierung führt. Eine schädliche Steuerermäßigung iSd Bestimmung würde nach Ansicht des BMF hingegen dann vorliegen, wenn im Unterschied dazu entweder
ein nicht der tatsächlichen Kapitalstruktur entsprechender fiktiver Abzug vonRefinanzierungszinsen erfolgen würde (vgl KStR 2013 Rz 1266bj) oder
ein - im Vergleich zu fremdüblichen Finanzierungszinssätzen - unangemessen hoherfiktiver Refinanzierungszinssatz zur Anwendung käme."
Diese Rechtsansicht, wonach eine Eigenkapitalverzinsung nicht als Steuerermäßigung gilt, wenn sie hinsichtlich des Zinssatzes und der Bemessungsgrundlage angemessen ist, wurde ursprünglich auch in der Literatur vertreten (Lachmayer in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, Die Körperschaftsteuer, 27. Lfg, § 12 Abs. 1 Z 10 KStG, Rz 122/40). In einer späteren Auflage vertrat dieselbe Autorin hingegen die Ansicht, dass fiktive Betriebsausgaben, zB eine Eigenkapitalverzinsung, immer eine schädliche Steuerermäßigung darstellen (Lachmayer in Lachmayer/Strimitzer/Vock, Die Körperschaftsteuer, 31. Lfg, § 12 Abs. 1 KStG, Rz 210).
Die Bf macht im iSd angeführten Rechtsansicht geltend, dass die liechtensteinische Eigenkapitalverzinsung in einem fremdüblichen Ausmaß - laut Vorbringen iHv 2,5% im Jahr 2015 bzw 2% in den Jahren 2016 und 2017 - einen normalen Aufwand und keine schädliche Steuerermäßigung darstellt. Dementsprechend dürfe die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen nur insoweit versagt werden, als beim ausländischen Empfänger Erträge aus Zinszahlungen tatsächlich von einer schädlichen Steuerbegünstigung (im konkreten Fall die Differenz zum Maximalbetrag der fiktiven Eigenkapitalzinsen iHv 4%) profitieren.
Dazu stellte die Bf eine Verhältnisrechnung (ausländisches steuerliches Ergebnis inklusive der Zinserträge aus Österreich vor und nach der Berücksichtigung fremdüblicher Eigenkapitalzinsen iHv 2,5% bzw 2%) an und beantragte die Abzugsfähigkeit der Zinsen im Ausmaß der unschädlichen Steuerbegünstigung.
Im Ergebnis seien im Jahr 2015 die gesamten Zinsaufwendungen iHv 2.794.706,85 Euro (der fiktive Eigenkapitalzinsabzug lag unter dem als fremdüblich anzusehenden Eigenkapitalzinsabzug iHv 2,5%), als abzugsfähig anzuerkennen. In den Jahren 2016 und 2017 sei ein Anteil von 61,9% (1.374.765,08 Euro) bzw 79% (1.500.527,46 Euro) als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
Zu den Berechnungen der Bf ist festzuhalten, dass die Höhe des angenommenen fiktiven Refinanzierungszinssatzes fremdüblich erscheint. Der Bf ist auch zuzustimmen, dass sich bei der Berücksichtigung nur fremdüblicher Eigenkapitalzinsen in den Jahren 2016 und 2017 ein positives steuerliches Ergebnis in Liechtenstein ergeben hätte. Ebenso wurde die Aufteilung der Zinsaufwendungen in einen abzugsfähigen Anteil (keine bzw unschädliche Steuerbegünstigung) und einen nicht abzugsfähigen Anteil (schädliche Steuerbegünstigung) nachvollziehbar und rechnerisch richtig durchgeführt.
Da eine gesetzliche Definition einer schädlichen Steuerermäßigung fehlt, sind entsprechend der Intention des Gesetzgebers darunter insbesondere teilweise sachliche Steuerbefreiungen oder fiktive Betriebsausgaben zu verstehen.
Nach Ansicht des Richters liegt daher eine schädliche Steuerermäßigung auch in den Fällen vor, dass fiktive Betriebsausgaben vom gesamten Einkommen oder fiktive Zinsen vom Eigenkapital im Ausland gewährt werden, wie bspw in Belgien und eben Liechtenstein.
Dazu ist weiters festzuhalten, dass dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich KStG 1988 entsprechend von einer vollen Nichtabzugsfähigkeit der Zinszahlungen auszugehen ist. Die gesetzliche Bestimmung sieht kein partielles Abzugsverbot iSe Berücksichtigung einer fremdüblichen Komponente der Eigenkapitalverzinsung von Fremdüblichkeitskriterien oder die Berücksichtigung der Eigenkapitalstruktur der empfangenden ausländischen Körperschaft vor.
Hinsichtlich der angeführten Literaturmeinung hat bereits die Außenprüfung zutreffend darauf hingewiesen, dass sowohl von der Autorin selbst (Lachmayer in Lachmayer, Strimitzer/Vock, Die Körperschaftsteuer31, § 12 Abs. 1, Rz 210) als auch vom überwiegenden Schrifttum die Ansicht vertreten wird, dass fiktive Betriebsausgaben eine Steuerermäßigung darstellen.
Zur Einzelauskunft des BMF wird auf die Rechtsmeinung des BMF laut KStR 2013 Rz 1266bi und 1266bj verwiesen, wonach insbesondere fiktive Betriebsausgaben bzw fiktive Zinsen vom Eigenkapital als Steuerermäßigungen gelten.
Im gegenständlichen Fall hat sich für die Zinsenempfängerin M-Gesellschaft die steuerliche Bemessungsgrundlage in Liechtenstein durch den Abzug der fiktiven Eigenkapitalzinsen in allen Jahren auf Null Euro vermindert. Nach Ansicht des Richters stellen die fiktiven Zinsaufwendungen eine schädliche Steuerermäßigung im Empfängerstaat vor.
Unter Berücksichtigung der liechtensteinischen Mindestertragsteuer für juristische Personen, die im Verfahrenszeitraum jedenfalls zu entrichten war, unterlagen die Zinsen bei der empfangenden Körperschaft tatsächlich gar keiner Besteuerung. Eine Berechnung der effektiven Steuerbelastung konnte für die verfahrensgegenständlichen Jahre daher unterbleiben.
Die Zinsen waren daher nach der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 idF 2. AbgÄG bei der Bf nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig und außerbilanzmäßig hinzuzurechnen. Dieses Abzugsverbot war auf die Aufwendungen für Zinsen, die ab dem , dh für die Veranlagungsjahre ab 2015 anzuwenden.
Der Vollständigkeit halber war schließlich darauf hinzuweisen, dass die Anwendung des Abzugsverbotes im konkreten Fall wegen der Tatsache, dass die Zinsen im Empfängerstaat Liechtenstein zur Gänze von der Steuer befreit waren, zu keiner wirtschaftlichen Doppelbesteuerung führte.
Aus innerstaatlicher Sicht war der Beschwerde daher betreffend das Jahr 2014 stattzugeben. Hinsichtlich der Jahre von 2015 bis 2017 war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Unionsrechtliche Beurteilung
Für den vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass die Erläuternden Bemerkungen zum 1. AbgÄG 2014 (ErläutRV 24 BlgNR 25. GP 13) davon ausgehen, dass "die Regelung Steuervorteile im Konzern eindämmen soll, die sich gezielt durch die Ausnutzung der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Aufwendungen und damit korrespondierenden Einnahmen ergeben. Sie ist somit gleichermaßen auf innerstaatliche wie auf zwischenstaatliche Sachverhalte ausgerichtet und zielt - im Lichte aktueller internationaler Entwicklungen (BEPS Aktionsplan der OECD, Empfehlungen der Code of Conduct-Gruppe der EU) - auch auf die Vermeidung konzerninterner Gewinnverlagerungen mittels Zins- und Lizenzzahlungen in Niedrigsteuerländer oder in besondere Steuerregime ab. Aufgrund dieses weiten Anwendungsbereiches steht die Regelung im Einklang mit zwischenstaatlichen (Art. 24 der Doppelbesteuerungsabkommen, dem OECD-MA folgend) und unionsrechtlichen Regelungen (Unionsfreiheiten, Richtlinie des Rates vom über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (2003/49/EG); zu letzterer Scheuten Solar Technology GmbH, Rs C-397/09)."
Unbestritten ist, dass durch das Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 inländische und grenzüberschreitende Sachverhalte in einer formalen Betrachtungsweise gleichbehandelt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen sind aber idR Zahlungen ins Ausland davon betroffen.
Aufwendungen für Zinsen und Lizenzgebühren unterliegen nur dann dem Abzugsverbot, wenn der Empfänger der Zahlungen nicht oder nur niedrig besteuert ist. Im Gesetz werden dafür vier Tatbestände normiert.
Nach § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 1. Teilstrich KStG 1988 liegt eine das Abzugsverbot auslösende Nichtbesteuerung vor, wenn die Zinsen bei der empfangenden Körperschaft aufgrund einer persönlichen oder sachlichen Befreiung keiner Besteuerung unterliegen.
Eine persönliche Befreiung der empfangenden Körperschaft liegt dann vor, wenn diese als Person gänzlich keiner Besteuerung unterliegt. Eine persönliche Befreiung kann sich bei inländischen Körperschaften iSd § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988 etwa aus § 5 KStG 1988 oder aus sondergesetzlichen Vorschriften außerhalb des KStG 1988 ergeben. Bei ausländischen Körperschaften kann sich eine Befreiung von der Steuerpflicht zB aufgrund vergleichbarer ausländischer Rechtsvorschriften oder verwaltungsrechtlicher Akte ergeben.
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 2. Teilstrich KStG 1988 liegt eine das Abzugsverbot der Zinsen oder Lizenzgebühren auslösende Niedrigbesteuerung dann vor, wenn die Zinsen oder Lizenzgebühren bei der empfangenden Körperschaft einem Steuersatz von weniger als 10% unterliegen. Für die Anwendung des 2. Teilstriches ist der Nominalsteuersatz maßgebend, dem die empfangende Körperschaft mit den Einkünften aus den aus österreichischen Quellen stammenden Zinsen oder Lizenzgebühren unterliegt. Der auf andere Einkünfte entfallende nominelle Steuersatz ist daher nicht von Bedeutung.
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c 3. Teilstrich KStG 1988 liegt eine das Abzugsverbot der Zinsen oder Lizenzgebühren auslösende Niedrigbesteuerung dann vor, wenn die Zinsen oder Lizenzgebühren aufgrund einer auch dafür vorgesehenen Steuerermäßigung einer tatsächlichen Steuerbelastung von weniger als 10% unterliegen; somit fallen auch Steuerermäßigungen in den Anwendungsbereich des Abzugsverbotes, die sich nicht ausschließlich auf Zinsen und Lizenzgebühren, sondern auch auf andere Einkünfte beziehen. Der dritte Teilstrich erfasst - unabhängig vom nominellen Steuersatz - jene Fälle, in denen bei der empfangenden Körperschaft besondere Steuerermäßigungen zur Anwendung gelangen, aufgrund derer der effektive Steuersatz für die Zins- oder Lizenzeinkünfte weniger als 10% beträgt. Als Steuerermäßigungen iSd Bestimmung gelten insbesondere teilweise Steuerbefreiungen oder fiktive Betriebsausgaben (zB ein pauschaler Abzug von fiktiven Refinanzierungskosten oder eine fiktive "interest/patent income deduction").
Keine Steuermäßigung iSd Bestimmung liegt vor, wenn die empfangende Körperschaft etwa eigene Verluste, Verlustvor- oder -rückträge oder aufgrund eines Gruppenbesteuerungsregimes Verluste anderer Körperschaften mit den Zins- oder Lizenzeinkünften verrechnen kann, sofern diese Verluste oder Verlustvorträge nicht auf eine Steuerermäßigung iSd Bestimmung zurückzuführen sind.
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c vierter Teilstrich KStG 1988 kommt das Abzugsverbot auch dann zur Anwendung, wenn zwar keine Nicht- oder Niedrigbesteuerung im Sinne von § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c erster bis dritter Teilstrich KStG 1988 vorliegt, die Steuerbelastung der Zins- oder Lizenzeinkünfte aber aufgrund einer Steuerrückerstattung unter 10% sinkt.
Mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom (EWR-Abkommen) gelten die vier Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechtes (Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit) auch gegenüber EWR-Mitgliedstaaten. Das Fürstentum Liechtenstein ist seit Mitglied des EWR. Das Abkommen über den EWR trat am in Kraft und wurde von den damals zwölf EU-Staaten sowie den sechs EFTA-Staaten, zu denen auch Österreich zählte, ratifiziert. Das EWR-Abkommen ist ein multinationaler völkerrechtlicher Vertrag traditioneller Art, der von der österreichischen Rechtsordnung übernommen und grundsätzlich unmittelbar anwendbar ist. Das EWR-Abkommen betrifft zwar die direkten Steuern nicht unmittelbar, die Vertragsstaaten des EWR müssen aber auch auf dem Gebiet der Steuern ihre Befugnisse unter Wahrung der Grundfreiheiten ausüben und deshalb jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen ().
Das EWR-Abkommen ist ein Abkommen im Sinne des Artikels 310 EGV. Derartige Abkommen sind von ihrem Inkrafttreten an integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung und daher im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auszulegen (vgl , Andersson).
Die ausländische Muttergesellschaft der beschwerdeführenden Partei, die M-Gesellschaft, ist einer inländischen Körperschaft (Privatstiftung) vergleichbar und hat ihren Sitz in Vaduz, Fürstentum Liechtenstein.
Auf den vorliegenden Sachverhalt mit Zinszahlungen der inländischen Bf an ihre liechtensteinische Muttergesellschaft sind daher die unionrechtlichen Prinzipien wie in einem rein unionsinternen Sachverhalt anwendbar.
Die Bf hat in ihrer Beschwerde vorgebracht, dass die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 idgF eine nicht rechtfertigbare Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt und in unionsrechtlich konformer Weise auf missbräuchliche Strukturen eingeschränkt werden muss.
Demgegenüber bringt die belangte Behörde vor, dass die Bestimmung auch auf innerstaatliche Zahlungen anwendbar ist und aufgrund dieses weiten Anwendungsbereiches mit den Unionsfreiheiten in Einklang steht.
Die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) schützt die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit sowie die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaates oder eines EWR-Staats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder EWR-Staats. Vom persönlichen Schutzbereich sind gemäß Art. 49 iVm Art. 54 AEUV sowohl Staatsangehörige eines Mitgliedstaats als auch Gesellschaften, welche nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat haben, erfasst. Der Begriff "Gesellschaften" iSd Art. 54 AEUV umfasst neben Kapitalgesellschaften auch Personengesellschaften. Die Rechtsfähigkeit einer Vereinigung ist nicht erforderlich.
Die strittige Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 umfasst zwar grundsätzlich auch Zinsen und Lizenzgebühren, die an inländische Körperschaften gezahlt werden, idR sind aber Zahlungen aus ausländische Empfänger betroffen. Dies wird auch in den Erläuternden Bemerkungen zum AbgÄG 2014 zum Ausdruck gebracht.
Unter Berücksichtigung des genannten Zwecks der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988, nämlich vorteilhafte Steuergestaltungen von Konzerngesellschaften zu verhindern, war der Ansicht der Bf zuzustimmen, wonach das Abzugsverbot in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit - und nicht der Kapitalverkehrsfreiheit - als potentiell betroffene unionrechtliche Grundfreiheit fällt.
Nach der Formulierung des Abzugsverbots gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 ist die Regelung sowohl auf innerstaatliche als auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte gleichermaßen anzuwenden; eine offene Diskriminierung liegt daher nicht vor.
Neben offenen Diskriminierungen stellen aber auch versteckte bzw indirekte Diskriminierungen einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten dar. Eine versteckte Diskriminierung liegt vor, wenn in- und ausländische Sachverhalte zwar formal gleichbehandelt werden, sich faktisch jedoch ein Nachteil für ausländische Sachverhalte ergibt. Da es sich bei der Niederlassungsfreiheit um Primärrecht handelt, genügt bereits die Möglichkeit einer Diskriminierung, um gegen dieses zu verstoßen (vgl bspw , Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation).
Um beurteilen zu können, ob ein Eingriff in den Schutzbereich der Grundfreiheit vorliegt, wird vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein vertikales Vergleichspaar gebildet. Eine grenzüberschreitende Situation wird mit einer inländischen verglichen.
Die tatsächlichen innerstaatlichen Anwendungsfälle des Abzugsverbots stellen eher Ausnahmefälle dar, da juristische Personen des privaten Rechts idR mit sämtlichen Einkünften dem Körperschaftsteuersatz iHv (damals) 25% unterliegen. Lediglich Körperschaften, die einer Befreiung des § 5 KStG 1988 unterliegen, also bspw "Körperschaften, die der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke dienen", oder österreichische Körperschaften mit ausländischen, niedrigbesteuerten Betriebsstätten, in Ansässigkeitsstaaten mit einem DBA mit Befreiungsmethode, sind von der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 betroffen.
Nach Ansichten im Schrifttum (Peyerl, ÖStZ 2014/314, 223; Jerabek /Neubauer, ; Kühbacher, ÖStZ 2017/256, 169) stellt das Abzugsverbot eine faktische Diskriminierung ausländischer Konzerngesellschaften dar, weil die überwiegende Anzahl inländischer Sachverhalte nicht vom Tatbestand umfasst ist. Der aus § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 resultierende Nachteil sei geeignet, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch österreichische Gesellschaften zu behindern, indem diese davon abgebracht werden, eine Tochtergesellschaft in einem "Niedrigsteuer-Mitgliedstaat" zu gründen, zu erwerben oder zu behalten (vgl , Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas). Daneben sei die unterschiedliche Behandlung österreichischer Tochtergesellschaften je nach dem Ort des Sitzes ihrer Muttergesellschaft (Hoch- vs. Niedrigsteuerland) geeignet, die Niederlassungsfreiheit der ausländischen Muttergesellschaft zu beschränken (vgl , Lankhorst-Hohorst).
Nach Ansicht des Richters ist dieser Literaturmeinung zuzustimmen, zumal die Regelung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 zwar nicht ausschließlich auf Auslandssachverhalte anwendbar ist, die große Mehrheit der Anwendungsfälle aber Auslandsbezug haben dürfte. Darüber hinaus sind betroffene innerstaatliche Zahlungen an gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Gesellschaften nicht mit grenzüberschreitenden Zahlungen an gewinnorientierte ausländische Gesellschaften vergleichbar (, Lankhorst-Hohorst, Rn 28).
Das Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 wirkt faktisch nur bei Outbound-Situationen und stellt daher eine verdeckte, dh indirekte Diskriminierung von ausländischen niedrigbesteuerten konzernzugehörigen Körperschaften dar.
Zur Rechtfertigung der festgestellten verdeckten Diskriminierung können neben den im Art. 52 Abs. 1 AEUV genannten Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit auch zwingende Gründen des Allgemeininteresses herangezogen werden. Mögliche Rechtfertigungsgründe im Steuerrecht stellen bspw die Vermeidung der Steuerumgehung, -hinterziehung oder -flucht, die Kohärenz des Steuersystems, die Steuerkontrolle bzw Steueraufsicht, die Aufteilung der Steuerhoheiten sowie die Gleichmäßigkeit der Besteuerung dar.
Im Falle einer Beschränkung aus Gründen des öffentlichen Interesses muss die Beschränkung geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (, Cadbury Schweppes, RN 47). Eine solche Regelung muss also dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht werden und darf nicht das erforderliche Maß überschreiten. Stehen mehrere Maßnahmen zur Verfügung ist daher die am wenigsten belastende Methode zu wählen.
Im vorliegenden Fall soll das Abzugsverbot einen Steuerausfall durch konzerninterne Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer verhindern. Als ungeschriebene Rechtsfertigungsgründe kommen daher insbesondere die Verhinderung der Steuerumgehung und -hinterziehung, die Aufteilung der Steuerbefugnisse und die Kohärenz des österreichischen Steuerrechts im Betracht. Im Schrifttum wurde aufgezeigt, dass nach der Rechtsprechung des EuGH diese Rechtfertigungsgründe nicht zulässig sein dürften (vgl dazu Jerabek/Neubauer, ; Zöchling/Plott, RdW 2014, 220).
Für die Rechtfertigung der Missbrauchsbekämpfung (Verhinderung der Steuerumgehung und -hinterziehung) fordert der EuGH eine Einzelfallbetrachtung, da nur gegen rein künstliche Gestaltungen ohne wirtschaftlichen Gehalt vorgegangen werden soll. § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 richtet sich gegen Praktiken zur Steuervermeidung. Da das Abzugsverbot jedoch bereits bei niedrigem Steuerniveau anwendbar ist, ohne die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Begründung für die gewählte Konstellation zuzulassen, sind nicht nur rein künstliche Gestaltungen vom Abzugsverbot betroffen. Allein die Möglichkeit, das die Kredit- und Lizenzverträge auch von inländischen Gesellschaften ausgeführt werden könnten, reicht nicht aus um eine rein künstliche Gestaltung anzunehmen (vgl , Cadbury Schweppes plc und Cadbury Schweppes Overseas Ltd).
Der Rechtfertigungsgrund der Missbrauchsvermeidung scheidet auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung aus, da das Abzugsverbot über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels der Missbrauchsbekämpfung tatsächlich notwendig wäre.
Mit dem Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 könnten Verhaltensweisen bekämpft werden, die das Besteuerungsrecht Österreichs in Bezug auf die im Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten beschränken, wodurch die Ausgewogenheit der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird. In all jenen Fällen, in denen der EuGH diesen Rechtfertigungsgrund bisher zugelassen hat, ging es jedoch um Normen, welche es dem Steuerpflichtigen ermöglichten frei zu entscheiden, in welchem Mitgliedstaat er seine Gewinne der Besteuerung unterwirft. Im konkreten Fall will ein Mitgliedstaat den Vorteil, den ein anderer Mitgliedstaat gewährt, ausgleichen. In einer solchen Konstellation wurde dieser Rechtfertigungsgrund noch nie angewandt.
§ 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 geht zudem durch das generelle Betriebsausgabenabzugsverbot über das hinaus, was zur Erreichung der Aufteilung des Besteuerungsrechts erforderlich ist. Dieser Rechtfertigungsgrund greift nur in rein künstlichen Konstruktionen zu steuerlichen Zwecken. Die Norm müsste daher sowohl dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zum Vorbringen wirtschaftlicher Gründe einräumen, als auch objektiv nachvollziehbare Umstände vorsehen mit denen festgestellt werden kann, ob eine künstliche Konstruktion vorliegt (vgl , Société de Gestion Industrielle SA (SGI)).
Einen weiteren möglichen Rechtfertigungsgrund könnte die Kohärenz des Steuersystems darstellen. Bei der Beurteilung der Gemeinschaftskonformität einer steuerlichen Norm darf nicht bloß auf Einzelaspekte abgestellt werden, sondern muss der Regelungskomplex als Ganzes und daher auch unmittelbar im Zusammenhang stehende Ausgleichswirkungen berücksichtigt werden. Unter Kohärenz versteht man den engen Zusammenhang zwischen einer vorteilhaften und einer nachteiligen Norm. Die beiden Normen können nur gemeinsam existieren, da es sonst zu einem Widerspruch gegen die Grundlagen des Steuersystems kommt. Das Argument der Kohärenz greift auch in jenen Fällen, in denen der Steuernachteil bzw -vorteil bei unterschiedlichen Steuersubjekten eintritt (zB Mutter- und Tochtergesellschaft).
In der Rechtsache Lankhorst-Hohorst entschied der EuGH über Zinszahlungen an eine gebietsfremde Muttergesellschaft, welche als verdeckte Gewinnausschüttung besteuert wurde, während Zinszahlungen an eine inländische Muttergesellschaft als Betriebsausgabe abzugsfähig gewesen wären. In diesem Fall sah der EuGH keinen Vorteil der den Steuernachteil der Tochtergesellschaft einer gebietsfremden Muttergesellschaft ausgleicht. Die Berücksichtigung einer Minderbelastung bei der ausländischen Tochtergesellschaft auf Ebene der inländischen Muttergesellschaft wurde vom EuGH so bisher nicht akzeptiert. Zudem gibt es im österreichischen Steuerrecht kein generelles Prinzip, dass Betriebsausgaben nur dann abzugsfähig wären, wenn die korrespondierenden Einnahmen beim Steuerpflichtigen tatsächlich besteuert werden. Das Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 führt idR wirtschaftlich gesehen nicht nur zur Besteuerung mit dem Körperschaftsteuersatz iHv (damals) 25%, welcher für Inlandssachverhalte gilt, sondern zu einer höheren Steuerbelastung, da die niedrige Besteuerung im anderen Staat hinzukommt. Dies spricht gegen eine Rechtfertigung iSd Kohärenz.
Nach den Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen war schließlich zu prüfen, ob eine Rechtfertigung aufgrund des Verweises auf aktuelle internationale Entwicklungen (BEPS-Aktionsplan der OECD, Empfehlungen der Code of Conduct-Gruppe der EU) möglich ist.
Mit dem Erlass des Abzugsverbots handelte Österreich gegen die Handlungsempfehlung der OECD. Die inländische Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 erging als unilaterale Maßnahme, ohne den Abschlussbericht der OECD abzuwarten. Die österreichische Regelung entspricht auch nicht den empfohlenen Maßnahmen des Abschlussberichts der OECD zum Aktionspunkt 4, weshalb nach Ansicht des Richters eine diesbezügliche Rechtfertigung nicht in Frage kommt.
Zur unionsrechtlichen Beurteilung des konzerninternen Abzugsverbots für niedrig besteuerte Zinsen und Lizenzgebühren war schließlich insbesondere auf die folgenden Urteile des EuGH hinzuweisen:
, Lexel AB,
, X BV.
In der Entscheidung des , Lexel AB, befasste sich der EuGH mit einer schwedischen Regelung, die ein Abzugsverbot für bestimmte Zinszahlungen im Konzern vorsieht.
Die betroffene Regelung im schwedischen Einkommensteuergesetz lautete wie folgt:
§ 10b: Zinskosten, die sich auf eine Verbindlichkeit gegenüber einem verbundenen Unternehmen beziehen, sind nicht in Abzug zu bringen.
§ 10d Abs. 1: Zinskosten, die sich auf Verbindlichkeiten gegenüber einem verbundenen Unternehmen beziehen, sind abzugsfähig, wenn die entsprechenden Einkünfte gemäß den Rechtsvorschriften des Staates, in dem das verbundene Unternehmen, dem die Einkünfte tatsächlich zugutekommen, niedergelassen ist, mit einem nominalen Steuersatz von mindestens 10 % besteuert worden wären, wenn das Unternehmen nur diese Einkünfte gehabt hätte (10%-Regel).
§ 10d Abs. 3: Zinskosten gemäß § 10d Abs. 1 sind nicht abzugsfähig, wenn das Schuldverhältnis zwischen den verbundenen Unternehmen hauptsächlich zu dem Zweck begründet wurde, ihnen einen erheblichen Steuervorteil zu verschaffen (Ausnahmebestimmung).
Konkret ging es im Verfahren um die Ausnahmebestimmung, wonach der Zinsabzug im Konzern versagt wurde, wenn das Schuldverhältnis zwischen den verbundenen Unternehmen hauptsächlich zu dem Zweck begründet wurde, ihnen einen erheblichen Steuervorteil zu verschaffen. Aus dem Zusammenspiel mit den schwedischen Regelungen zum Konzernbeitrag ergab sich, dass der Zinsabzug hingegen erlaubt hätte werden können, wenn die Darlehensgeberin ihren Sitz in Schweden gehabt hätte. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass die schwedische Ausnahmeregelung eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nach Art 49 AEUV darstellt.
Nach Meinung des EuGH liegt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor, weil im vorliegenden grenzüberschreitenden Fall der Lexel AB der Zinsabzug aufgrund der Motivregel versagt wird, während dies im reinen Inlandsfall nicht passieren würde. Die Beschränkung lasse sich auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigen.
Die Beschränkung kann nicht durch die Absicht gerechtfertigt werden, Steuerbetrug und Steuerumgehung zu bekämpfen, da die Motivregel nicht nur auf rein künstliche Gestaltungen Anwendung findet und dem Steuerpflichtigen nicht die Möglichkeit eröffnet, wirtschaftliche Gründe für die Gestaltung vorzutragen.
Die Beschränkung ist auch nicht durch die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt, weil ihr Zweck nicht darin liegt, zu verhindern, dass der Steuerpflichtige, nach Belieben bestimmen kann, in welchem Mitgliedstaat er Gewinne versteuert und Verluste abzieht. Sie dient vielmehr dazu, die Aushöhlung der schwedischen Steuerbemessungsgrundlage durch konzerninterne grenzüberschreitende Darlehen zu verhindern, und zwar auch dann, wenn das Darlehen fremdüblich ist.
Auch eine Rechtfertigung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch eine Gesamtbetrachtung der Rechtfertigungsgründe der Bekämpfung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse lehnte der EuGH ab. Eine Gesamtbetrachtung sei dann nicht möglich, wenn die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse allein - wie im vorliegenden Fall - kein einschlägiger Rechtfertigungsgrund sei.
Von Relevanz für die Beurteilung des § 10 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 sind insbesondere die nachstehenden Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Lexel AB:
Rn 50: Außerdem ist zum einen dem Steuerpflichtigen, ohne ihn übermäßigen Verwaltungszwängen zu unterwerfen, im Rahmen der Prüfung, ob es sich um eine rein künstliche Konstruktion zu ausschließlich steuerlichen Zwecken handelt, die Möglichkeit einzuräumen, Beweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss dieses Geschäfts beizubringen (Urteil vom , Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Rn. 82).
Rn 51: Zum anderen erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, falls sich der betreffende geschäftliche Vorgang nach einer Prüfung solcher Umstände als eine rein künstliche Konstruktion erweisen sollte, für die es keine realen wirtschaftlichen Gründe gibt, dass das Abzugsrecht nur insoweit versagt wird, als die Zinsen den Betrag übersteigen, der ohne eine besondere Beziehung zwischen den Vertragspartnern vereinbart worden wäre (Urteil vom , Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C-524/04, Rn. 83).
Rn 53: Der spezifische Zweck der Ausnahmebestimmung ist nicht die Bekämpfung rein künstlicher Konstruktionen, und ihre Anwendung beschränkt sich nicht auf solche Konstruktionen. Wie die Steuerverwaltung in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen eingeräumt hat, betrifft diese Bestimmung nämlich Verbindlichkeiten aus privatrechtlichen Geschäften, nicht jedoch ausschließlich künstliche Konstruktionen. Somit können, je nach Bewertung der Ziele des fraglichen Geschäfts durch die Steuerverwaltung, unter die Ausnahmebestimmung auch Geschäfte fallen, die unter Bedingungen des freien Wettbewerbs geschlossen wurden, d. h. unter Bedingungen, die denjenigen entsprechen, diezwischen unabhängigen Gesellschaften Anwendung fänden.
Rn 55: Der bloße Umstand, dass eine Gesellschaft in einer grenzüberschreitenden Situation, bei der keine künstliche Transaktion vorliegt, Zinsen in Abzug bringen möchte, vermag eine Maßnahme, die die in Art. 49 AEUV vorgesehene Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt, nicht zu rechtfertigen.
Rn 56: Festzustellen ist, dass Geschäfte vom Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung umfasst sein können, die unter Bedingungen des freien Wettbewerbs geschlossen wurden und folglich keine rein künstlichen oder fiktiven Konstruktionen darstellen, die zu dem Zweck errichtet wurden, die auf aus Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne normalerweise zu entrichtende Steuer zu umgehen.
Rn 57: Somit kann eine Rechtfertigung nicht aus der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerumgehung hergeleitet werden.
In seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom , C-585/22, X-BV, hielt der EuGH fest, dass Artikel 10a der niederländischen Rechtsvorschriften zur Körperschaftssteuer, eine Regelung zur Begrenzung des Zinsabzugs, mit dem EU-Recht vereinbar ist. Obwohl dieser Artikel einen Unterschied in der Behandlung zwischen einer inländischen und einer grenzüberschreitenden Situation einführt, ist dieser Unterschied durch die Notwendigkeit der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung gerechtfertigt.
Artikel 10a der niederländischen Rechtsvorschrift zur Körperschaftsteuer soll verhindern, dass die niederländische Steuerbemessungsgrundlage durch die künstliche Schaffung von Zinslasten innerhalb einer Gruppe von Steuerzahlern ausgehöhlt wird. Transaktionen, die in den Anwendungsbereich dieses Artikels fallen, sind ein interner oder externer Erwerb, eine Dividendenzahlung (Gewinnausschüttung), oder eine Kapitaleinlage in ein verbundenes Unternehmen (d.h. eine Beteiligung an dem Unternehmen von mindestens 1/3). Zinsen, die sich auf die Finanzierung solcher Transaktionen beziehen, sind nur abzugsfähig, wenn das Darlehen und die zugrundeliegende Transaktion überwiegend auf soliden wirtschaftlichen Erwägungen beruhen oder wenn die erhaltenen Zinsen nach niederländischen Maßstäben effektiv und ausreichend besteuert werden (Besteuerung von mindestens 10% des steuerpflichtigen Gewinns).
Der EuGH stellte fest, dass die niederländischen Rechtsvorschriften tatsächlich eine Ungleichbehandlung beinhalten. Diese verfolgen allerdings das legitime Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Besagter Artikel 10a des niederländischen Körperschaftsteuergesetzes ist dem Ziel der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung angemessen und gilt auch für Fälle, in denen, wie im vorliegenden, eine Einheit erst infolge des Erwerbs oder der Erhöhung einer Beteiligung zu einer mit dem Steuerpflichtigen verbundenen Einheit wird.
Der Gerichtshof wies auch darauf hin, dass die Vermutung rein künstlicher Gestaltungen vom Steuerpflichtigen widerlegt werden kann. Die Prüfung, ob die Voraussetzung der Marktüblichkeit eingehalten wurde, müsse sich insbesondere auf die wirtschaftliche Realität der Transaktionen beziehen.
Wenn der künstliche Charakter einer bestimmten Transaktion aus einem außergewöhnlich hohen Zinssatz für ein solches Darlehen resultiert, der die wirtschaftliche Realität widerspiegelt, verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Berichtigung für den Teil der für dieses Darlehen gezahlten Zinsen, der den marktüblichen Satz übersteigt. Die Verweigerung des Zinsabzugs würde über das hinausgehen, was notwendig ist, um völlig künstliche Regelungen zu verhindern.
Ist das Darlehen hingegen an sich wirtschaftlich nicht gerechtfertigt und wäre es ohne die Beziehung zwischen den Unternehmen und den angestrebten Steuervorteil nie abgeschlossen worden, so steht es im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Abzug der gesamten Zinsen zu verweigern.
Mit diesem Urteil hob der EuGH hervor, dass gruppeninterne Darlehen trotz marktüblicher Konditionen dennoch als rein künstliche Gestaltungen angesehen werden können. Liegt eine rein künstliche Gestaltung vor (zB weil das Darlehen ohne eine besondere Beziehung zwischen den betreffenden Gesellschaften und ohne den angestrebten steuerlichen Vorteil nicht aufgenommen worden wäre), kann der Zinsabzug auch in vollem Umfang verweigert werden.
Entgegen der Entscheidung in der Rechtssache Lexel AB bejahte der EuGH somit im Urteil X BV die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch Gründe der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerumgehung.
Von Relevanz für den verfahrensgegenständlichen Fall sind insbesondere die Ausführungen des EuGH zur Ungleichbehandlung (Rn 37 bis 47), wonach die Anknüpfung an ein Besteuerungsniveau beim Empfänger von zumindest 10% zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führen kann, wenn im Inlandsfall praktisch immer eine ausreichend hohe Besteuerung vorliegt und das Abzugsverbot somit im Endeffekt nur in grenzüberschreitenden Sachverhalten zur Anwendung gelangt (indirekte bzw de facto-Diskriminierung).
Im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung bejahte der EuGH die Vergleichbarkeit von Zinszahlungen an einen inländischen Empfänger mit Zinszahlungen an einen ausländischen niedrigbesteuerten Empfänger (siehe Rn 48 bis 52).
Die niederländischen Vorschriften sind durch das Ziel der Bekämpfung von Steuerbetrug und -umgehung gerechtfertigt, da sie darauf abzielen, künstliche Darlehen und dadurch erzeugte Zinsen zu verhindern, die keine wirtschaftliche Realität widerspiegeln (Rn 71 und 72).
Die niederländischen Vorschriften sind zudem verhältnismäßig, da sie es dem Steuerpflichtigen ermöglichen, nachzuweisen, dass die Darlehen und die damit verbundenen Transaktionen auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhen und nicht ausschließlich aus steuerlichen Gründen abgeschlossen wurden.
Wenn sich der künstliche Charakter eines Geschäfts aus einem ungewöhnlich hohen Zinssatz auf ein solches Darlehen ergebe, das ansonsten die wirtschaftliche Realität widerspiegle, verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Teil dieser gezahlten Zinsen, der über dem marktüblichen Zinssatz liegt, auszunehmen (Rn 87).
Wenn hingegen das in Rede stehende Darlehen selbst wirtschaftlich ungerechtfertigt sei und es ohne eine besondere Beziehung zwischen den betreffenden Gesellschaften und den angestrebten steuerlichen Vorteil niemals aufgenommen worden wäre, stehe es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang, den Abzug dieser Zinsen vollständig zu verweigern (Rn 88).
Zusammenfassend lässt sich unter Berücksichtigung der Aussagen des EuGH in den Entscheidungen Lexel AB und X BV festhalten, dass das Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit faktisch zwischen inlands- und auslandsansässigen Empfängern diskriminierend wirkt. Die Rechtfertigung dieser Diskriminierung scheitert an der fehlenden Anwendbarkeit auf rein künstliche Konstrukte sowie am pauschal ausgestalteten Abzugsverbot, welches nicht bloß den fremdunüblichen Teil der Zinsen oder Lizenzgebühren erfasst. Im Übrigen ist die Möglichkeit eines Gegenbeweises in der inländischen Regelung nicht vorgesehen.
Nach Ansicht des Richters verstößt die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 daher gegen die Niederlassungsfreiheit und damit gegen primäres Unionsrecht.
Aufgrund der Tatsache, dass die gegenständliche Rechtsfrage vom EuGH in den Rechtssachen Lexel AB und X BV in ähnlicher Form bereits beurteilt wurde, konnte zur Lösung auf die oben dargestellte Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Von einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH wurde daher abgesehen (vgl CILFIT, C-283/81).
Im Fall der unmittelbaren Anwendbarkeit von Unionsrecht ist eine sogenannte bereinigte Rechtslage zur Anwendung zu bringen. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind nationale Gerichte, die im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden haben, gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen.
Dabei ist darauf zu achten, dass der nationale Besteuerungsanspruch so weit wie möglich erhalten bleibt ("Methode der geltungserhaltenden Reduktion"). Die Verdrängung darf also bloß jenes Ausmaß erreichen, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen. Bestehen mehrere gleichwertige unionsrechtskonforme Lösungen, ist jene Lösung zur Anwendung zu bringen, mit welcher materiell am wenigsten in das nationale Recht eingegriffen wird. Soweit als möglich, ist die normative Anordnung des nationalen Gesetzgebers aufrechtzuerhalten (vgl ; , 2011/15/0070; , 2008/15/0064).
Das Abzugsverbot gemäß § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 ist daher iSd geltungserhaltenden Reduktion auf Fälle des Missbrauchs und Fälle, in denen ein ungewöhnlich hoher, fremdunüblicher Zinssatz zur Anwendung gelangt, einzuschränken.
Im vorliegenden Fall wurde die Darlehensvereinbarung bereits im Jahr 2007, dh geraume Zeit vor Inkrafttreten des AbgÄG 2014, im Rahmen eines rein ausländischen, konzerninternen Finanzierungsvorgangs mit einer Laufzeit von 15 Jahren abgeschlossen. Die Verzinsung des gewährten Darlehens betrug ursprünglich 5% p.a. und wurde ab dem Jahr 2010 auf 2% p.a. reduziert.
Im Zuge einer grenzüberschreitenden Restrukturierung des Konzerns im Jahr 2014 wurde der verbliebene aushaftende Darlehensbetrag (Stand per : 150 Mio. Euro) durch eine Verschmelzung auf die Bf ins Inland übernommen. Neben diesem Gesellschafterdarlehen erfolgt die Finanzierung der Bf im Übrigen überwiegend über Eigenkapital.
Aus dem bekannten Sachverhalt ergaben sich keine Hinweise auf das Vorliegen von Missbrauch iSd § 22 BAO iZm der übertragenen Darlehensvereinbarung zwischen der Bf und ihrer liechtensteinischen Muttergesellschaft. Die vereinbarte Verzinsung iHv 2% p.a. war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum auch als fremdüblich zu qualifizieren.
Die geltend gemachten Zinsaufwendungen unterlagen daher in unionsrechtskonformer Einschränkung der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 nicht dem Abzugsverbot und waren als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
III. Zusammenfassung
Im gegenständlichen Fall war die Beschwerde vom nach einer rein innerstaatlichen Betrachtungsweise (siehe dazu unter Punkt I.) betreffend das Jahr 2014 stattgebend und betreffend die Jahre 2015 bis 2017 abweisend zu erledigen.
Nach der unionsrechtlichen Beurteilung (siehe dazu unter Punkt II.) war die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 dahingehend einschränkend auszulegen, dass der strittige Zinsaufwand in allen verfahrensgegenständlichen Jahren als Betriebsausgabe abzugsfähig ist.
Unter Zugrundelegung der gemäß § 293b BAO berichtigten Feststellungsbescheide Gruppenträger 2014 bis 2017, alle vom , war das Einkommen der beschwerdeführenden Partei als Gruppenträger wie folgt neu festzusetzen.
Als abzugsfähige Betriebsausgaben waren dabei die gesamten Zinsaufwendungen aus dem Darlehen, dh inklusive der in den Jahren 2016 und 2017 von der Bf im Rahmen der Mehr-Weniger-Rechnung hinzugerechneten Beträge, zu berücksichtigen.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkommen Gruppenträger | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 |
lt. Bescheid vom | 9.381.548,48 | 3.623.766,43 | 23.882.104,93 | -362.865,67 |
abzugsfähige Zinsen | -3.456.438,36 | -2.794.706,85 | -2.221.529,86 | -1.898.701,35 |
lt. BFG-Erkenntnis | 5.925.110,12 | 829.059,58 | 21.660.575,07 | -2.261.567,02 |
Die übrigen Spruchbestandteile (anrechenbare bzw einbehaltene Steuern) bleiben unverändert.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer ordentlichen Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall liegt zur entscheidungserheblichen Rechtsfrage der innerstaatlichen Anwendbarkeit sowie der Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Eine solche Rechtsprechung fehlt auch zur Frage der unionsrechtskonformen Einschränkung des Abzugsverbots für konzerninterne Zinsen und Lizenzgebühren. Die ordentliche Revision ist daher zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 12 Abs. 1 Z 10 lit. c KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 Art. 49 AEUV, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. Nr. C 202 vom S. 47 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102685.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
DAAAF-57178