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VwGH 19.10.1960, 1509/58

VwGH 19.10.1960, 1509/58

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
EStG 1953 §46 Abs3 Z1
RS 1
Kinder, die sich mit Einwilligung des Steuerpflichtigen außerhalb seiner Wohnung nicht zu Erwerbszwecken, sondern zu Zwecken der Erziehung oder Ausbildung im Inland oder Ausland aufhalten, zählen nur dann zum Haushalt des Steuerpflichtigen, wenn eine einheitliche Wirtschaftsführung unter Leitung des Steuerpflichtigen besteht.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH Erkenntnis 1959/10/21 1092/56 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Eichler, Dr. Kaupp und Dr. Kadecka als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien, M.Abt. 11 gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VI - 429/58, betreffend Feststellung des Anspruches auf Kinderbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem an MP zu Handen des Bezirksjugendamtes für den Wiener 13. und 14. Bezirk gerichteten Bescheide vom widerrief das zuständige Finanzamt „die mit Beihilfenkarte für das Jahr 1956/1957 erfolgte Feststellung des Anspruches auf Kinderbeihilfe“ für die mj. FP und EP mit Wirkung ab  mit der Begründung, daß bezüglich des mj. FP weder Haushaltszugehörigkeit noch überwiegende Kostentragung gegeben sei, und daß die mj. EP bereits berufstätig sei und die Einkommensgrenze überschreite. Auf der genannten Beihilfenkarte für 1956/57 war die Kindesmutter MP als Anspruchsberechtigte und das Bezirksjugendamt für den 13. und 14. Bezirk als bezugsberechtigte Einrichtung angegeben. Das Bezirksjugendamt erhob gegen den Bescheid vom Beschwerde. Es beantragte, die Kinderbeihilfe für den mj. MP, geboren am , ab weiterhin laufend der Kindesmutter, Frau MP, beschäftigt bei der Firma V., zuzuerkennen und die Überweisung an das Bezirksjugendamt als Bezugsberechtigte zu veranlassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Minderjährige befinde sich lediglich vorübergehend und mit Zustimmung der Kindesmutter zu Erziehungszwecken in Heimpflege und werde nach Erreichung des beabsichtigten Zieles wieder in den mütterlichen Haushalt zurückkehren. Nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes gehörten Kinder auch dann zum Haushalte des Anspruchswerbers, wenn sie sich außerhalb seiner Wohnung zu Zwecken der Erziehung und Ausbildung aufhalten.

Die Finanzlandesdirektion wies die Beschwerde ab und führte zur Begründung im wesentlichen aus: Das Gesetz fordere, daß ein Kind, für welches ein Steuerpflichtiger die steuerliche Kinderermäßigung genießen soll, eng an den Haushalt des Steuerpflichtigen gebunden sei, daß es ein Heim habe. Die Kinderermäßigung habe den Zweck, denjenigen mit einer geringeren Steuer zu belasten, der einen Teil seines Einkommens für die Erziehung seines Kindes aufwenden muß. Das Kind müsse, wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnisse vom , Slg. 1281 (F), ausgeführt habe, im Rahmen der Wirtschaftsführung des Steuerpflichtigen eine entsprechende Berücksichtigung finden. Eine zeitliche Begrenzung des Aufenthaltes des Kindes außerhalb der Wohnung sei in den gesetzlichen Bestimmungen nicht vorgesehen. Von einer einheitlichen Wirtschaftsführung könne aber dann nicht gesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer für das mit seiner Zustimmung außerhalb seiner Wohnung befindliche Kind keine nennenswerten finanziellen Aufwendungen macht. Im vorliegenden Falle leiste die Kindesmutter nur einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 48,-, der im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten keineswegs nennenswert sei. Es könne demnach von einer einheitlichen Wirtschaftsführung, in deren Rahmen der Minderjährige eine entsprechende Berücksichtigung findet, bei der Kindesmutter nicht gesprochen werden. Aber auch die überwiegende Kostentragung sei nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht und dazu ausgeführt wird: Als Voraussetzung für den Anspruch auf Kinderbeihilfe werde u. a. gefordert, daß dem Anspruchsberechtigten, also der Mutter, Kinderermäßigung nach dem Einkommensteuergesetz zustehe. Im vorliegenden Falle befinde sich das Kind mit Einwilligung der Mutter zu Zwecken der Erziehung in einem Erziehungsheime der Stadt Wien. Für die Zuerkennung der Kinderermäßigung fordere das Gesetz die einheitliche Wirtschaftsführung in der Wohngemeinschaft oder die Zustimmung des Steuerpflichtigen zur Unterbringung des Kindes zu Zwecken der Erziehung und Ausbildung im In- oder Ausland. Eine einheitliche Wirtschaftsführung werde für diesen Fall, wie aus dem Bindewort „oder“ geschlossen werden müsse, nicht gefordert. Es sei daher lediglich die Zustimmung des Anspruchswerbers notwendig. Diese Voraussetzung sei hier eindeutig gegeben. Die Anspruchswerberin MP habe um Unterbringung des Kindes in Heimpflege ersucht und der Magistrat der Stadt Wien habe diesem Antrag als Jugendwohlfahrtsbehörde stattgegeben. Da die Anspruchswerberin als Bezieherin des Arbeitslosengeldes nur über ein geringes Einkommen verfüge, habe die Stadt Wien sie ursprünglich zu einer Ersatzleistung von S 48,- monatlich verpflichtet. Das Verfahren der belangten Behörde sei insofern auch mangelhaft geblieben, als sie es unterlassen habe, festzustellen, daß die Mutter seit eine Unterhaltsleistung von S 136,- monatlich erbringe. Diese Leistung sei deren Einkommensverhältnissen, derzeit S 145,80 wöchentliches Arbeitslosengeld, durchaus angemessen. Wenn auch die einheitliche Wirtschaftsführung in diesem Falle vom Gesetzgeber nicht gefordert werde, müsse doch festgestellt werden, daß das Kind im Haushalte der Mutter, und zwar durch deren Unterhaltsleistung, eine entsprechende, sogar sehr weitgehende Berücksichtigung finde. Durch den Umstand, daß die restlichen Kosten nach den Vorschriften über die öffentliche Fürsorge zu tragen sind, werde der Anspruch der Mutter auf Kinderbeihilfe in keiner Weise berührt. Der Anspruch auf Kinderbeihilfe stehe Frau MP nach den Bestimmungen des Kinderbeihilfengesetzes aber auch als einer „bedürftigen Mutter“ zu. Diese habe nach dem Gesetz Anspruch auf Kinderbeihilfe, wenn und solange als dem sonst Anspruchsberechtigten die Kinderbeihilfe lediglich aus dem Grunde nicht zusteht, weil er für die Kosten des Unterhaltes und der Erziehung nicht überwiegend aufkommt. Der sonst anspruchsberechtigte Vater des Kindes leiste lediglich einen Unterhaltsbeitrag von rund S 130,- monatlich. Da die Verpflegskosten für das Kind derzeit monatlich rund S 700,- betragen, komme er für den Unterhalt des Kindes nicht überwiegend auf. Dies sei nach dem klaren Wortlaute des Gesetzes die einzige Voraussetzung für die Zuerkennung der Anspruchsberechtigung an die bedürftige Mutter. Die Voraussetzungen für die Kinderermäßigung nach dem Einkommensteuergesetze seien, wie auch in einem Erlasse des Bundesministeriums für Finanzen ausgesprochen werde, für die bedürftige Mutter nicht gefordert. Da das Kind weiterhin der Pflege und Erziehung der Stadt Wien überantwortet sei, sei das Bezirksjugendamt nach dem Familienlastenausgleichsgesetz auch zum Bezug der Beihilfe berechtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Nach Art. I § 9 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 18/1955, (Familienlastenausgleichsgesetz) sind an Stelle des Anspruchsberechtigten zum Bezug einer Beihilfe die getrennt lebende Gattin, die geschiedene Gattin, die uneheliche Mutter und andere Personen sowie Einrichtungen berechtigt, wenn diese Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet einen Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Amtssitz oder Sitz haben und ihnen die Pflege und Erziehung des Kindes überantwortet ist (Bezugsberechtigte). Voraussetzung für die Bezugsberechtigung ist also das Vorhandensein einer zunächst anspruchsberechtigten Person. Kinderbeihilfe wird gemäß § 1 Abs. 3 des Kinderbeihilfengesetzes in der Fassung des Art. II des Familienlastenausgleichsgesetzes (5. Novelle zum Kinderbeihilfengesetz) den im Abs.1 Z. 1 - 3 und im Abs. 2 Z. 3 des Kinderbeihilfengesetzes angeführten Personen gewährt, wenn bei ihnen die Voraussetzungen für die Kinderermäßigung nach § 46 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 1/1954 (EStG 1953), vorliegen und das Kind nicht selbst Einkünfte - ausgenommen Lehrlingsentschädigung - in einem S 500,- monatlich übersteigenden Betrage bezieht. Der Anspruch auf den Bezug der Kinderbeihilfe hat danach seine Voraussetzung wieder in dem Anspruch auf Kinderermäßigung im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Nach § 46 Abs. 3 Z. 2 EStG 1953 steht dem Arbeitnehmer Kinderermäßigung für minderjährige Kinder zu, wenn die Kinder zum Haushalte des Arbeitnehmers gehören, und zwar auch dann, wenn die Kinder eigene Einkünfte beziehen. Zum Haushalte des Arbeitnehmers gehören mj. Kinder dann, wenn sie bei einheitlicher Wirtschaftsführung unter Leitung des Arbeitnehmers dessen Wohnung teilen oder sich mit seiner Einwilligung außerhalb seiner Wohnung nicht zu Erwerbszwecken, sondern zu Zwecken der Erziehung oder Ausbildung im Inland oder Ausland aufhalten.

Nach § 1 Abs. 2 Z. 2 des Kinderbeihilfengesetzes in der Fassung des Gesetzes vom , BGBl. Nr. 104/1953, (4. Novelle zum Kinderbeihilfengesetz) sind ferner anspruchsberechtigt bedürftige Mütter, wenn und solange als dem sonst Anspruchsberechtigten die Kinderbeihilfe lediglich aus dem Grunde nicht zusteht, weil er für die Kosten des Unterhaltes und der Erziehung der Kinder nicht überwiegend aufkommt.

Im vorliegenden Falle wurde im Verwaltungsverfahren die Bezugsberechtigung der Stadt Wien (Bezirksjugendamt) auf die Anspruchsberechtigung der Mutter des mj. Kindes gestützt. Der Anspruch gründete sich auf § 1 Abs. 1 und § 1 Abs. 3 des Kinderbeihilfengesetzes und wurde später durch den angefochtenen Bescheid wegen mangelnder Haushaltszugehörigkeit des Kindes aberkannt.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird nun der angefochtene Bescheid nicht nur im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung des Begriffes der Haushaltszugehörigkeit bekämpft, sondern darüber hinaus auch geltend gemacht, daß der Mutter des mj. FP die Kinderbeihilfe auch als bedürftiger Mutter zustehe. Nun kann zwar den Ausführungen der Beschwerde, daß bei Aufenthalt eines Kindes außerhalb der Wohnung des vermeintlich Anspruchsberechtigten schon allein dessen Einwilligung genüge, um die Haushaltszugehörigkeit der außerhalb der Wohnung befindlichen Kinder aufrecht zu erhalten, nicht beigepflichtet werden. Aber auch die im angefochtenen Bescheide vertretene Meinung, der Anspruchswerber müsse in einem solchen Falle nennenswerte finanzielle Aufwendungen zur Tragung der Kosten des Unterhalts oder der Erziehung erbringen, ist nicht richtig. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1092/56, dargelegt hat (auf Art. 19 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 220/1952 wird hingewiesen), sind nach den auch für das Kinderbeihilfengesetz maßgeblichen Bestimmungen des § 46 Abs. 3 und des § 32 Abs. 4 EStG 1953 zum Haushalte des Steuerpflichtigen (hier des Anspruchswerbers) auch Kinder zu zählen, die sich mitdessen Zustimmung zur Erziehung oder Ausbildung außerhalb seiner Wohnung aufhalten, wenn auch in diesem Fall eine einheitliche Wirtschaftsführung unter Leitung des Steuerpflichtigen besteht. Das Gesetz fordert im Falle der Kinderermäßigung wegen Haushaltszugehörigkeit nicht, daß die Kinder überwiegend auf Kosten des Arbeitnehmers erhalten und erzogen werden, es schließt sogar nicht aus, daß diese Kosten von einem Dritten ganz oder zum Teile getragen werden. Allein nur dann, wenn die Mittel zur Tragung der Kosten, tatsächlich im Rahmen der einheitlichen Wirtschaftsführung unter der Leitung des Arbeitnehmers verwendet werden, gehört das Kind zu dessen Haushalt im Sinne des Gesetzes. Danach ist es aber nicht erforderlich, daß der Anspruchswerber selbst „nennenswerte finanzielle Aufwendungen“ macht. Vor allem wird ein Vergleich dieser Aufwendungen mit den tatsächlichen Kosten des Unterhalts und der Erziehung unterbleiben müssen. Maßgebend wird aber sein, ob der Anspruchswerber im Rahmen einer einheitlichen Wirtschaftsführung über die ihm zu Gebote stehenden Mittel so verfügt, daß dabei auch das Kind bedacht und damit seiner Obsorge teilhaftig wird. Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Falle gegeben waren, hat die belangte Behörde jedoch nicht untersucht. Damit ist nicht nur das Verfahren mangelhaft geblieben, der angefochtene Bescheid ist vielmehr auch mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet, weil die belangte Behörde auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht die Haushaltszugehörigkeit des mj. FP, allein aus dem Grunde verneint hat, weil „im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten“ die Kindesmutter „keine nennenswerten finanziellen Aufwendungen“ für den Unterhalt und die Erziehung des Kindes mache und wenn sie als weitere Folge davon den Anspruch der Kindesmutter auf die Kinderbeihilfe und schließlich die Bezugsberechtigung des beschwerdeführenden Bezirksjugendamtes verneinte. Der angefochtene Bescheid war somit schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen hätte jedoch die belangte Behörde auf Grund der vom Bezirksjugendamte gestellten Anträge und des ihr vorliegenden Sachverhaltes, wenn sie schon die ursprüngliche Anspruchsberechtigung der Kindesmutter mangels Haushaltszugehörigkeit des Kindes nicht für gegeben erachtete, von sich aus die Frage prüfen müssen, ob der Kindesmutter nicht als einer „bedürftigen Mutter“ ein abgeleiteter Anspruch auf Kinderbeihilfe zustand. In diesem Belange wird auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tage, Zl. 1347/58, hingewiesen.

Wien, am

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Norm
EStG 1953 §46 Abs3 Z1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1960:1958001509.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-55130