VwGH 07.04.1976, 1413/75
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Fällt eine Privatforderung entgültig aus und erfolgt eine Teilzahlung, die nach den zivilrechtlichen Vorschriften und den vertraglichen Vereinbarungen auf die rückständigen Zinsen anzurechnen ist, so ist dieser Teilzahlung steuerrrechtlich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht als das Zufließen von Zinsen sondern als teilweise Kapitalabstattung zu beurteilen (Hinweis auf RFhU v , RStBl 1937, S 7 und gegenteilige Judikatur des BfH). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Schwärzler, über die Beschwerde des SP in O, vertreten durch Dr. Armin Haidacher, Rechtsanwalt in Graz, Tummelplatz 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat I, vom , Zl. 175-II-1974, betreffend Einkommensteuer 1971 zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In einem vor einem öffentlichen Notar unterfertigten Schuldschein vom bekannte Elfriede Z.-S., dem Beschwerdeführer einen Betrag von S 923.000,-- als Darlehen zu schulden. In dem genannten Schuldschein heißt es weiters:
"Ich verpflichte mich
1) Das Darlehen beginnend mit 1. Oktober Eintausendneunhundertachtundsechzig mit 6 % (sechs v. Hundert) für das Jahr zu verzinsen und die Zinsen mit dem Kapital zu entrichten;
2) das gesamte Darlehen ist nach Maßgabe des Abverkaufes der Liegenschaft EZ. 18, KG. X, in der dasselbe pfandrechtlich sichergestellt wird, zur Rückzahlung fällig und zwar nach Tilgung der Kreditschuld bei der Sparkasse in Wolfsberg von S 2,012.000,-- und der Schuld an Herrn Walter G. von S 130.000,--. Im Fall des gänzlichen oder teilweisen Abverkaufes der Liegenschaft ist daher zuerst der Kredit bei der Sparkasse, der ab der ersten Ausnützung auf Abwicklung zu stellen ist, danach die Schuld an Herrn Walter
G. zu berichtigen, danach sind die erzielten Kaufpreise zur Berichtigung des gegenständlichen Darlehens heranzuziehen.
Es wird vereinbart, daß bei Teilrückzahlungen zuerst die bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung fällig gewordenen Zinsen, dann die bis dahin anerlaufenen Spesen und sodann erst Kapitalabstattungen zu leisten sind."
Ende 1968, Anfang 1969 hat Elfriede Z.-S. die gesamte Liegenschaft EZ. 18, KG. X, ihrer Tochter Gertrude S. - einer Medizinstudentin - verkauft.
Über Betreiben des Gläubigers Walter G. kam es zur Versteigerung der genannten, von einem gerichtlich beeideten Sachverständigen mit S 2,971.399,-- geschätzten Liegenschaft. Die Liegenschaft wurde am dem Beschwerdeführer um das Meistbot von S 1,495.699,-- zugeschlagen. Aus dem Meistbotverteilungsbeschluß vom ergibt sich, daß dem Beschwerdeführer zur teilweisen Berichtigung seiner Forderungen aus der Verteilungsmasse der Restbetrag von S 125.672,-- zugewiesen wurde, wodurch laut dem erwähnten Beschluß die Zinsen bis auf einen Restbetrag von ca. S 18.000,-- berichtigt wurden, während das Kapital noch zur Gänze aushaftete.
Der Beschwerdeführer hat noch im Jahre 1971 eine Reihe von Teilen der genannten Liegenschaft abverkauft. Das Finanzamt erblickte darin steuerpflichtige Spekulationsgeschäfte und ermittelte bei der Veranlagung für 1971 dementsprechende Spekulationsgewinne.
Gegen den Einkommensteuerbescheid für 1971 wurde berufen und vorgebracht, daß den Anschaffungskosten auch die offene Schuld der Elfriede Z.-S. an den Beschwerdeführer hinzuzurechnen sei.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und beurteilte erstmals den Zinsenbetrag von S 125.672,-- als steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen. Diese Berufungsvorentscheidung setzte der Beschwerdeführer durch fristgerechte Antragstellung gemäß § 276 Abs. 1 BAO außer Wirksamkeit. In einem ergänzenden Schriftsatz wurde zu der Frage der Zinsen ausgeführt, daß die Rückzahlung von Kapital keinen steuerpflichtigen "Ertrag" darstelle. Würde die ordnungsgemäße Rückzahlung einer Schuld auf mehrere Jahre verteilt erfolgen, so müßten bei "Bemessung der Teilzahlungen" Zinsen berücksichtigt werden. Eine Trennung zwischen steuerfreier Kapitalzahlung und steuerpflichtigen Zinsen wäre durch Errechnung des Barwertes der gesamten Teilbeträge mit Hilfe der Rentenformel vorzunehmen. Ferner wurde auf eine Kommentarstelle bei Blümich-Falk, 7. Aufl., hingewiesen, wonach steuerlich, abweichend vom bürgerlichen Recht, nicht anzunehmen sei, daß bei Teilzahlung und endgültigem Ausfall der Restforderung in der Teilzahlung Zinsen enthalten seien.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung, was die Ermittlung der Spekulationsgewinne anlangt, Folge gegeben. Die belangte Behörde hat jedoch den erstinstanzlichen Bescheid (in Übereinstimmung mit der außer Wirksamkeit getretenen Berufungsvorentscheidung) dahin zum Nachteil des Beschwerdeführers abgeändert, daß sie die erwähnten Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen behandelte. Diesbezüglich hat die belangte Behörde ausgeführt:
Im vorliegenden Fall sei dem Beschwerdeführer im Berufungszeitraum aus dem Meistbot ein Betrag in Höhe von S 125.672,95 zugeflossen. Er vertrete die Ansicht, daß darin sowohl Zinszahlungen als auch Kapitalrückzahlungen seitens seiner Schuldnerin enthalten seien. Diese Ansicht stehe im Widerspruch zu der Vereinbarung, die der Beschwerdeführer selbst anläßlich der Hingabe des Darlehens im Jahr 1969 mit der Darlehensnehmerin hinsichtlich der Rückzahlung getroffen habe. Es sei vereinbart worden, daß bei Teilrückzahlungen zuerst die bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung fällig gewordenen Zinsen, dann die bis dahin anerlaufenen Spesen und sodann erst Kapitalabstattungen zu leisten seien. Auch das Bezirksgericht W. habe im Meistbotverteilungsbeschluß festgestellt, daß mit der Barauszahlung an den Beschwerdeführer als Pfandgläubiger (S 125.672,95) die Zinsen in Höhe von insgesamt S 143.988,-- zum Teil berichtigt seien, wogegen das Kapital noch zur Gänze aushafte. Der Beschwerdeführer habe dazu in der mündlichen Verhandlung zwar angegeben, daß die Bezeichnung der im Meistbotverteilungsbeschluß genannten Schuldberichtigungen unrichtig sei. Näheres habe er dazu jedoch nicht anzugeben vermocht. Ebenso habe er keine der genannten Regelung im Schuldschein widersprechenden Fakten vorgebracht. Die vom Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Darlehensgewährung selbst gewollte Regelung entspreche auch dem § 1416 ABGB und den Erfahrungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, wonach im Zweifelsfall mit den erfolgten Zahlungen zuerst die Zinsen und sodann erst das Kapital als abgedeckt angesehen werde. Der Berufungssenat habe daher die teilweise Berichtigung der Forderung des Beschwerdeführers aus dem Meistbot in Höhe von S 125.672,95 zur Gänze als ein Zufließen von Zinsen angesehen. Daran vermöge auch der vom Beschwerdeführer getroffene Hinweis auf den Kommentar von Blümich-Falk nichts zu ändern. Die zitierte Kommentarstelle beziehe sich nämlich auf eine vom Reichsfinanzhof geäußerte Rechtsmeinung (vgl. RStBl. 1937, S. 8), welcher der Bundesfinanzhof nicht gefolgt sei und die nach Ansicht des Senates auf jene Fälle nicht anwendbar sei, in denen die Beteiligten, wie im vorliegenden Fall, ausdrücklich vereinbart hätten, daß Zahlungen des Schuldners zuerst auf die Zinsen und sodann erst auf das aushaftende Kapital angerechnet werden sollen (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., Anmerkung 7 zu § 11, S. 1051).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Im Beschwerdefall steht in Streit, ob die dem Beschwerdeführer 1971 aus der Meistbotverteilung zugeflossenen S 125.672,95 ausschließlich als Zinsen der Kapitalforderung des Beschwerdeführers anzusehen sind oder ob darin nicht eine Kapitaltilgung zu erblicken ist. Die belangte Behörde bejaht ersteres, der Beschwerdeführer behauptet Kapitaltilgung.
Die belangte Behörde beruft sich für ihren Standpunkt auf das bürgerliche Recht und verweist auf § 1416 ABGB - danach ist mangels anderer Vereinbarung bei einer Schuldnerzahlung die Zahlung zuerst auf die Zinsen und dann auf das Kapital anzurechnen -, auf die zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Schuldnerin getroffene vertragliche Vereinbarung und auf den Meistbotverteilungsbeschluß. Ferner glaubt die belangte Behörde, auf die Erfahrungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr Bezug nehmen zu können. Hingegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß, weil die Uneinbringlichkeit der Restforderung feststehe, in wirtschaftlicher Betrachtungsweise Kapitaltilgung anzunehmen sei.
Der belangten Behörde ist einzuräumen, daß bei dem gegebenen Sachverhalt zivilrechtlich durch die Zahlung des strittigen Betrages die teilweise Abstattung der geschuldeten Zinsen erfolgt ist. Diese zivilrechtliche Rechtsfolge ist aber für die Besteuerung ohne ausschlaggebendes Gewicht, weil in wirtschaftlicher Betrachtungsweise bei endgültigem Ausfall einer Forderung (des Vermögensstammes) und im gleichen Jahr erfolgter Zahlung eines Teilbetrages, der nach dem bürgerlichen Recht auf die Zinsen (die Erträge des Vermögensstammes) anzurechnen ist, die wahre wirtschaftliche Bedeutung dieses Vorganges - abweichend von seiner bürgerlich-rechtlichen Wertung - im Untergang der Kapitalforderung abzüglich des bezahlten Teilbetrages liegt, dem mithin die wirtschaftliche Funktion einer teilweisen Kapitaltilgung und nicht einer Zinsenzahlung zukommt. Die von dieser wirtschaftlichen Betrachtung abweichende bürgerlichrechtliche Beurteilung stellt in diesem Fall nach Ansicht des Gerichtshofes nur die äußere Erscheinungsform, nicht aber den wahren wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhaltes dar (§ 21 Abs. 1 BAO). Zu diesem Ergebnis ist übrigens auch der Reichsfinanzhof im Urteil vom , RStBl. 1937, S. 8, gelangt, wobei er sich übrigens auch ausdrücklich auf die Verkehrsauffassung berufen hat. Diesem Ergebnis scheinen auch Blümich-Falk, 10. Aufl., S. 2070, und Hermann-Heuer, Stichwort "Zinsen" bei Anmerkung 75 zu § 11, zu folgen, indem sie den Rechtssatz des zitierten Urteiles des Reichsfinanzhofes ohne weitere Kommentierung übernehmen. Der belangten Behörde ist einzuräumen, daß der Bundesfinanzhof dieser Rechtsansicht des Reichsfinanzhofes nicht gefolgt ist und daß Zahlungen des Schuldners jedenfalls dann als Zinsen behandelt werden sollen, wenn die Beteiligten davon ausgehen, daß es sich um Zinsen handelt (vgl. Littmann, 11. Aufl., Tz 7 zu § 11). Der Verwaltungsgerichtshof kann sich dieser Ansicht jedoch nicht anschließen, weil er die gegenteilige Lösung in wirtschaftlicher Sicht für die richtige erachtet.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Für das fortzusetzende Berufungsverfahren wird die belangte Behörde unter Beachtung der hg. Rechtsansicht jedoch zu ermitteln haben, ob die Beschwerdebehauptung, daß die Darlehensforderung des Beschwerdeführers endgültig uneinbringlich sei, tatsächlich zutrifft.
Aus Vorstehendem folgt, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 4/1975, insbesondere auf Art. I Z. 1 der genannten Verordnung. Die begehrte Umsatzsteuer konnte nicht zugesprochen werden, da sie mit dem pauschalen Schriftsatzaufwand abgegolten ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4965 F/1976; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1976:1975001413.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-54875